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WEIT IST DAS LAND: Erzählungen
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eBook263 Seiten3 Stunden

WEIT IST DAS LAND: Erzählungen

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Über dieses E-Book

Jed Ashbury war am Ende. Die Indianer hatten ihn geschlagen und ausgepeitscht, und seine Füße waren mit Blasen und offenen Wunden bedeckt. Allein in der Wüste... hatte er keine Chance. Bis er die Überreste eines Wagenzuges entdeckte. Die Indianer hatten ihn überfallen, und Jed fand Wasser, Proviant und neue Kleidung. Und ein Bündel mit Briefen, aber das hätte er lieber nicht an sich nehmen sollen. Denn diese Briefe bedeuteten Ärger, und den konnte Jed in seiner Lage am wenigsten gebrauchen...

Weit ist das Land enthält acht ausgewählte Erzählungen von Louis L'Amour, der als der weltweit erfolgreichste Western-Autor gilt.

Der Apex-Verlag veröffentlicht Weit ist das Land in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehene Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum26. Okt. 2018
ISBN9783743884526
WEIT IST DAS LAND: Erzählungen

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    Buchvorschau

    WEIT IST DAS LAND - Louis L'Amour

    Das Buch

    Jed Ashbury war am Ende. Die Indianer hatten ihn geschlagen und ausgepeitscht, und seine Füße waren mit Blasen und offenen Wunden bedeckt. Allein in der Wüste... hatte er keine Chance. Bis er die Überreste eines Wagenzuges entdeckte. Die Indianer hatten ihn überfallen, und Jed fand Wasser, Proviant und neue Kleidung. Und ein Bündel mit Briefen, aber das hätte er lieber nicht an sich nehmen sollen. Denn diese Briefe bedeuteten Ärger, und den konnte Jed in seiner Lage am wenigsten gebrauchen...

    Weit ist das Land enthält acht ausgewählte Erzählungen von Louis L'Amour, der als der weltweit erfolgreichste Western-Autor gilt.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht Weit ist das Land in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehene Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

    WEIT IST DAS LAND (Riding For The Brand)

    Er hatte den Planwagen über eine Stunde lang beobachtet. Nichts hatte sich bewegt, kein Geräusch war zu hören gewesen. Die Körper der beiden Tiere, die den Wagen gezogen hatten, lagen deutlich sichtbar im Gras. Fast eine Meile entfernt stand ein einsamer Büffelbulle, der sich schwarz gegen den grauen Dunst der Entfernung abhob.

    In der Nähe des Wagens bewegte sich nichts. Aber Jed Asbury hatte zu lange im Indianergebiet gelebt, um seinen Skalp wegen einer augenscheinlichen Tatsache zu riskieren. Er wusste, dass ein Indianer stundenlang völlig bewegungslos verharren konnte. Er hatte nicht die Absicht, irgendetwas dem Zufall zu überlassen, zumal er splitternackt und unbewaffnet war.

    Vor zwei Tagen war er von Indianern bis auf die Haut ausgezogen und zum Spießrutenlaufen gezwungen worden. Aber er war schneller gelaufen, als sie erwartet hatten, und hatte ohne größere Verletzungen entkommen können.

    Jetzt, meilenweit entfernt, war er an der Grenze seiner Belastbarkeit angekommen. Trotz wenig Wasser und noch weniger Nahrung war er zwar immer noch in der körperlichen Verfassung, weiter zu marschieren, aber seine Füße machten nicht mehr mit. Sie waren zerschnitten und geschwollen und völlig mit getrocknetem Blut verkrustet.

    Vorsichtig ging er weiter. Indem er jede nur mögliche Deckung ausnutzte, näherte er sich allmählich dem Wagen. Als er noch zwanzig Meter entfernt war, ließ er sich im Gras nieder, um den Anblick, der sich ihm bot, genau zu durchdenken.

    Es sah wie nach einem Angriff aus. Augenscheinlich war der Wagen verlassen, und die Körper von zwei Männern und einer Frau lagen ausgestreckt im Gras. Kleidungsstücke, Papiere und Küchengeräte lagen verstreut umher und zeugten von einer hastigen Plünderung. Was auch immer die Zukunftspläne dieser Menschen gewesen waren, sie waren jetzt zunichte gemacht. Die Ausbreitung der Zivilisation in Richtung Westen hatte ein weiteres Opfer gefordert. Und die Toten würden es ihm nicht missgönnen, wenn er sich nahm, was er brauchte. Er erhob sich aus dem Gras und ging vorsichtig auf den Wagen zu, ein, großer, muskulöser junger Mann, unrasiert und ungepflegt.

    Um die Körper machte er einen Bogen. Merkwürdigerweise waren sie nicht verstümmelt, was sehr ungewöhnlich war, und die Männer trugen immer noch ihre Stiefel. Wenn er keine anderen fand, würde er sich ein Paar von ihnen nehmen. Aber zuerst musste er den Wagen untersuchen.

    Wenn Indianer den Wagen geplündert hatten, so hatten sie das in größter Hast getan, denn das Innere befand sich in einem Zustand völliger Verwüstung. Unten in einem Koffer fand er einen Anzug aus feinem, schwarzem Tuch, außerdem ein Paar handgearbeiteter Lederstiefel, ein wollenes und mehrere weiße Hemden.

    »Das war der Sonntagsanzug von jemandem«, murmelte er. »Ich probier' die Stiefel besser nicht mit meinen geschwollenen Füßen an.«

    Er fand saubere Unterwäsche und zog einfachere Kleidungsstücke an, die er ebenfalls in diesem Koffer gefunden hatte. Als er genügend bekleidet war, um sich vor der Sonne zu schützen, holte er Wasser aus einem halbleeren Fass, das seitlich am Wagen hing, und badete seine Füße, dann bandagierte er sie mit weißen Stoffstreifen, die er von einem Kleid heruntergerissen hatte.

    Seinen Füßen ging es gleich viel besser, und da die Stiefel eine Nummer größer waren, als er sie gewöhnlich trug, versuchte er es. Sie waren zwar etwas unbequem, aber er konnte damit laufen.

    Mit einer Schaufel, die an der Seite des Wagens angebunden war, grub er ein Grab und beerdigte die drei Toten Seite an Seite. Er breitete einige Decken aus dem Wagen über sie, schaufelte die Erde wieder hinein und häufte über dem Grab Steine auf. Dann sprach er, den Hut in der Hand, den 23. Psalm.

    Die Wilden, oder wer sie sonst umgebracht hatte, hatten alles nur flüchtig durchsucht. Deshalb ging er wieder zu dem Wagen zurück, um nach Dingen zu suchen, die er gebrauchen konnte, oder die ihm Aufschluss über die Identität der drei Toten geben würden. Er fand einige Dokumente, ein Testament und eine Handvoll Briefe. Zusammen mit einem Poncho, den er gefunden hatte, legte er sie auf die Seite und durchsuchte einen Nähkorb. Er erinnerte sich an die Angewohnheiten seiner Großmutter und leerte den Korb aus. Unter dem gepolsterten Boden des Korbes fand er einen großen, versiegelten Umschlag.

    Er riss ihn auf und grunzte zufrieden. Es waren, sorgfältig in Seidenpapier eingeschlagen, zwanzig Zwanzig-Dollar-Münzen darin. Er steckte sie ein und durchsuchte weiter den Koffer. Er fand noch mehr sorgfältig zusammengelegte Kleidungsstücke. Mehrere Male unterbrach er die Untersuchung des Wagens, um die Umgebung zu beobachten, aber er sah nichts. Der Wagen stand an einer derartig unübersichtlichen Stelle, dass ein Reiter sogar wenige Meter entfernt hätte vorbeireiten können, ohne ihn zu sehen. Jed hatte sich offenbar von der einzigen Seite genähert, von der aus man den Wagen sehen konnte.

    Ganz unten im Koffer fand er eine Stahlkassette. Er öffnete sie gewaltsam mit einer Hacke. Drinnen lag, auf einem Stück Samt, ein herrliches Paar Pistolen, mit Silber überzogen und wunderschön graviert, mit Griffen aus Perlmutt. Daneben fand er, eingeschlagen in ein Handtuch, ein Paar Patronengurte aus schwarzem Leder und zwei Pistolenhalfter. Daneben befand sich ein Beutel mit .44er Patronen. Sofort lud er die Waffen und füllte dann die Patronengurte. Danach probierte er aus, wie ihm die Waffen in der Hand lagen. Den Rest der Patronen verstaute er in seinen Taschen.

    Unter einem anderen Kleidungsstück fand er ein Messer mit Perlmutthandgriff und einer vorzüglich gehärteten Stahlklinge. Es war ein spanisches Kampfmesser und ein besonders schönes Stück. Er hing sich die Scheide so um den Hals, dass der Griff genau unter seinem Kragen lag.

    Er trug seine neuen Habseligkeiten zusammen und legte sie gebündelt auf den Poncho. Dann band er den Poncho mit einer Schnur zusammen, um ihn auf dem Rücken tragen zu können. In der Innentasche seines Mantels verstaute er die Dokumente und die Briefe. In die äußere Tasche steckte er ein schmales, ledergebundenes Buch, das er im Wagen gefunden hatte. Er las zwar wenig, aber er wusste um den Wert eines guten Buches.

    Er war drei Jahre, mit Unterbrechungen, zur Schule gegangen und hatte Lesen, Schreiben und etwas Rechnen gelernt.

    Er fand eine Feldflasche und füllte sie. Als er den Wagen weiter durchstöberte, fand er die Vorratskiste, die fast leer war. Nur ein bisschen Kaffee und etwas schimmliges Brot waren darin zu finden, sonst nichts. Er nahm den Kaffee, einen kleinen Topf und einen Blechbecher. Dann sah er nach der Sonne und machte sich auf den Weg.

    Jed Asbury war daran gewöhnt, für sich selbst zu sorgen. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass es Unrecht wäre, das mitzunehmen, was er gefunden hatte. Und das wäre zu der damaligen Zeit auch keinem anderen Mann in den Sinn gekommen. Das Leben war hart, und jeder schlug sich durch, so gut er konnte. Wenn die Toten irgendwelche Erben hatten, dann würde in den Briefen oder in dem Testament ein Hinweis darauf zu finden sein. Wenn er in der Lage war, würde er ihnen alles zurückzahlen. Kein Mensch würde ihn dafür verurteilen, dass er sich genommen hatte, was er zum Überleben benötigte. Aber es war selbstverständlich, dass er seine Schulden zurückzahlte.

    Jed war auf einer Farm in Ohio geboren worden. Seine Eltern waren gestorben, als er zehn Jahre alt gewesen war. Danach war er zu einem griesgrämigen Onkel geschickt worden, der in einem Fischerdorf in Maine lebte. Drei Jahre lang hatte ihn sein Onkel auf einem Fischerboot wie einen Sklaven arbeiten lassen. Bis Jed schließlich das Boot, das Hochseefischen und seinen Onkel im Stich gelassen hatte.

    Er war nach Boston gegangen und hatte auf Umwegen Philadelphia erreicht. Er hatte als Laufbursche und in einer Mühle gearbeitet und schließlich einen Job als Laufbursche in einer Druckerei bekommen. Er hatte Zuneigung zu einem Mann gefasst, der oft in den Laden kam, einem ruhigen Mann mit dunklem Haar und großen, grauen Augen und einem merkwürdig breiten Kopf. Der Mann schrieb Geschichten und literarische Kritiken und lieh Jed ab und zu Bücher zum Lesen. Sein Name war Edgar Poe, und es hieß, dass er der Pflegesohn von John Allan war, dem angeblich reichsten Mann in Virginia.

    Als Jed die Druckerei verließ, ging er an Bord eines Windjammers und trat eine Reise um das Horn an. Von San Franzisco aus war er für ein Jahr auf die Goldfelder in Australien gegangen, dann nach Südafrika und schließlich zurück nach New York. Damals war er zwanzig Jahre alt gewesen und ein großer, gutgewachsener junger Mann, der durch das Leben, das er geführt hatte, abgehärtet worden war. Auf einem Flussdampfer war er nach Westen geschippert und dann den Mississippi hinunter nach Natchez und New Orleans.

    In New Orleans hatte ihm Jem Mace das Boxen beigebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er alles, was er über das Kämpfen wusste, auf diese Art und Weise gelernt. Von New Orleans aus war er nach Havanna gegangen, dann nach Brasilien und dann wieder zurück in die Staaten. In Natchez hatte er einen Falschspieler entlarvt. Jed Asbury hatte eine Idee schneller gezogen, und der Falschspieler starb, ein Opfer der Selbstjustiz mit einem sechsschüssigen Revolver. Jed hatte die Stadt gerade noch verlassen können, ehe etliche wütende Kumpane des Spielers ihn erwischt hatten.

    Auf einem Dampfer war er auf dem Missouri bis Fort Benton gefahren und dann, auf dem Landweg, nach Bannock. Auf Frachtzügen war er nach Laramie und dann nach Dodge gereist.

    In Tascosa hatte er unvermutet dem Bruder des toten Spielers aus Natchez gegenüber gestanden, der von zwei wütenden Kumpanen begleitet worden war. Zwei seiner Feinde hatte er getötet und den dritten verwundet. Er selbst hatte bei dem Zwischenfall eine Kugel ins Bein bekommen. Er war weiter nach Santa Fé gereist.

    Mit vierundzwanzig Jahren war er heimatlos und sah sich nach einem Ziel um. Er zog als Bullenbändiger über die Jahrmärkte und stieß dann zu einem Wagenzug nach Cheyenne. Die Comanchen, die im Norden Raubzüge unternahmen, hatten etwas dagegen, und er war der einzige Überlebende.

    Er wusste ungefähr, wo er sich befand, nämlich irgendwo südwestlich von Dodge. Aber möglicherweise auch näher an Santa Fé als an der Stadt der Viehtreiber. Er musste sich jedoch in der Nähe des Viehpfades, der nach Tascosa führte, befinden, also ging er in diese Richtung. Entlang des Flussufers müssten sich eigentlich verirrte Rinder von Herden, die früher hier vorbeigetrieben worden waren, finden lassen, so dass er etwas zum Essen hatte, bis er auf eine Herde mit Treibern traf.

    Während er in der Hitze auf dem staubigen Pfad entlang marschierte, wechselte er sein kleines Bündel immer wieder von einer Schulter auf die andere und drehte sich des öfteren um, um die Gegend hinter sich zu überprüfen. Er war mitten im Indianerland.

    Am Morgen des dritten Tages erspähte er eine Viehherde, die in Richtung Kansas getrieben wurde. Als er auf die Herde zuging, ritten ihm zwei der drei Reiter entgegen.

    Einer davon war ein magerer Mann mit rotem Gesicht, gelblichem Schnurrbart und einem humorvollen Ausdruck um die Augen. Der andere war ein untersetzter, freundlicher Reiter auf einem gefleckten Pferd.

    »Howdy!« Die Stimme des älteren Mannes klang belustigt. »Machen Sie einen Morgenspaziergang?«

    »Durch die Zuvorkommenheit einer Bande von Co- manchen. Ich war mit einem Wagenzug von Santa Fé nach Cheyenne als Viehtreiber unterwegs, und wir hatten eine kleine Auseinandersetzung mit der Winchester. Sie hatten die besseren Karten«, erklärte er kurz.

    »Sie werden ein Pferd brauchen. Haben Sie je mit Vieh gearbeitet?«

    »Ab und zu. Brauchen Sie jemand?«

    »Vierzig im Monat und freies Essen.«

    »Der Kaffee ist schrecklich«, sagte der andere Reiter. »Dieser dämliche Kerl hat es nie gelernt, einen Kaffee zu machen, der nicht nach Seifenlauge schmeckt.«

    Nachts im Camp holte Jed Asbury die Papiere, die er im Wagen gefunden hatte, heraus. Er öffnete den ersten Brief und las ihn:

    Lieber Michael,

    wenn Du diesen Brief erhältst, bedeutet das, dass George tot ist. In der Nähe von Willow Springs wurde er von einem Pferd abgeworfen. Er starb am nächsten Tag. Die Hauptranch umfasst 60.000 Morgen, und die anderen Ranches sind zweimal so groß. Das alles wird Dir oder Deinen Erben gehören, falls Du geheiratet hast, seit wir das letzte Mal von Dir gehört haben. Aber nur, wenn Du oder Deine Erben den Ort innerhalb eines Jahres nach Georges Tod erreichen. Wenn Du Deinen Besitz nicht innerhalb dieser Zeit beanspruchst, wird das Ganze an den nächsten Verwandten übergehen. Aus den Briefen wirst Du Dich sicher daran erinnern, was Walt für ein Mensch ist.

    Natürlich hoffen wir, dass Du sofort hierher kommst, denn wir alle wissen zu genau, wie es sein wird, wenn Walt alles übernimmt. Du wirst jetzt ungefähr sechsundzwanzig Jahre alt sein und solltest imstande sein, Walt in seine Schranken zu verweisen. Aber sei vorsichtig. Er ist gefährlich und hat schon mehrere Männer umgebracht.

    Im Moment ist alles in Ordnung, aber es droht Ärger mit Besovi, einem unserer Nachbarn. Wenn Walt alles übernimmt, wird das mit Sicherheit geschehen. Genauso, wie diejenigen von uns, die so lange hier gearbeitet und gelebt haben, hinausgeworfen werden würden.

    Tony Costa.

    Der Brief war an Michael Latch, St. Louis, Missouri, adressiert. Nachdenklich faltete Jed den Brief zusammen und überflog die anderen. Er erfuhr vieles, aber doch nicht genug.

    Michael Latch war der Neffe von George Baca gewesen, einem Rancher mit amerikanisch-spanischer Abstammung, dem in Kalifornien eine riesige Haçienda gehörte. Weder Baca noch Tony Costa hatten Michael jemals gesehen. Genauso wenig der Mann namens Walt, der offensichtlich der Sohn von Georgs Halbbruder war. Das Testament stammte von Michaels Vater, Thomas Latch, und übereignete ihm die Rechte an einer kleinen Ranch in Kalifornien.

    Aufgrund eines nicht abgeschickten Briefes und anderer Unterlagen stellte Jed fest, dass der jüngere der beiden Männer, die er begraben hatte, Michael Latch gewesen war. Der andere Tote und die Frau waren Randy und May Kenner gewesen. In einem Brief wurde ein Mädchen namens Arden erwähnt, das die drei begleitet hatte.

    »Die Indianer müssen sie mitgenommen haben«, murmelte Jed. Er überlegte kurz, ob er versuchen sollte, sie zu finden, ließ den Gedanken aber dann als undurchführbar fallen. Nach einer Nadel im Heuhaufen zu suchen, war eine Aufgabe, die zumindest an einem festen Ort ausgeführt werden musste. Aber zu versuchen, eine der vielen umherziehenden Banden von Comanchen zu finden, wäre eine schier unmögliche Aufgabe. Dennoch würde er die Armee und die Handelsagenturen informieren. Vielleicht konnte man, wie schon so oft, in Verhandlungen treten und sie würde, gegen ein entsprechendes Tauschangebot an Waren, wieder zurückgebracht werden. Falls sie noch lebte.

    Dann kam ihm ein anderer Gedanke.

    Michael Latch war tot. Riesiger Grundbesitz erwartete ihn, ein schönes, bequemes Leben, das der junge Latch geschätzt haben würde. Jetzt würde der Besitz an Walt fallen, wer auch immer das war - außer er, Jed, nahm den Namen von Michael Latch an und meldete Anspruch auf den Besitz an.

    Der Mann, der sein neuer Boss war, kam von einem Ritt um die Herde zurück. Er blickte Jed an, der die Briefe weglegte. »Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«

    Jed zögerte nur einen Moment. »Latch«, antwortete er, »Michael Latch.«

    Warmes Sonnenlicht lag auf der Haçienda, die Casa Grande genannt wurde. Die Hunde räkelten sich schläfrig und zufrieden unter den Bäumen und öffneten kaum die Augen, als der große Fremde sein Pferd durch das Gatter lenkte. Nach Casa Grande kamen viele Fremde, und die Ungewissheit, die über der riesigen Ranch lag, interessierte die Hunde nicht.

    Tony Costa, der im Hauseingang stand, richtete seinen mageren Körper gespannt auf und schützte seine Augen mit der Hand gegen das Sonnenlicht, um den Fremden genau betrachten zu können.

    »Señorita, es kommt jemand!«

    »Ist es Walt?« Schnelle, energische Schritte erklangen auf dem steinernen Boden. »Was sollen wir nur machen? Wenn doch bloß Michael da wäre!«

    »Heute ist der letzte Tag«, sagte Costa düster.

    »Sieh nur!« Das Mädchen berührte seinen Arm. »Genau hinter ihm! Das ist Walt Seever!«

    »Zwei Männer sind bei ihm. Wir werden Ärger bekommen, wenn wir versuchen, ihn zu hindern, Señorita. Er wird nicht bereit sein, die Ranch an eine Frau zu verlieren.«

    An der Treppe schwang sich der Fremde von seinem schwarzen Pferd. Er trug einen breitkrempigen, schwarzen Hut und einen Anzug aus feinem, schwarzem Tuch.

    Seine Stiefel waren handgearbeitet und fast neu. Doch als sie die Waffen sah, schnappte sie nach Luft.

    »Tony! Die Pistolen!«

    Der junge Mann stieg die Treppe hinauf, zog seinen Hut und verbeugte sich. »Sind Sie Tony Costa? Der Vormann auf der Casa Grande?«

    Die anderen Reiter kamen lärmend in den Hof geritten, und ihr Anführer, ein großer Mann mit kühnen, harten Augen, stieg ab. Er schob den Fremden zur Seite und baute sich vor dem Vormann auf.

    »Nun, Costa, ab heute gehört die Ranch mir, und Sie sind gefeuert!«

    »Das denke ich nicht.«

    Alle Augen richteten sich auf den Fremden. Das Mädchen sah erschrocken und plötzlich sehr vorsichtig aus. Dieser Mann war stark, dachte sie plötzlich, und er hatte keine Angst. Er hatte ein glattrasiertes Gesicht, freundliche graue Augen und eine gewisse Selbstsicherheit, die von Erfahrung herrührte.

    »Wenn Sie Walt sind«, sagte der Fremde, »dann können Sie wieder dahin zurückreiten, wo Sie hergekommen sind. Diese Ranch gehört mir. Ich bin Michael Latch.«

    Auf Walt Seevers Gesicht zeigten sich Furcht und empörte Ungläubigkeit. »Sie? Michael Latch? Das können Sie nicht sein!«

    »Warum nicht?« Jed war ganz ruhig. Da er Seever anblickte, konnte er die Wirkung seiner Worte auf Costa oder das Mädchen nicht sehen. »George hat nach mir geschickt. Hier bin ich.«

    Außer empörter Wut zeigte sich noch etwas anderes auf Walts Gesicht, irgendein gefährlicher Verdacht oder eine Information. Plötzlich hegte Jed den Verdacht, dass Walt genau wusste, dass er nicht Michael Latch war. Oder es zumindest stark bezweifelte. Tony Costa hatte sich neben Jed gestellt. »Warum nicht? Wir haben ihn erwartet. Sein Onkel hatte ihm geschrieben, und nach Georges Tod habe ich ihm geschrieben. Wenn Sie daran Zweifel haben, dann schauen Sie sich die Pistolen an. Gibt es denn noch ein zweites Paar derartiger Waffen auf der Welt? Gibt es vielleicht zwei Männer auf der Welt, die solche Waffen machen können?«

    Seever blickte auf die Waffen, und Jed sah, dass der verärgerten Gewissheit auf seinem Gesicht Zweifel und Verwirrung folgten.

    »Ich will mehr Beweise haben als ein Paar Pistolen.«

    Jed nahm den Brief aus seiner Tasche und reichte ihn Walt. »Ist von Tony. Ich habe auch das Testament meines Vaters und andere Briefe.«

    Walt Seever starrte den Brief an und schleuderte ihn dann in den Staub. »Lasst uns

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