Ist Gott ein Symbol?: Mit C. G. Jung Spiritualität tiefenpsychologisch verstehen
Von Dieter Schnocks
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Mit C. G. Jung sich selbst verstehen: Acht Erkenntnisaufgaben auf unserem Individuationsweg Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
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Buchvorschau
Ist Gott ein Symbol? - Dieter Schnocks
Inhalt
Cover
Titelei
Einleitung
1 Religionsverständnis in der Analytischen Psychologie
1.1 Was bedeutet Religion/Spiritualität in der Analytischen Psychologie
1.2 Religion, ein menschliches Grundprinzip: Abgrenzung zur Psychoanalyse
1.3 Die Analytische Psychologie stellt die Glaubensfrage nicht (Exkurs: Bewusstsein und Religion)
1.4 Suche nach Sinn und Spiritualität: eine Individuationsaufgabe
2 Das Unbewusste als Quelle
2.1 Die Konzepte der Analytischen Psychologie als Grundlage für Jungs Religionsverständnis
2.2 Die Archetypenlehre als Verständnisbasis
2.3 Ein neuer, zeitgemäßer Zugang zum Religiösen
2.3.1 Die persönliche spirituelle Erfahrung verstehen
2.3.2 Archetypische Bilder spiritueller Art
2.3.3 Der tiefenpsychologisch-symbolische Zugang
2.4 Spirituelle Aspekte von Therapie und Heilung
2.4.1 »Psychotherapeutische Hilfen« aus dem christlichen Heilssystem
3 Die psychoenergetische und die symbolische Sichtweise
3.1 Die psychoenergetische Betrachtungsweise
3.1.1 Die Lebensenergie Libido – die treibende Kraft in uns
3.1.2 Psychoenergetische Betrachtung religiöser Phänomene
3.2 Die symbolische Betrachtungsweise
3.2.1 Die Symboltheorie der Analytischen Psychologie
3.2.2 Die tiefenpsychologische Sicht religiöser Symbolik
3.3 Der Ablauf und Symbolik in der katholischen heiligen Messe
4 Der Gottesbegriff bei C. G. Jung
4.1 Das personale männliche Gottesbild im christlichen Mythos
4.2 Die Frage nach der Dunkelseite Gottes
4.2.1 Die Betonung des »summum bonum« und die Problematik mit dem Dunklen im Göttlichen
4.2.2 Jungs Schattenkonzept als Hintergrund zu seinem Verständnis des Bösen
4.2.3 Die hell-dunkle Ganzheit des Göttlichen
4.3 Die Wandlung der Gottesbilder
4.4 Das innere Bild der Gottheit – ein Archetyp
4.5 Die »Gott in uns«-These – und ihre Gefahren
4.6 Das Gottesbild – eine Imagination?
5 Das Christusbild in C. G. Jungs Werken
5.1 Christus als psychologische Gestalt
5.1.1 Die Lehre vom historischen Jesus und die Christus-in-uns-Vorstellung
5.1.2 Das archetypische Christusleben
5.2 Das Jesus-Christus-Bild als archetypisches Symbol des Selbst
5.2.1 Aufruf der archetypischen Selbstkräfte
5.2.2 Vollständigkeit und/oder Vollkommenheit des Selbst-Symbols Christus
5.3 Die Frage nach einer Dunkelseite der Christusfigur
5.3.1 Der archetypische Schatten / Schatten und Gottesbild
5.3.2 Einige Gedanken zur hell-dunklen Ganzheit des Göttlichen
5.3.3 Der Antichrist als Kompensationsfigur
5.4 Die Kreuzigung Christi als ein dramatisches Symbolgeschehen
5.4.1 Zur Symbolik des Opfers und des Kreuzes
5.4.2 Zur Symbolik des Kreuzweges und der Kreuzigung
5.4.3 Christi Opfertod und Erlösung
Nachwort – C. G. Jungs persönlicher Glaube
Literatur
Zitierte Quellen
Literatur von C. G. Jung
emptyDer Autor
Dieter Schnocks ist Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis, Dozent und Lehranalytiker. Er war langjähriger Vorsitzender der C. G. Jung-Gesellschaft Köln und des C. G. Jung-Instituts Stuttgart.
Dieter Schnocks
Ist Gott ein Symbol?
Mit C. G. Jung Spiritualität tiefenpsychologisch verstehen
Verlag W. Kohlhammer
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1. Auflage 2024
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-026048-1
E-Book-Formate:
pdf:
ISBN 978-3-17-026049-8
epub:
ISBN 978-3-17-026050-4
Einleitung
»Religionen stehen nach meiner Ansicht mit allem, was sie sind und aussagen, der menschlichen Seele so nahe, dass am allerwenigsten die Psychologie sie übersehen darf.«
(GW 11, § 172)
Ein neuer Zugang zur Religion und zum Spirituellen?
In unserer heutigen, säkularisierten Welt wird immer stärker nach einem überzeugenden inneren Gottes- und Religionserlebnis gesucht, das unabhängig von Dogmen und Glaubensbekenntnissen ist.
Der tiefenpsychologische Zugang C. G. Jungs zur Religion stößt dabei auf wachsendes Interesse und Zustimmung. Seine Betonung der persönlichen religiösen Erfahrung scheint dem modernen, spirituell orientierten Menschen entgegenzukommen. Anders als Freud und Adler, die in Religion eine Art sekundäre seelische Aktivität sehen, wertet Jung die Religion als eine höchste Form geistiger Betätigung und nennt religiöse Einstellung »eine psychische Funktion von kaum absehbarer Wichtigkeit«. (GW 6, § 99)
C. G. Jung wendet sich mit seinem psychologischen Zugang an die nicht mehr »glücklich Besitzenden des Glaubens«. Nach seinen Erfahrungen erkranken viele von ihnen an Neurosen. Unübersehbar ist, dass das Fehlen eines religiösen Bezugs für immer mehr Menschen zum tiefgreifenden Problem wird. Das archetypische Bedürfnis nach religiöser Sicherheit bleibt unbefriedigt, Unruhe und Ängste sind die Folge.
Dazu ein Zitat von C. G. Jung:
»Ich wende mich ja auch nicht an die noch glücklich Besitzenden des Glaubens, sondern an jene Viele, für die das Licht erloschen, das Mysterium versunken, und Gott tot ist. Für die Meisten gibt es kein zurück, und man weiß auch nicht genau, ob der Rückweg immer der Bessere sei. Zum Verständnis der religiösen Dinge gibt es heute wohl nur noch den psychologischen Zugang, weshalb ich mich bemühe, historisch festgewordene Denkformen wieder einzuschmelzen und umzugießen in Anschauungen der unmittelbaren Erfahrung.« (GW 11, § 148)
Wegen seiner Sichtweise den religiösen Phänomen gegenüber wurde Jung zur damaligen Zeit von einigen Theologen stark kritisiert und des Psychologismus verdächtigt. Heute kommt diese tiefenpsychologische Herangehensweise vielen spirituell Suchenden sehr entgegen. Viele erleben die symbolpsychologische Sichtweise der religiösen Bilderwelt als »krampflösend«. Dies bezogen auf eine einseitige rationale Kritik an den religiösen Phänomenen, die sich uns modernen Menschen des 21. Jahrhunderts immer wieder aufdrängt und eine differenzierte Beschäftigung mit den numinosen spirituellen Inhalten verbaut.
Vielleicht gelingt es manchen Einzelnen mit Hilfe oder Unterstützung der psychologisch-symbolischen Sichtweise auf ihrem Individuationsweg ihre individuelle Spiritualität zu finden.
Überblick über die Themen des Buches
Jungs Analytische Psychologie und die Religion (▸ Kap. 1)
Die Analytische Psychologie betrachtet Religion über die christlichen Konfessionen hinaus als Einstellung der Psyche gegenüber dem Göttlichen und Heiligen, dem Numinosen, als persönliche Erfahrung des Überpersönlichen. Sie ist eine der allgemeinsten Äußerungen der menschlichen Seele.
C. G. Jung meint dazu:
»Religion ist eine Beziehung zu dem höchsten oder stärksten Wert, sei er nun positiv oder negativ. Die Beziehung ist sowohl eine freiwillige als auch eine unfreiwillige, das heißt man kann von einem Wert, also einem energiegeladenen psychischen Faktor auch unbewusst besessen sein, oder man kann ihn bewusst annehmen. Diejenige psychologische Tatsache, welche die größte Macht in einem Menschen besitzt, wirkt als Gott, weil er immer der überwältigende psychische Faktor ist, der Gott genannt wird.« Es ist eine »eine psychische Funktion von kaum absehbarer Wichtigkeit.« (GW 16, § 99)
Allerdings erhebt die Analytische Psychologie nicht den Anspruch, über die Existenz Gottes oder eines anderen religiösen Faktums urteilen zu wollen. Die Wirklichkeit des Glaubens ist als solche der Psychologie nicht zugänglich. Die Analytische Psychologie befasst sich also nicht mit der Frage nach der Wirklichkeit Gottes, sondern mit der Tatsache eines seelischen Erlebnisses, das als Gott verstanden wird. Somit geht die Beschäftigung der Analytischen Psychologie mit Religionen über die christlichen Konfessionen hinaus und bezieht sich auch auf Buddhismus, Islam, Konfuzianismus usw.
Die reflektive, bewusste Haltung des Menschen bedeutet Unterscheidung und Unterscheidung bedeutet Trennen und Auswählen. Bewusstsein ist deshalb ebenso sehr ein Fluch wie ein Segen. Ein wichtiger Aspekt der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins ist nach C. G. Jung die Zurückziehung der Projektionen:
»Wenn der historische Prozess der Weltentseelung, eben der Zurücknahme der Projektionen so weitergeht wie bisher, dann muss alles, was draußen göttlichen oder dämonischen Charakter hat, zur Seele zurückkehren, in das Innere des unbekannten Menschen, von wo es anscheinend seinen Ausgang genommen hat.« (GW 11, § 141)
Unübersehbar ist, dass das Fehlen eines religiösen Bezugs für immer mehr Menschen zum tiefgreifenden psychischen Problem wird. Das archetypische Bedürfnis nach religiöser Sicherheit bleibt unbefriedigt, Unruhe und Ängste sind die Folge. Nach Jungs Erfahrungen erkranken viele von ihnen an Neurosen.
Die Analytische Psychologie bietet als Hilfe für den Einzelnen die psychologisch-symbolische Sichtweise an. Mit ihr kann eine individuelle Religiosität gefunden werden, was oft eine große Bereicherung durch Selbst-Erfahrungen im Sinne einer persönlichen Spiritualität bedeuten kann.
Die Bilder der Gottheit (▸ Kap. 2)
Religiöse Bilder und Symbole entspringen der Urschicht unserer Seele. Echtes, religiöses Gefühl ist – wie die Kunst – immer in dieser tiefen Schicht unserer Seele verwurzelt. Große Beispiele für die sprudelnde innere Quelle sind die Offenbarungen, die in den großen Weisheitsbüchern der Menschheit aufgezeichnet sind. Große Religionsstifter (z. B. Mohammed) erfuhren über Visionen und Auditionen ihre Weisheit und ihre Lehren aus den Tiefen ihrer Seele. Im Alten Testament wiederum wird von Träumen berichtet, in denen sich für den Träumer Gottes Wille oder seine Gegenwart kundgab. Neben diesen großen Träumen, Visionen und Offenbarungen gab es zu allen Zeiten die Erfahrung der vielen Einzelnen. Sie kommen aus der instinktiven Schicht des Unbewussten, sammeln sich zu kollektiven Träumen und kommen gebündelt in Märchen, Legenden und Mythen zum Ausdruck. In ihnen spielen Bilder und Symbole eine wichtige Rolle.
Die Menschheit hat seit jeher Bilder der schöpferischen Kraft der Gottheit hervorgebracht. Diese Bilder weisen überraschenderweise überzeugende Gleichförmigkeiten auf. Jung nannte die gemeinsame Struktur der menschlichen Seele das kollektive oder überpersönliche Unbewusste. Aus ihm tauchen Urbilder auf: die Archetypen. Die stärkste archetypische Erfahrung des Menschen ist die der Gottheit. Es ist die Erfahrung eines überindividuellen Zentrums des Daseins und einer Macht, die Leben gibt und Leben nimmt.
Tiefenpsychologisch betrachtet findet im archetypischen Erlebnis der Gottheit eine Synthese zwischen bewusster und unbewusster Psyche statt. Die Spannung wird in einer vollkommenen Vereinigung der