Internet- und Computersucht: Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern
Von Christoph Möller und Frank M. Fischer
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Über dieses E-Book
In der 3. Auflage des interdisziplinär angelegten Werks befassen sich namhafte Experten aus Wissenschaft und Praxis mit soziologischen, psychologischen, psychiatrischen, neurobiologischen und Entwicklungs-Aspekten der Internet- und Computersucht und der zunehmenden Digitalisierung der Kindheit. Das Buch veranschaulicht individuelle Verläufe anhand von Fallbeispielen und zeigt praxisorientiert Beratungs-, Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten auf.
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Buchvorschau
Internet- und Computersucht - Christoph Möller
Inhalt
Cover
Titelei
Geleitwort
Vorwort
Danksagung
Teil I – Grundlagen
1 Epidemiologische Daten zur Medien- und Computernutzung bei Kindern und Jugendlichen
1.1 Medienausstattung der Kinder und Jugendlichen
1.1.1 Medienausstattung im Haushalt
1.1.2 Medienausstattung der Kinder und Jugendlichen
1.2 Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen
1.2.1 Klassische Medien
1.2.2 Neue Medien
1.2.3 Soziale Medien und Kommunikation – die Domäne der Mädchen?
1.2.4 Digitale Spiele – das Revier der Jungen?
1.3 Zusammenfassung
Literatur
2 Der Einfluss der Medien- und Computernutzung auf die Entwicklung des kindlichen und jugendlichen Gehirns
Einleitung
2.1 Die Strukturierung des sich entwickelnden Gehirns
2.2 Die Bedeutung emotionaler Reaktionen für neuronale Strukturierungsprozesse
2.3 Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien als Werkzeuge zur Lebensgestaltung
2.4 Folgen der Nutzung digitaler Medien als Instrumente zur Affektregulation
2.5 Prävention
3 An den Grundfesten der Gehirnentwicklung im Kindes- und Jugendalter kann man nicht rütteln
3.1 Warum die Hirnforschung bei der Digitalisierung von Kindern ein gehöriges Wort mitzureden hat
3.1.1 Allgemeine Aspekte von Neuroplastizität und Hirnrhythmen
3.2 Schlussfolgerungen
Literatur
Teil II – Soziologische, psychologische und pädagogische Aspekte von Mediennutzung und -konsum
4 Kinder – Individualisierung durch Digitalisierung?
4.1 Dunkle Seite der Individualisierung
4.1.1 Streifzug durch die Reformpädagogik
4.1.2 Neue Lernkultur
4.2 Illusion individualisierter Lernprogramme
4.2.1 Lerndaten statt eigener Entscheidungen
4.2.2 Biometrische Vermessung
4.3 Fazit
Literatur
5 Gewalt und Medien
5.1 Empirische Ergebnisse
5.1.1 Experimente
5.1.2 Längsschnittstudien
5.2 Risikomodell gewalttätigen Verhaltens
5.3 Theoretische Erklärungen
5.3.1 General Aggression Model
5.3.2 Downward Spiral Model
5.4 Fazit und handlungsrelevanter Ausblick
Literatur
6 Generation Internet: Wie die Digitalisierung unsere Kinder prägt und was wir tun sollten
6.1 »Generation Internet«
6.2 Entwicklung der Technologien
6.3 Maschine zwischen Mensch und Welt
6.3.1 Spaltung des Sinnesorganismus
6.3.2 »Atrophie der Hände«
6.4 Der menschliche Leib
6.5 Entwicklung des Leibes in der Kindheit
6.6 Im realen Leben aufwachsen
6.7 Entwicklungsaufgaben der Jugendlichen
6.8 Verlagerung des Lebens ins Virtuelle
6.9 Gefährdung der Entwicklungsaufgaben
6.9.1 Selbstständigkeit
6.9.2 Empathie
6.9.3 Digitaler Burnout
6.10 Ausgleichende Gewichte
6.11 Erst real, dann analog und zuletzt digital
6.12 Der Mensch im Zentrum
Literatur
7 »Wir sind Weltenwandler« – zwischen digital und real
7.1 Einleitung
7.2 Fallbeispiele
7.3 Diskussion
Danksagungen
Literatur
8 Der Einfluss der Medien auf die Schulleistung
8.1 Empirische Ergebnisse – Medienkonsum gefährdet Schulleistungen
8.2 Verdrängung, Löschung, Lernmodus? – Mögliche Wirkmechanismen am Beispiel eines exzessiven Computerspielers
8.3 Fazit
Literatur
9 Cybermobbing
9.1 Beschreibung und Häufigkeit des Phänomens
9.2 Folgen von Cybermobbing
9.3 Risiko- und Schutzfaktoren sowie Entstehungsbedingungen von Cybermobbing
9.4 Intervention und Prävention
Literatur
Teil III – Klinische Aspekte der Medien- und Computersucht
10 Entwicklungspsychopathologische Aspekte der Medien- und Computersucht
Einführung
10.1 Gehirnentwicklung
10.2 Selbstkontrolle
10.3 Pathologie und Prävention
Literatur
11 Jugendpsychiatrische Aspekte der Medien- und Computersucht
Einleitung
11.1 Fallbeispiel
11.1.1 Symptomatik
11.1.2 Zur lebensgeschichtlichen und psychosozialen Entwicklung
11.1.3 Zur familiären Situation
11.1.4 Zur Psychodynamik
11.1.5 Therapieziele und Behandlungsverlauf
11.2 Fazit für die Praxis
Literatur
12 Diagnostik der Internet- und Computerspielabhängigkeit, Gaming Disorder
12.1 Klassifikation der Störung durch Computerspielen und anderer Internetnutzungsstörungen
12.2 Allgemeine Aspekte der Diagnostik von Verhaltenssüchten und Internetnutzungsstörungen
12.2.1 Spezielle diagnostische Aspekte des Kindes- und Jugendalters
12.3 Diagnostische Kriterien der Störung durch Computerspielen
12.3.1 Internet Gaming Disorder im DSM-5
12.3.2 Gaming Disorder und andere spezifische abhängige Verhaltensweisen im ICD-11
12.4 Standardisierte diagnostische Instrumente zur Computerspielstörung und anderen Internetnutzungsstörungen
12.4.1 Selbsteinschätzungsverfahren und Screeninginstrumente zur Computerspielstörung und anderen Internetnutzungsstörungen
12.4.2 Klinische Interviewdiagnostik
Literatur
13 Kein Mensch lernt digital: Über die Automatisierung von Schule und Unterricht – und Alternativen
13.1 Einleitung: Schulen im Fokus externer Interessen
13.1.1 Der Grundwiderspruch: Kybernetik vs. Pädagogik
13.1.2 Psycho-Techniken der Psycho-Ingenieure
13.1.3 Schulen und Medientechnik
13.2 Die Logik von IT-Systemen
13.2.1 Das Automatisieren und Medialisieren von Unterricht
13.2.2 Computational Thinking (informatisches Denken)
13.2.3 Die berechnete Welt als verkürztes Modell von Wirklichkeit
13.3 Pädagogik statt Metrik: Präsenzunterricht als Normalfall
Literatur
14 Lernen Kinder digital? Ab wann sind digitale Bildschirmmedien sinnvoll für das Lernen?
14.1 Einleitung
14.2 Mediennutzung
14.3 BLICK-Studie
14.4 Soziale Medien
14.5 Digitale Bildschirmmedien und Schulleistung
14.6 Neuroplastizität
14.7 Ausblick
Literatur
15 Komorbidität bei Internet- und Computerspielsucht
15.1 Einleitung
15.2 Epidemiologische Aspekte
15.3 Erklärungsmodelle für die Komorbidität
15.4 Klinische Charakteristika und Verlauf
15.4.1 Depression und Aggression
15.4.2 Soziophobie und andere Angsterkrankungen
15.4.3 Dissoziative Störungen und Psychosen
15.4.4 Substanzgebundene und -ungebundene Suchterkrankungen
15.4.5 ADHS und hochfunktionaler Autismus
15.4.6 Persönlichkeitsstörungen
15.5 Berücksichtigung von Begleiterkrankungen in der Therapie
15.6 Fazit für die Praxis
Literatur
Teil IV – Besondere Formen der Internet- und Computersucht
16 Internet-Pornografiekonsum bei Jugendlichen – Risiken und Nebenwirkungen
Einleitung
16.1 Epidemiologie
16.1.1 Prävalenz und Häufigkeit des Konsums
16.1.2 Inhalte und Reaktionen auf das Gesehene
16.2 Forschungsergebnisse zur Wirkung von Pornografie auf Einstellungen und Verhalten
16.2.1 Einfluss von Pornografie auf Einstellungen zu Sexualität und Beziehung sowie auf die Bewertung der Realitätsnähe von Pornografie
16.2.2 Einfluss von Pornografie auf die sexuelle Zufriedenheit und Empathiefähigkeit
16.2.3 Auswirkung von Pornografiekonsum auf die Einstellung und Bereitschaft zu sexueller Gewalt
16.3 Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung (Internet-Sexsucht)
16.4 Diagnostische Einordnung der »Internet-Sexsucht«
16.5 Funktionale und psychodynamische Aspekte in der Entwicklung süchtiger Konsummuster
16.6 Behandlungsansätze
16.7 Präventive Ansätze
16.8 Fazit und Ausblick
Literatur
17 Fallbeispiel 1: Joes Hütte
18 Fallbeispiel 2: Nikolaij und das Schachspiel
19 Fallbeispiel 3: Sebastian, seine Familie und das Dorf
Teil V – Beratung, Behandlung und Versorgung medien- und computersüchtiger Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern
20 Ambulante Beratung und Behandlung von computer- und internetabhängigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern
20.1 Eindrücke aus dem Beratungsalltag
20.2 Zugänge zur Klientel
20.3 Aspekte des Beratungsprozesses mit Jugendlichen
20.3.1 Ziel des Erstgesprächs
20.3.2 Gesichtswahrung
20.3.3 Wertschätzung der Kompetenzen und Leistungen im Spiel
20.3.4 Funktionalität des Spiels
20.3.5 Gewinne und Verluste
20.3.6 Zielvereinbarung
20.3.7 Thematisierung realer Sehnsüchte und der Funktionalität des Spielens
20.3.8 Die Sehnsucht nach einem Vater
20.3.9 Gruppenarbeit
20.4 Arbeit mit Eltern
20.4.1 Aufklärung
20.4.2 Wahrnehmung der jugendlichen Bedürfnisse
20.4.3 Eigen- und Fremdverantwortung
20.5 Ausblick
Literatur
21 Ambulante Versorgung und Behandlung von medien- und computersüchtigen Kindern und Jugendlichen – Schwerpunkt systemischer Ansatz
21.1 Differentialdiagnostische Überlegungen in der Behandlungsplanung bei Internetnutzungsstörungen
21.2 Klinische Merkmale jugendlicher Patienten und ihre therapeutische Bedeutung
21.3 Jugendspezifische Behandlungsansätze bei Internetnutzungsstörungen
21.4 Relevanz familiärer Faktoren in der Behandlung
21.5 Systemische Behandlungsansätze
Literatur
22 Mediensucht, Bindung und Dissoziation – auf der Suche nach den medizinisch-therapeutischen Grundlagen eines evolutionären Phänomens
22.1 Phänomenologie einer Beziehungslosigkeit
22.2 Traumatische, chemische und virtuelle Dissoziation: Strukturelle Vielschichtigkeit eines Phänomens
22.3 Die Verkörperung des Ichs und die Kohärenz der Erfahrung
22.4 Das virtuelle Selbst: Konstruktivismus, Gummihände und OBEs – wo bin ich, wenn ich online bin?
22.5 Der Cyber-Effect und der Ego-State-Wechsel
22.6 Fazit: Therapie der Mediensucht als Rückkehr in den sozialen Körper der Bindungserfahrung und semantische Integration des virtuellen Größenselbst
Literatur
23 Ambulante und stationäre Behandlung mediensüchtiger Jugendlicher – Das Beispiel von »Teen Spirit Island«, Hannover
Einführung
23.1 Psychiatrische Komorbidität
23.2 Psychopathologie der Mediensucht
23.3 Ab wann ist exzessive Mediennutzung pathologisch?
23.4 Ambulantes Behandlungskonzept
23.4.1 Die Therapiestation Teen Spirit Island
23.5 Zusammenfassung
Literatur
24 Aspekte aus dem Kindergarten und der aufsuchenden ambulanten Jugendhilfe in Zeiten der Pandemie
Einleitung
24.1 Medienkompetenz als Weg zum selbstbestimmten Umgang mit Medien in Zeiten pandemiebedingter Einschränkungen?
24.2 Kindergarten
24.3 Ambulante Jugendhilfe – Schwerpunkt Sucht
25 Mediensucht aus Sicht eines ehemaligen Betroffenen – Schritte in die Freiheit
25.1 Bewegter Stillstand
25.2 Mein Weg und die Sucht
25.3 Aufklärung von Heranwachsenden und Erwachsenen
25.4 Prävention in Schulen
25.5 Grundlegendes Verständnis
25.6 Schritte in die Freiheit
25.6.1 Bewusstwerdung
25.6.2 Veränderung
25.6.3 Perspektive
Teil VI – Prävention und Ausblick
26 Medienmündig statt mediensüchtig werden – Begriffe, Praxis und Programme im interdisziplinären Handlungsfeld Medienprävention
Einleitung
26.1 Begriffsklärungen aus der Präventionsforschung
26.1.1 Drei Nutzungsmodi und Problemdimensionen
26.1.2 Begriffe aus der Medienpädagogik und ihrer Geschichte
26.2 Synthese und Integration: Der sequenzielle Ansatz
26.3 Darstellung und Bewertung von Praxisprogrammen
26.4 MünDig Studie – Einbettung von Prävention in die Schul- und KiTa-Praxis
26.5 Fazit
Literatur
27 Erziehung zur Medienkompetenz
27.1 Was ist eigentlich Medienkompetenz?
27.1.1 Wann sprechen wir von einer Kompetenz?
27.1.2 Was heißt das für die Medienkompetenz?
27.2 Komponenten der Medienkompetenz
27.2.1 Handhabungsfertigkeit
27.2.2 Selbst- und Situationseinschätzung
27.2.3 Urteilsfähigkeit
27.2.4 Kreativität
27.2.5 Sozialkompetenz
27.2.6 Empathiefähigkeit
27.2.7 Übergeordnetes Interesse
27.3 Wie können diese Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt bzw. ausgebildet werden?
27.3.1 Entwicklung der Handhabungsfertigkeit
27.3.2 Entwicklung einer gesunden Selbsteinschätzung
27.3.3 Entwicklung einer gesunden Urteilskraft
27.3.4 Entwicklung der Kreativität
27.3.5 Entwicklung der Sozialkompetenz
27.3.6 Entwicklung der Empathiefähigkeit
27.3.7 Entwicklung von übergeordnetem Interesse
27.4 Zusammenfassung
27.4.1 Alles zu seiner Zeit
27.5 Ist das Internet kindertauglich?
Literatur
Internetquellen
28 Lesen – Prävention der Medien- und Computersucht
28.1 Am Anfang des Leseinteresses stehen Erzählen und Zuhören
28.2 Eigene innere Bilder und Identität
28.3 Mit dem Lesen ist es in mancherlei Hinsicht wie mit dem Laufen
28.4 Kindliches Kausalitätsbedürfnis, Kreativität und überdauerndes Interesse an der realen Welt
28.5 Dialogfähigkeit und Dialoginteresse ermöglichen, dass mich ein Text anspricht
Literatur
29 Entwicklungsfördernde Elemente – Überlegungen aus psychologisch-ärztlicher und pädagogischer Sicht und konkrete Anregungen bei Mediensucht
Einführung
29.1 Hirnbiologische Entwicklung und Lernen
29.2 Kleinkinder vor dem Bildschirm
29.2.1 Fernsehen im Vorschulalter und Bildungsgrad
29.3 Schule und Lernen
29.4 Erziehung ist Beziehung
29.4.1 In der Beziehung entwickelt sich die Persönlichkeit
29.4.2 Das Bild von Elternschaft
29.4.3 Computer, Smartphones und Internet können authentische Bezugspersonen nicht ersetzen
29.5 Lernen auf der Grundlage von Bindungen und Beziehungsfähigkeit
29.5.1 Geborgenheit und In-Beziehung-Sein
29.5.2 Autonomie und Eigenständigkeit
29.5.3 Umfassende Sinneserfahrungen
29.5.4 Bewegung und Lernen
29.5.5 Gemeinschaftserlebnisse
29.5.6 Räume für Phantasie und Erleben
29.5.7 Die Bedeutung der frühen Kindheit
29.6 Konkrete Hilfen für Eltern bei PC-, Smartphone- und Internetmissbrauch der Kinder
29.6.1 Ein typisches Beispiel aus der Beratung
29.6.2 Konkrete Hilfemaßnahmen
Literatur
Teil VII – Anhang: Verzeichnisse
Autorinnen und Autoren
Stichwortverzeichnis
emptyDie Herausgeber
Christoph Möller
Prof. Dr. med. Christoph Möller ist Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Kinder- und Jugendkrankenhauses Auf der Bult in Hannover. Die Abteilung hat einen Schwerpunkt im Bereich Medienabhängigkeit.
Frank M. Fischer
Dr. med. Frank M. Fischer ist Oberarzt am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult und Leiter der Therapiestation »Teen Spirit Island« mit Behandlungsplätzen für mediensüchtige Jugendliche.
Christoph Möller
Frank M. Fischer (Hrsg.)
Internet- und Computersucht
Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern
3., erweiterte und überarbeitete Auflage
Verlag W. Kohlhammer
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.
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3., erweiterte und überarbeitete Auflage
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
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ISBN 978-3-17-041770-0
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-041771-7
epub: ISBN 978-3-17-041772-4
Geleitwort
Seit etwa 25 Jahren befasst sich die deutschsprachige Kinder- und Jugendpsychiatrie systematisch mit Suchterkrankungen und deren Komorbidität. Es wurden in verschiedenen Regionen Spezialstationen gegründet, ambulante tagesklinische und aufsuchende Angebote wurden entwickelt und insgesamt wurde die Thematik wesentlich stärker als früher in die reguläre Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung integriert. Auch auf der Ebene der wissenschaftlichen Bearbeitungen bspw. durch das Deutsche Zentrum für Suchtfragen im Kindes- und Jugendalter und verschiedenen andere Zentren sowie die Entwicklung der wissenschaftlichen Leitlinien ergaben sich erhebliche Fortschritte in diesem Bereich.
Im Vordergrund des klinischen und in zunehmenden Maße auch des wissenschaftlichen Interesses standen zuerst die stoffgebundenen Süchte, die Polytoxikomanien, zunehmend aber auch die häufigen Probleme mit Alkohol und Cannabis. Im gleichen Zeitraum und verstärkt durch die Einführung des Smartphones im Jahre 2007 entwickelte sich mit dem mobilen Internet, vorher mit Konsolen und PC-Spielen, mit Onlinenetzwerken und all dem, was seit einiger Zeit unter dem Web 2.0 verstanden wird, der gesellschaftlich zentrale Wandel unserer Zeit. Diese Thematik ist vergleichbar mit einer zeitgleichen Erfindung des Buchdrucks, des Telefons und des PCs in einer spätmodernen Gesellschaft. Die sogenannten Digital Natives, heute schon als Generation Z in eine Smartphone-Welt hineingeboren, das heißt letztlich alle westeuropäischen, asiatischen und vor allem nordamerikanischen Kinder und Jugendliche ab den Geburtsjahrgängen 1990 bis 1995, entwickeln ihre sozialen emotionalen und kognitiven Kompetenzen und Bindungsstile sowie Interaktionsmuster neben der realen familiären und schulischen Umgebung selbstverständlich globalisiert in einer immer normaler werdenden Verschränkung von sogenannter Offline und virtueller Onlinewelt. Beide ergänzen sich, kombinieren sich, befördern sich und können sich auch in pathologischer Weise ersetzen und stören. Alle diese Phänomene und ihre klinischen Implikationen werden seit etwa 20 Jahren in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken, Ambulanzen, Praxen und Beratungsstellen immer deutlicher und prägen viele Krankheitsverläufe. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass erst relativ spät als Reaktion auf diese Entwicklung die Fachliteratur sich diesem Thema auch unter klinischem Aspekt zugewandt hat. Das vorliegende Buch ist eines der allerersten, das einerseits klinisch orientiert, andererseits systematisch Befunde und vor allem Therapieansätze sammelt und einer breiteren interdisziplinären Leserschaft zur Verfügung stellt. Die klinisch sozialen Phänomene werden auf dem Boden der vorliegenden klinischen Empirie und der zunehmend wichtiger werdenden wissenschaftlichen Studien unter dem Aspekt der Suchtdynamik und Abhängigkeitsentwicklung konzeptualisiert. Da diese Konstrukte am ehesten die komplexen Verstrickungen und Abhängigkeiten der jungen Patienten und ihrer Familien erfassen. Die Abkehr von Impulskontrollstörungen (bis auf Ausnahmen) und Zwangsstörungen hin zu einem Suchtparadigma wurde zunächst von der DSM-5 im Jahr 2013, dann jetzt aber auch sehr deutlich für sämtliche (!) Verhaltenssüchte in der ICD-11 übernommen. Diese erfreuliche Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren dann in Klassifikation, Klink, Diagnostik und auch Anerkennung dieser Störungsbilder umsetzten. Dem nun in erneuter überarbeiteter und stark aktualisierter Auflage vorliegenden Buch von Christoph Möller und Frank M. Fischer ist eine Weiterverbreitung und weiterhin eine kontroverse Rezeption sicher. Es ist zu hoffen, dass auch außerhalb des engeren klinisch-therapeutischen Feldes die vielfältigen Zugangswege und das entstehende differenzierte, scheinbar heterogene, aber nie beliebige Bild und der konsequente entwicklungspsychiatrische Blickwinkel der Beiträge zum Weiterfragen anregen. Bereits heute tauchen die ersten Kinder der Digital Natives in dem Alter auf, wo gut bekannte Erkrankungen wie ADHS, Depression, Teilleistungsstörung und Autismusspektrumsstörungen unter vielen anderem in Kindergarten, Schule und Familie auftreten und sich mit den modernen medienassoziierten Störungen verschränken. Die Differentialdiagnose, Differentialindikation und individuelle Therapieplanung wird dadurch noch anspruchsvoller.
Luzern im Dezember 2022
Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch MBA LL.M.
FA Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie FMH
Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst der Luzerner Psychiatrie
FA Vertrauensarzt SGV
Zert. Med. Gutachter SIM
FA Abhängigkeitserkrankungen SSAM
Zert. Kinder- und Jugendforensik DGKJP
Vorwort
»Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo
deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit
ihren Kindern umgeht. Unser Erfolg muss am
Glück und Wohlergehen unserer Kinder
gemessen werden, die in einer jeden
Gesellschaft zugleich die verwundbarsten
Bürger und deren größter Reichtum sind.«
Nelson Mandela
In der Corona-Pandemie sind Homeschooling und die Nutzung digitaler Medien in der Kindheit als alternativlos dargestellt worden und haben das Leben unserer Kinder bestimmt. Die Nutzungszeiten haben zugenommen und andere Aktivitäten und sozialer Austausch waren eingeschränkt. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind für die Versuchungen und Gefahren des technischen Fortschritts besonders empfänglich. Für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist ein selbstbestimmter Umgang mit den Errungenschaften der Technik von zunehmender Wichtigkeit.
Immer häufiger wenden sich Eltern hilfesuchend an Beratungsstellen, da ihre Kinder sich in den Weiten des World Wide Web zu verlieren drohen und das Internet, ein Computerspiel oder das Smartphone den Alltag prägen. Schule, Freundschaften und Hobbys werden vernachlässigt, und die ganze Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den Computer, das Smartphone oder das Onlinespiel. Hier erleben Jugendliche Erfolge, Anerkennung und Akzeptanz, die im realen Leben nur mit Mühe und Beharrlichkeit zu erringen sind. So wird die virtuelle Welt von einigen Jugendlichen positiver als das wirkliche Leben – das »real life« – erlebt, hier können sie abschalten und vergessen. Dies ist Manchen in der realen Welt kaum möglich.
Die digitale Kommunikationstechnologie eröffnet neue Horizonte. Junge Menschen müssen lernen, mit diesen Möglichkeiten und Versuchungen umzugehen. Einigen gelingt ein selbstbestimmter Umgang jedoch nicht. Dieses Buch behandelt die Thematik der Computer- und Internetsucht bei Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen. Die Errungenschaften digitaler Kommunikationstechnologie sollen damit nicht in Frage gestellt werden. In Bezug auf die Entwicklung von jungen Menschen ist aber die Frage nach dem Zeitpunkt, der Menge, dem Inhalt und der Art und Weise des Umgangs zu stellen. Die Frage nach dem, was Kinder für eine gesunde Entwicklung hin zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit benötigen, sollte stärker in den Vordergrund rücken. Die Entwicklung des Kindes sollte zum Leitfaden werden. Schwerpunkte der 3. Auflage sind Entwicklungsaspekte und die Digitalisierung der Kindheit und das Thema Digitalisierung und Bildung.
Es ist gelungen, für die 3. Auflage ausgewiesene Experten¹ für die einzelnen Themen zu gewinnen. Es wird eingegangen auf Epidemiologie, Soziologie und die Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung und die Hirnentwicklung, auf Schulleistungen und die Digitalisierung der Bildung, auf Gewalt, Cybersex und Cybermobbing. Klinische Aspekte der Medien- und Computersucht werden ergänzt durch Fallbeispiele. Konkrete Ansätze aus der Praxis für Beratung, Erziehung, Behandlung und Prävention runden die Thematik ab. Neben theoretisch-wissenschaftlichen Aspekten geht es auch um praxisnahe, handlungsrelevante Anregungen im Umgang mit dieser aktuellen Thematik.
Jedes Kapitel kann für sich gelesen werden. Deshalb kommt es zu gewissen Überschneidungen und je nach zitierten Studien manchmal auch unterschiedlichen Zahlen. Unterschiedliche Sichtweisen begründen sich aus den fachlichen Schwerpunkten der Autoren. Das Buch ist der Versuch, sich diesem komplexen Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern.
Ohne das beharrliche Drängen von Herrn Dr. Poensgen, dieses Buch im Kohlhammer Verlag herauszugeben, wäre es nicht erschienen. Umso erfreulicher ist es, dass es bereits in dritter aktualisierter und erweiterter Auflage vorliegt. Ihm und besonders Frau Brutler und Herrn Rose vom Kohlhammer Verlag danke ich für die gute Zusammenarbeit. Mein herzlicher Dank gilt weiter den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge an diesem Buch.
Hannover, Januar 2023
Christoph Möller
Diagnostische Kriterien für »Computerspielstörung« (6C51, »Gaming Disorder«) in der ICD-11 (WHO 2021, eigene Übersetzung)
Die Computerspielstörung ist durch ein Muster von anhaltendem oder wiederkehrendem Spielverhalten (»digitales Spielen« oder »Videospielen«) gekennzeichnet, das online (d. h. über das Internet) oder offline stattfinden kann und sich durch Folgendes äußert:
1.
beeinträchtige Kontrolle über das Computerspiel (z. B. über den Beginn, die Häufigkeit, die Intensität, die Dauer, die Beendigung, den Kontext);
2.
zunehmende Priorität des Spielens in dem Maße, dass das Spielen Vorrang vor anderen Lebensinteressen und täglichen Aktivitäten hat;
3.
Fortsetzung oder Eskalation des Computerspielverhaltens trotz des Auftretens negativer Konsequenzen.
Das Muster des Spielverhaltens kann kontinuierlich oder episodisch und wiederkehrend sein. Das Spielverhalten führt zu einem ausgeprägten Leidensdruck oder einer erheblichen Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Das Spielverhalten und andere Merkmale sind normalerweise über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten zu beobachten, damit eine Diagnose gestellt werden kann, obwohl die erforderliche Dauer verkürzt werden kann, wenn alle diagnostischen Anforderungen erfüllt sind und die Symptome schwerwiegend sind.
Ausschlussdiagnosen:
Riskantes Computerspiel (»Hazardous Gaming«; QE22)
Bipolare Störung, Typ 1 (6 A60)
Bipolare Störung, Typ 2 (6 A61)
Anmerkungen: Die Computerspielstörung 6C51 kann als »überwiegend online« (6C51.0) oder »überwiegend offline« (6C51.1) differenziert werden. Die »Glücksspielbezogene Störung« ist unter 6C50 zu kodieren. Andere internetbezogene Störungen sind unter 6C5Y einzuordnen, soweit sie spezifizierbar sind (z. B. »Social Media Disorder«) oder unspezifisch unter 6C5Z.
Die Übersicht der »Diagnostischen Kriterien für »Computerspielstörung« (6C51, »Gaming Disorder«) in der ICD-11« ist dem Kapitel 11 »Jugendpsychiatrische Aspekte der Medien- und Computersucht« von Rainer Thomasius, Anneke Aden und Kay Uwe Petersen entnommen.
Endnoten
1Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in der Regel die neutrale bzw. männliche Form verwendet. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers).
Danksagung
Für Laura, Anna, Friedtjof und Clara
&
Piet und Carl
Teil I – Grundlagen
1 Epidemiologische Daten zur Medien- und Computernutzung bei Kindern und Jugendlichen
Nadine Jukschat, Eva-Maria Kraft, Thomas Mößle
Auch wenn wir alle glaubten, dass die Digitalisierung in den 2000er Jahren bereits weit fortgeschritten war und unser Autorenteam bereits zu Beginn der 2010er Jahre der Meinung war, dass die Mediennutzung der Jugendlichen sehr hoch ist, veränderte sich durch die Corona-Pandemie die Mediennutzung nochmals. So fühlten sich die Jahre 2020/21 teils an, als ob wir nun endgültig in einem Science-Fiction-Film angekommen waren. Viele Menschen verließen das Haus kaum, trafen sich nur noch mit ihren Haushaltsangehörigen und erlebten viele Situationen digital vermittelt statt analog und leiblich. Seitdem wir uns ständig in Videocalls sehen und gefühlt mehr mit unseren Staubsaugerrobotern und anderen Endgeräten reden als mit unseren Nachbarn, ist die digitale Realität auch bei uns Erwachsenen angekommen. Wie hat sich diese Situation auf das Mediennutzungsverhalten der Kinder und Jugendlichen ausgewirkt? Viele von ihnen haben gezwungenermaßen viel Zeit zu Hause im Homeschooling verbracht und ihre Bildschirmzeiten stiegen. Inwieweit es sich hier um einen der pandemischen Situation geschuldeten Effekt von kurzer Dauer handelt oder ob sich Mediennutzungsweisen junger Menschen durch die Corona-Pandemie strukturell nachhaltig verändern, wird weiter zu beobachten sein. Wir möchten im Folgenden wichtige Punkte des Medienkonsums von Kindern und Jugendlichen vorstellen und dabei schlaglichtartig die großen Entwicklungen seit Ende der 1990er Jahre aufzeigen.
1.1 Medienausstattung der Kinder und Jugendlichen
In Deutschland existieren zur Medienausstattung und -nutzung von Kindern und Jugendlichen nur wenige repräsentative und kontinuierlich durchgeführte Studien. Um vergleichbare und aktuelle Zahlen zu präsentieren, wird in diesem Kapitel vorwiegend auf Daten aus den KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest² sowie aus den Schülerbefragungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zurückgegriffen.
Vergleicht man die Zahlen zur Medienausstattung der Kinder und Jugendlichen heute mit denen vor rund 20 Jahren, so zeigt sich der Wandel vor allem in Bezug auf Computer und Internet sowie Handys bzw. Smartphones. Die Ausstattung mit Radios, Fernsehern sowie Musikabspielgeräten ist über die Jahre nahezu konstant geblieben. Diese Geräte waren schon vor zehn Jahren in nahezu jedem Haushalt verfügbar, allerdings wurden sie über die Zeit zum Teil durch technische Neuerungen ersetzt.
1.1.1 Medienausstattung im Haushalt
Über einen Computer verfügte im Jahr 1999 nur etwa die Hälfte der Haushalte mit Kindern im Alter von 6 – 13 Jahren und nur 8 % der Haushalte hatte einen Internetanschluss. Rund 44 % verfügten über eine Spielkonsole (KIM 1999). 22 Jahre später zeigt sich ein deutlich anderes Bild: In 99 % der Haushalte ist nun ein Computer vorhanden, 99 % verfügen über einen Internetzugang. Bei den Spielekonsolen gab es seit 2012 einen leichten Rückgang von 75 % auf 70 % (KIM 2012, 2020).
Für die Haushalte mit Jugendlichen im Alter von 12 – 19 Jahren zeigt sich ebenfalls eine steigende Tendenz: 1998 gab es in 78 % dieser Haushalte einen PC (Klingler 2008) und etwa jeder Dritte PC-Nutzer mit Computer zu Hause hatte auch Zugang zum Internet (JIM 1998). Eine Spielkonsole existierte in 43 % der Haushalte (Klingler 2008). 2014 sind so gut wie in allen Familien ein Computer sowie Internet vorhanden, eine feste Spielkonsole gibt es in drei Viertel der Haushalte (JIM 2014). Diese Zahlen blieben im Jahr 2021 stabil.
1.1.2 Medienausstattung der Kinder und Jugendlichen
emptyAbb. 1.1: Gerätebesitz Jugendlicher (12 – 19-Jährige) von 1998 bis 2021 (Datengrundlage JIM-Studien 1998 bis 2021)*.
* Computer und Laptop werden seit 2017 auch separat ausgewiesen.
Die Daten zur Medienausstattung im Haushalt zeigen bereits, dass Kinder und Jugendliche heute mehr denn je auch in einer Medienwelt aufwachsen. Noch deutlicher wird dies beim Blick in die Kinder- und Jugendzimmer (▸ Abb. 1.1). Die Ausstattung mit eigenen Mediengeräten setzt bereits im Vorschulalter ein. Hier verfügten 2012 immerhin 3 % der 2 – 5-Jährigen über einen eigenen Fernseher. Genauso viele Vorschulkinder besaßen eine eigene feste und 5 % eine tragbare Spielkonsole. Immerhin 7 % hatten einen eigenen (Kinder-)Computer (Karg 2014).
Die Kinderzimmer der 6 – 13-Jährigen sind heutzutage medial deutlich besser ausgestattet als ca. 20 Jahre zuvor. Beliebt ist mit einer Verbreitung von 41 % die Spielkonsole (KIM 2020), 1999 lag die Ausstattungsquote hierfür noch bei 28 % (2010: 57 %). Ein Fernseher findet sich in 36 % der Kinderzimmer (1999: 29 %; 2010: 45 %) (KIM 1999, 2010, 2020). Einen Computer/Laptop gibt es im Kinderzimmer 2020 bei 18 % (1999: 11 %) (KIM 1999, 2021). Hinzu kommen noch 9 % der Kinder, die ein Tablet besitzen oder Zugang zu diesem haben (KIM 2020). Deutlich zugenommen hat auch die Zahl der Kinder, die ein eigenes Handy besitzen: von 6 % im Jahr 2000 (KIM 2000) auf etwa 50 % im Jahr 2012 (KIM 2012). Die Zahl der Kinder, die ein eigenes Smartphone besitzen, stieg von 7 % im Jahr 2012 (KIM 2012) auf 42 % im Jahr 2020 (KIM 2020). Somit ist zu vermuten, dass der Zugriff auf das Internet immer selbständiger erfolgt und ortsungebunden für Kinder möglich ist.
Im Jugendzimmer hat sich seit Ende der 1990er Jahre die Ausstattung mit Computern und Spielkonsolen mehr als verdoppelt. 35 % der Jugendlichen besaßen 1998 einen eigenen PC und knapp ein Viertel eine Spielkonsole (JIM 1998). 2014 haben fast 80 % der Jugendlichen einen eigenen PC. 2021 besaßen 76 % einen eigenen Computer/Laptop, 47 % besaßen eine Spielekonsole und 43 % ein eigenes Tablet. Insbesondere bei der Ausstattung mit Laptop und Tablet ist von 2019 – 2021 eine deutliche Zunahme zu beobachten (Tablet 2019: 25 %; Laptop 2019: 47 %, Laptop 2021: 60 %; KIM 2019, 2020, 2021). Besonders eindrucksvoll ist die Veränderung bei den Mobiltelefonen: Besaß 1998 nicht einmal jeder zehnte Jugendliche ein eigenes Handy (JIM 1998), galt dies 2014 nahezu für alle Jugendlichen, fast 90 % davon hatten ein Smartphone. Diese Zahl stabilisierte sich über die Jahre, über Smartphones verfügen im Jahr 2021 93 % der Jugendlichen (JIM 2021). Die Ausstattungsquote mit Fernsehgeräten hingegen ist in den vergangenen Jahrzehnten mit ca. 60 % bei den Jugendlichen weitestgehend konstant geblieben (JIM 1998, 2014) und seit 2012 bis 2020 mit 51 % (JIM 2021) sogar gesunken.
1.2 Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen
Die Veränderung in Bezug auf die Ausstattung mit technischen Geräten kann nicht ohne Folgen für die Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen bleiben.³ Schaut man sich beispielsweise das Freizeitverhalten von Jugendlichen an, zeigt sich, dass Bildschirmmedien im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten den Alltag zeitlich dominieren. So nutzen laut JIM-Studie (JIM 2020) fast alle Jugendlichen (97 %) das Internet und Smartphone (97 %) mehrfach in der Woche. Die täglichen Onlinenutzungszeiten an einem Wochentag sind dabei während der Corona-Pandemie noch einmal angestiegen (2019: 205 Minuten; 2020: 258 Minuten; 2021: 241 Minuten; KIM 2019, 2020, 2021).
Der Anteil der regelmäßigen Buchleser liegt laut JIM-Studie 2014 bei den 12 – 19-Jährigen mit 40 % ähnlich hoch wie 1998, zu Beginn der Studienreihe (JIM 2014). 2021 lesen zusammengerechnet noch 32 % der Jugendlichen wöchentlich oder täglich. Immerhin 10 % geben an, täglich bzw. wöchentlich E-Books zu lesen, so dass wir insgesamt weiterhin auf die Zahl von ca. 40 % kommen, die regelmäßig lesen (JIM 2021).
1.2.1 Klassische Medien
Klassische Medien spielen im Leben der Kinder und Jugendlichen weiterhin eine Rolle. Wie schon 1999 sahen auch 2012 und auch 2020 (94 %) fast alle in der KIM-Studie befragten Kinder täglich oder mindestens mehrmals in der Woche fern (KIM 1999, 2012, 2020). Bei den Jugendlichen verliert das Fernsehen an Bedeutung: 1998 sahen 95 % der Jugendlichen täglich oder mindestens mehrmals in der Woche fern (JIM 1998), 2014 sind es immer noch 83 % (JIM 2014), 2020 nur noch 72 % (JIM 2020).
Leicht rückläufig ist die Radionutzung innerhalb der vergangenen Jahre. Sie ging bei den Kindern zwischen 1999 und 2012 von 65 auf 59 % zurück (KIM 1999, 2012), 2020 waren es nur noch 50 %, die täglich bis mehrmals in der Woche Radio hörten (KIM 2020). Nutzten 1998 noch 85 % der Jugendlichen mindestens mehrmals in der Woche das Radio, waren es 2014 noch 73 % (JIM 1998, 2014). 2021 schien die Radionutzung mit 58 % täglich bis mehrmals in der Woche weiterhin im Abwärtstrend zu sein (JIM 2020).
Das Hören von Musik und Hörbüchern scheint auch im Jahr 2021 ein wichtiger Bestandteil von Jugendkultur zu sein. Jedoch wechselte die Nutzungsform über die Jahrzehnte von CDs über M3 s zur Nutzung von Podcasts (14 %) und Hörspielen/-büchern (17 %) (JIM 2021).
Der Printmedien-Konsum ist bei den Kindern kontinuierlich gesunken. Sie lesen 2020 deutlich seltener Zeitungen (2020: 8 %, 2012: 7 %; 1999: 22 %) und Zeitschriften (2020: 19 %, 2012: 35 %; 1999: 47 %: KIM 1999, 2012, 2020). Veränderungen in der Printnutzung zeigen sich auch für die Jugendlichen. 1998 lag die Zahl derjenigen, die Zeitungen zumindest mehrmals in der Woche lasen, bei 59 %. 16 Jahre später sind es nur noch 32 % und 2021 sind es lediglich noch 13 %. Noch höher fällt der Rückgang bei den Zeitschriften aus. 1998 gaben 49 % der Jugendlichen an, zumindest mehrmals in der Woche Zeitschriften zu lesen, 2014 sind dies nur noch 21 %, 2021 noch 15 % (JIM 1998, 2014, 2021). Allerdings lesen Jugendliche Zeitschriften (12 %) und Zeitungen (12 %) inzwischen online (JIM 2021).
1.2.2 Neue Medien
Der heutige Medienalltag der Kinder und Jugendlichen unterscheidet sich von dem Ende der 1990er Jahre vor allem durch die Integration neuer Technologien und Medien. Computer, Tablet und Smartphone und insbesondere das Internet haben die Mediennutzung revolutioniert, ihr potenzielles Anwendungsspektrum ist extrem breit gefächert: So helfen Computer und Internet heute beispielsweise bei den Hausaufgaben, sind Informationsquelle und Arbeitsmittel, dienen der Entspannung und Unterhaltung, aber auch der politischen Beteiligung, oder sind wichtige Kommunikationsplattformen.
Der Anteil der 6 – 13-jährigen Computernutzer, die den PC zumindest selten nutzen, lag laut KIM-Studie im Jahr 1999 bei 51 % (KIM 1999), mit einem Anteil von 16 % der Kinder, die ihn jeden/fast jeden Tag nutzten. 2010 steigen die Werte auf 76 % bzw. 28 % an (KIM 2010). Heute nutzen 80 % der Kinder Computer, Laptop oder Tablet zumindest selten (KIM 2020). Zusätzlich nehmen 65 % der Kinder das Handy/Smartphone mindestens einmal pro Woche zur Hand (KIM 2020; 47 % jeden/fast jeden Tag). Das Internet nutzten 1999 nur 13 % der Kinder zumindest selten (KIM 1999). 2010 waren es 57 % (KIM 2010) und 2020 liegen die Zahlen bei 71 % (KIM 2020).
Täglich oder zumindest mehrmals in der Woche nutzte 1998 nur knapp jeder zweite Jugendliche einen Computer und nur 5 % das Internet (JIM 1998). Heute fallen Computer- und Internetnutzung mehr oder weniger zusammen: 95 % der Jugendlichen nutzen diese Medien mindestens mehrmals pro Woche (JIM 2021).
Dabei weisen Jungen und Mädchen unterschiedliche Nutzungsprofile auf – und das über alle Altersgruppen hinweg. So arbeiten beispielsweise 6 – 13-jährige Mädchen häufiger am Computer für die Schule und nutzen stärker Lernprogramme, sie schreiben häufiger Texte und malen oder zeichnen mehr (KIM 2012) oder nutzen das Smartphone fast doppelt so häufig wie Jungen, um Fotos oder Videos zu bearbeiten (KIM 2020). Bei den im Rahmen der JIM-Studie befragten 12 – 19-jährigen Mädchen steht die Kommunikation im Zentrum der Beschäftigung mit dem PC (JIM 2014). Die Jungen unterscheiden sich durch eine sehr viel stärkere Fokussierung auf Spiele. Sie spielen sowohl häufiger als auch länger als die Mädchen. Insgesamt steigt die Nutzung von Computerspielen von den 6 – 7-Jährigen zu den 12 – 13-Jährigen an und sinkt mit zunehmendem Alter wieder (KIM 2020, JIM 2021). In diesem Alter weitet sich das gesamte Anwendungsspektrum des Computers aus. So steigt beispielsweise der Nutzungsanteil für die Recherche und Informationssuche (JIM 2014).
1.2.3 Soziale Medien und Kommunikation – die Domäne der Mädchen?
Mit sozialen Medien wie den Netzwerken »SchülerVZ« (gegründet im Februar 2007) oder der internationalen Variante »Facebook« (gegründet im Februar 2004) entstand Mitte der 2000er Jahre eine völlig neue Form der Kommunikation, die sich seither mit weiteren sozialen Diensten wie »Instagram«, »TikTok« oder »Snapchat« weiter diversifiziert hat. Benutzer erstellen auf diesen Plattformen eine eigene Profilseite, auf der sie sich vorstellen und Fotos oder Videos hochladen können. Einmal angemeldet, können sie »Freunde« suchen, sich mit ihnen vernetzen, thematische Gruppen gründen und sich persönliche Nachrichten schicken oder chatten. Auf Pinnwänden können Besucher öffentlich sichtbare Nachrichten hinterlassen. Die Netzwerke sind Kontaktbörse, Kalender und Tagebuch. Und sie ermöglichen eine neue Form zwischenmenschlichen Austauschs, die in den vergangenen Jahren vor allem bei den Jugendlichen enorm an Popularität gewonnen hat. »Instagram« liegt bei den sozialen Medien weit vorn: Bei den 12 – 19-Jährigen nutzen 63 % der Mädchen und 54 % der Jungen den Dienst mindestens einmal wöchentlich, »TikTok« kommt auf 52 % bei den Mädchen und 39 % bei den Jungen (JIM 2021). Facebook, das 2014 noch das beliebteste soziale Netzwerk war und mit 69 % den größten Anteil an der Nutzung hatte (JIM 2014), wird 2021 nur noch von 26 % der Jugendlichen mindestens einmal pro Woche genutzt. Insgesamt fällt auf, dass sich die Onlinekommunikation zusehends auf mobile Endgeräte verlagert. So lässt sich auch der Siegeszug des Kommunikationsdienstes »WhatsApp« erklären, mit dem ebenso Nachrichten, Bilder und Ähnliches ausgetauscht werden können. Mittlerweile gehört dieser Dienst wie selbstverständlich zum Alltag der Jugendlichen. 92 % nutzen den Messenger mindestens mehrmals pro Woche (JIM 2021).
Nicht nur für die Jugendlichen spielen die sozialen Medien eine Rolle. Auch für die Kinder haben sie Relevanz. Laut KIM-Studie nutzen 74 % der Kinder 2020 »WhatsApp«. Unter den Kindern, die das Internet nutzen, verwenden immerhin 30 % mindestens einmal wöchentlich »TikTok«, 20 % »Instagram«, 19 % »Snapchat« und 17 % »Facebook« (KIM 2020).
1.2.4 Digitale Spiele – das Revier der Jungen?
Neben den sozialen Medien wird die öffentliche Debatte rund um Computer und Internet immer wieder stark vom Thema »Spiele« beherrscht. Die Vielfalt der Computer- und Videospiele auf dem Markt ist enorm und hat mit dem Bedeutungsgewinn von Smartphones noch einmal an Dynamik gewonnen. Das Spektrum der heutigen Computerspiele reicht von einfach strukturierten Denk- oder Geschicklichkeitsspielen und Brettspielumsetzungen über anspruchsvolle Management- und Strategiespiele bis hin zu komplexen Rollenspielen und gewalthaltigen Ego-Shootern. Viele Spiele können seit dem Siegeszug des Internets mit anderen gemeinsam online gespielt werden und sind dadurch noch vielschichtiger und reizvoller geworden.
Ganz besondere Anziehungskraft üben digitale Spiele offensichtlich auf männliche Kinder und Jugendliche aus: In der Gruppe der 6 – 13-Jährigen spielen 68 % der Jungen (und 50 % der Mädchen) mindestens einmal pro Woche Computer-, Konsolen-, Tablet- oder Smartphonespiele (KIM 2020). Betrachten man die gesamten Spiel-Optionen, so nutzen insgesamt 72 % der Jugendlichen mindestens mehrmals pro Woche elektronische Spiele (Jungen: 84 %, Mädchen: 59 %) (JIM 2021).
Die Jungen spielen nicht nur öfter, sondern auch intensiver als die Mädchen. Gefragt nach der täglichen Spielzeit ihrer Kinder an PC, Laptop, Tablet oder Konsole geben die Eltern der 6 – 13-jährigen Jungen durchschnittlich eine tägliche Spielzeit von 37 Minuten an, bei den Mädchen hingegen nur 23 Minuten (KIM 2020). Bei den 12 – 19-Jährigen zeigt sich der Geschlechterunterschied noch deutlicher: Unter der Woche kommen die Jungen auf durchschnittlich 144 Minuten, die Mädchen dagegen nur auf rund 75 Minuten (JIM 2021). Am Wochenende weiten sie zudem ihre Spielzeit sehr viel stärker aus (152 Min.) als die Mädchen (57 Min.; JIM 2014).
Ein häufig diskutiertes Thema in diesem Zusammenhang ist die exzessive Computerspielnutzung. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) konnte im Jahr 2009 die erste nationalrepräsentative epidemiologische Untersuchung zu exzessivem Spielverhalten und Computerspielabhängigkeit für die Altersstufe der 15-Jährigen in Deutschland präsentieren. Demnach weisen 4,3 % der Mädchen und 15,8 % der Jungen ein exzessives Spielverhalten mit mehr als 4,5 Stunden täglicher Computerspielnutzung auf, das bedeutet, dass 90 % der Jugendlichen weniger Zeit mit Computerspielen verbringen (▸ Abb. 1.2).
emptyAbb. 1.2: Aufteilung der 15-jährigen Jungen und Mädchen auf die Nutzergruppen der Computerspieler (Anteile in Prozent, n = 44.129, gewichtete Daten)
Zur Bestimmung einer bestehenden Computerspielabhängigkeit spielt die Spielzeit keine Rolle, sondern Kriterien wie Kontrollverlust, Spielen trotz negativer Konsequenzen und Einengung des Denkens und Verhaltens. Dabei wurden 3