Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit: Grundlagen - Methoden - Materialien
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Buchvorschau
Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit - Christine Einhellinger
Inhalt
Cover
Titelei
Einleitung
Begriffsklärungen
Erstsprache
Zweitsprache, Drittsprache und Mehrsprachigkeit
Zielsetzung des Buchs
Inhalt und Aufbau
Persönliche Vorbemerkung
1 Die Sprachen, um die es geht
1.1 Lautlehre für alle Sprachen – Phonetik
1.2 Erstsprachen
1.2.1 Vielfältige Sprachkenntnisse einbeziehen und wertschätzen
1.2.2 Übersicht – die Sprachen der Welt
1.2.3 Türkisch
1.2.4 Arabisch
1.2.5 Polnisch/Tschechisch
1.2.6 Bosnisch/Kroatisch/Serbisch/Montenegrinisch und Bulgarisch/Mazedonisch
1.2.7 Russisch/Ukrainisch
1.3 Die deutsche Zielsprache – scheinbar Selbstverständliches
1.3.1 Deutsch im Sprachenbaum und weitere Einordnungen
1.3.2 Lautebene – Aussprache und Schrift
1.3.3 Wortebene – Wortbildung und Beugung
1.3.4 Satzebene
2 Die Lernenden mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen
2.1 Biografie, Lebenswelten, Lernvoraussetzungen
2.1.1 Migration und Flucht
2.1.2 Sozialisationsbedingungen, Lebenswelten
2.1.3 Individuelle, internale Lernvoraussetzungen
2.2 Sprachbiografie
2.2.1 Zweitspracherwerbstheorien
2.2.2 Erwerbsverläufe
2.3 Diagnostik
3 Impulse für guten Unterricht – Prinzipien und Konzepte
3.1 Differenzierung und Individualisierung
3.2 Scaffolding
3.3 Lernerautonomie
3.4 Handlungsorientierung
3.5 Sprachbewusstheit, Sprachaufmerksamkeit
3.6 Sprache als Werkzeug und Lerngegenstand
3.7 Einbezug der Kulturspezifik
4 Methoden
4.1 Methodenauswahl strukturieren
4.2 Kooperative Methoden
4.3 Reime, Lieder, Spiele
4.4 Sprachenportfolio
5 Materialien, Medien
5.1 Kritischer Umgang mit Materialien
5.2 Bilderbücher, Literatur, Texte
5.3 Materialien von Lehrmittelverlagen
5.4 Spiele – selbst erstellt
5.5 Digitale Medien und Linktipps
6 Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben – Wortschatz aufbauen und sprachliche Muster erkennen
6.1 Hören
6.1.1 Bedeutung des Hörens für das Sprachenlernen
6.1.2 Der Prozess des Hörverstehens
6.1.3 Sprache der Lehrkraft
6.1.4 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.2 Sprechen
6.2.1 Sprechen – die wichtigste und schwierigste Fertigkeit
6.2.2 Aussprache – Bedeutung und mögliche Probleme
6.2.3 Alltagssprache und Bildungssprache, Monolog und Dialog
6.2.4 Umgang mit Fehlern
6.2.5 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.3 Lesen
6.3.1 Lesen in der Zweitsprache
6.3.2 Schriftspracherwerb im Anfangsunterricht
6.3.3 Auswahl geeigneter Inhalte
6.3.4 Anpassung von Texten an die Lernvoraussetzungen
6.3.5 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.4 Schreiben
6.4.1 Schreiben in der Zweitsprache
6.4.2 Texte planen, erstellen, überprüfen
6.4.3 Rechtschreiben in der Zweitsprache
6.4.4 Schreibmotivation erhalten: Geeignete Schreibanlässe und Umgang mit Fehlern
6.4.5 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.5 Wortschatz
6.5.1 Wortschatz, Lernen und soziale Ungleichheit
6.5.2 Wortschatz in der Zweitsprache aufbauen
6.5.3 Wortschatz auswählen
6.5.4 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.6 Sprachliche Muster erkennen
6.6.1 Prinzipien der Grammatikvermittlung
6.6.2 Auswahl und Reihenfolge der Inhalte
6.6.3 Phasenmodell und Aufgabenformen
6.6.4 Methoden und Medien für heterogene Lerngruppen
6.6.5 Der Hausspruch als Highlight lernbereichsübergreifender Methoden
7 Ausblick: Das Zuhause einbeziehen
8 Literatur
emptyDie Autorin
emptyDr. Christine Einhellinger ist Akademische Oberrätin am Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen der Universität Würzburg. Der Schwerpunkt ihrer Veröffentlichungen und ihres praktischen Engagements ist der Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit. So hat sie von Anfang an das Lehrstuhlprojekt »UNI-Schule« durch Beratung der Studierenden, Beiträge im Begleitseminar und praktische Mitarbeit unterstützt. Vor ihrer Tätigkeit am Lehrstuhl war sie viele Jahre als Lehrerin tätig.
Christine Einhellinger
Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit
Grundlagen – Methoden – Materialien
Verlag W. Kohlhammer
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1. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-038480-4
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-038481-1
epub: ISBN 978-3-17-038482-8
Einleitung
Begriffsklärungen
Erstsprache
In Zeiten intensiver Migrations- und Fluchtbewegungen, gerade auch – aber nicht nur – anlässlich des Krieges mitten in Europa im Jahr 2022 sind eine, zwei oder manchmal drei weitere Sprachen zur ersten Sprache keine Seltenheit mehr. Inzwischen wird die Erstsprache im wissenschaftlichen Sprachgebrauch oft L1 (language 1) genannt, in Abgrenzung zur L2, L3 oder gar weiteren Sprachen. Von Muttersprache wird in der wissenschaftlichen Diskussion kaum noch gesprochen, da der Begriff wissenschaftlich nicht korrekt und didaktisch auch nicht hilfreich ist (vgl. z. B. Kalkavan-Ayd&ip.iscp;n 2015b, 9). Immerhin ist nicht nur die Mutter am Spracherwerbsprozess beteiligt, betont auch Bernt Ahrenholz (2020a, 3): In manchen Sprachen, z. B. in der polnischen, ist anstatt von Muttersprache wie im Deutschen auch von Vatersprache die Rede. Außerdem weist Ahrenholz darauf hin, dass nicht nur weitere Menschen außer der Mutter an der ersten Sprache eines Kindes beteiligt sind, sondern dass sich die Erstsprache des Kindes durchaus von der Sprache der Mutter unterscheiden kann. Ein Vorteil des Begriffes Erstsprache ist zudem, dass mit ihm »indirekt auch auf das mögliche Erlernen weiterer Sprachen verwiesen« wird (ebd., 4) – er ist beliebig ausbaufähig und entspricht so eher der heutigen Realität in Schule und Gesellschaft. Mit Verweis auf Sara Fürstenau kritisiert Kalkavan-Ayd&ip.iscp;n (2015b, 9) auch den alternativen Begriff Herkunftssprache, da das Herkunftsland von Menschen mit ihrer mitgebrachten Sprache nicht immer identisch ist; man kann dabei z. B. an Menschen aus der Türkei denken, die kurdisch sprechen (ebd.). Ergänzen könnte man, dass bei uns in Deutschland viele Menschen aus dem Iran zugewandert sind, die aber nicht nur Persisch bzw. Farsi sprechen, sondern je nach Familienzusammenhang vor allem Dari oder Paschto, da sie afghanische Wurzeln haben.
Zweitsprache, Drittsprache und Mehrsprachigkeit
Eine Zweitsprache wird zeitlich versetzt zur Erstsprache erworben; man spricht also frühestens dann von einer Zweitsprache, wenn der Erwerb der ersten Sprache einigermaßen abgeschlossen ist – etwa im Alter von zwei bis vier Jahren. »Zentral für Zweitspracherwerb ist, dass die Aneignungsprozesse in Lebenssituationen stattfinden, in denen die Zweitsprache [...] zentrales Kommunikationsmittel ist« (Ahrenholz 2020a, 6) – im Gegensatz zum Fremdspracherwerb. Der Unterschied zwischen dem Zweitspracherwerb, wie er für die Schülerinnen und Schüler zutrifft, um die es in diesem Buch geht, und dem Fremdspracherwerb ist also der Erwerbskontext oder einfacher gesagt: Wo lerne ich die neue Sprache?
Ahrenholz (ebd., 7) bringt noch zwei weitere interessante Aspekte zum Konzept der Zweitsprache mit ein: »Die später erworbene Zweitsprache kann durchaus zur dominanten Sprache für den individuellen Sprecher¹ werden. Nicht selten wird sie subjektiv Muttersprache« (ebd.). Daher könne es sein, dass der Begriff Zweitsprache für die Betroffenen gar nicht passt. Zur wissenschaftlichen Erfassung der Spracherwerbsprozesse sei der Begriff allerdings unverzichtbar. Leider werde in wissenschaftlichen Untersuchungen das sogenannte Age of Onset (AoO), also der Beginn des Deutscherwerbs nicht ausreichend dokumentiert, obwohl es angesichts der großen Heterogenität der Deutschlernenden »von großer methodischer Bedeutung« sei (ebd., 7).
Im Allgemeinen untersucht die Forschung zum Zweitspracherwerb alle Sprachen, die nach der ersten Sprache (L1) erworben wurden. In manchen Untersuchungen wird allerdings gezielt danach geschaut, »inwieweit das Erlernen einer dritten oder vierten (oder xten) Sprache nicht wiederum besondere Bedingungen hat« (Ahrenholz 2020a, 8). Die zugrunde liegende Annahme ist dabei, dass sich bestimmte Prinzipien der Sprachaneignung ähneln und dass »erworbenes Sprachwissen und entwickelte Sprachlernstrategien übertragen werden können« (ebd.). Dies beeinflusst dann konsequenterweise den Dritt- und Viertspracherwerb. Der Begriff Mehrsprachigkeit bezieht sich nicht auf einen bestimmten Erwerbszeitraum, sondern wird »für alle Formen von multipler Sprachkompetenz verwendet« (ebd., 5). Er kann individuelle oder auch gesellschaftliche Mehrsprachigkeit bezeichnen (ebd.).
Zielsetzung des Buchs
Bücher über Mehrsprachigkeitsdidaktik gibt es viele, und es gibt auch viele sehr gute. Was macht nun dieses Buch einzigartig? Das Besondere an diesem Buch ist die Perspektive einer Sonderpädagogin, die sowohl viele Jahre in einer Fördereinrichtung gearbeitet hat als auch in integrativen Settings in den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten (MSD), wie das z. B. in Bayern genannt wird. In anderen Bundesländern heißt es Grundversorgung; das Konzept ist dabei immer, dass eine Fachkraft mit sonderpädagogischer Ausbildung und Erfahrung Kinder und Jugendliche in der Allgemeinen Schule, die von Schulversagen bedroht sind oder bereits einen festgestellten Unterstützungsbedarf haben, betreut und unterstützt. Dies geschieht meist in enger Absprache und Kooperation mit den Lehrkräften an den Allgemeinen Schulen (vgl. Einhellinger 2018a, 11 ff.).
Die Autorin hatte beim Zusammenstellen der Inhalte dieses Bandes und beim Schreiben das Einführungswerk vor Augen, das sie sich in den ersten Berufsjahren in der Schule als kompakte Information zum Thema Deutsch bei Mehrsprachigkeit gewünscht hätte. Gleichzeitig wurde immer im Blick behalten, dass Mehrsprachigkeit nicht das einzige Unterscheidungsmerkmal in den Lernvoraussetzungen der Schülerschaft ist. In Zeiten der Inklusion ist das besonders deutlich geworden, auch wenn es noch nie wirklich homogene Klassen gegeben hat – die Verschiedenheit der Köpfe benannte schon Herbart im 19. Jahrhundert. Durch den sonderpädagogischen Hintergrund der Autorin ist der Blick auf die Heterogenität der Schülerschaft auch einer, der die Risiken für die Entwicklung von Lernbeeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten im Auge behält. Mehrsprachigkeit oder ein Migrationshintergrund ist keinesfalls per se ein Problem – aber das Risiko, Schwierigkeiten in der Schullaufbahn zu bekommen, besteht; diesem Risiko sollte nicht mit Pessimismus, sondern mit einem besonders passenden Angebot und einer optimistischen, wachen und offenen Haltung begegnet werden. Rosemarie Tracy formulierte dies sehr zutreffend, geradezu poetisch: »Sprachförderung beginnt im Kopf derjenigen, die Kinder bei der Aneignung von Sprachen professionell unterstützen wollen« (Tracy 2012, 17).
Ein klassischer Sprachkurs wird nur an wenigen Schulen mit eigenen Sprachlernklassen angeboten und auch in diesen Sprachlernklassen sind die Lernvoraussetzungen heterogen. Außerdem haben die Kurse nach dem Lehrgangsprinzip den Nachteil, dass die Schülerschaft in dieser Zeit vom Fachunterricht ausgeschlossen ist und die Anwendung des gelernten Wissens im Umgang mit den Mitschülerinnen und Mitschülern, die Deutsch als L1 sprechen, fehlt.
Das vorliegende Buch will daher nicht aufzeigen, wie ein klassischer Sprachkurs aufgebaut sein müsste, der sich an Sprachneulinge ohne Grundkenntnisse in Deutsch wendet und diese in beispielsweise drei Jahren zu einem Sprachniveau von B2 führen soll. Dafür existieren bereits zahlreiche gute Lehrwerke, an die man sich strikt halten könnte.
Dieses Buch will Grundlagenwissen zum Schriftspracherwerb mit Deutsch als Zweitsprache nach dem integrativen Modell vermitteln und Vorschläge machen, wie dieses Kunststück umzusetzen ist, wenn man eine ganze Klasse zu unterrichten hat, in der Kinder und Jugendliche mit verschiedensten Lernbedürfnissen sind. Deutsch bzw. Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zu unterrichten ist voraussetzungsreich, man braucht einiges an Vor- und Fachwissen, was die meisten Lehrkräfte im erforderlichen Umfang nicht aus ihrem Studium oder aus der zweiten Phase der Lehrerbildung mitbringen. Auch in Fortbildungen etabliert sich das Thema erst in den letzten Jahren. Daher sieht der Alltag oft so aus, dass der integrative Unterricht zu wenig DaZ-Bezug hat – aus Mangel an zeitlichen und personellen Ressourcen, aber auch aus Mangel an Fachwissen und methodischen Beispielen. In der Ratgeberlandschaft wird sich oft entweder auf die Primar- oder auf die Sekundarstufe konzentriert – mit einer gewissen Berechtigung wegen verschiedener Altersstufen und damit verbunden verschiedenen Interessen. Aber: Richtig gute Konzepte, Ideen und Methoden lassen sich variieren und gerade im Bereich DaZ sagt die Altersstufe oft wenig über den sprachlichen Leistungsstand aus, weswegen in diesem Band darauf verzichtet wurde, einen eindeutigen Altersschwerpunkt zu setzen. Das Buch hat den Anspruch, umsetzbare Ideen für alle Altersstufen zu bieten, und lässt daher immer wieder Hinweise und Ideen für Varianten einfließen.
Inhalt und Aufbau
Eigentlich ist heute jede Lehrkraft eine DaZ-Lehrkraft, da es wohl kaum noch einheitlich muttersprachlich deutsche Klassen geben wird. Wir alle müssen uns über das Besondere an unserer² Erstsprache bewusstwerden, um sie adäquat vermitteln zu können. Daher ist es folgerichtig, sich zuerst mit Sprachen zu beschäftigen. Im Anschluss an diese Einleitung werden nicht nur interessante Einblicke in für uns überwiegend eher fremde Sprachen, in einige Erstsprachen unserer Schülerinnen und Schüler, gegeben, sondern auch scheinbar Selbstverständliches zu unserer eigenen L1 aufgezeigt. Da wir diese Sprache intuitiv und ohne explizite Erklärungen erlernt haben und vom oft als trocken empfundenen Grammatikunterricht aus der Schule meist auch nicht viel hängen geblieben ist, scheint es nötig, auch hier noch einmal genauer hinzusehen. Keine Angst – es gibt inzwischen sehr ansprechende Grammatiken mit erhellenden Einblicken in unsere Sprache. An diesen Systematiken orientiert sich auch das entsprechende Kapitel 1 (▶ Kap. 1). Anschließend geht es in Kapitel 2 (▶ Kap. 2) um die Lernenden und die überaus verschiedenen Bedürfnisse und Voraussetzungen, die sie tagtäglich in die Schule mitbringen, wie einleitend betont. Im dritten Kapitel (▶ Kap. 3) werden Prinzipien und Konzepte für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen vorgestellt – mit dem wichtigsten Prinzip, das die logische Konsequenz aus Kapitel 2 darstellt, Individualisierung, startet dieses Kapitel. Es soll bei der Vorstellung dieses Prinzips wie auch der anderen immer genauso um die Umsetzung gehen wie um reine Theorie. Im vierten Kapitel (▶ Kap. 4) wird ein Schwerpunkt auf themen- und klassenübergreifende Methoden, im fünften Kapitel (▶ Kap. 5) auf Materialien gelegt. Bei den Materialien soll der Blick geschärft werden für eine hohe Qualität der Medien, ob man sie erwirbt oder selbst herstellt. Es werden auch selbst erstellte, von der Autorin in der Unterrichtspraxis erprobte Methoden und Medien vorgestellt.
Kapitel 6 (▶ Kap. 6) verbindet die sprachlichen Fertigkeiten Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben und die dazu quer liegenden Lernbereiche Wortschatz und sprachliche Muster erkennen; es werden zu diesen Bereichen zunächst die wichtigsten Grundlagen vermittelt und dann Vorschläge für den Unterricht gegeben. Im Schlusskapitel (▶ Kap. 7) wird auf die Chancen der Zusammenarbeit mit der Familie eingegangen.
Persönliche Vorbemerkung
Ohne den regen Austausch mit engagierten Studierenden in meinen Seminaren, im Rahmen des Lehrstuhlprojektes UNI-Schule und in schulischen Praktika sowie rund um die Entwicklung von Abschlussarbeiten wäre dieses Buch weniger lebendig geworden; auch meinen ehemaligen Schülerinnen und Schülern bin ich zu Dank verpflichtet. Hervorheben möchte ich auch den fruchtbaren Austausch mit Sophia Amthor, Teresa Brandmair, Katharina Schöler und Pia Schmid, die mir aus der Sicht angehender Lehrkräfte wertvolle Tipps zum Manuskript gegeben haben und sich die mühsame Arbeit des Korrekturlesens geteilt haben.
Ich wünsche ein abgerundetes Lesevergnügen und freue mich über Rückmeldungen jeglicher Art!
Würzburg, im November 2022
Christine Einhellinger
Endnoten
1Dieses Buch versucht, durch Formulierungen wie Lernende, Lehrende oder Lehrkräfte möglichst durchgängig eine Sprache zu verwenden, die die Tradition des generischen Maskulinums hinter sich lässt. In manchen Abschnitten passt das aber weder inhaltlich noch sprachlich; dann wird auf Doppelnennungen zurückgegriffen oder im Plural auf Lösungen mit Schrägstrich wie bei Schüler/innen. Wörtliche Zitate bleiben unverändert.
2Mit der Perspektive einer Sprecherin des Deutschen als L1 möchte die Autorin Lehrkräfte mit DaZ nicht ausschließen; sie ist aber überzeugt, dass Lehrende mit DaZ meist bereits ein fundiertes Theoriewissen zur deutschen Sprache haben; erstsprachlich Deutsch Sprechende haben eher ein intuitives Wissen, das durch aktive Beschäftigung mit den Bauprinzipien unserer Sprache ergänzt werden muss.
1 Die Sprachen, um die es geht
Sich mit den Sprachen zu beschäftigen, um die es geht, ist die Basis eines guten Unterrichts, noch vor der Beachtung der Lerngruppe. Damit ist zum einen – ganz naheliegend – die deutsche Zielsprache gemeint, aber auch die Erstsprachen (L1) der Kinder und Jugendlichen, die erst in den letzten Jahren mehr in den Fokus rücken.
1.1 Lautlehre für alle Sprachen – Phonetik
Begriffe und Grundlagen
Phonetik ist mehr als Aussprachelehre der verschiedenen Sprachen der Welt und Aussprache ist weit mehr als ein weitgehend akzentfreies Deutsch, denn sie hat auch eine hohe Bedeutung für den Erwerb einer Zweitsprache (▶ Kasten 1). Betrachtet man die vier Lernbereiche Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben, wie sie in den meisten Lehrplänen oder Lehrwerken Schwerpunkte darstellen, so spielt die Phonetik in allen vier Bereichen eine deutliche Rolle. Daher wird der Vorstellung verschiedener Erstsprachen sowie auch der deutschen Sprache ein Kapitel über Lautlehre vorangestellt.
Kasten 1: Begriffsklärungen Phonologie und Phonetik (nach Hirschfeld/Reinke 2016, 86)
Phonologie meint das Sprachsystem, Phonetik seine Umsetzung.
Beide Bereiche sind wichtige Grundlagen für die Entwicklung der rezeptiven und produktiven Fertigkeiten.
Mit rezeptiven Fertigkeiten sind die Bereiche Hören und Lesen gemeint, mit produktiven Fertigkeiten Sprechen und Schreiben.
In der gesprochenen deutschen Standardsprache unterscheidet man suprasegmentale sowie segmentale Einheiten und Merkmale.
Mit suprasegmentalen Einheiten und Merkmalen sind Sprachmelodie, Akzent, Gliederung und Rhythmus gemeint.
Mit segmentalen Einheiten und Merkmalen sind Vokale und Konsonanten gemeint.
In Abbildung 1 (▶ Abb. 1) sehen Sie einen Sagittalschnitt, also einen Querschnitt durch den Sprechapparat. Die lateinischen Bezeichnungen der beteiligten Artikulationsorgane, also Sprechwerkzeugen in Kopf und Hals, werden verwendet, um Vokale und Konsonanten aller Sprachen der Welt zu beschreiben. Sich bewusst zu machen, wo und wie Laute gebildet werden, ist für Lehrende wie Lernende eine sehr gewinnbringende Sache. Zum einen versteht man leichter, warum Laute verwechselt werden, wenn man sich bewusst macht, dass sie an derselben Stelle gebildet werden; zum anderen kann man Kindern und Jugendlichen gezielter dabei helfen, Laute richtig zu artikulieren, wenn man die verwendeten Sprechwerkzeuge und den Artikulationsort zeigen und benennen kann.
emptyAbb. 1: Querschnitt durch den Sprechapparat (Zeichnung: Wolfgang Einhellinger; nach Hirschfeld/Reinke 2016, 67)
Nun soll es um die Laute gehen (▶ Kasten 2), die sich mit unseren Sprechwerkzeugen (Artikulatoren) erzeugen lassen und die wiederum in Alphabetschriften wie der unseren in Graphen und Grapheme übersetzt werden. In keiner Sprache der Welt kommen alle Laute, die wir eigentlich mit unseren Artikulatoren erzeugen könnten, gleichzeitig vor.
Kasten 2: Begriffsklärungen Phone, Phoneme und Allophone (nach Einhellinger 2013, 279)
Ein Phon ist die lautliche Umsetzung eines Segmentes, also eines Teils der gesprochenen Sprache. Man kann es hören.
Als Phonem wird ein Laut bezeichnet, der zu einer Bedeutungsunterscheidung beiträgt, z. B.
Solche nicht bedeutungsunterscheidenden Varianten eines Phonems (wie beim eben genannten Beispiel) werden Allophone genannt.
Verschiedene Sprachen – verschiedene Systeme – Phone und Phoneme
Das Problem für alle, die eine L2 oder L3 lernen müssen oder wollen, ist allerdings, dass verschiedene Sprachen verschiedene Systeme darstellen. In der einen Sprache – wie im Deutschen – ist es nicht bedeutungsunterscheidend, wie wir das