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WalHeimat: Ein Svalbard-Erlebnis
WalHeimat: Ein Svalbard-Erlebnis
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eBook314 Seiten4 Stunden

WalHeimat: Ein Svalbard-Erlebnis

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Über dieses E-Book

Wer träumt nicht davon, im Sommer auf Spitzbergen zu sein?
Nun – Jugendliche meistens nicht!
Was findet man dort? Und wen?
Nichts ist los dort in der Arktis – oder?
Jacob und seine Schwester Merle müssen in diesem Sommer zwangsläufig dorthin. Gemeinsam mit ihrem Vater entdecken sie eine ganz neue Welt und treffen die merkwürdigsten Typen.
Wer hätte gedacht, dass man schon nach so kurzer Zeit einen völlig anderen Blick auf die Welt haben kann? Dabei gibt es auch echte Ekelpakete, Angeber, nervige Touristen – ja, selbst hier!
Und natürlich einen viel zu beschäftigten Papa. Zum Glück!
Sonst hätten sie niemals diese irrsinnige Geschichte erlebt.
So cool – so verrückt – und faszinierend zugleich.
Wer keine Angst vor Eisbären, Walfängern und abgedreht-leuchtenden Flaschen hat, der muss jetzt einfach weiterlesen …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Jan. 2024
ISBN9783384096647
WalHeimat: Ein Svalbard-Erlebnis
Autor

Manuela Brocksieper

Manuela Brocksieper, geboren 1964 in Lüdenscheid, Sauerland – im Herzen der Wälder. Lebt jetzt in Ritterhude, nördlich von Bremen. Master of Geosciences der Universität Bremen und Kommunikations-Profi seit 1988. Ihre Neugier und Begeisterung für Kinder hat ihr das Schreiben eingebracht. Das Buch WalHeimat entstand im Rahmen der Timeless-Arctic-Expedition 2022. Polarbegeisterung begleitet sie schon seit Jugendjahren. Abenteurer-Literatur und Polarforschende wurden verschlungen. Sie war im Projekt-Management für Veranstaltungen tätig, in der Geschäftsleitung für die Medienkommunikation und hat spät nochmal - als Mutter von zwei kleinen Kindern - studiert. Das Beste aus beiden Welten - der Geowissenschaft und der Kommunikation - bündelt sie nun für die Wissenschaftskommunikation. Wer Kindern Zusammenhänge erklären kann - der erreicht auch Erwachsene ist ihr Credo. Neben ihrer selbständigen Arbeit leitet sie ein StadtteilCafé in dem viele Concerte, Ausstellungen, Events und Talkshows stattfinden. Sie begeistert sich für Reisen, Begegnungen und andere Kulturen. Als Netzwerkerin und SozialDiakonin ist sie lebensnah und begeistert im Austausch. Sie entspannt sich bei Motorradfahrten, Steinbildhauerei, Musik oder beim Bergwandern. Ständig lernt sie neue Sprachen, Fertigkeiten oder probiert sich aus. Grenzen verschieben ist ihre Leidenschaft.

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    Buchvorschau

    WalHeimat - Manuela Brocksieper

    Die Personen

    Weitere Personen

    Philipp + Timo: Zwei Waffelverkäufer des Veteranenclubs

    Rolf Stange: Ein Guide in Longyearbyen

    Tommy Sandal: Moderner Trapper und Autor

    Konrad, Eddy, Martin, René, Einar, Lasse, Morten, Karl, Wighard, Fred: Einige Wissenschaftler auf Spitsbergen

    Die Story

    Die Jugendlichen – Merle und Jacob – haben vor kurzem die Trennung von ihrer Mutter erleben müssen. Sie ist einfach mit einem anderen Typen auf und davon. Nun müssen sie mit ihrem Vater, dem Geologen Matthias, für die Sommerferien nach Spitzbergen im Svalbard-Archipel. Auf der deutschen Forschungsstation in Ny-Ålesund findet es der 15-jährige Jacob zunächst unfassbar öde. Er hadert mit seinem Schicksal und lässt sich auch von seiner fast 11-jährigen Schwester kaum beruhigen und auf andere Gedanken bringen.

    Die Kinder finden einen alten Mann am Strand, der ihnen zunächst wie ein Felsbrocken erscheint, knurrig und einsilbig. Doch mit der Zeit freunden sie sich mit ihm an und entdecken, dass der seltsame Alte zwar wie sie aus Norddeutschland stammt, jedoch irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Ständig hält er Ausschau nach Biikefeuern. Er kennt sich aus im Walfang – aber nicht mit einem Telefon, Handy oder gar einer Drohne.

    Nach turbulenten Abenteuern mit Youri, dem Sohn des Museumsdirektors in Longyearbyen, entdecken die Kinder den Grund dafür – und zugleich einen Weg, dem alten Mann seine Heimat zurückzugeben.

    Jede Figur macht in der Geschichte eine eigene Entwicklung durch, aber vor allem Jacob lernt, sein stark ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken bei seinem Engagement für Umwelt, Klima und Gerechtigkeit auf der Welt aus einer ganz neuen Perspektive zu sehen.

    Eine Geschichte um Freundschaft, Heimat, Historie und den modernen Blick auf Welt und Zukunft. Hoffnungsvolle Gedanken und Verständnis für die historische Vergangenheit. Die Rahmenhandlung bietet zugleich einen faszinierenden Background für Sachthemen aus den Bereichen des Walfangs und der Ressourcen, von Bergbau, historischer Jagd, Meeresgeschichte und dem Leben der Pomoren (russische Walrossjäger). Gleichzeitig werden moderne Themen wie Klimaschutz, Bewahrung und Entwicklung von polarer Landschaft und Tierwelt in der Veränderung der Zeit beschrieben.

    Ein Einblick in die Notwendigkeit von Jagd, wissenschaftlicher Arbeit, historischer Veränderung und biologischer Lebensgemeinschaften von Menschen und Tieren.

    Gestern – heute – morgen.

    Drei Perspektiven, die verschmelzen und die Personen miteinander verbinden.

    Wie alles begann – oder: Warum nur …?

    Jacob

    Er hasste es.

    Er hasste es einfach zutiefst, hier zu sein. Wie konnte das nur passieren? Warum musste er sich eigentlich überhaupt darauf einlassen? Irgendwie hatte sein Vater es wohl geschafft, einen sentimentalen Moment abzupassen. Gemeinsam was machen. Pah! Was bitte schön sollten sie denn hier wohl machen?

    Immer noch stand er unter Schock, wie er sich eingestehen musste: Diese ätzende Situation mit Mama war irgendwie immer noch nicht richtig bei ihm angekommen. Warum musste sie sich überhaupt nach anderen Typen umsehen? War doch eigentlich alles gut, wie es war. Und das sollte auch so bleiben. Mist, Mensch!

    Grimmig schaute er durch das Fenster des Flugzeugs aufs Meer. Wappnete sich mühsam gegen das, was ihn dort unten erwartete, worauf er da hinunterblickte. Auf dem Weg nach Spitzbergen! Am Ende der Welt. Und das in den Ferien. Sogar noch länger hatte Papa sie hier eingeplant. Extra mit der Schule irgend so ʹnen Deal ausgehandelt, damit sie länger hierbleiben können. Dabei war hier echt überhaupt gar nichts. Sah man doch schon von oben. Unfassbare Leere. Immer nur Wasser zwischen den Wolkenfetzen. Da hatte er sich schon einen Fensterplatz ergattert, und was sah er? Wolkendecke, Einöde. Es sah einfach nur kalt, langweilig und farblos aus. Voll grau – wie seine Gedanken.

    Scheiße, Mann, er hasste seine Situation – einfach alles. Noch gar nicht so lange her, dass Mama sie alle verlassen hatte. Seitdem war es nur noch ätzend. Fast so, als wären aller Spaß und alle Lebensfreude mitgeflohen. Papa alleinerziehend. Ausgerechnet. Elender Verlust und Einsamkeit hieß das eigentlich übersetzt. Wie sollte er das nur aushalten? Und dann hier? Er hatte so sehr gehofft, dass sie wenigstens zu den anderen Großeltern könnten, aber die waren schon auf Sizilien – hatten keine Zeit für sie. Na, wenigstens die hatten es warm.

    Aufmunternd und verzweifelt optimistisch schaute ihn Merle von der Seite an. Seine kleine Schwester. Ja klar – für sie musste man sich zusammenreißen. Aber doch wohl nicht wochenlang!? Das ging gar nicht. Auch nicht für sie. Das musste Papa einfach verstehen!

    Eigentlich fand Jacob es ja meistens cool, dass gerade sein Papa so einen spannenden Job hatte: Geologe. Da beschäftigt man sich immer irgendwie mit der Entstehung der Welt, mit dem Heraustüfteln, was früher mal gewesen war und woran man das erkennen konnte. Checker-Kram eben. Wie Forensik in der Natur ist das. Manchmal kam ihm sein Papa wie der James Bond unter den Wissenschaftlern vor. Oft genug hatte er mit ihm angegeben vor seinen Freunden, vor allem bei den „Fridays for Future"-Leuten! War irgendwie immer ein bisschen so, als hätte er noch einen Joker, der einfach mehr weiß und an der Quelle der neuesten Infos und Prognosen zum Klimawandel sitzt. Kein Trend, der es nicht schon den Weg über den Frühstückstisch in Hamburg geschafft hätte. Und unter normalen Umständen hätte es ja auch eine echt klasse Zeit werden können. Aber so … ohne Mama war es irgendwie völlig sinnlos!

    Merle plapperte munter drauflos, irgendwas, was sie mal irgendwo gelesen oder aufgeschnappt hatte. Informationen zur Hauptstadt Longyearbyen, ein altes Bergarbeiterstädtchen dort im Norden. Sie fand es oberkomisch, dass der Ort am Adventfjord liegt – und das mitten im Sommer. Kicherte über die Aussicht auf Hundeschlittentouren und wies Jacob auf die U-Form von Gletschertälern hin. Als wüsste er nicht selbst, dass das so ist. Babykram, dachte Jacob. Aber weil Merle es sagte, zeigte er sich interessiert und nickte immer wieder scheinbar beeindruckt. Bis sie ihn dabei erwischte, dass er gar nicht so richtig zuhörte. Sie kräuselte genervt ihre kleine Stirn und sah ihn böse an. Offensichtlich hatte sie gerade eine sehr wichtige Frage gestellt – und er hatte es verpasst.

    „Was jetzt?", fragte er nochmal.

    „Na, was ist ein Chillifaktor, Jacob??? – Weißt du das?"

    Hä – was meinte sie? Da ging es ihm auf: Windchill-Faktor! Er grinste – vielleicht ein neues Geheimwort: „Das ist der Ausdruck für die gefühlte Temperatur. Die ist meist noch niedriger als die gemessene. Und es heißt Windchill-Faktor. Aber Chillifaktor finde ich viel besser!"

    Er grinste sie noch breiter an. Dann kicherte er vorsichtig los, und auch Merle gluckste ein bisschen vor sich hin. Papa sah erleichtert von seinen wissenschaftlichen Papieren auf und freute sich, dass sie zwischendurch mal wieder lachten. Alles, was nur irgendwie so halbwegs normal war, wie früher, war ihm ein Fest. War ja klar.

    War auch für ihn nicht leicht die letzte Zeit. Sie mussten sich wohl ein bisschen mehr um ihn kümmern. Aber – solange er beschäftigt war, war es ihnen eigentlich am liebsten. Schon schwierig genug, den Kopf selber über Wasser zu halten. Da brauchte man den besorgten Dackelblick von Papa nicht auch noch immer zwischendurch, der dann oft wortlos fragte, ob alles in Ordnung war. Nix war mehr in Ordnung. Blöde Frage! Saublöde!

    Und so war Jacob wieder zwischen Wut, Verzweiflung und dieser bekloppten Situation hin- und hergerissen. Ach – manchmal tat es einem einfach so richtig gut, sich tüchtig auszukotzen, wie er das in den letzten Wochen gemacht hatte. Beim großen Streit zu Hause kurz vor Abflug. Totaler Wutanfall. Im Selbstmitleid ließ es sich einfach aber auch wunderbar baden. Und dann ist eben alles, was andere sagen, einfach blöd. Zorniger Ritter. Gefiel ihm. Denn er hatte ja echt ständig das Gefühl, dass alles nie wieder gut wird. Niemals. Wozu sich dann immer zusammenreißen? Da hatte er mal alles rausgelassen. Wie früher, als er noch klein war. Kotzbrocken sein. Keine Rücksicht mehr … außer natürlich auf Merle. Sie waren schon immer ein ganz besonderes Team gewesen. Konnten sich einfach angucken und wussten genau, was der andere gerade dachte. Eben echt gute Kumpel – obwohl sie Geschwister waren. Das war schon viel mehr, als seine Freunde so hatten. Er wusste das und schätzte es sehr.

    Und deshalb schaffte Merle es auch jetzt, ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen.

    „Ey Jacooob – warum wird das jetzt nicht dunkel da? Muss ich dann mit Sonnenbrille schlafen? Oder mit so einer komischen Schlafbrille?"

    Sie drehte sich zu ihrem Vater um: „Ja, Papa – warum ist das überhaupt so?, fragte sie, ich weiß ja, dass die Sonne im Sommer am Nord- und Südpol nie ganz untergeht und hinter dem Horizont verschwindet. Aber wir sind ja nicht am Nordpol. Ist es jetzt auf Spitzbergen immer hell? Ist das echt so? Oder ist die Nacht nur minikurz? Sag mal!"

    „Hmm – ihr müsst euch das so vorstellen: Die Erde ist ja geneigt in ihrer Achse und steht der Sonne eben nicht gerade gegenüber. Außerdem eiert sie wie eine Kartoffel und nicht wie ein runder Ball. Haltet ihr vor so eine schräge Kartoffel dann eine Taschenlampe, wird ein Teil, der der Sonne zugewandt ist, von eurer Taschenlampen-Sonne die ganze Zeit beschienen und immer – rund um die Uhr – hell sein. Also wird es dort für eine gewisse Zeit im Jahr eben nicht dunkel. Der polare Sommer geht von Mitte Mai bis Ende September ungefähr. Aber die Mitternachtssonne gibt‘s immer vom 17. Mai bis so zum 23. August. Jetzt, wenn wir im Juni hier hinkommen, sind wir also mittendrin. Und dann kann es sein, dass man erstmal schlecht schläft, Merle. Nur, bis man sich dran gewöhnt hat. Muss aber nicht so sein. Ich nehme mir immer eine Schlafbrille mit. Möglich aber, dass dir das total egal ist. Für alle Fälle habe ich die Schlafbrille von Mama noch mitgenommen. Vielleicht hilft die dir dann."

    Jacob schluckte. Da war es wieder! Sobald irgendetwas an Mama erinnerte, war er echt raus. Wie lange dauert sowas wohl noch? Nie wieder froh werden? Nie wieder Nacht hilft da bestimmt erstmal. Denn nachts war es immer am schlimmsten. Und seine Träume konnte man ja schließlich nicht abschalten oder beeinflussen. Gut, wenn dann die Sonne scheint, dachte er und schaute angestrengt nach unten. Gleich würden sie landen in diesem Nichts. Na, großartig!

    Er brütete wieder über seinem Unglück. Miese Aussichten. Jacob haderte mit seinem Schicksal. Echt alles blöde! Er wollte einfach im Moment so richtig angepisst sein über die ganze Situation. Grummelte vor sich hin. Erwachsene machen sich das echt immer leicht. Und was war mit ihnen? Sie wollten nicht immer hin- und herwandern. Und schon gar keinen Bock hatte er auf diesen Blödmann von neuem Freund. Was hat sich Mama nur dabei gedacht? Und was bitteschön war denn wohl sooo schlimm, dass sie sich nicht aussprechen konnten zu Hause? Eltern finden doch immer eine Lösung.

    Aber einfach abhauen?

    Ging gar nicht.

    LYR – warum nicht HH?

    Jacob

    Und dann war es soweit: die Wolkendecke zog erst in Teilen frei und gab dann einen – zugegeben – echt spektakulären Blick auf Spitzbergen frei. Eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Berge, die steil aus dem Meer aufragen. Gletscherbedeckte Spitzen. Sahen fast gestreift aus durch die vereisten Rinnen. Und sie ragten direkt aus einer Wolkendecke, die ihm eben noch komplett die Sicht genommen hatte. Jetzt war der Himmel darüber knallblau. Das machte es ja schon mal nett, dachte Jacob. Wenigstens etwas Farbe. Unter ihnen alles erdbraun und ein wenig grün im Gletscher. Die bunte Welt schien hier ʹne Pause zu machen. Es wirkte sehr merkwürdig. Da gab es wieder ein Wolkenfeld, und Jacob versuchte angestrengt, weiter zu sehen.

    Wahrhaftig tauchte eine kurvenreiche, langgestreckte Straße auf, die irgendwie vom Plateau der Berge in Serpentinen hinunterführte zu einer Art Delta. Und dann tauchten Häuser auf. Winzig. Alles wirkte vollkommen chaotisch. Aber zugleich irgendwie unbewohnt, wie auf dem Mars. Winzige, kleine Schachtelansammlung. Sollte das etwa Longyearbyen sein? Ein paar Holzschuppen? Und das war es schon???? Na, wenigstens waren diese Schachteln total farbenfroh. Und so komische Bälle auf dem Plateau neben dem Ort. Seltsam. Voll spacig. Echt krass, fand Jacob.

    Die Schiffe vor Ort am Hafen, das sah dagegen eher gemütlich aus. Erinnerte aber auch wieder an Hamburg. An die Hafenstadt, die sie ja leider gerade zurückgelassen hatten. Nur eben in Mini hier. Kein Vergleich mit der Heimat.

    Fast hielt er die Luft an, ob sie auch wirklich wieder zum Stehen kommen würden, bevor es ins Meer ging. Da drehte die Kiste, und ein paar bekloppte Amerikaner versuchten sogar zu klatschen. Die waren sich für nix zu schade. Egal. Sie waren angekommen und konnten sich nun endlich wieder freier bewegen. Jacob war schon ganz steif vom vielen Sitzen. Das hielt er auch in der Schule nicht gut aus für länger – aber da gab es wenigstens Pausen. Hier dagegen schien ein endlos langer Tag mit Umsteigen, Einchecken, Kontrollen und vor allem mit Sitzen zu vergehen. Das war überhaupt gar nicht sein Ding.

    Erst jetzt erzählte Papa ihnen: „Ach ja, der gehörte übrigens zu den zehn gefährlichsten Landeplätzen der Welt! Hatte ich ganz vergessen, euch zu erzählen!" und schmunzelte.

    Ach, ja? Jacob atmete tief und genervt ein. Sah auf seinen Rucksack auf dem Gepäckanhänger und erkannte die Abkürzung LYR. Warum konnte da nicht schon HH stehen? Wieviel lieber wäre er jetzt zu Hause. In gewohnter Umgebung mit seinen Leuten. Einfach chillen, vor sich hinbrüten, neue Aktionen planen für’s Klima. Oh Mist – seine CO²-Bilanz war durch diese Flüge eh wieder unterirdisch. Ökologischer Fußabdruck für’n Ar***. Aber was willste machen: Wenn du fremdbestimmt bist, haste eben keine Chance, wusste Jacob. Alles rempelte sich zum Aussteigen bereit, und auch Jacob kramte seine Ear Buds, den Rucksack und die Wasserflasche zusammen. Merle war immer noch voll aufgeregt mit schon hochroten Wangen. Bestimmt ärgerte sie das, weil dann alle fanden, dass sie so niedlich aussah. Jacob konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Stimmte ja auch. Aber wehe, man sagte ihr das dann. Er schielte unter einem Haarbüschel zu seinem Vater, der nun doch auch ein wenig angespannter wirkte. „Geht jetzt los, was, Papa?", meinte er gutmütig.

    Ulf – das war ein Freund von Papa, ein netter Däne und inzwischen Museumsdirektor in Longyearbyen – wollte sie hier abholen am Flughafen. Sie verließen die Maschine der skandinavischen Fluggesellschaft SAS und gingen ein paar Meter über das Rollfeld in die Ankunftshalle. Alles sehr übersichtlich – mehr hätte ihn auch echt gewundert. Mitten im Zentrum des Gepäckbands stand ein ausgestopfter Eisbär. Widerlich, fand Jacob. Merle juchzte in den höchsten Tönen und bekam gleich eine viel höhere Stimme. Mädchen eben. Leicht zu begeistern, dachte Jacob verächtlich. Er wollte einfach angenervt sein und vergrub sich mit Leidenschaft in seine Anti-Haltung.

    VELKOMMEN. Dickes Banner, viele schöne Katalogfotos an den Wänden. Ein Idealbild von Spitzbergen, das aber auch überhaupt gar nichts mit der Realität zu tun hat, dumpfte Jacob vor sich hin. Da fiel ihm doch der Titel „Monotonie ein – eigentlich kannte er nur das Cover von den „Beatsteaks – aber letztlich hatte er sogar mal die Originalversion bei Papa im Schrank gefunden. Von „Ideal" 1982 – noch als Platte natürlich. Mit Annette Humpe. Die hatte eigentlich auch eine geile Stimme, sinnierte Jacob so vor sich hin und merkte überhaupt nicht, dass auch schon ihre Gepäckstücke auf dem Band auftauchten. Na ja – von Südsee und 30 Grad waren sie hier ja auch echt weit, weit weg. 78 Grad nördlicher Breite – jawoll! Noch nördlicher ging‘s ja wohl kaum. Also: aus der Traum von Reggaeklängen, Karibik und Swag. Lässig und cool kam vielleicht im nächsten Jahr wieder. Oder auch nie. Er war da nicht zu optimistisch. Nicht im Moment.

    Angekommen im Hier und Jetzt. Reiß dich mal zusammen, Jacob!, dachte er – und schon knallte ihm Papa seine große Reisetasche vor die Füße.

    „Träum nicht, Junge!", sagte er und angelte sich gleich darauf den kleinen, rosa Rollkoffer von Merle. Das hier hätte er sich eh nie erträumt. Monotonie … in der Grönland-See … und in den Farben … ja, und im ganzen Leben. Mimimi.

    Jacob mochte seinen Gedanken schon selbst nicht mehr zuhören. Dauerschleife im Rumgeheule. Gut, dass Gedanken nicht für alle sichtbar waren. Oder als Blasen über den Köpfen schwebten. Hatte er da nicht mal so ʹnen bekloppten Film gesehen?

    Merle

    Puhh – was für eine Stimmung. Wie gut, dass der Flug nun endlich vorbei war. Irgendwie war mit Jacob ja auch überhaupt nichts los. Trübe-Tassen-Stimmung. Die konnte Merle auch mit den besten Fragen nicht aufhellen. Wie anstrengend. Große Brüder und traurige Väter voller Geokram in den Gedanken waren echt schwierig auszuhalten. Dabei ging es ihr selbst ja auch nicht gerade Bombe. Wie auch. Alles total verfahren und ätzend. Aber Merle hatte tief innen das Gefühl, dass sie die bestmögliche Person war, die beiden Kerle jetzt zu trösten und so irgendwie ein bisschen die Familie zusammenzuhalten.

    Das hätte Mama nämlich ganz genauso gemacht. Nur war DIE Profi darin. Die konnte das immer voll easy. War irgendwie so eines von ganz vielen Talenten von ihr. Wenn Mama dabei war, war die Stimmung gut, die Welt bunt und laut und witzig. Wo Mama auftauchte, war immer Lachen, Leben und Musik. Sie konnte einen immer aufmuntern, bestärken und einfach das beste Leben bereiten. Immer schien sie einen geheimen Sensor zu haben, der ihr genau sagte, wie es Merle gerade ging, was sie brauchte – und bei allen anderen ganz genauso. „Offenes Haus" fand Mama cool und wichtig, und so wurde sie über die Jahre immer wieder zu einer super Anlaufstelle für alle möglichen Menschen. In der Nachbarschaft, bei den Kindern, bei Familie und Freunden. Magneten-Superkraft. Egal, woher die Leute kamen und wie sie ihnen so begegnete: Zu Hause war immer noch Platz für einen Teller mehr, einen Kaffee in Ruhe und ein witziges Gespräch. Mama war da schon immer ganz besonders gewesen. Und jetzt hatte sie sie einfach

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