Bauen am nationalen Haus: Architektur als Identitätspolitik
Von Philipp Oswalt und Max Czollek
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Bauen am nationalen Haus - Philipp Oswalt
Philipp Oswalt
Bauen am nationalen Haus
Architektur als Identitätspolitik
Mit einem Vorwort
von Max Czollek
BERENBERG
Vorwort
von Max Czollek
Bauen am nationalen Haus
Architekturrekonstruktionen als Identitätspolitik 1980–2020
Potsdamer Garnisonkirche
Wiederaufbau zwischen militärischer Traditionspflege, protestantischer Erinnerungskultur und Rechtsextremismus
Berliner Schloss
Die Fiktion einer unpolitischen Orthodoxie
Neue Altstadt Frankfurt
Restaurative Schizophrenie
Paulskirche Frankfurt
Ist eine erinnerungspolitische Revision nötig?
Neue Meisterhäuser Dessau
Auf der Suche nach Authentizität
Nachwort
Editorische Notiz und Dank
Anmerkungen
Über den Autor
Vorwort
von Max Czollek
In Folge des verlorenen Zweiten Weltkriegs lag Deutschland in Trümmern. Ob aus Überzeugung oder Baustoffmangel, man entschied sich vielfach, die Spuren der eigenen Gewaltgeschichte auch architektonisch zu bewahren. Die Wiederherstellung und Neugestaltung der Frankfurter Paulskirche etwa unter dem leitenden Architekten Rudolf Schwarz 1946–1948 nahm die Gleichzeitigkeit von demokratischem Aufbruch der Nationalversammlung 1848 und der Kriegszerstörung 1944 in das bauliche Konzept mit auf. Und auch die von Egon Eiermann gestaltete und 1963 eingerichtete Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Berliner Zoologischen Garten lässt bis heute die Verwüstung durch den Krieg in der Turmruine samt abgebrochener Spitze sichtbar werden. Auch in der DDR lag der Fokus nicht auf einer historischen Rekonstruktion, nicht zuletzt, weil man auch symbolisch die alte Ordnung überwinden wollte, die Deutschland in zwei Weltkriege hineingezogen hatte. Und da man in der preußischen Monarchie eine Ursache für Militarismus und Untertanengeist sah, trug man die alten und allzu sichtbaren Insignien königlicher Macht ab.
Das bekannteste Beispiel für diesen Umgang der DDR-Führung mit der preußischen Geschichte war das im Krieg zerstörte Berliner Stadtschloss, welches 1950–1951 gesprengt und an dessen Stelle 25 Jahre später der Palast der Republik errichtet wurde, wo er bis 2008 stand. Es ist bezeichnend, dass die vereinigte Bundesrepublik in einer ihrer zentralen symbolischen Entscheidungen zur Berliner Mitte um die Jahrtausendwende einen Doppelbeschluss fasste: zum einen zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas über dem alten Hitlerbunker neben dem Brandenburger Tor. Zum anderen für den Rückbau des gerade noch aufwendig von Asbest befreiten Palasts der Republik, an dessen Stelle das Berliner Stadtschloss nach historischem Vorbild errichtet wurde. In beiden Fällen handelt es sich vorgeblich um Formen architektonischer Identitätsbildung: das Denkmal für die ermordeten Juden Europas als Ausdruck der erinnerungspolitischen Positionierung der Bundesrepublik Deutschland. Und das Stadtschloss als Ausdruck des Sieges der pluralen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland. Oder?
In der entscheidenden Sitzung des Bundestags am 4. Juli 2002, in der der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses beschlossen wurde, sprach der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse jedenfalls von der Notwendigkeit, die »offene Wunde der historischen Mitte Berlins« zu schließen.¹ Der Freundeskreis des Schlosses meinte, Berlin mit dem Stadtschloss auch ein Stück seiner Identität zurückzugeben.² Diese Vorstellung einer architektonischen Identitätsbildung über den preußischen Stil hatte aber bereits der 1991 berufene Senatsbaudirektor der Stadt Hans Stimmann ins Spiel gebracht.³ Der Zusammenhang von Vereinigung und neuen Bedürfnissen nach nationaler Identitätsbildung wird hier besonders deutlich, sie charakterisiert auch die anderen in diesem Buch versammelten Beispiele. Philipp Oswalt argumentiert, dass es sich dabei um nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der deutschen Erinnerungsarchitektur nach 1945 handelt.
Viel ist in den vergangenen Jahren über Identitätspolitik geschrieben worden. Kurioserweise stammen einige der heftigsten Texte zu dem Thema aus den Federn derjenigen, die zu vehementen Vertreter*innen einer neuen Erinnerungskultur zählen. Der bereits erwähnte Wolfgang Thierse etwa wandte sich 2021 gegen Vertreter*innen einer Identitätspolitik, die er als Demokratiefeinde bezeichnete, die eine »Reinigung und Liquidation von Geschichte« anstrebten.⁴ Der Kunsthistoriker und engagierte Unterstützer eines Schlossneubaus Horst Bredekamp verglich die Kritik am Humboldt Forum mit der Bücherverbrennung.⁵ Und der bereits erwähnte Freundeskreis Berliner Stadtschloss reagierte auf den von Philipp Oswalt mit aufgedeckten Skandal rechtsradikaler Spender*innen, indem er linke Gehirnwäsche, Kulturkampf und die Bedrohung der Meinungsfreiheit beklagte.⁶
Das ist eine seltsame Argumentationsstrategie, weil die Maßstäbe, die von den selbsterklärten Gegnern der Identitätspolitik (lies: Universalisten) bemüht werden, auch auf ihre eigene Forderung einer historisch-rekonstruktiven Architektur angewandt werden können. Es scheint, dass hier im Hintergrund neben einem doppelten Standard auch eine Vorstellung davon mitschwingt, wer zu dieser Gesellschaft dazugehört und wessen identitäre Bedürfnisse bedient werden sollten. Eine Erinnerung an Kolonialismus oder an die Erschießung von Demokraten durch preußische Truppen auf dem Schlossvorplatz, im europäischen Revolutionsjahr 1848, ist hier nicht vorgesehen. Aber handelt es sich dabei nicht auch um Identitätspolitik nach dem Lehrbuch – eine Politik, die obendrein an nationalistische Traditionen anknüpft, die man aus guten Gründen als Teil einer kritischen Beschäftigung mit der Vergangenheit zurückweisen sollte? Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass die Erinnerungskultur darauf ausgerichtet sein sollte, die Gegenwart so einzurichten, dass sich diese Vergangenheit nicht wiederholt.
Diese doppelten Standards bei der Beurteilung machen es einem schwerer als nötig, den Argumenten der Vertreter*innen einer rekonstruktiven Architektur unvoreingenommen zu folgen. Zuweilen wirkt es gar so, als sei hier unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Universalismus und vermeintlicher Selbstverständlichkeit nationaler Identitätsbildung ein Programm umgesetzt worden, welches diese Identitätsbildung mit Traditionen des deutschen Nationalismus bis 1933 identifiziert. Die vormalige Kulturstaatssekretärin Monika Grütters jedenfalls beklagte 2016 ein erinnerungskulturelles Unvermögen Deutschlands, »freudigen und hoffnungsvollen, im positiven Sinne prägenden historischen Ereignissen in Deutschland ein Denkmal zu setzen«, welches zu einem Mangel an »emotionaler Verbundenheit und Identifikation mit unserer Demokratie« führe.⁷ Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wies in eine ähnliche Richtung, als er 2019 in einem programmatischen Artikel für die Zeit eine positive Erinnerungskultur für Deutschland forderte.⁸ Die Skepsis gegenüber Deutschlandfahnen bei Demonstrationen führte er dabei als Beleg für einen Mangel an Identifikation mit der deutschen Demokratie an.
Die hier angelegte Verbindung einer positiven Erinnerung an Traditionen des deutschen Nationalismus und eine Bejahung der aktuellen pluralen Demokratie ist alles andere als selbstverständlich. Und zwar nicht nur wegen des sie krönenden Nationalsozialismus, sondern weil sich das Selbstbild der deutschen Demokratie in den Jahrzehnten seit 1945 mit der Einwanderung der Gastarbeiter*innen, mit der deutschen Erinnerungskultur, mit der Vereinigung 1990 grundlegend verändert hat. Diese neue deutsche Identität ist eben nicht identisch mit der Demokratiebewegung 1848, noch weniger hat sie zu tun mit den Hohenzollern oder einer Kirche, in der Soldaten auf den Ersten Weltkrieg eingeschworen wurden. Will man aber diese Geschichte erinnern, dann muss auch von jener Gewalt gesprochen werden, die Teile der pluralen Gesellschaft unserer Gegenwart ausgeschlossen oder gar vernichtet hätte. Es gibt bei allem Enthusiasmus für freudige und hoffnungsvolle historische Ereignisse keine positive deutsche Geschichte, die sich von der deutschen Gewaltgeschichte trennen ließe.
Philipp Oswalt kommt das Verdienst du, diese Entwicklung an unterschiedlichen Beispielen und mit einem breiten Wissen um die historische Entwicklung am Beispiel der Architektur aufzuzeigen. Allerdings ist das Phänomen nicht auf diesen Bereich beschränkt. Die Trennung zwischen positiver und gewaltvoller Geschichte ist vielmehr Ausdruck der aktuell dritten Phase der Erinnerungskultur, die 1990 begonnen hat und die ich in meinem Essay »Versöhnungstheater« genauer zu charakterisieren versucht habe.⁹ Dieser Prozess lässt sich eindrucksvoll anhand der neuen Berliner Mitte aufzeigen, wo sich Holocaustmahnmal und die das Humboldt Forum einschließende neue Stadtschlossfassade als architektonische Einheitswippe gegenüberstehen. Indem die böse deutsche Geschichte im Holocaustmahnmal gebannt wurde, war zugleich der Weg frei für eine historische Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses als Ort einer positiven Identifikation. Oder, um es mit den Worten Oswalts zu sagen: ein Ort geprägt »von der Sehnsucht nach einer anderen Vergangenheit«.¹⁰ Grütters, Steinmeiers und Thierses Forderung ist, wenn man so will, bereits mit der Stadtplanung der 1990er Jahre umgesetzt worden.
Das neue Architekturparadigma hat also gleich zwei Ideen zum Fundament: die Vorstellung, dass sich der deutsche Nationalismus der Vergangenheit als Vorbild für die plurale Gegenwart eigne. Und die Vorstellung, dass sich diese Geschichte trennen ließe von Militarismus, Kolonialismus, Antisemitismus und Untertanengeist. Als Berliner muss ich sagen: Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass uns das weiterhelfen wird. Die gemeinsame Identität einer Stadtgesellschaft entsteht ja nicht durch Verweis auf irgendeine partikulare und mindestens fragwürdige Geschichte, sondern indem die Politik und ihre Institutionen in der Gegenwart signalisieren, dass alle Bewohner*innen dieser Stadt dazugehören. Und das muss bedeuten, dass der Staat, seine Institutionen und ihre Akteur*innen alle Berliner*innen anerkennen, schützen und ihnen jene gebaute Umwelt bereitstellen, die sie für ein würdevolles Leben in ihrer Stadt brauchen.
Die Vertreter*innen einer historischen Rekonstruktion gehen an dieser Fragestellung vorbei, indem sie die Vorstellung einer positiven Identitätsbildung durch eine Rekonstruktion deutscher Geschichte einfach verkünden, wo eigentlich eine Diskussion stattfinden müsste. Auch das zeigt dieses Buch: den eklatanten Mangel an demokratischer Willensbildung, der viele der hier versammelten Beispiele begleitet. Es ist also wenig verwunderlich, dass weder die Konzeption noch die Umsetzung in einer pluralen Stadtgesellschaft auf viel Gegenliebe gestoßen sind. Vermutlich ist sogar das Gegenteil der Fall, denken wir nur an die Spender*innen für das Berliner Stadtschloss, auf die Philipp Oswalt als einer der Ersten hingewiesen hat. Oder Alexander Gaulands Vogelschiss-Rede, in der 2016 der AfD-Politiker ausdrücklich die Erinnerung an die positiven Daten der deutschen Geschichte forderte.¹¹ Beides kann als Beleg dafür dienen, dass eine historische Rekonstruktion reaktionäre Kräfte begeistert. Der Beweis, ob sie auch einen Beitrag zu einer Identitätsbildung in der pluralen Demokratie leistet, steht weiterhin aus.
Olympiastadion München, Mai 1972, Ingenieure und Architekten: Frei Otto, Günter Behnisch, Fritz Auer.
Bauen am nationalen Haus
Architekturrekonstruktionen als Identitätspolitik 1980–2020
Seit den 1980er Jahren sind in Deutschland eine Vielzahl von Rekonstruktionsbauten entstanden, die zur Identitätsbildung beitragen sollen. Dass es sich um eine Rekonstruktionswelle handelt, ist unstrittig,¹² obgleich ein Blick in das deutsche Baugeschehen zeigt, dass bereits ab 1945 in Ost wie West kontinuierlich verloren gegangene Bauten rekonstruiert wurden.¹³ Auch wenn es schwer ist, dieses Geschehen quantitativ zu erfassen, kann man davon ausgehen, dass die Anzahl der Rekonstruktionen gar nicht zugenommen hat. Dieser Befund ist auch nicht weiter erstaunlich, weil viele Städte in Deutschland in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs vor allem aufgrund des Luftkriegs massiv zerstört wurden. Auch wenn im Wiederaufbau moderne Bauformen dominierten, so gab es in den meisten Städten eine Reihe prominenter Vorhaben für den Wiederaufbau bedeutender Bauten der Stadtgeschichte, die im Krieg teilweise oder gänzlich zerstört worden waren.
Doch warum ist dann überhaupt von einer Rekonstruktionswelle ab den 1980er Jahren die Rede? Was hat sich geändert, dass dies als etwas Neues wahrgenommen wurde? Anfang der 1980er war der Wiederaufbau nach den Kriegszerstörungen in deutschen Städten weitestgehend abgeschlossen. In der vorherigen Phase des Wiederaufbaus koexistierten – wenn auch zuweilen heftig umstritten – historische Rekonstruktionen und moderne Bauten, Moderne und Rekonstruktion schlossen sich nicht aus. So wurde in Frankfurt am Main etwa das Leinwandhaus dank der langjährigen Initiative des Architekten Alois Giefer wiederaufgebaut, der ansonsten etwa für Wohnbauten auf der Berliner Bauausstellung Interbau von 1957 (Hansaviertel) oder den Bau des Frankfurter Flughafens verantwortlich zeichnete. In Berlin war der Bauhäusler Richard Paulick mit der Rekonstruktion der Staatsoper Unter den Linden, des Kronprinzenpalais und des Prinzessinnenpalais betraut.
Doch in den 1980er Jahren war die Situation eine deutlich andere. Nach Ende des Wiederaufbaubooms unterlagen moderne Architektur und Stadtplanung der Kritik. Zugleich ging es meist nicht mehr darum, Kriegsschäden zu reparieren, sondern die gebaute Umwelt fortzuentwickeln. Zunehmend entstanden neue Rekonstruktionsvorhaben nicht mehr auf Kriegsbrachen, sondern als Revision von Nachkriegsbauten, die für die Rekonstruktionen abgerissen wurden. Anstelle einer Koexistenz von historischen Rekonstruktionen und modernen Bauten ersetzten nun Erstere die Letzteren.
Diese sich zu einem Kulturkampf zuspitzenden Konflikte wurden in einer Weise ideologisch aufgeladen und antagonistisch ausgetragen, die an den legendären Zehlendorfer Dächerstreit¹⁴ Ende der 1920er Jahre erinnert. Dabei geht es nicht allein um eine bauliche Lösung für den jeweiligen konkreten Ort, sondern um einen gesellschaftlichen Wertekanon, um Geschichtspolitik und Identitätsfragen, um das gesellschaftliche Selbstverständnis schlechthin. Die architektonischen Gestaltungen werden als Leitbauten verstanden, die weit über den Einzelfall hinausweisen. Richtungsweisend sollen sie die Ausrichtung der zeitgenössischen Architekturproduktion verändern, den Einfluss der »Modernisten« zurückdrängen und tradierte Architekturformen wiederbeleben. Architektonische Fragen werden mit grundlegenden geschichts- und identitätspolitischen Fragen verbunden, anhand ihrer wird das gesellschaftliche Selbstverständnis verhandelt.
In einem föderalen Land wie Deutschland geschieht dies zunächst im lokalen Rahmen; es geht um kommunale Bauvorhaben in einzelnen Städten, welche das Stadtbild in deren jeweiligen Zentren mit prägen. Die sich hierbei artikulierenden Positionen sind allerdings keineswegs lokalspezifisch, sondern Beiträge zur gesamtgesellschaftlichen Debatte. Deren ideologischer Kern lässt sich am besten anhand von Rekonstruktionsbauten begreifen, die nationale Vorhaben sind. Und mit diesen lassen sich wohl auch am besten die gesellschaftlichen Verschiebungen aufzeigen, die in der Architektur zum Ausdruck kommen.
Bundesbauten
Die wichtigsten Staatsbauten der Bonner Republik¹⁵ hatten sich ganz der Moderne verschrieben: die Bundesbauten in Bonn mit dem Kanzlerbungalow 1963–66 von Sep Ruf, die Bauten auf den Weltausstellungen von Egon Eiermann und Sep Ruf 1958 in Brüssel und Frei Otto 1967 in Montreal, die Olympiabauten von Frei Otto, Günter Behnisch u. a. 1972 in München oder auch der neue Bundestag von Günter Behnisch 1987–1992 in Bonn. Diese Bauten stehen für Offenheit und Transparenz und verweigern sich jedem klassischen Repräsentationswillen.¹⁶ Aber gerade in ihrer vermeintlichen Negation von Symbolik sind sie zuallererst symbolische Gesten. Nach außen verkörperten sie erfolgreich die Idee eines modernen, liberalen und zukunftsorientierten Deutschlands und waren damit bemüht, das mit Wilhelminismus und Nationalsozialismus überwiegend negative Bild von Deutschland in der Welt zu konterkarieren. Die Bauten sind der Gegenwart und Zukunft zugewandt und vermeiden konsequent jegliche historischen Bezüge. Sie schaffen ein Identifikationsangebot durch eine Verankerung in der Gegenwart statt in der Geschichte. Dies war auch ein Angebot zu Befriedung nach Innen. Die Zukunftszugewandtheit erlaubte es, jahrzehntelang einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die eigene Vergangenheit überwiegend aus dem Weg zu gehen.¹⁷
Die Wiederentdeckung der Geschichte
Dieser gesellschaftliche Konsens zerbrach in den 1970er Jahren. Nicht nur, weil moderne Architektur und Stadtplanung in eine tiefe Krise gerieten, sondern auch, weil die nachwachsende Generation eine andere Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte forderte und die Kriegsgeneration aus den gesellschaftlichen Positionen ausschied. Mit den 1980er Jahren entfaltete sich nicht nur die neue Rekonstruktionswelle, es ist auch die Zeit, in der die Wiederentdeckung der historischen Stätten des Nationalsozialismus wie auch des jüdischen Lebens begann. So führten 1987 in Frankfurt am Main öffentliche Proteste am Börneplatz zu einem Teilerhalt von Resten