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Kommissarin Minou ermittelt in Paris: Ein Katzenkrimi
Kommissarin Minou ermittelt in Paris: Ein Katzenkrimi
Kommissarin Minou ermittelt in Paris: Ein Katzenkrimi
eBook378 Seiten5 Stunden

Kommissarin Minou ermittelt in Paris: Ein Katzenkrimi

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Über dieses E-Book

Minou ist eine Katze, die sich durch logisches Denken und Klugheit auszeichnet. Diese Kompetenzen hat sie bereits in ihrer deutschen Heimat unter Beweis gestellt und kann in Paris an ihre Erfolge anknüpfen.
Minou reist mit der Studentin Sophie nach Paris. Sophie will sich nach einem Studentenzimmer umsehen und übernachtet bei ihrer alten Freundin Mireille. Bei ihrer Ankunft erzählt Mireille, dass sie Probleme hat: Jemand versucht, ihr Diebstähle anzuhängen, die sie nicht begangen hat. Sie kann sich nicht verklären, was der Grund dafür ist. Am ersten Abend in Paris gehen Sophie und Mireille mit Claudine, einer Freundin von Mireille, aus. Als Minou allein in der Wohnung ist, dringt eine Fremde in die Wohnung ein und versteckt Brillantohrringe in der Wohnung. Minou gelingt es, Mireille und Sophie darauf aufmerksam zu machen. Diese schalten eine Kriminalkommissarin a.D., die Minou und Sophie auf der Fahrt nach Paris kennengelernt haben, und deren Freund, einen französischen Polizisten, ein. Bevor der Fall gelöst werden kann, wird Minou aus der Wohnung entführt, weil sie den wirklichen Dieben offensichtlich im Wege ist. Gleichzeitig wird wiederum Diebesware bei Mireille versteckt. Minou gelingt es, zurück in die Pariser Wohnung zu finden und schließlich die entscheidenden Hinweise zur Überführung der wahren Diebe zu geben.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. März 2023
ISBN9783961361632
Kommissarin Minou ermittelt in Paris: Ein Katzenkrimi

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    Buchvorschau

    Kommissarin Minou ermittelt in Paris - Helene Kneip

    Prolog

    Für alle, die mich nicht von meinem ersten Abenteuer her kennen: Ich bin eine Katze, eine grauschwarz-getigerte Straßenkatze. An meinem schwarzen Schwanz befinden sich vier graue Ringe eine Handbreit unterhalb der Schwanzspitze. Der Clou – aus meiner Sicht – sind meine Vorderpfoten. Sie sind hellgrau und haben je zwei schwarze Streifen knapp über meinen Pfoten. Ich bin, und ich betone es ausdrücklich noch einmal, eine Straßenkatze und wohne daher nicht dauerhaft in einem Haus oder einer Wohnung bei einer bestimmten Familie. Natürlich habe ich Menschenfreunde und muss gestehen, dass ich hier ausgesprochene Prioritäten habe. Besonders ans Herz gewachsen sind mir drei Familien, die gleichzeitig meine täglichen Futterquellen repräsentieren. Von diesen Familien liebe ich eine ganz besonders, nämlich die Familie, die mich Minou nennt. Na ja, und ganz besonders mag ich die Tochter dieser Familie, nämlich Sophia. Damit bin ich bereits bei einem wichtigen Punkt angelangt: Ich habe, katze mag es kaum glauben, drei Namen. Jede der drei Familien, bei denen ich Tag für Tag meine Mahlzeiten kredenzt bekomme, hat einen eigenen Namen für mich. Besser gesagt: Zwei Familien haben mir echte Namen gegeben. Minou ist einer der beiden und zugleich mein Lieblingsname, weil er so französisch klingt. Ich liebe nämlich so gut wie alles, was eine Verbindung zu Frankreich hat. Der Name gibt mir quasi das Gefühl, eine Französin im hiesigen Katzenreich zu sein. Ein katzliches Gefühl. Laila ist der zweite Name. So nennt mich ein älteres Ehepaar, von dem ich mittags immer das bekomme, was von deren Mahlzeit übrig geblieben ist. Ich muss anmerken, dass die Köchin des Hauses sehr katzlich kocht. Schließlich nennt mich die dritte Familie schlicht und ergreifend Katze. Dies ist kein Name im eigentlichen Sinn, eher ein Zeichen mangelnder Kreativität. Sei‘s drum. Dort, bei der dritten Familie, bekomme ich Katzenfutter, das katze mir im Aluschälchen serviert, also: Folie abreißen und das war es dann auch schon. Servieren ist somit etwas zu hochgestochen. Sie stellen mir das Schälchen vor die Haustür auf die Fußmatte. Beinahe lieblos.

    Von Servieren ist eher die Rede bei meiner Lieblingsfamilie; hier wird abends der Inhalt des Aluschälchens in einen besonderen silbernen Napf, der allein von mir benutzt wird, umgefüllt. Es ist eine Art Aluminiumnapf, nicht zu verwechseln mit Aluminiumfolien-Hut, kurz: Aluhut. Mit dem Begriff Aluhut bezeichnet katze nämlich Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben. Das hat Sophia letztens am Telefon jemandem erklärt. Ich weiß allerdings nicht, was Verschwörungstheorien sind. Da muss ich unbedingt weiter forschen. Es muss etwas sein, was Sophia so richtig in Rage gebracht hat. Sie wurde nämlich sehr laut am Telefon und sprach von hirnlosen Möchtegern-Intellektuellen.

    Aber zurück zu meinem Aluminiumnapf. Aus einem solchen zu fressen ist schon etwas anderes als aus einer profanen Aluschale, da bei uns Katzen das Auge mitfrisst. Im Übrigen macht das auch meine Laila-Familie. Natürlich nicht mit den Augen fressen. Das ist ja wohl klar. Ich will darauf hinweisen, dass diese Familie mir zwar Essensreste kredenzt und kein extra für Katzen hergestelltes Futter, aber niveauvoll in einem stets sauberen Napf. Es gibt sogar zwei unterschiedliche Näpfe bei dieser Familie. Beide sind tönern, aber ein Napf hat eine rote Farbe, der andere ist gelb. Beide haben zusätzlich weiße Punkte. Einfach katzlich.

    Meinen Essenszeitplan habe ich bereits dargestellt, als ich von meinem ersten Abenteuer als Kommissarin Minou berichtete und möchte mich an dieser Stelle nicht wiederholen. Nur so viel zu diesem Thema: Ich lege Wert auf feste Zeiten. Jede meiner Futterquellen wird zu bestimmten Zeiten aufgesucht. Die resultierende Gewöhnung verhindert, dass katze mich vergisst.

    Gerne gehe ich an dieser Stelle noch auf zwei Dinge ein, die mir besondere Freude bereiten: Zum einen durchstreife ich leidenschaftlich gern die Gärten meiner Straßen, lege mich geruhsam an die diversen Gartenteiche, beobachte die Goldfische der Menschen, erfreue mich am Anblick von Seerosen und Wasserlilien und genieße meine Sonnenplätze ebenso wie meine schattigen Terrassen. Zum anderen bereitet es mir geradezu ein mörderisches Vergnügen, sämtliche Hunde in meinem Revier katzlich auf die Palme zu bringen, indem ich in sicherer Entfernung, vorzugsweise geschützt durch einen Maschendrahtzaun, durch den katze gut hindurchsehen kann, hocherhobenen Hauptes und Schwanzes vor ihnen auf und ab stolziere. Katze kann sagen, ich schreite die Front meiner Hunde ab. Was mir noch zu meinem Glück fehlt, ist ein geeigneter Präsentiermarsch. Die dummen Vierbeiner irren bei meinem majestätischen Anblick kläffend, allerdings nicht im Gleichkläff – ich verweise noch einmal auf den fehlenden Präsentiermarsch – entlang der Zäune ihrer engen Gärten.

    Ach, ich liebe mein Katzenleben aus vollem Herzen. Und, ich betone es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich: Ich liebe alles Französische. Die Parole „Liberté, Egalité, Fraternité ist mein Lebensmotto, obschon ich mitunter denke, dass katze heutzutage noch „Sororité, also Solidarität zwischen Frauen, als Komplettierung zu Fraternité hinzufügen sollte. Das sagt auch Sophia.

    Sophia ist eine sehr kluge Studentin und studiert Französisch und Sozialwissenschaften. Ganz genau weiß ich nicht, was Sozialwissenschaften sind. „Ganz genau" ist fast übertrieben oder untertrieben, je nachdem, von welcher Seite aus katze die Angelegenheit betrachtet. Ich weiß nämlich absolut nicht, was Sozialwissenschaften beinhalten. Früher hat Sophia Französisch und Mathematik studiert und wollte Lehrerin werden. Jetzt will sie lieber bei der Europäischen Union arbeiten. Sie sagt immer, dass der europäische Gedanke sie fasziniert. Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Ihre Mutter bezeichnete sich vor ein paar Tagen in einem Gespräch mit Sophia sogar als Europäerin, so dass ich vermute, dass sie ebenso wie Sophia vom europäischen Gedanken begeistert ist. Ich frage mich, ob ich auch eine Europäerin sein könnte, also eine europäische Katze: Das hat etwas Elitäres und würde zu mir passen.

    Zurzeit wohnt Sophia noch bei ihren Eltern. Ihr Freund Johann, der bis vor kurzem auch noch in Sophias Nähe bei seinen Eltern lebte, ist in eine andere Stadt gezogen, weil er nicht mehr Sport und Mathematik studieren wollte, und er für Medizin, sein neu erwähltes Studium, an seiner alten Universität keinen Studienplatz bekommen hat. Ich habe gelauscht, als Sophia ihren Eltern erklärte, dass sich Johann nach seiner Entführung durch die Drogenganoven und den erlittenen Verletzungen – hierüber berichtete ich in meinem ersten Abenteuer als Kommissarin Minou – sehr viel mit Medizin beschäftigt und darüber großes Interesse an der Medizin gefunden habe.

    Lange wird Sophia nicht mehr bei ihren Eltern wohnen. Vor einigen Wochen war ich zufällig bei einem Gespräch zwischen ihr und ihrer Mutter anwesend. Sophia teilte ihr mit, sie wolle im übernächsten Semester zu Johann ziehen und dort ihr Studium beenden. Den Namen der Stadt, in der Johann studiert, habe ich nicht so richtig verstanden. Ich kenne mich aber auch nicht so gut aus mit Städtenamen. Katzlich wäre es, wenn ich zu Pfote dorthin laufen könnte. Ich möchte den engen Kontakt zu Sophia nämlich auf keinen Fall verlieren. Ich befürchte jedoch beinahe, dass aus zu Pfote dorthin gehen nichts wird. Johann braucht nämlich bis zu seiner neuen Wohnung fast eine Stunde mit dem Zug, allerdings mit wiederholtem Umsteigen. Vielleicht wäre es möglich, in der neuen Stadt in der Nähe von Sophia dauerhaft zu leben, also umzuziehen. Katze muss flexibel sein. Flexibilität ist gut gegen Langeweile und ich bin der Inbegriff an Flexibilität. Aber Langeweile hin, Langeweile her, die entscheidende Frage ist bei allen Überlegungen, ob ich wieder so tolle Futterquellen finde wie hier in meinem Revier. Ich will allerdings nicht über ungeöffnete Aluschälchen nachdenken, wie katze so schön sagt. Solche Gedanken stimmen mich irgendwie traurig, sie deprimieren mich, wie katze so zu sagen pflegt. Zudem sagt Sophias Mutter immer: „Kommt Zeit, kommt Rat."

    Etwas ebenfalls Wichtiges entnahm ich dem besagten Gespräch zwischen Mutter und Tochter. In dem Moment, in dem ich es hörte, war es zwar noch nicht so wichtig, wenigstens nicht so wichtig für mich. Die Bedeutung und Tragweite für mich, Katze-Laila-Minou, zeigte sich jedoch schon wenige Wochen später. Sophia wollte sich nämlich, bevor sie zu Johann ziehen würde, noch einen lang gehegten Wunsch erfüllen. Sie wollte für ein Semester an die Sorbonne nach Paris. Für alle, die es nicht wissen: Die Sorbonne ist diiiie Universität in Frankreich bzw. in Sophias Worten: diiiie Universität in ganz Europa.

    Sophia hatte die notwendigen Schritte hierfür bereits mit dem International Office ihrer Universität, was auch immer das sein mag, besprochen. Nun plante sie, in den kommenden Wochen irgendwann für einige Tage nach Paris zu fahren, um zu schauen, wie es mit möblierten Zimmern aussehe und wie teuer diese wären. Danach wollte sie sich mit ihren Eltern zusammensetzen und überlegen, ob und wie der Auslandsaufenthalt finanziert werden könnte.

    „Zimmerpreise kannst du ebenso gut im Internet recherchieren, da musst du nicht unbedingt nach Paris, meinte ihre Mutter. „Das macht heute fast jeder so! Online und Internet sind doch der Kommunikationsweg der Jugend.

    Ich dachte bei mir nur: wow. Nicht zu verwechseln mit wau. Muss ich wohl nicht näher erklären. Oder doch? Also, in kurz: Wau ist das Gejaule der Hunde. Meine Einstellung zu Hunden ist bekannt, oder? Wow hingegen ist der Ausdruck für toll oder spitze im Sinne von: Hätte ich ihr gar nicht zugetraut!

    Judith, Sophias Mutter, überraschte mich immer wieder. Nicht nur mit ihren Kenntnissen zum Beispiel im Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung, sondern auch mit ihrer erstaunlichen Gelassenheit bezüglich des Wunsches ihrer Tochter, ein Semester in Frankreich zu studieren. Ich selbst vermisste Sophia jetzt schon, obschon sie noch gar nicht fort war. Mein Vermissen bezog sich dabei nicht so sehr auf ihren Kurztrip nach Paris, sondern auf das geplante Auslandssemester. So etwas dauert ja eine gefühlte Ewigkeit und noch länger. In solch einer langen Zeit könnte katze sogar vergessen werden.

    „Ich denke, dass ich an Ort und Stelle die besseren Informationen bekomme, entgegnete Sophia selbstsicher. „Meinst du nicht auch?

    Ich persönlich dachte, dass Sophia einfach einmal wieder nach Paris wollte. Paris ist nämlich ihre europäische Lieblingsstadt, wie sie immer wieder betont. Sie ist schon oft mit ihren Eltern in Paris gewesen. Außerdem war sie zum Schüleraustausch in der Stadt meiner Träume. Pardon, kleiner Scherz. Selbst heute hat sie noch Kontakt zu der damaligen Gastfamilie und deren Tochter Mireille. Sie ist eine ihrer besten Freundinnen. Mireille wohnte damals mit ihrer Familie in einem Vorort von Paris. Mittlerweile wohnt sie jedoch mitten in Paris in einem kleinen Studentenzimmer, wenn ich mich richtig erinnerte. Während meine Gedanken noch so ihre eigenen Wege gingen, wurde ich von Sophia bestätigt.

    „Außerdem wird mir Mireille sicher gerne helfen. Sie wohnt in der Nähe der Sorbonne in einem kleinen Apartment. Während meiner Suche kann ich bestimmt bei ihr wohnen. Sie wird sich hundertprozentig freuen, wenn ich komme. Wir planen seit einem Jahr, uns endlich einmal wiederzusehen. Ich rufe sie noch heute an."

    „Nach Paris würde ich auch gerne noch einmal fahren, seufzte Sophias Mutter. „Früh am Morgen mit einem Milchkaffee und einem Croissant in einem Bistro sitzen und die vorbeigehenden Menschen beobachten, das würde mir gefallen.

    Sophias Blick entnahm ich, dass ihr das auf keinen Fall gefallen würde. Sie wollte offensichtlich ohne ihre Mutter nach Paris.

    „Guck nicht so entgeistert, lachte ihre Mutter, der Sophias Blick nicht entgangen war. „Ich fahr schon nicht mit dir nach Paris. Papa und ich haben gestern beschlossen, dass wir hoch nach Norwegen wollen, und zwar in zwei Wochen. Wir werden vier Wochen unterwegs sein und das Leben dort oben in vollen Zügen genießen.

    „Aber dann ist Minou ja allein, gab Sophia besorgt zu bedenken, „wer sorgt dann für ihr leibliches Wohl?

    Das war meine Sophia wie sie leibt und lebt. Sie dachte immerzu an mich. Außerdem wusste sie sich gut auszudrücken: leibliches Wohl. Das imponierte mir.

    „Ich rede mit deiner Tante. Sie wird Minou gerne füttern, sagte Sophias Mutter zuversichtlich. „Und außerdem sind die Nachbarn auch noch da. Sie frisst sich doch überall durch.

    Der letzte Satz war etwas unterhalb der Gürtellinie und genauso überflüssig wie ein Gespräch mit der Tante. Es kam nämlich ganz anders. Ich fuhr, katze höre und staune, mit Sophia nach Paris. Für alle, die es noch nicht verstanden haben oder glauben, sich verhört zu haben: Ich, Katze-Laila-Minou, fuhr in die Stadt meiner Träume. Und das war sehr gut so. Warum, das werde ich nun berichten.

    Erster Teil oder Paris, ich komme

    Eine Idee wird geboren

    Sophias Eltern hatten sich verabschiedet. Sie wollten nach Norwegen und dort ganz hoch in den Norden zum Nordkap. „Wir wollen bis zum Dorf vom Weihnachtsmann", hatte Sophias Mutter freudestrahlend erklärt.

    Ich hatte zwar einmal von dem Mann, der mich Katze nennt, gehört, der Weihnachtsmann sei in Lappland zu Hause, aber sei’s drum. Vielleicht war er ja umgezogen. Vielleicht sagte katze auch zu Norwegen Lappland. Weiß katze es?

    Es war Anfang Juni und vor Anfang Juli wollten Sophias Eltern nicht zurückkommen. Sie hatten keine feste Route, sondern wollten sich ein wenig treiben lassen. Übernachten wollten sie in Jugendherbergen: Vandrerhjem heißen sie auf Norwegisch, wie Matthias, Sophias Vater, heute vor der Abfahrt noch doziert hatte. Katze lernt immer dazu. Ob mir dieses Wissen je etwas bringen würde, war jedoch fraglich.

    Sophia saß mit Johann auf der Terrasse, meinem Esszimmer oder der, wie ich die Terrasse auch gerne bezeichne, Kommunikatzionszentrale. Die beiden unterhielten sich angeregt, während sie ausgiebig frühstückten. Ja, Johann war seit gestern wieder da. Gestern war nämlich Freitag. Fast jeden Freitag kommt Johann heim und bleibt bis Sonntagabend oder Montagmorgen. Freitags und montags sind nämlich keine Vorlesungen. Er führt ein sogenanntes DiMiDo-Studentenleben, weil seine Dozenten DiMiDos sind, also dienstags, mittwochs und donnerstags arbeiten. Das hat Matthias in Bezug auf Johanns Stundenplan wenigstens angemerkt. Sophia und Johann verbringen die freien Tage dann gemeinsam, und zwar in der Regel im Haus von Sophias Eltern. Für mich ist das stets eine katzliche Freude, weil die beiden mich häufig streicheln.

    Manchmal fährt Sophia aber auch zu Johann in dessen WG. Das Wort WG bedeutet Wohngemeinschaft: Dort wohnen mehrere Personen, die nicht unbedingt verwandt oder befreundet sind, zusammen. Die Personen müssen sich aber gut verstehen, weil sie ja auf engem Raum zusammenleben. Johann zum Beispiel hat in seiner WG eine Mitbewohnerin und einen Mitbewohner. Die Mitbewohnerin ist tatsächlich eine alte Kindergartenfreundin von Sophia, deren Name ich immer wieder vergesse. Jede Person hat ein eigenes Zimmer. Küche und Bad werden gemeinsam genutzt. Außerdem gibt es ein Wohnzimmer für alle, wo auch schon einmal Gäste übernachten.

    Sophia hat mir letzte Woche zugeflüstert, sie werde mich beim nächsten Mal mit zu Johann nehmen. „Da gibt es ein Gästezimmer!, hatte sie mir augenzwinkernd zugeraunt und natürlich das Wohnzimmer gemeint, wie ich eben erklärt habe. „Aber das musst du nicht benutzen, du kannst bei Johann und mir schlafen. Das ist dir doch lieber, oder?

    Drinnen, in geschlossenen Räumen zu schlafen, war für mich eine echte Herausforderung. Ich litt nämlich nicht nur unter einer Schlangenphobie, wie ich bei meinem ersten Abenteuer berichtete, sondern auch unter Klaustrophobie, kurzum: Ich halte es schlecht in geschlossenen Räumen aus. Ich glaube das wenigstens. Richtig versucht, für längere Zeit in einem Haus zu schlafen, habe ich es in meinem bisherigen Katzenleben noch nie. Mein großer und stark ausgeprägter Freiheitsdrang ruft mich immer hinaus in mein Quartier, bevor ich überhaupt an ein solches Experiment denken könnte. Wie dem auch sei: Sophia hat diagnostiziert, dass bei mir eindeutig eine Klaustrophobie vorliegt. So ist es eben. Kurzum. Es könnte aber auch anders sein. Sei’s drum.

    Trotz meines Freiheitsdrangs oder Sophias Diagnose einer Klaustrophobie hatte ich insgeheim gedacht, ein Besuch bei Johann wäre gar nicht schlecht. So könnte ich schon einmal den Weg zu der neuen Universitätsstadt und die Umgebung um die WG herum genauer unter die Lupe nehmen. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass Sophia plante, im übernächsten Semester zu Johann zu ziehen. Ich dachte daran, eine Ausnahme zu machen und in der Nacht auch bei den beiden schlafen. Nahe am Fenster oder an der Tür natürlich. Möglicherweise war es überhaupt kein Problem. Und genau so war es, wie sich in Paris zeigen sollte. Ich genoss es sogar, abends allein in der Wohnung zu sein und quasi mit Blick auf den Pariser Nachthimmel zu schlafen.

    „Sophia, im übernächsten Semester wird das Zimmer von Hermine frei. Sie hat uns gestern erzählt, dass sie dann für ein oder zwei Semester ins Ausland will, teilte Johann Sophia gerade mit. „Ist das nicht toll?

    Da war er, der Name von Sophias Kindergartenfreundin, den ich immer wieder vergaß: Hermine.

    „Toll, das passt ja ausgezeichnet, strahlte Sophia. „Dann kann ich das Zimmer übernehmen. Wo will Hermine denn hin? Hat sie euch das auch gesagt?

    „Sie ist sich noch nicht ganz sicher. Vielleicht nach Paris? Johann hob fragend die Schultern. „Sie könnte sich aber auch eine andere europäische Hauptstadt vorstellen. Du kennst sie ja, sie ist sehr flexibel und offen für alles, was sich so anfühlt, als wäre es etwas Besonderes.

    „Ach, das ist ja interessant. In Paris bin ich aller Wahrscheinlichkeit nach im kommenden Semester. Ich will übernächste Woche nach Paris, um mich nach einer Unterkunft umzuschauen. Ich habe bereits mit Mireille telefoniert. Ich kann bei ihr schlafen. Sie zeigt mir dann die Universität, also die Gebäude im Quartier Latin, wo ich studieren werde, und hilft mir bei der Suche nach einer Studentenwohnung. Willst du mit mir nach Paris fahren?"

    „Das geht leider nicht. Ich schreibe schon in drei Wochen die ersten Klausuren. Da kann ich mir einen Kurzurlaub nach Paris nicht leisten", lehnte Johann Sophias Vorschlag bedauernd ab.

    „Leisten kann ich mir das von der Zeit her auch nicht so richtig. Ich bleibe daher nur acht Tage. Bis zu Abfahrt werde ich ein paar Nachtschichten einlegen müssen, damit ich meine fällige Hausarbeit dann schon fertig habe. Und das Französischtraining in Paris ist ja nicht zu toppen und die beste Vorbereitung auf die Grammatikklausur am Semesterende. Was macht Hermine mit ihrem Kater, mit Cesar, wenn sie im Ausland ist?", brachte Sophia das Gespräch zurück auf Johanns Mitbewohnerin und ihre Kindergartenfreundin.

    Das Gespräch begann mich zu interessieren. Nicht, dass ich mich für den dicken Cesar interessierte, zumal ich ihn gar nicht persönlich, sondern nur vom Hörensagen kannte. Es war das Thema, das mich reizte: Was machen Leute mit Hauskatzen, wenn sie für längere Zeit verreisen? Ich bin ja Großkatze sei Dank keine Hauskatze und durchaus in der Lage, für mich zu sorgen, wenn es drauf ankommt. Natürlich nehme ich gerne die Annehmlichkeiten fester Futterquellen in Anspruch. Ich kann jedoch fraglos auch ohne. Aber wie sieht das bei verwöhnten, unselbstständigen Hauskatzen aus? Um eine solche handelte es sich nämlich bei Hermines Cesar. Sophia hatte mir erzählt, dass Cesar nur ungern die Wohnung verließ: also eindeutig Hauskatze. Ich spitzte meine Ohren, wie die Menschen so sagen, wenn sie haarklein wissen wollen was gesagt wird, wenn sie also gut aufpassen und keine noch so kleine Gesprächssequenz überhören wollen. Das Wort „Gesprächssequenz" habe ich letztens bei den Menschen gehört, die mich Katze nennen. Ich finde, das Wort klingt gebildet und auf jeden Fall elegant. Es gefällt mir ausgesprochen gut, es hat etwas. Daher versuche ich, es ab und zu anzuwenden. Es bietet sich leider nur selten die Gelegenheit dazu.

    „Ich meine, sie hätte gesagt, sie würde Cesar mitnehmen, wenn Tierhaltung in ihrer zukünftigen Wohnung erlaubt ist. Wenn nicht, will sie ihn während ihres Auslandsaufenthalts bei ihren Eltern unterbringen. Sie haben bereits zugesagt."

    Ich hatte ganz große Ohren bekommen. Da sollte ein Kater eventuell für ein bis zwei Semester nach Paris. Meine Großkatze, das wäre auch etwas für mich, wo ich doch alles, was mit Frankreich zu tun hat, geradezu verehre, fast anbete. Hatte ich bisher noch unter dem Terrassentisch gelegen, streckte ich mich nun und stand miauend auf. Ich strich um Sophias Beine, um sie auf mich aufmerksam zu machen.

    „Schau mal, Minou ist munter geworden", lachte Johann und hockte sich neben mich, um mich zu streicheln.

    „Über Minou denke ich gerade nach. Wenn ich zu Mireille fahre, ist niemand da, der Minou regelmäßig füttert. Sophia schaute mich an. „Ich frage mal Mireille, wie es mit Katzenhaltung bei ihr in der Wohnung aussieht.

    Ich war überwältigt. Mir stockte der Atem. Meine Großkatze, mit etwas Glück wäre ich schon in der übernächsten Woche in Paris. Damit hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.

    „Ob Minou das überhaupt gefällt? Paris ist eine riesige Metropole. Stell dir mal vor, du würdest sie dort verlieren. Du würdest sie nie im Leben wiederfinden. Und ich glaube außerdem nicht, dass sie es lange in einem kleinen Zimmerchen aushält."

    Ich fragte mich, woher Johann wissen wollte, dass Mireille in einem kleinen Zimmerchen wohnte. Sie konnte doch eine große Wohnung haben. Er war doch noch nie dort gewesen.

    „Am Tag ist sie doch mit mir draußen. Nur in den Nächten ist sie drinnen. Sie kann ja schließlich unmöglich nachts allein durch Paris stromern. Aber die paar Nächte indoor wird sie locker packen. Und ich werde sie ganz bestimmt nicht verlieren. Es gibt im Übrigen Katzenleinen. Und Katzenleinen und ihr Katzenhalsband mit Sensor, da kann sie mir einfach nicht abhandenkommen", antwortete Sophia überzeugend. An dieser Stelle muss ich anmerken, dass mir Sophia aus ihrem letzten Türkeiurlaub ein rotes Katzenhalsband mit Sensor als Geschenk mitgebracht hat. Dank dieses Sensors kann sie mich überall mithilfe ihres Handys orten, wenn ich mich nur nahe genug zu ihrem Handy aufhalte. Ich versuche seitdem erfolglos, dieses Halsband wegen der doch darüber eingeschränkten Liberté loszuwerden. Ich betone, das hat absolut nichts mit Sophia zu tun. Ich brauche einfach meine Freiheit und möchte nicht zur gläsernen Katze oder zu etwas in der Art werden.

    Recht hatte Sophia. Klaustrophobie hin, Klaustrophobie her. Die paar Tage würde ich es schon schaffen, in der Nacht indoor zu schlafen, wie Sophia es nannte. Am Tag würde ich natürlich die Stadt auskundschaften, mit Sophia und Mireille, das versteht sich von selbst. Ich wäre in der Stadt meiner Träume, in Paris. Einfach unfassbar.

    Apropos indoor. Sophia nutzte in der letzten Zeit zunehmend englische Begriffe. Solche Begriffe nennt man Anglizismen. Das weiß ich, weil ihr Vater kürzlich zu Sophia gesagt hat: „Immer diese blöden Anglizismen! Das versteht doch kein Mensch. Dabei hatte Sophia nur zu ihrer Mutter gesagt: „Mama, du hast ja High Heels! Toll! Die stehen dir richtig gut und machen dich jünger. Was sie mit High Heels meinte, weiß ich nicht so genau. Allerdings war Judith beim Friseur gewesen und hatte neue Locken. Vielleicht war das ein Ausdruck für die neue Frisur, für die Locken? Katze muss nicht alles wissen. Französische Ausdrücke waren mir auf jeden Fall lieber. Wo ich doch den Klang der französischen Sprache so liebe. Matthias regte sich ständig über Anglizismen auf. Vor allem darüber, dass seine geliebte Wirtschaftszeitung immer häufiger solche Begriffe nutzte und er die Bedeutung häufig im Internet suchen musste.

    Aber zurück zu Johanns Frage, ob es mir gefallen würde, nach Paris zu reisen. Da kann katze nur sagen: blöde Frage! Johann enttäuschte mich mit seiner Skepsis. So nennt man es, wenn Menschen immer nur überlegen, was eventuell schief gehen könnte. Solche Miesepeter mag ich im Prinzip nicht. Sie nehmen ihren Mitmenschen einfach jede Vorfreude. Was Sophia allerdings mit der Katzenleine andeuten wollte, war mir nicht so klar. Vielleicht hatte ich mich auch verhört. Katze muss nicht jedes Wort auf die Aluwaage legen, wie katze so sagt.

    „Wie willst Du denn nach Paris kommen?", erkundigte sich Johann.

    „Ich denke, ich fahre mit dem Thalys, überlegte Sophia laut, „das ist umweltfreundlich und preiswert.

    Der Thalys ist ein sogenannter Hochgeschwindigkeitszug, der zwischen bestimmten deutschen Städten und Paris regelmäßig verkehrt. Das weiß ich, weil Sophia damit schon einmal nach Paris gefahren ist und mich entsprechend aufgeklärt hat.

    „Darf Minou denn mitreisen? Johann schaute Sophia fragend an. „Ist im Thalys die Mitnahme von Tieren überhaupt erlaubt? Wieder diese Skepsis.

    „Ich habe zufällig einmal gehört, dass Katzen kostenlos im Thalys reisen dürfen, vorausgesetzt, sie wiegen nicht mehr als sechs Kilo, stellte Sophia fest. „Beantwortet das deine Frage?

    Unverschämterweise lachte Johann nun laut auf: „Das trifft dann aber nicht für Minou zu. Sie hat sicher ihre zehn Kilo Übergewicht. Das wird sehr teuer, wenn sie dann überhaupt den Zug benutzen darf."

    Das Übergewicht war eine richtige Frechheit. Johann hat die schlimme Angewohnheit, maßlos zu übertreiben. Immer und überall. Es wurde Zeit, dass Sophia ihm das abgewöhnte. Ansonsten würden wir auf Dauer keine Freunde bleiben.

    „Und wenn schon, das kontrolliert doch niemand. Sie muss in eine Transportkiste mit bestimmten Maßen passen. Ich gucke mal im Internet, wie groß diese Kisten sind", war Sophias lapidare Antwort auf diese Unverschämtheit. Sie hatte recht. Katze sollte gar nicht erst auf solche niveaulosen Sprüche eingehen.

    Kaum gesagt, hatte sie die Maße schon parat: 45x30x25 cm. Meine Großkatze, meinem Gefühl nach hörte sich das nicht gut an. Da hatte ich bestimmt wenig Bewegungsfreiheit. Aber was tut katze nicht alles, um in die Stadt seiner Träume zu kommen.

    „Bevor du eine solche Kiste kaufst, rufst du aber am besten erst einmal bei Mireille an und fragst, ob Minou auch willkommen ist und ob überhaupt Katzenhaltung in der Wohnung erlaubt ist", riet Johann mit ernster Stimme.

    „Das mache ich sofort."

    Augenblicklich hatte Sophia ihr Handy in der Hand und ruckzuck eine Verbindung zu Mireille. Von dem Gespräch bekam ich inhaltlich nicht viel mit, weil Sophia Französisch sprach. Anscheinend hatte Johann das gleiche Problem wie ich, denn er stand auf und kam zu mir, um mich zu streicheln. Während ich mich dem Streicheln voll hingab und dabei auch Johann seine Unverschämtheiten verzieh, ließ ich Sophia nicht aus den Augen. Das Gespräch mit Mireille machte Sophia ganz offensichtlich Freude. Sie lachte immer wieder und ich konnte keine Sorgenfalten erkennen, die mir signalisiert hätten, dass ich nicht willkommen wäre. Der französische Klang und das Streicheln ließen mich fast einschlafen. Es war einfach sooo katzlich oder in Sophias Worten: einfach sooo gemütlich, durch und durch.

    Nach geraumer Zeit legte sie das Handy oder Portable, wie die Franzosen sagen, aus der Hand.

    „Und? Sind Katzen erlaubt?", hakte Johann sofort nach.

    „Sagen wir mal so, Mireille freut sich, wenn ich Minou mitbringe. Ob Katzenhaltung in ihrer Wohnung erlaubt ist, konnte sie mir nicht sagen. Sie meinte jedoch: Wo kein Kläger, da kein Richter. Das heißt, wir passen gegebenenfalls auf, dass niemand im Haus Minou zu Gesicht bekommt. Das dürfte nicht so schwierig sein. Und es ist außerdem nur für acht Tage."

    „Na ja, so eine Katzenkiste, in die unsere zarte Minou reinpasst, ist aber schlecht zu verstecken", gab Johann zu bedenken.

    Ich persönlich fand diese Bemerkung wieder mehr als unangebracht. Ich kann sehr wohl erkennen, ob katze sich über mich lustig macht oder nicht. Und auf Anspielungen auf meine stattliche Figur reagiere ich allergisch.

    „Nichts leichter als das, fuhr ihm Sophia über den Mund. „Ein Tuch über die Kiste und man könnte meinen, ich trüge einen Obstkorb.

    „Oder einen schweren Kartoffelsack", lachte Sophias Freund. Ich hoffe, katze versteht die feinen Nuancen in meiner Sprache: Sophias Freund, nicht meiner! Sei’s drum.

    Sophia boxte ihn daraufhin feste in die Seite, so dass er sein Lachen einstellte. Er hatte es nicht besser verdient.

    „Und nun bestelle ich eine Katzenkiste und schaue mal nach geeigneten Zugverbindungen nach Paris", beendete Sophia das Gespräch und vertiefte sich in ihr Portable. Vorher sagte sie jedoch noch zu Johann: „Mireille meinte zum Schluss, dass sie sehr froh ist, dass ich komme. Sie müsse mir

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