Der Verdacht: Die neue Praxis Dr. Norden 41 – Arztserie
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»Mei, Gundi, so ein hübsches Madl«, stellte Erna Kellermann fest, als sie an diesem Morgen im Wartezimmer der Praxis Norden neben Gundi Sonne Platz nahm. Die hübsche junge Frau mit dem hellblonden Haar und den dunklen Augen war mit ihrer kleinen Tochter in die Sprechstunde gekommen. »Wie alt ist sie jetzt, die Kleine?«, fragte Erna und betrachtete das Baby, das eine rote Latzhose und ein gelbes Jäckchen trug. »Mia ist drei Monate alt«, antwortete Gundi mit einem freundlichen Lächeln. »Drei Monate, wie doch die Zeit vergeht. Mir ist es, als wärst du gerad gestern mit der Kleinen auf den Armen aus dem Krankenhaus gekommen«, sagte Erna und streichelte über die Füße des Babys, die in weißen Söckchen steckten. »Geh, da schau her, noch so ein Hascherl, guten Morgen, Anni«, wandte sie sich der brünetten jungen Frau zu, die in diesem Moment das Wartezimmer betrat. Das Baby in der weißen Strumpfhose und dem rosa Kleidchen schien ebenso alt wie Mia zu sein. »Guten Morgen«, grüßte Anni in die Runde. »Guten Morgen, Anni«, entgegneten die Zwillinge Mechthild und Margot Wiesenberg, die beiden anderen Frauen, die in dem gemütlichen Wartezimmer mit den Holzdielen, den gelben Sesseln und den hochgewachsenen Grünpflanzen saßen. Die Mitsechzigerinnen trugen die gleichen dunkelblauen Kleider mit Rosenmuster und die gleichen blauen Schnürschuhe. »Wie geht es der kleinen Familie?«, fragte Mechthild.
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Buchvorschau
Der Verdacht - Carmen von Lindenau
Die neue Praxis Dr. Norden
– 41 –
Der Verdacht
Unveröffentlichter Roman
Carmen von Lindenau
»Mei, Gundi, so ein hübsches Madl«, stellte Erna Kellermann fest, als sie an diesem Morgen im Wartezimmer der Praxis Norden neben Gundi Sonne Platz nahm. Die hübsche junge Frau mit dem hellblonden Haar und den dunklen Augen war mit ihrer kleinen Tochter in die Sprechstunde gekommen. »Wie alt ist sie jetzt, die Kleine?«, fragte Erna und betrachtete das Baby, das eine rote Latzhose und ein gelbes Jäckchen trug.
»Mia ist drei Monate alt«, antwortete Gundi mit einem freundlichen Lächeln.
»Drei Monate, wie doch die Zeit vergeht. Mir ist es, als wärst du gerad gestern mit der Kleinen auf den Armen aus dem Krankenhaus gekommen«, sagte Erna und streichelte über die Füße des Babys, die in weißen Söckchen steckten. »Geh, da schau her, noch so ein Hascherl, guten Morgen, Anni«, wandte sie sich der brünetten jungen Frau zu, die in diesem Moment das Wartezimmer betrat. Das Baby in der weißen Strumpfhose und dem rosa Kleidchen schien ebenso alt wie Mia zu sein.
»Guten Morgen«, grüßte Anni in die Runde.
»Guten Morgen, Anni«, entgegneten die Zwillinge Mechthild und Margot Wiesenberg, die beiden anderen Frauen, die in dem gemütlichen Wartezimmer mit den Holzdielen, den gelben Sesseln und den hochgewachsenen Grünpflanzen saßen. Die Mitsechzigerinnen trugen die gleichen dunkelblauen Kleider mit Rosenmuster und die gleichen blauen Schnürschuhe.
»Wie geht es der kleinen Familie?«, fragte Mechthild.
»Es geht uns gut«, sagte Anni und setzte sich in den Sessel neben Mechthild.
»Das hören wir doch gern. Deine Lin ist übrigens genauso alt wie das Baby der jungen Dame«, sagte Mechthild und schaute auf Gundi, die Mia auf ihren Schoß gesetzt hatte.
»Da schau her, das Madl hat verschiedenfarbige Augen«, stellte ihre Schwester Margot fest, als die kleine Mia sie mit einem strahlenden Lächeln ansah. »Ein blaues und ein grünes, genau wie dein Peter. Wie heißt das noch mal, Anni?«
»Das nennt man Iris-Heterochromie, Frau Wiesenberg.«
»Und diese Heterochromie wird vererbt, richtig?«
»Ja, aber nicht zwangsläufig. Unsere Lin kommt in dieser Beziehung wohl nach mir.«
»Und bei Ihnen ist es wohl auch der Vater, der mit dieser Besonderheit geboren wurde«, wandte sich Mechthild Gundi zu.
»Lass es gut sein, Mechi, sie spricht nicht über den Vater«, kam Erna Gundi mit der Antwort zuvor.
»Geh, warum denn nicht? Wollte er das Kind nicht? Hat er sich davongemacht?«
»Mei, jetzt sei doch nicht so neugierig«, wies Frau Kellermann Mechthild zurecht.
»Geh, neugierig, wir nehmen doch nur Anteil am Schicksal unserer Nachbarn. Sie sind doch die Enkelin von der Berta, die vor einem halben Jahr gestorben ist. Sie hat Ihnen das Dreifamilienhaus draußen am Sportplatz vererbt, richtig?«, wandte sich Mechthild nun wieder direkt an Gundi.
»So ist es, Mechi, sie wohnt seit vier Monaten im Haus ihrer Großmutter«, sagte Erna. Sie war mit Gundis Großmutter Berta befreundet gewesen und fühlte sich dazu berufen, Gundi vor allzu neugierigen Fragen zu beschützen.
»Soso, seit vier Monaten. Gefällt es Ihnen denn bei uns?«, fragte Mechthild.
»Ich fühle mich hier sehr wohl«, sagte Gundi.
»Und ihre Praxis läuft auch schon recht gut«, erklärte Erna den Wiesenberg-Zwillingen.
»Sind Sie Ärztin?«, fragte Margot.
»Nein, Podologin.«
»Podologie, da geht es doch um die Behandlung von kranken Füßen.«
»Richtig.«
»Behandeln Sie auch Hühneraugen?«, wollte Mechthild wissen.
»Freilich, macht sie das. Ich war deshalb schon bei ihr. Sie macht das wirklich sehr gut. Es hat gar nicht wehgetan«, erklärte ihr Erna.
»Gut zu wissen, ich hab da auch so ein lästiges Ding an meinem großen Zeh. Haben Sie eine Visitenkarte bei sich? Ich würde gern mal zu Ihnen kommen.«
»Falls ich gerade nicht ans Telefon gehen kann, sprechen Sie mir Ihre Telefonnummer auf den Anrufbeantworter. Ich rufe dann zurück«, sagte Gundi, als sie Mechthild eine ihrer Visitenkarten reichte, die sie immer bei sich hatte.
»Sie wohnen also erst seit vier Monaten in München. Wo haben Sie denn vorher gewohnt, wenn ich fragen darf?«, wandte sich Anni Gundi zu, nachdem sie Mia eine ganze Weile nachdenklich angeschaut hatte.
»In Nürnberg.«
»Geh, in Nürnberg, da wohnt eine Cousine von uns. Wir besuchen sie jedes Jahr im Dezember, um den Christkindlmarkt zu besuchen. Im letzten Jahr haben wir sogar die Anni und ihren Peter auf dem Markt getroffen. Der Peter hat dort im Auftrag der Baufirma, für die er arbeitet, den Bau eines Einkaufszentrums geleitet«, erzählte Margot.
»Ich habe ganz in der Nähe des neuen Einkaufszentrums gewohnt«, sagte Gundi.
»Mei, da sind Sie dem Peter vielleicht schon mal begegnet.«
»Ja, vielleicht«, gab Gundi ihr recht, eine zufällige Begegnung ließ sich ja nicht ausschließen.
»Hatten Sie in Nürnberg auch eine eigene Praxis?«, wollte Anni von Gundi wissen, während ihr Blick weiterhin auf Mia haftete.
»Nein, ich war in einer Praxis angestellt.«
»Dann ist München in jeder Hinsicht ein Neuanfang für Sie, beruflich und familiär.«
»Könnte man so sagen«, entgegnete Gundi.
»Manchmal ist der Weg einfach vorgegeben, nicht wahr?«
»Hin und wieder ergeben sich neue Möglichkeiten, das ist richtig«, stimmte Gundi Anni zu. Sie fragte sich, warum diese Frau, die ihr zuvor nie begegnet war, sie so merkwürdig anschaute. Sie hatte das Gefühl, dass Anni sie noch etwas fragen wollte, sich aber nicht traute.
»Frau Sonne, bitte«, wurde sie in diesem Moment von Daniel aufgerufen.
Egal, was auch immer es ist, es kann nicht so wichtig sein, wir kennen uns ja gar nicht, dachte Gundi und erhob sich mit Mia im Arm von ihrem Platz. »Einen schönen Tag noch«, verabschiedete sie sich von den anderen und verließ das Wartezimmer.
»Frau Sonne hat Anni wohl mächtig beeindruckt«, raunte Lydia Sophia zu. Die beiden standen hinter dem weißen Tresen in der hellen Empfangsdiele und schauten durch die Glaswand, die das Wartezimmer von der Diele trennte. Anni schien ganz in Gedanken versunken, während sie Gundi nachschaute.
»Vielleicht will sie Frau Sonne in ihre Babygruppe einladen«, sagte Sophia.
»Ja, vielleicht, könnte sein«, entgegnete Lydia und wandte sich wieder dem Computermonitor zu, um das Rezept für ein Schmerzmittel auszudrucken, das sie einer Patientin zuschicken wollte, die an einer Grippe mit Gliederschmerzen und Fieber erkrankt war.
*
»Schadet die Impfung Mia auch nicht, Herr Doktor? Ich stille sie noch«, sagte Gundi, als sie mit Mia auf dem Schoss Daniel an seinem Schreibtisch gegenübersaß.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, Frau Sonne, der Impfstoff gegen Tetanus und Diphtherie ist ein lang erprobter Impfstoff. Ihre Auffrischungsimpfung schadet Ihrem Kind ganz sicher nicht.«
»Soll ich mich auf die Liege setzen?«, fragte Gundi.
»Ja, bitte«, sagte Daniel und ging zu seinem Medizinschrank, der am Fußende der weißen Untersuchungsliege stand. Während Gundi sich mit Mia im Arm auf die Liege setzte, zog Daniel die Spritze mit der Impfung auf.
»Sie gefällt ihr«, stellte Gundi fest, als Daniel zu ihr kam und Mia fasziniert auf die schöne alte Standuhr in dem Gehäuse aus Ahornholz schaute, die in einer Ecke des Zimmers stand.
»Das denke ich auch oder irren wir uns, Mia? Was gefällt dir denn an dieser Uhr?«, wandte sich Daniel dem Kind zu und streichelte ihm über die hellen Löckchen.