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Eine Geldheirat
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eBook108 Seiten1 Stunde

Eine Geldheirat

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Über dieses E-Book

In einer dunklen regnerischen Nacht des Sommers 182* kam der junge Leutnant Liéven vom 96. Regiment, das in Bordeaux steht, aus dem Kaffeehause. Er hatte sein gesamtes bares Geld verspielt, und da er ein armer Schlucker war, so ärgerte er sich über seine Torheit. - Aus dem Buch Marie-Henri Beyle (1783 - 1842) besser bekannt unter seinem Pseudonym Stendhal, war ein französischer Schriftsteller, Militär und Politiker.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum22. Feb. 2023
ISBN9788028283452
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    Buchvorschau

    Eine Geldheirat - Stendhal

    I

    Inhaltsverzeichnis

    Als Feder siebzehn Jahre alt war, wurde er von seinem Vater verstoßen, weil er als Sohn einer der begütertsten Familien von Marseille sich soweit vergessen hatte, eine Schauspielerin zu heiraten. Sein Vater war seit langem in Marseille ansässig, Deutscher von Geburt und als solcher etwas leicht sittlich entrüstet. Er verfluchte mindestens zwanzigmal im Tage Voltaire und den lockeren französischen Geist. Diese unnatürliche Heirat seines Sohnes war ihm ein Greuel; daß aber sein Sohn um sich zu entschuldigen, Ansichten äußerte, die einem leichtlebigen Franzosen zur Ehre gereicht hätten – dieses Benehmen brachte den Vater vollkommen aus dem Gleichgewicht.

    Feder war fast zweihundert Meilen von Paris entfernt aufgewachsen, ging jedoch mit der Mode und gefiel sich darin, Handel und Gewerbe zu verachten, insbesondere, weil sein Vater mit derartigen Dingen zu tun hatte. In den Augen seines Vaters war er zwar ein Künstler, da er an den antiken Gemälden im Museum zu Marseille Gefallen fand und den modernen Schund, den der Staat in die Provinzmuseen sandte, verabscheute, aber tatsächlich fehlten ihm alle Eigenschaften zum echten Künstler. Geldgeschäfte waren ihm unerträglich – das ist wahr, doch nur, weil er bloß die beschwerliche Außenseite dieser Geschäfte, die Kontorarbeiten seines Vaters sah. Michael Feder hütete sich wohl, vor seinem Sohne zuzugeben, daß ihm die Lobeshymnen seiner Geschäftsfreunde schmeichelten und er himmlische Freuden empfand, wenn er nach einer gelungenen Spekulation, die sich sein alter Kopf ausgedacht hatte, ihnen in eitlem Stolze ihre Gewinnanteile auszahlen konnte. Predigte er doch unermüdlich gegen die französischen Laster der Eitelkeit und des Leichtsinns. Aber in seinen Bedürfnissen war er genügsam und begnügte sich in seinen freien Stunden mit den kargen Freuden, die ihm ein Buch oder seine lange Pfeife gewährten. Während er so Millionen anhäufte, mußte er es zu seinem Ärger erleben, daß seine Geschäftsfreunde trotz seiner Moralpredigten nichts Eiligeres zu tun hatten, als ihren Gewinst auf Ausflügen, auf der Jagd und ähnlichen Vergnügen zu verjubeln.

    Als Feder die junge siebzehnjährige Schauspielerin Amelie heiratete, die eben das Konservatorium verlassen hatte und in ihrer ersten Rolle als »Kleiner Matrose« viel Beifall fand, da verstand er sich lediglich auf zwei Dinge: er konnte reiten und kleine Miniaturporträts malen. Die Bildnisse von seiner Hand waren verblüffend ähnlich – dies muß man zugeben, aber sie rechtfertigten in keiner Weise die Überhebung des Malers, denn sie waren von einer abstoßenden Häßlichkeit und nur deshalb ähnlich, weil sie die Schönheitsfehler der Modelle hervorhoben und übertrieben.

    Obwohl Michael Feder, der Inhaber der weitbekannten Firma Michael Feder und Kompanie, tagtäglich voll Eifer über die natürliche Gleichheit aller Menschen deklamierte, vermochte er doch niemals zu verzeihen, daß sein Sohn eine kleine Schauspielerin geheiratet hatte. Vergeblich stellte ihm der Anwalt, mit dem er alle Rechtsfragen der Firma erörterte, vor, daß die Ehe seines Sohnes nur durch einen spanischen Kapuziner vollzogen worden sei und sie nicht daran gedacht hätten, sie vom Standesamt bestätigen zu lassen. Michael Feder aus Nürnberg war ein Erzkatholik, wie es die meisten Bayern zu sein pflegen, und hielt eine Ehe, die mit dem heiligen Sakrament eingesegnet worden war, für unauflöslich. Zudem wurde der stark ausgeprägte Stolz unseres deutschen Grüblers durch einen Spottvers verletzt, den die Spatzen von Marseille von den Dächern pfiffen:

    »Herr Feder ist Bayer und viel Millionen schwer,

    Wo hat er das ›Matröschen‹ als Schwiegertochter her?«

    Diese neue Gewalttat ›französischen Witzes‹ brachte ihn in Hitze. Er erklärte, niemals mehr, solange er lebe, seinen entarteten Sohn wiedersehen zu wollen, sandte ihm fünfzehnhundert Franken und verbot ihm, sich jemals wieder blicken zu lassen.

    Feder tanzte vor Freuden, als er die fünfzehnhundert Franken leibhaftig vor sich liegen sah. Er mußte sich lange und unsäglich anstrengen, bis es ihm gelang, sich noch eine ungefähr gleich hohe Summe zu beschaffen. Dann reiste er nach Paris ab, dem Zentrum geistigen und kulturellen Lebens, begleitet von dem »Kleinen Matrosen«, der mit großer Freude der Hauptstadt und dem Wiedersehen all seiner Freunde vom Konservatorium entgegensah.

    Doch einige Monate später verlor Feder seine Frau, die starb, nachdem sie ihm eine Tochter geboren hatte. Kaum hatte sich Feder nach längerem Zögern dazu aufgerafft, seinem Vater von diesem verhängnisvollen Ereignis zu berichten, da erfuhr er, daß sich sein Vater ruiniert hatte und auf der Flucht befand. Sein ungeheurer Reichtum war ihm in den Kopf gestiegen. In hohler Selbstgefälligkeit hatte er sich in eitlen Träumen gewiegt, alle Vorräte eines französischen Tuches aufkaufen zu können, jeden Abschnitt am Rande mit den Worten »Feder aus Deutschland« besticken zu lassen und dieses Tuch, das natürlich hinfort Federtuch genannt werden würde, dann um den doppelten Preis zu verkaufen. Die Unsterblichkeit schien ihm sicher. Als er aber an die Ausführung dieses Gedankens ging, der übrigens gar wohl einen Franzosen zum Vater hätte haben können, machte er in kürzester Zeit Bankrott.

    So fand sich unser Held plötzlich auf sich selbst gestellt, mit tausend Franken Schulden und einer kleinen Tochter allein mitten in Paris, das er nicht kannte und das ihm Hirngespinste, die ihm seine Einbildungskraft vorgaukelte, auch nicht in seiner erdenhaften Schwere erkennen ließen. Er war bis jetzt nichts als ein Geck gewesen, der im Grunde auf den Reichtum seiner Vaters ungeheuer stolz war. Vom Wunsche getrieben, eines Tages ein berühmter Künstler zu werden, hatte er mit vielem Eifer Lebensbeschreibungen der großen italienischen Maler gelesen und entdeckt, daß fast alle arm und unbedacht gewesen waren und ihnen manches im Leben mißglückt war. So hatte er auch sein Leben, ohne weiter zu denken, ganz nach seinen Leidenschaften und Wünschen eingerichtet und sich bisher wenig um Geld und Brauch gekümmert.

    Als seine Frau starb, bewohnte er eine kleine möblierte Wohnung in einem Hause in der rue Taibout bei einem Schuhmacher namens Martineau. Herr Martineau erfreute sich eines geruhsamen Wohlstandes und war wohlbestallter Korporal der Nationalgarde, obwohl die Natur ihn ziemlich stiefmütterlich behandelt und ihm das unmilitärische Maß von vier Fuß und zehn Zoll gegeben hatte. Aber der Fußbekleidungskünstler war dieses ärgerlichen Fehlers Herr geworden, indem er sich Stiefel mit zwei Zoll hohen Absätzen nach Ludwig XIV. zurechtgeschustert hatte und ein wunderschönes Pelzbarett trug, das zweieinhalb Fuß hoch war. Das Glück war ihm hold gewesen. Bei einem der letzten Aufstände hatte er, als er in jener stolzen Aufmachung einherstolzierte, eine Kugel durch den Arm bekommen. Dieses Erlebnis blieb ihm stets lebendig im Gedächtnis und wandelte seinen Charakter dermaßen, daß er ganz gegen die Gewohnheit seines Standes vornehm zu denken begann.

    Feder war beim Tode seiner Frau Herrn Martineau den Mietzins für vier Monate, insgesamt dreihundertzwanzig Franken, schuldig. Der Schuhmacher sagte ihm: »Ich habe Mitleid mit Ihrem Unglück und will Sie nicht behelligen. Malen Sie mich in Uniform als Korporal der Nationalgarde, und Ihre Schuld soll damit getilgt sein.«

    Das Bildnis, das nun entstand, war so entsetzlich ähnlich, daß es bei den Kaufleuten der Nachbarschaft Staunen und Bewunderung erweckte. Der Korporal stellte es ganz nahe an das Auslagenfenster des Ladens, das nach englischem Muster gegen die Straße zu angebracht war. Bald kam die ganze Kompanie Martineaus, um das Konterfei zu bewundern. Einige der Gardisten faßten den blendenden Plan, im Amtshaus ihres Kreises ein Museum zu errichten, das die Bildnisse aller Wehrmänner enthalten sollte, die in ruhmreichem Kampfe den Tod gefunden oder sich eine Verwundung geholt hätten. Da die Kompanie außer dem Schuhmacher noch zwei Verwundete hatte, malte sie Feder ab. Der eine wie der andere war grauenerregend gut getroffen. Als sie ihn fragten, was sie ihm schuldig seien, antwortete er, es genüge ihm das freudige Bewußtsein, die Züge seiner großen Mitbürger verewigt zu haben. Diese Antwort sprach sich herum und brachte ihm Glück.

    Die ehrbaren Bürger nahmen die Schmeichelei wohlgefällig entgegen und hielten in ihrer maßlosen Eitelkeit alles, womit sie der vornehme Abkömmling neckte, für bare Münze. Der beabsichtigte Erfolg blieb nicht aus. Mehrere Nationalgardisten aus der Kompanie Martineaus verfielen auf den Gedanken, vorsichtigerweise sich schon jetzt malen zu lassen, denn – so argumentierten sie – vorteilhaft sei es auf alle Fälle, wenn das Bildnis fix und fertig für die Ruhmeshalle bereit stände. Käme es einmal zum Kampfe, so würden sie ohne Zweifel durch das Getöse und den Geruch des Pulvers entflammt, sich tatendurstig in das Getümmel stürzen und möglicherweise eine Wunde davontragen oder den Tod finden.

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