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Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal
Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal
Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal
eBook837 Seiten11 Stunden

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal

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Über dieses E-Book

"Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal" von August Niemann. Veröffentlicht von Sharp Ink. Sharp Ink ist Herausgeber einer breiten Büchervielfalt mit Titeln jeden Genres. Von bekannten Klassikern, Belletristik und Sachbüchern bis hin zu in Vergessenheit geratenen bzw. noch unentdeckten Werken der grenzüberschreitenden Literatur, bringen wir Bücher heraus, die man gelesen haben muss. Jede eBook-Ausgabe von Sharp Ink wurde sorgfältig bearbeitet und formatiert, um das Leseerlebnis für alle eReader und Geräte zu verbessern. Unser Ziel ist es, benutzerfreundliche eBooks auf den Markt zu bringen, die für jeden in hochwertigem digitalem Format zugänglich sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum30. Jan. 2023
ISBN9788028276973
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    Buchvorschau

    Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August Niemann

    August Niemann

    Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal

    Sharp Ink Publishing

    2023

    Contact: info@sharpinkbooks.com

    ISBN 978-80-282-7697-3

    Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsübersicht.

    Erstes Kapitel In der Mordhöhle von Makapanspoort

    Zweites Kapitel Die Gesandten des Zulukönigs

    Drittes Kapitel Auf der Reise

    Viertes Kapitel Heimliche Flucht

    Fünftes Kapitel Die Missionsstation Botschabelo

    Sechstes Kapitel Lord Adolphus Fitzherbert

    Siebentes Kapitel Titus Afrikaner

    Achtes Kapitel Unter den Räubern

    Neuntes Kapitel Morimo

    Zehntes Kapitel Die Bekehrung

    Elftes Kapitel Die Reise in das Zululand

    Zwölftes Kapitel Tschetschwajo, der Zulukönig

    Dreizehntes Kapitel Königliche Manöver und Jagden

    Vierzehntes Kapitel Mainze-kanze = Laßt den Feind kommen!

    Fünfzehntes Kapitel Der Regenmacher

    Sechzehntes Kapitel Der Abschied vom Zululand

    Siebzehntes Kapitel Utrecht

    Achtzehntes Kapitel Die Schlacht von Isandula

    Neunzehntes Kapitel In Pretoria

    Zwanzigstes Kapitel Die Anwerbung

    Einundzwanzigstes Kapitel Daheim und in englischen Diensten

    Zweiundzwanzigstes Kapitel Die Schlacht bei Gingilowo

    Dreiundzwanzigstes Kapitel Prinz Ludwig Napoleon

    Vierundzwanzigstes Kapitel Die Schlacht von Ulundi

    Fünfundzwanzigstes Kapitel König Tschetschwajos Gefangennahme

    Sechsundzwanzigstes Kapitel Von Pretoria nach Kimberley

    Siebenundzwanzigstes Kapitel Von Kimberley nach Bloemfontein

    Achtundzwanzigstes Kapitel Die Rekognoszierung

    Neunundzwanzigstes Kapitel Der Kampf bei Langes Nek

    Dreißigstes Kapitel Der Kampf bei Schains Hoogte

    Einunddreißigstes Kapitel Im feindlichen Lager

    Zweiunddreißigstes Kapitel Die Erstürmung des Majuba

    Schluß.

    Inhaltsübersicht.

    Inhaltsverzeichnis


    Erstes Kapitel

    In der Mordhöhle von Makapanspoort

    Inhaltsverzeichnis

    An einem Nachmittage des Monats Januar 1878 zog ein einzelner Reiter, neben dessen Pferd ein Knabe von etwa vierzehn Jahren einherschritt, durch das Thal des Nylflusses, welches die langgestreckten Höhenzüge der Waterberge im Lande Transvaal in Südafrika durchbricht.

    Die Strahlen der Sonne fielen in blendender Klarheit vom unbewölkten Himmel herab und erzeugten in dem engen Thale eine brennende Glut. Nur langsam bewegte der kleine Zug sich vorwärts, das Pferd ging einen müden Schritt, der Reiter hatte sein bärtiges Haupt auf die Brust gesenkt, und der Knabe, welcher mit einer Hand den Steigbügelriemen gefaßt hatte, blickte oft voll Besorgnis zu dem Gesicht des Mannes empor.

    Der Reiter war von gewaltigem Wuchse, breit von Brust und Schultern und mit langen Beinen. Er hatte ein kriegerisches Aussehen, obwohl keine Abzeichen militärischer Art seinen Anzug als den eines Soldaten kenntlich machten. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gebräunt, ein Hut mit sehr breitem Rande bedeckte sein Haupt, über der dunkelgrauen Bluse trug er einen Gurt von Büffelleder, an welchem ein Hirschfänger herabhing; über die eine Schulter gehängt war ein breiter Lederriemen, der der ganzen Länge nach mit metallenen Patronen besteckt war, und über der anderen Schulter trug er eine Büchse. Seine Füße steckten in hohen, bis zum Knie reichenden Stiefeln mit schweren Sporen.

    Gleich dem Reiter war auch das Pferd seinem Aussehen nach an die Beschwerden der Märsche, der Jagd und des Krieges gewöhnt. Es war ein schönes starkes Tier von brauner Farbe, an dessen Brust und Hals einige hellere Streifen im Haar die Narben empfangener Wunden, sei es von Kugeln oder den Wurfspießen der Schwarzen kennzeichneten. Seine feinen, nervigen Beine zeigten eine außerordentliche Muskelkraft an, sein schlanker Hals war mit einer langen, leichten Mähne geziert, seine Augen glänzten von Klugheit, sein Kopf war zierlich und gedrungen, sein langer Schweif peitschte die Flanken. Kleine runde Narben über den Sprunggelenken ließen erkennen, daß es die Krankheit der südafrikanischen Wildnis überstanden hatte und nun allen Strapazen jenes Landes gewachsen war. Es war ein gesalzenes Pferd, wie die europäischen Kolonisten sich dort ausdrücken.

    Welches aber der Grund davon war, daß das Tier so langsam ging und der Reiter sowohl wie der ihn begleitende Knabe so traurig aussahen, das war bei näherer Betrachtung leicht zu erkennen. Die linke Hand des Reiters hing bewegungslos an seiner Seite herab, und die Zügel lagen in der rechten. Dazu war diese gelähmte Hand mit einer Binde umwunden, welche von Blut gefärbt war, wie aus einer frischen Wunde. Außerdem aber war die Bluse auf der Brust mit dunkelroten Flecken reichlich bedeckt, und es war zu erkennen, daß auch hier, so nahe dem Sitze des Lebens, die Geschosse der Feinde bedrohlich gewirkt hatten. Auf diese Flecke und auf das Antlitz des verwundeten Mannes richteten sich die Blicke des besorgten Knaben an seiner Seite. Er hielt sich dicht am Pferde und war bereit, dem Vater eine Stütze zu sein, falls dieser etwa, vom Blutverlust geschwächt, nicht mehr imstande sein sollte, sich allein im Sattel zu halten. Er war ein kräftiger Knabe, dem Vater ähnlich an Gestalt. Unter seinem Hute hervor wallten blonde Locken bis auf den Kragen seiner Bluse herab und umrahmten ein frisches Gesicht mit hellen blauen Augen. Er war gleich dem Vater umgürtet und trug ein Waidmesser an der Hüfte, doch weiter keine Waffen. Ebenso trug er die hohen Stiefel, in welche die weiten Beinkleider hineingesteckt waren, doch keine Sporen.

    »Wir werden unsern Marsch nicht lange mehr fortsetzen können, ich fühle mich zu schwach, mein Junge,« sagte in holländischer Sprache der Vater. »Und wer weiß, ob diese schwarzen Teufel uns nicht doch überholen, wenn sie die Richtung entdecken, in der wir ihnen entwischt sind. Aber ich weiß ein Versteck hier in dieser Gegend, dort wollen wir uns verbergen. Es ist mir um dich zu thun, Pieter Maritz, mein guter Sohn, denn was mich betrifft, so fühle ich wohl, daß es mit mir zu Ende geht.«

    Indem der Reiter diese Worte mit schwacher Stimme sprach, lenkte er sein Pferd seitwärts nach dem Abhange des Berges zur Linken hin, in ein Dickicht. Das von der Sommerhitze verbrannte, lange, braune Gras, welches unter den Hufen des Pferdes und den Füßen des Knaben knisterte, hörte hier auf, und der Boden war mit frischen grünen Gewächsen bedeckt. Im Schatten hoher Agaven, deren gelbe Blumen hoch über dem Kopfe des Reiters leuchteten, hatte sich die Erde von dem letzten Gewitterguß feucht erhalten, und brennend rote Pelargonien, sowie die schirmförmigen, himmelblauen Blütenrispen der Kaplilie schimmerten zwischen dem Grün. Der Reiter richtete einen forschenden Blick auf die Gestalt der Felsen, deren rotbraune Flächen zwischen den Büschen hindurchschienen, und trieb das Pferd tiefer in das unwegsame Dickicht hinein. Kaktusbüsche von mannigfaltiger Gestalt, mit furchtbaren Stacheln bewaffnet, versperrten hier und dort den Weg und nötigten zu Umwegen, Schlingpflanzen zogen sich von Busch zu Busch und erschwerten das Vorwärtskommen. Endlich aber war die gesuchte Stelle erreicht. Eine mit grünem Moose überzogene Felswand zeigte sich dem Blicke. Hierher schien die Sonne nicht, denn sie richtete ihre Strahlen auf die andere Seite des Gebirges, und die Felswand lag im Schatten. Ein erfrischender Hauch ging von ihr aus, so daß das Pferd den Kopf erhob und mit den heißen Nüstern durstig schnupperte. Silberhelles Wasser rann in unzähligen Tropfen die Moosdecke hinab und bahnte sich einen Weg nach dem Thale hin.

    Der wunde Mann hielt das Pferd an und sah mit schwermütiger Miene rings um sich. Es war hier ganz still, nur das leise Rieseln des Wassers war vernehmbar, und aus der Ferne tönte von dem verlassenen Dickicht her der Ruf eines Pavians, der auf Wachtposten vor seiner Herde stehen und die Nähe des Menschen gewittert haben mochte.

    »Lange Jahre ist es her, daß ich zuletzt hier war,« sagte der Verwundete leise, »und ich hatte nicht gedacht, daß ich diesen Ort wiedersehen sollte.«

    Er ließ das Pferd wieder angehen und lenkte eine kurze Strecke weit längs der Felswand hin, bis sich in dieser eine Kluft eröffnete. In diese ritt er hinein, und der Knabe hielt sich dicht an seiner Seite. Auf beiden Seiten stiegen die Felsen schroff empor, und ihre Moosbekleidung ward von einem schräg und schmal hereinfallenden Sonnenblick wie mit Gold übergossen. Jetzt zeigte sich in der Kluft ein schmaler Einschnitt in der Wand zur Rechten, kaum breit genug, um Pferd und Reiter hindurchzulassen. Hier hinein ging der Weg. In der Dämmerung, die hier herrschte, ward es dem Knaben, der jetzt dem Pferde folgte, nicht leicht, die Gegenstände ringsum zu erkennen, doch schritt er dicht hinter dem Tiere weiter. Er bemerkte zur rechten Seite einen tiefen Schlund, der schwarz und unabsehbar, wie ein Brunnen, nur mit weit größerer Öffnung, sich hinabsenkte, zur linken Seite dagegen eröffnete sich gleich darauf eine breite mächtige Halle. Auch hier herrschte ein dämmerndes Licht, welches vom Himmel herab durch irgend welche Spalten oder Löcher hereinfallen mußte, und nur undeutlich zeichneten sich an der hohen Wölbung lange spitze Zacken von Tropfstein ab, welche wie Zieraten herabhingen. Von der Halle aus ging es in eine schräg abfallende Höhle, die mit Schutt und Geröll bedeckt war, und an deren Ende führte ein schmaler Eingang in eine zweite hochgewölbte natürliche Halle. Hier war der Boden mit Wasser bedeckt, welches dem Knaben anfänglich bis über die Knöchel reichte. Das Wasser wurde tiefer, je weiter die Flüchtigen in den Berg hinein vordrangen, und es ging dem Pferde bis über die Kniee, als der Reiter zur Seite und aufwärts lenkte, um eine neue Höhle zu erreichen, welche höher lag. Diese bildete einen weiten Saal von etwa dreißig Fuß Höhe, und man blickte von hier aus in eine lange Reihe von anderen ähnlichen Gewölben, deren Ende nicht abzusehen war. Es schien dem Knaben, als befinde er sich in einem unterirdischen Palaste, von dem er wohl die Großmutter in ihren Märchen hatte erzählen hören, und voll Staunen blickte er in den dämmerigen Räumen umher. Ein sonderbares Glitzern und Flimmern, wie von vielen geschliffenen Glasflächen, erfüllte diese unter der Oberfläche des Berges befindlichen Säle und war in der Ferne noch heller als an dem Orte, wo sein Vater jetzt das Pferd anhielt. Doch nicht ohne Schaudern gewahrte der Knabe eine Menge von Gegenständen, die den Boden bedeckten. Es waren gebleichte Knochen in großer Zahl. Hier starrte der Schädel eines Menschen mit leeren Augenhöhlen empor, und daneben lagen lange weiße Arm- und Beinröhren, deren Fleisch, und Blut vor vielen Jahren schon dahingeschwunden war. Dort lag ein ganzer Haufen von Knochen wirr durcheinander. Auch Schädel von Ochsen, an deren Stirn die langen, gewundenen spitzigen Hörner emporragten, lagen zwischen den Gebeinen der Menschen umher. Neben den Gerippen aber waren es noch andere Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit des Knaben erregten. Da lagen zerbrochene Wurfspieße und Streitäxte, Bogen und Pfeile, dazu geflochtene Matten, Thonkrüge, Trinkflaschen der Kaffern, Tabaksdosen, allerhand Schmuckstücke, wie Halsketten von Tigerzähnen und kupferne Armringe, auch Mäntel von Fell und sonstige Gegenstände, welche von den afrikanischen Stämmen getragen werden. Das lag alles in wüster Unordnung durcheinander und machte auf den Knaben einen schauerlichen Eindruck. Denn diese unterirdischen Höhlen erschienen ihm wie die Grabstätte eines ganzen Volkes, und der Schimmer der Tropfsteingebilde an der Decke machte den Greuel am Boden nur noch deutlicher.

    Auch auf den Vater selbst wirkte dieser Ort mit der Gewalt von etwas Unheimlichem, und als der Sohn ihm fragend ins Gesicht sah, schüttelte er den Kopf und wies nach einer Ecke der Höhle hin, wo sich eine kleinere Abteilung, einer Nische gleich, befand und wo dichtes Moos die Erde bedeckte, aber keine jener schrecklichen Überbleibsel lagen.

    Mühsam stieg er alsdann, von dem Knaben gestützt, vom Pferde und ging wankenden Schrittes, auf dessen Schulter gelehnt, nach der bezeichneten Nische, die wie mit grünem Teppich bekleidet war. Dort breitete Pieter Maritz den Mantel, welchen er vom Rücken des Pferdes genommen hatte, auf dem Boden aus, nahm dem Vater die Büchse und den Patronengurt ab und half ihm sich niederzulegen. Stöhnend sank der gewaltige Mann hin und flüsterte mit trockenen, fieberheißen Lippen: »Wasser.«

    Pieter Maritz blickte sich um und sah, daß das Pferd, welches sich selbst überlassen geblieben war, seinem Instinkt folgend, dem Geruche frischen Wassers nachgegangen war und am andern Ende der Höhle mit niedergebeugtem Kopfe trank. Er ergriff eine der am Boden liegenden Trinkflaschen und ging eben dorthin, wo ein Quell aus dem Felsen hervorrieselte und ein schmales Bächlein bildete, das abwärts nach jener Höhle lief, durch welche sie gekommen waren. Hier spülte er die Trinkflasche sorgfältig rein, füllte sie und brachte den Trank seinem nach Labung lechzenden Vater. Dieser trank mit begierigen Zügen und sank dann mit einem Seufzer der Erleichterung auf sein Lager zurück. Der Knabe kniete neben ihm nieder und betrachtete traurig sein bleiches Gesicht.

    »Wir sind hier sicher vor Verfolgung,« hub der Verwundete nach einer Weile an. »Kein Kaffer wird sich hierher wagen, denn sie fürchten sich vor den Toten. Ein furchtbarer Kampf war hier vor mehr als zwanzig Jahren. Ich war mit dabei. Hier in dieser Höhle hatten sich Tausende von Schwarzen eingeschlossen, um sich gegen uns zu verteidigen, aber wir häuften Strauchwerk vor den Eingängen auf und zündeten es an, so daß sie alle im Rauche erstickten.«

    »Wir haben dieses Land mühsam erobern müssen,« setzte er nach einer Pause hinzu, als der Knabe ihn mit dem Ausdruck des Entsetzens anblickte. »Entweder unser Blut mußte fließen oder das unserer Feinde. Doch laß mich noch einmal trinken, ich fühle ein Brennen in meinem Blute, und ich fürchte, der Pfeil, der meine Hand traf, ist vergiftet gewesen.«

    Der Knabe reichte ihm von neuem die Trinkflasche, er leerte sie vollständig und schloß dann die Augen, um zu schlafen. Der Knabe aber stand auf und ging zu dem Pferde. Er nahm ihm den Sattel ab und streifte ihm den Zaum über den Kopf, legte beides zur Seite nieder und ließ dem Tiere völlige Freiheit. Es rieb, ihm gleichsam dankend, seinen Kopf an des Knaben Schulter, schüttelte sich und ging dann, nach Futter suchend, zur Höhle hinaus.

    Als der Knabe wieder zu seinem Vater zurückkehrte, fand er ihn noch mit geschlossenen Augen daliegend, aber sein Atem war unregelmäßig und seine Hände und Arme zuckten unruhig. Der Knabe sah diese Anzeichen des Fiebers mit tiefer Besorgnis. Er preßte die Hände auf die Brust und murmelte leise eine Bitte zu Gott, dem Vater in dieser Not beizustehen. Der Mann mußte die Nähe seines Sohnes spüren, er öffnete die Augen, dann bewegte er den Kopf, richtete sich auf und blickte den Sohn an.

    »Es geht schnell zu Ende,« sagte er. »Grüße deine Mutter und Geschwister, ich werde sie nicht wiedersehen. Bleibe ein frommer Junge und behalte dein Vaterland lieb. Sei immer treu und wahrhaft und tapfer, Pieter Maritz, und bedenke, daß deine Väter dieses Land mit ihrem Leben erkauft haben.«

    Er schwieg, da ihm die Kraft zum ferneren Sprechen ausging, und trank noch einmal aus der Flasche, die Pieter Maritz von neuem mit Wasser gefüllt hatte.

    »Wir haben nur einen Feind,« sagte er dann, während in seinen Augen ein zorniges Licht aufblitzte. »Dieser Feind ist England. Hätten die treulosen Engländer nicht die elenden Kaffern ermutigt, so hätten diese nie gewagt, sich gegen uns aufzulehnen. Es ist die Hand der Engländer, die deinen Vater getötet hat, Pieter Maritz, das vergiß nicht.«

    »Ich werde es nicht vergessen,« sagte der Sohn, dem Vater mit festem Blick ins Gesicht sehend.

    Der sterbende Mann heftete seine Augen lange auf des Knaben offenes und ehrliches Gesicht, und der tröstliche Gedanke, daß er einen Sohn von männlichem Sinne zurücklasse, goß Balsam in seine Seele. Er legte von neuem den Kopf auf das Lager zurück und sprach mit flüsternden Lippen ein Gebet.

    Der Knabe, welcher neben ihm kniete, faltete die Hände, und ein Gefühl des tiefsten Schmerzes durchdrang seine Brust. Er sah, daß das Ende des geliebten Vaters schnell herannahte. Noch eine halbe Stunde wohl bewegte die Brust des tödlich Verwundeten sich auf und nieder und verkündigte, daß das Leben noch nicht entflohen war. Diese Zeit erschien dem Sohne wie eine unermeßliche Reihe voll trauriger Bilder. Er sah sich noch als Kind, umgeben von der Sorgfalt des nun Dahinscheidenden, er sah sich heranwachsend und von dem Vater den Gebrauch des Gewehrs und der Zügel lernend. Diese kraftvollen Hände sollten nun erlahmen, diese starke Gestalt, zu der er sein Lebenlang voll Ehrfurcht aufgeblickt, sollte dahinschwinden. Jetzt richtete sich der Blick des Vaters noch einmal voll Liebe auf den Sohn, ein Schauer durchlief den Körper, ein Zucken bewegte alle Glieder, und es war alles vorbei.

    Pieter Maritz brach in ein stilles Weinen aus, welches seine Brust krampfhaft erschütterte. Er drückte dem Vater die Augen zu und blieb noch lange auf den Knieen neben ihm.

    »O Vater, Vater!« rief er einmal über das andere. »O lieber Vater, bist du dahingeschieden und hast mich zurückgelassen? Hätte mich doch die Wunde getroffen! Hätte ich doch für dich sterben dürfen! Nun ist die Mutter verlassen, nun sind wir Kinder verwaist!« Er warf sich über die Brust des Toten, als könnte seine Umarmung das entflohene Leben zurückrufen, er preßte seinen Mund auf die bleichen Lippen und schluchzte voll Jammer.

    Endlich, als der Körper des Toten erkaltete und als der Gedanke, daß der geliebte Vater wirklich aus dem Leben geschieden sei, ihm völlig klar geworden war, stand er auf und dachte an sein eigenes Schicksal. Doch nur zögernd vermochte er sich von dem toten Körper loszureißen. Der Gedanke, ihn zu verlassen, ihm kein christliches Begräbnis geben zu können, war ihm furchtbar. Noch einmal warf er sich in inbrünstigem Gebet neben der Leiche auf die Kniee, dann erhob er sich und ging mit schwerem Herzen. Er beschloß, zu den Seinigen zurückzukehren. Aber wie sollte er sie finden? Die Gemeinde der Buern, zu welcher er gehörte, war von ihrem Standorte aufgebrochen, weil ein benachbarter Betschuanenstamm sich in feindlicher Absicht in ihrer Nähe gezeigt hatte. Es war zu Kämpfen gekommen, die sich in Angriff und Verfolgung über weite Strecken Landes hingezogen hatten. Wo mochte jetzt die Gemeinde sein?

    Der Knabe ging bis zum Ausgang der Höhle, und da er das Pferd nicht sah, setzte er die Hand an den Mund und ließ einen gellenden Pfiff von besonderer Art ertönen. Es währte nicht lange, da hörte er den Schritt des treuen Tieres, welches sich gehorsam näherte. Er streichelte es, umarmte seinen schlanken Hals und benetzte die seidenweiche Mähne mit Thränen. Es war ihm, als umarme er einen Freund, der seine einzige Stütze in großer Not sei. »Du und ich, alter Jager, wir sind jetzt allein,« sagte er, ihm die Nüstern liebkosend. Dann legte er ihm den Zaum an und schnallte ihm den Sattel auf den Rücken, verkürzte die Steigbügelriemen, so daß sie für ihn passend wurden, hing die schwere Büchse und den breiten Patronenriemen über die Schultern und stieg auf das Tier. Er war breitschulterig und stark gebaut, nach der Art seines Vaters, und wenn ihn auch dessen Ausrüstung belastete, so war ihm doch der Druck nicht zu schwer. Er warf noch einen Blick zurück, einen Blick, dessen Erinnerung sich für immer seinem Gemüte einprägte, und ritt dann den Weg zurück, den er gekommen war.

    Als er den letzten Ausgang der Höhle erreicht hatte und aus der Spalte hervorkam, welche ein schmales Eingangsthor in dem moosüberkleideten Felsen bildete, sah er, daß die Sonne schon tief am Horizonte stand und daß der Einbruch der Nacht in etwa einer Stunde zu erwarten war. Es galt also, die Zeit zu benutzen, um noch vor der Dunkelheit ein tüchtiges Stück Weges zurückzulegen. Er lenkte sein Pferd nach rechts, um denselben Pfad durch das Dickicht zurückzureiten, welcher ihn hierher geführt hatte, aber das Tier widersetzte sich und zeigte eine beharrliche Neigung, nach links zu gehen. Weder Zurufe noch Zügeldruck wirkten, es stemmte zuerst seine Vorderfüße fest in den Boden und fing dann an, auf den Hinterbeinen in die Höhe zu steigen.

    »Nun gut,« sagte sich Pieter Maritz, »vielleicht weißt du besser als ich, welches der richtige Weg ist.«

    Er legte dem Tier die Zügel auf den Hals, und alsbald wandte es sich links und ging in schnellem, munterem Schritt vorwärts. Ruhe, Wasser und Futter hatten es neu gekräftigt. Zufrieden sah der Knabe, daß Jager mit großem Geschick, als sei er in dieser Wildnis zu Hause, die stachlichten Büsche der Kaktus und der Giraffen-Akazie umging und seinen Weg durch die an manchen Stellen undurchdringliche Waldung fand. So ging es eine Strecke weiter, und dann öffnete sich ein Felsenthal, wo im Grunde ein halbvertrocknetes Bächlein rieselte und allerhand wunderlich gebildete mächtige Steine den Weg von beiden Seiten einfaßten. In Zickzack-Windungen ging es zwischen Büschen und Felsen immer weiter, oft stiegen hohe spitze Felsen wie Türme düster empor, und das tiefe Schweigen dieses Thales ward nur durch das Grunzen einzelner Paviane unterbrochen, welche den Reiter in der Ferne begleiteten und mit großen Sätzen von Stein zu Stein sprangen. Aber nach und nach wurden dieser Tiere mehr, und als Jager unruhig schnob, fingen sie an zu schnattern, die Zähne zu fletschen und laut zu rufen, so daß ihrer Hunderte von allen Seiten zusammenliefen. Sie kamen oft nahe an Pieter Maritz heran, grinsten ihn an, streckten ihre Mäuler vor, zogen die Stirnhaut empor und schienen Lust zu einem Angriff zu haben. Pieter Maritz nahm die Büchse von der Schulter und drohte ihnen, indem er ihnen die Mündung zeigte. Es war ein ausgezeichnetes Gewehr, ein Martini-Henry, dessen Magazin ihn in den Stand setzte, zwölf Schüsse hintereinander abzugeben, ohne neu zu laden. Aber er hütete sich wohl zu schießen, da er die Natur dieser Affen kannte. Hätte er einen von ihnen verwundet, so würden sie ihn in Stücke gerissen haben, ehe er den zweiten Schuß hätte abfeuern können. So begnügte er sich damit ihnen zu drohen, und sie schienen das zu verstehen und griffen nicht an, obwohl einzelne so nahe kamen, daß sie seinen Hut streiften, als er an einem überhängenden Felsen vorüberritt, auf dem sie hockten.

    Doch jetzt kam Befreiung aus dieser Not. Das enge Thal öffnete sich plötzlich, eine weite Ebene dehnte sich dort aus, und die häßlichen Affen scharten sich am Ausgange zu einer schnatternden lärmenden Versammlung, als ob sie einen Rat hielten, was sie thun sollten. Pieter Maritz hatte wohl Lust, dem größten unter ihnen, einem wild aussehenden Burschen, der ihn zähnefletschend von einem Stein herab ansah, zum Abschied eins auf den Pelz zu brennen, und zweimal war sein Zeigefinger schon im Begriff, an den Drücker zu rühren, aber er sagte sich: Ich bin davongekommen, ich will dankbar sein. Er zog den Kolben von der Backe herunter, warf das Gewehr über den Rücken und ergriff die Zügel, als Jager jetzt aus dem Thal ins Freie trat und alsbald in eine schnellere Gangart fiel.

    Auch dem Pferde war angst gewesen. Der Schweiß lief ihm vom Körper herab, obwohl es der vielen Steine und verschlungenen Wurzeln wegen hatte im Schritt gehen müssen. Sobald es jetzt auf die freie Ebene kam, schnob es tief und kräftig, hob den Kopf und setzte sich in den schnellsten Galopp. Pieter Maritz drückte den Hut fester auf den Kopf, beugte sich vor und ließ Jager laufen, wie er laufen wollte. Das Tier bewahrte die Schnelligkeit, durch die es berühmt war und die ihm den Namen Jager verschafft hatte, da es auf der Jagd das Wild von fern witterte, ehe noch der Reiter es erblicken konnte, und selbst die Antilope und den Strauß überholte. Wie die Windsbraut fegte Jager mit seiner leichten Last über die Ebene dahin.

    Aber die Sonne neigte sich zum Untergange. Ihre schrägen Strahlen übergossen das Land mit rotgoldenem Lichte und ließen das Heidekraut, über welches die Hufe des Rosses dahineilten, weithin, soweit das Auge blickte, wie einen roten Teppich erscheinen. Der Schatten von Roß und Reiter war riesengroß angewachsen und begleitete den eiligen Ritt gleich einer am Boden hinfliegenden sonderbar gestalteten Wolke. Jetzt sank die Sonne unter den Horizont, und mit einem Schlage verbreitete sich völlige Finsternis über Himmel und Erde. Pieter Maritz spähte sorgenvoll umher. Was sollte er beginnen? Sollte er das Pferd anhalten und auf freier Ebene die Nacht verbringen? Aber schon hörte er in der Ferne den Ruf der Schakale und Hyänen, welche ihre Schlupfwinkel verließen, um ihrer Beute nachzugehen. Sollte er versuchen, beim Schein der jetzt am Himmel hell aufleuchtenden Sterne ein Gebüsch zu erreichen, wo er hoffen durfte, ein Feuer anzünden zu können, um die Raubtiere während der Nacht fern zu halten? Aber er fürchtete, durch den Schein des Feuers etwa umherstreifende Kaffern herbeizulocken, die ihm, dem einzelnen Knaben, gefährlich werden konnten. Er beschloß nichts zu thun, sondern im Sattel zu bleiben und sich ganz der Führung des Pferdes zu überlassen. Jager war mit Einbruch der Dunkelheit in Schritt verfallen und verschnaufte von dem meilenweiten schnellen Lauf. Er ging vorsichtig weiter und spitzte die Ohren. Der Knabe zog ein Stück getrocknetes Antilopenfleisch aus der Tasche und aß. Er hatte seit dem Morgen nichts genossen, und nur die Aufregung des ereignisreichen Tages hatte seinen Hunger betäubt. Jetzt aß er mit gierigem Appetit das ganze Fleisch, welches er bei sich trug, und trank dazu von dem Wasser, das er vorsichtigerweise in der Trinkflasche aus der Höhle mitgenommen hatte.

    Währenddessen erhellte sich die Nacht immer mehr, die Sterne funkelten mit Brillantlicht, und die Mondsichel erschien in reiner silberner Klarheit über der schwarzen runden Linie, die im Osten die Erde vom Himmel abschnitt. Aber während das Licht dem Geiste des Knaben Beruhigung einflößte, wurde er zugleich auch darauf aufmerksam, daß die Wüste lebendiger wurde. Das entfernte Heulen und lachende Bellen der Hyänen und Schakale, welches ein seinem Ohre wohlbekannter Ton war, verstärkte sich und schien näher zu kommen. Auch Jager mußte diese unheimlichen Laute vernommen und verstanden haben. Er schnob kräftiger, und sein Gang ward unruhig. Er stutzte zu Zeiten und schnupperte, als wollte er die Luft nach Anzeichen von Gefahr durchforschen, und setzte sich dann mit hoch emporgehobenen Füßen wieder in Bewegung.

    Mit einem Male erscholl ein neuer Ton über die Wildnis dahin, welcher für kurze Zeit alle übrigen verstummen machte. Er klang aus weiter Ferne und war nicht laut, aber es war eine erschütternde Kraft in der Art und Weise seines Klanges. Es war wie ein Donner aus einer fernen Wolke, ein langhin hallender tiefer Klang. Jager stemmte im Schrecken seine vier Füße fest gegen den Boden und bog sich zusammen. Pieter Maritz fühlte, wie des Pferdes Flanken zitterten. Es hatte die Stimme des Löwen erkannt. Dann sprang es mit einem ungeheuren Satze vorwärts, so daß der Knabe seiner ganzen Reitkunst bedurfte, um sich im Sattel zu erhalten, und flog in erneutem Galopp über den Boden hin. Seine Müdigkeit schien völlig verschwunden zu sein, die Angst gab ihm Flügel, und schneller noch als vorhin jagten seine Hufe über das Heidekraut. Noch einmal und ein drittes Mal erklang nach langen Pausen der fürchterliche Ton, welcher die Stimmen der schwächeren Raubtiere zum Schweigen brachte, und das Brüllen schien näher zu kommen. Kein Spornstreich hätte Jagers Eile so beschleunigen können. Pieter Maritz ließ ihm die Zügel und überließ sich völlig dem Instinkt des edlen Tieres. Er bemerkte, daß es eine bestimmte Richtung festhielt und selbst in seiner Angst nicht von ihr abirrte. Pfeilgerade lief es nach Südosten, wie der Knabe an dem Stande der Sonne gemerkt hatte und jetzt an der Stellung der Sternbilder sah. So wurde Meile nach Meile zurückgelegt, die Nachtluft pfiff durch des Knaben Locken und ließ die weiche Mähne und den langen Schweif des Rosses nach rückwärts flattern. Sollte es immerfort, ohne das Ziel zu erreichen, so weitergehen, bis Erschöpfung dem Rennen ein Ende machte?

    Da wurde der Knabe auf einen Schimmer aufmerksam, der gerade vor ihm mit mattem, rötlichem Schein den Himmel färbte. Der Schimmer war nahe über der Erde und verlor sich nach oben in einem weißlichen Streifen, gleich einer leichten Wolke. Er ward immer deutlicher, je weiter der Ritt ging, und frohe Hoffnung ließ des Knaben Herz lebhafter pochen. Er erkannte, daß der rote Schein nur von einem großen Feuer ausgehen konnte, und wo das Feuer war, da mußten auch Menschen sein. Seine Hoffnung täuschte ihn nicht. Bald sah er deutlich die roten Flammen mehrerer Lagerfeuer und den Qualm und Rauch brennender Rhenosterbüsche gen Himmel steigen.

    Er jauchzte vor Freude, als er näher kam. Das treue kluge Tier hatte ihn zu den Seinigen zurückgetragen. In einem großen Kreise standen wohl zwanzig riesige Wagen mit hell schimmernden runden Verdecken, zahllose langhörnige Ochsen waren teils an diesen Wagen festgebunden und teils in einem von Stricken umzäunten Pferch versammelt. Mehrere Feuer inmitten der Wagenburg loderten empor, und ihr rotes Licht, welches bald hell flammte und bald einen düstern Schein aus erstickendem Rauch warf, erhellte den ganzen Umkreis.

    Pieter Maritz drängte sein Pferd zwischen dem Vieh hindurch in den Kreis der Wagen und sah an dem größten der Feuer eine zahlreiche Versammlung von Buern, Männer und Frauen, darunter auch seine eigene Familie lautlos versammelt. Sie hörten der Abendandacht zu, welche ein stattlicher Mann mit unbedecktem, weißem Haupte und langem, weißem Bart hielt. Pieter Maritz kannte diesen Mann nicht, hörte aber an seiner Aussprache des Holländischen, daß es ein Deutscher sein müsse. Als Kanzel diente dem Prediger der Vorderkasten einer der großen Wagen, so daß er über der schweigenden und andächtigen Gemeinde stand. Sein ehrwürdiges Antlitz war vom Feuerschein hell beleuchtet. Er sprach über die Verwüstung, die der letzte Kampf angerichtet habe, und tröstete seine Zuhörer über ihre Verluste. Zuletzt stimmte er mit starker Stimme und dem Ausdruck unerschütterlicher Zuversicht eine Hymne an und sang:

    Für eine Zeitlang wohl mag Satan siegen,

    Sein finstres Reich hält er für sicher dann,

    Gerechter Männer Bitten unterliegen,

    Des Himmels frohe Botschaft langt nicht an.

    Doch harr' im Glauben aus, bald wird ersprießen

    Das Samenkorn, das zu ersticken schien,

    Von Zions Höhen wird ein Regen fließen

    und fruchtbar durch das Land der Dürre ziehn.

    Dann lacht die Flur und wird mit Grün sich schmücken

    Jehovahs Preis das bange Herz beglücken.

    Zweites Kapitel

    Die Gesandten des Zulukönigs

    Inhaltsverzeichnis

    Als sich nach der Beendigung des nächtlichen Gottesdienstes unter den Familien der hier versammelten Buern die Nachricht verbreitete, daß Pieter Maritz allein zurückgekehrt war und seinen Vater verloren hatte, da erhob sich allgemeines Klagen. Es war ein schlimmer Tag gewesen. Außer Andries Buurman, der in der Höhle von Makapanspoort sein Leben ausgehaucht hatte, war noch ein anderer tapferer Mann im Kampfe tot geblieben, und drei Buern lagen an ihren Wunden danieder. Klaas Buurman, der Bruder des Andries und Oheim des Knaben Pieter Maritz, ließ sich von seinem Neffen erzählen, was geschehen war, und führte ihn dann zu einem der großen Wagen, wo die Familie des Verstorbenen wohnte. Hier lagen des Knaben jüngere Geschwister, eine stattliche Schar von fünf Knaben und drei Mädchen, in sanftem Schlummer unter der schirmenden, hochgewölbten Decke, neben dem Wagen aber war eine Frau von starkem Wuchse eifrig beschäftigt, für die Zugochsen zu sorgen. Zwei Schwarze in wollenen Hemden mit nackten Armen und Beinen gingen ihr dabei gehorsam zur Hand, schütteten den Tieren Heu vor, gaben ihnen Wasser und wuschen ihnen die vom Joche wund gedrückten starken Nacken. So erfüllte die wackere Gattin außer den Pflichten der Mutter auch die des Hausherrn.

    Als sie ihren ältesten Sohn mit den Waffen und dem Pferde des Vaters in Begleitung des Klaas langsam und mit bekümmerter Miene herankommen sah, ging sie ihnen festen Schrittes entgegen, strich das lange goldblonde Haar vom Gesichte zurück und blickte ihren Sohn fragend an. Sie hörte die traurige Botschaft, und die Thränen rannen ihr langsam und schwer über die Wangen herab. Währenddessen drängten sich die schwarzen Dienstboten heran, indem sie die Ochsen und den Wagen verließen, wechselten Blicke untereinander und murmelten: »Der Baas ist tot, der Baas ist tot.«

    »Elisabeth, dein Mann ist tot,« sagte Klaas Buurman, indem er der bekümmerten Frau seine breite Hand auf die Schulter legte, »aber vergiß nicht, daß ich sein Bruder bin. Ich will auch dein Bruder sein.«

    Die Frau drückte ihm die Hand, und dann umarmte sie ihren Knaben und weinte an seinem Halse. Endlich richtete sie sich auf, wischte die Thränen ab und sagte: »Pieter Maritz, das Pferd ist müde.«

    Der Knabe führte das Tier zur Seite und versorgte es, die Frau schickte die Schwarzen an die Arbeit zurück und legte selbst mit Hand an, Klaas aber wandte sich zu seinem eigenen Wagen.

    Pieter Maritz hatte sich einen Haufen von Büschen neben dem Lager zurecht gelegt, das er für Jager aus Stroh und Blättern bereitet hatte, und streckte sich neben dem Pferde aus. Er sah noch eine kurze Weile die Sterne über seinem Kopfe schimmern, dann aber schlief er ein und wachte nicht eher auf, als bis der Himmel wieder hell geworden war. Er hörte ein Gewirr von Stimmen und drohende Worte, und als er sich aufrichtete, sah er, daß in einiger Entfernung schwarze Diener des Buernlagers zwei andere Schwarze gleichsam als Gefangene mit sich führten. Er konnte diese beiden Gefangenen leicht schon an ihrem Äußern als Fremde erkennen. Denn die Diener der Buern gingen zwar mit nackten Beinen, aber trugen blaue, rote oder schmutzig weiße Wollenhemden, die beiden Männer in ihrer Mitte aber waren völlig nackt, bis auf einen schmalen Lendengurt. Pieter Maritz sprang von seinem Lager auf und näherte sich neugierig der Gruppe. Er sah nun noch deutlicher, daß die beiden Gefangenen von einem fremden Stamme sein mußten. Sie waren dunkelfarbig, von hohem, schlankem Wuchs und stolzem Aussehen. Ihr Haar war sehr künstlich in krause Löckchen zusammengedreht und mit steifem Fett fest gehalten, ihr Körper war weniger dick mit Öl und Butter eingerieben, als er es sonst bei den Kaffern gesehen hatte, und ihr Benehmen war von einer gewissen Würde, so daß der Knabe dachte, es müßten vornehme Leute unter ihrem Volke sein. Er begleitete den lärmenden Haufen bis zum Mittelpunkte des Lagers, welches jetzt mit dem Anbruch des Tages zu erwachen anfing, und sah, daß sich mehrere ältere Buern versammelt hatten und, auf ihre Büchsen gestützt, das Herankommen der Schwarzen erwarteten.

    Mit vielem Geschrei und offenbar im Gefühle der eigenen großen Wichtigkeit berichteten die schwarzen Diener, daß sie diese beiden Fremden in der Nähe des Wagens des Missionars entdeckt hätten und daß es sicherlich Spione seien. Hierauf richtete der älteste unter den anwesenden Buern einige Fragen an die Fremden, aber diese antworteten nicht, verstanden augenscheinlich die holländische Sprache nicht und zeigten nur mit den Händen nach dem Wagen des Missionars, wobei sie durch Gebärden zu zeigen suchten, daß sie zu ihm gehörten.

    Aber die Buern sahen dem mit finsterm Gesichte zu, und der älteste unter ihnen, ein Mann mit langem, graugemischtem Barte, sprach nach einer Pause in ruhigem Tone: »Diese beiden fremden Spitzbuben sind sicherlich nicht in guter Absicht hierher gekommen, und da sie nicht sagen können, wer sie sind, so ist es wohl das Einfachste, wenn wir sie tot schießen.«

    Er blickte nach diesen Worten seine Genossen fragend an, und sie nickten ihm zu, um ihm auszudrücken, daß er mit seiner Ansicht auf ihren völligen Beifall rechnen könne.

    Hiermit schien der Urteilsspruch besiegelt zu sein, und zwei von den Buern warfen ihre Büchsen über den Rücken und gaben den Dienern einen Wink, die Gefangenen hinaus aufs freie Feld zu führen. Die Diener aber nahmen diesen Wink mit Freude auf, stießen ein Triumphgeheul aus und begannen die Verurteilten hinwegzuzerren.

    Pieter Maritz konnte dieser Scene nicht ohne das Gefühl des Mitleids für die Fremden zusehen. Er beobachtete die stolze Haltung, welche die schönen, schlanken und geschmeidigen Gestalten auszeichnete, und empfand in seinem Herzen die Neigung, ihnen beizustehen. Doch wagte er nicht, dem ehrwürdigen Ältesten der Gemeinde gegenüber den Mund aufzuthun, und er sah nur traurig zu, wie diese Leute, welche sich nicht verständlich machen konnten, von den Fäusten ihrer gemeineren Landsleute gepackt wurden. Aber nun schien der ältere von den beiden Verurteilten, indem er begriff, daß es sich um Leben und Tod handelte, einen neuen Entschluß gefaßt zu haben. Er stieß die Männer, die ihn hielten, mit einer kraftvollen Bewegung seiner nervigen Arme zurück und richtete dann an den Graubart in englischer Sprache einige Worte, aus denen zu verstehen war, daß er und sein Gefährte unter dem Schutze des Missionars ständen und Gesandte des Zulukönigs seien. Er redete das Englische sehr unvollkommen und mit einer schnalzenden Aussprache, doch war der Sinn seiner Worte klar, und das Wort Zulu traf alle, die es hörten, wie ein Schlag.

    »Zulu!« riefen die Schwarzen voll Verwunderung und mit einer Art von Schrecken. »Zulu!« sagte der Älteste der Buern mit düsterer Miene. »Es sind Zulus, und sie sprechen die Sprache unserer Feinde,« setzte er dann mit heftigem Tone hinzu, »wir wollen sie niederschießen, ehe sie ferneres Unheil anrichten können. Haltet sie fest, Leute, daß sie euch nicht entkommen, und führt sie vor das Lager hinaus.«

    Die Diener griffen von neuem zu, Pieter Maritz aber, von einem unüberwindlichen Mitleid getrieben, lief, so schnell er konnte, davon, um den deutschen Missionar zu benachrichtigen; denn er dachte, daß dieser vielleicht ein rettendes Wort für die armen Leute einlegen könnte. Er war in wenig Augenblicken bei dem Wagen angelangt, schwang sich hinauf, schlug das Verdeck vorn auseinander und sah den Greis in tiefem Schlafe liegen. Er trat an ihn heran und legte die Hand auf seinen Arm. Sofort schlug der Missionar die Augen auf, richtete sich empor und wandte seinen milden Blick auf des Knaben erregtes Gesicht. In kurzen Worten teilte ihm dieser den Vorfall mit, und der Missionar, der die Nacht angekleidet verbracht hatte, stieg alsbald vom Wagen herab und begab sich unter des Knaben Führung dorthin, wo die Gefangenen und ihre Richter waren. Man hatte die beiden Zulus bereits aus dem Ringe der Wagenburg hinausgeführt, und die Buern, ihre Büchsen im Arme, folgten den vorangehenden Schwarzen. Jetzt machten alle Halt, die Diener traten von den Gefangenen zurück, und diese kreuzten die Arme über der Brust und sahen unbewegten Blickes auf die harten, strengen Gesichter der weißen Männer, welche ihre Gewehre schußbereit machten. Sie waren nicht gefesselt, aber sie machten keinen Versuch, zu entfliehen, da sie wohl dachten, daß sie der verfolgenden Kugel doch nicht entgehen könnten, oder auch wohl den trotzigen Sinn und die Todesverachtung ihres Stammes den Weißen gegenüber bewähren wollten.

    In diesem Augenblick war der Missionar bis auf kurze Entfernung herangekommen, und nun streckte er seine Arme gegen die Buern aus und rief laut: »Haltet ein, haltet ein, vergießt nicht das Blut dieser unschuldigen Leute! Im Namen Gottes haltet ein!«

    Der Anblick des ehrwürdigen Mannes, dessen unbedecktes weißes Haupt im Glanz der Morgensonne zu leuchten schien, machte tiefen Eindruck auf alle Versammelten, und der Ton seiner Stimme erschütterte ihre Herzen. Die Buern setzten die Kolben ihrer Büchsen auf den Boden nieder, und die Gefangenen sahen mit hellen, freudigen Augen auf ihren Beschützer. Baas van der Goot aber, der Älteste, sagte mit unzufriedener Stimme zu dem nun herantretenden Missionar: »Warum wollt Ihr uns hindern, diese Taugenichtse aus der Welt zu schaffen? Die Schepsels« — bei diesen Worten zeigte er auf die schwarzen Diener — »haben sie bei unseren Wagen herumschleichend gefunden, und sicherlich führen sie nichts Gutes im Schilde.«

    »Ich beschwöre Euch, Baas, laßt diese Leute in Frieden,« entgegnete der Missionar. »Sie sind Abgesandte Tschetschwajos, des mächtigen Zulukönigs, und sie haben friedliche Absichten. Sie sind ausgesandt, um sich nach dem Christentum zu erkundigen, und ich erkenne die Liebe Jesu Christi darin, daß er das Herz des wilden Tschetschwajo gelenkt hat.«

    Der Baas schüttelte den Kopf, nahm die kurze Thonpfeife aus dem Munde, strich den grauen Bart und sagte mit grimmigem Lächeln: »Tschetschwajo wird sich wenig um das Christentum bekümmern, alter Freund, es ist ihm um Raub und Mord zu thun, und diese Leute sind seine Spione. Auch hat er Missionare in seinem eigenen Lande, bei denen er genug über das Christentum erfahren kann, wenn er sich wirklich um dergleichen kümmerte. Aber es ist das alles ganz gleichgültig. Entweder sind diese beiden Männer Spione, und dann müssen sie tot geschossen werden, oder sie sind es nicht, und dann gebietet die Vorsicht, sie tot zu schießen, ehe sie es werden können. Denn es ist besser, diese Pfefferköpfe sterben, als daß Menschenblut vergossen wird.«

    »O, ich bitte Euch, hört auf das Wort eines Mannes, der ein halbes Jahrhundert lang in diesem Lande dem Evangelium diente,« sagte der Missionar. »Sind denn die Schwarzen keine Menschen? Ihr seid nun in böser Stimmung, weil Ihr mit den Schwarzen erst gestern habt kämpfen müssen. Aber auch ich könnte in böser Stimmung sein, denn sie haben mir das Haus niedergebrannt, darin ich zehn Jahre lang ein Lehrer der Liebe war, und sie haben mir meine Gärten und Pflanzungen verwüstet. Doch wäre ich nicht wert, ein Diener Christi zu sein, wenn Groll gegen die Unwissenden und Ungläubigen in mein Herz eindringen könnte. So sollt auch Ihr gedenken, daß Ihr Christi Diener seid, denn Ihr seid Christen unter den Heiden und ein lebendiges Vorbild. Dazu sind diese Männer von einem andern Stamme und haben Euer Blut nicht vergossen.«

    »Wie könnt Ihr das sagen?« entgegnete der Baas. »Sie sind vom Volke der Zulus, die beständig unsere Grenzen belästigen und mit denen unsere Brüder im Osten beständig Krieg führen. Eben dieses Zuluvolk war es, das uns vor zwei Jahren auf Anstiften der Engländer angriff und den Engländern zu einem Siege verhalf, den sie allein sicherlich nicht errungen hätten. Diese beiden sind nichts als Spione, die ausgesandt sind, um zu erforschen, wo der beste Angriffspunkt für Tschetschwajos wilde Horden ist. Dazu reden sie englisch, und das ist der deutlichste Beweis, daß sie unsere Feinde sind. Laßt uns denn nicht mehr viel Worte verschwenden, sondern ein Ende machen mit diesen Halunken. Zwei schwarze Teufel weniger macht zwei Feinde weniger, wie die Zeitläufte nun einmal sind.«

    Die Buern machten von neuem ihre Gewehre fertig, denn das Ansehen und die Meinung ihres Ältesten überwog den Eindruck der Worte des Missionars. Dieser aber stellte sich den Mündungen entgegen und erhob von neuem seine Stimme.

    »Diese Leute reden englisch, weil sie mit englischen Handelsleuten hierher gereist sind, und sie haben diese Sprache erst auf der Reise gelernt. Sie haben Hunderte von Meilen durchwandert, um die Stationen der Mission zu besuchen. Sie werden nach ihrer Rückkehr den gesegneten Samen des göttlichen Wortes im Lande der Finsternis verbreiten. Ihr begeht ein schweres Verbrechen, wenn Ihr der Lehre des Evangeliums hindernd in den Weg tretet und das Blut von Männern vergießt, die der Herr zu Trägern seines Wortes bestimmt hat.«

    »Sind sie Christen geworden?« fragte Baas van der Goot.

    »Nein,« sagte der Missionar, »sie sind noch keine Christen, aber ich hoffe, daß sie es noch werden, wenn sie näher mit dem Evangelium bekannt geworden sind.«

    Von neuem erschien das grimmige Lächeln auf dem Gesichte des alten Buern. »Mein Freund,« sagte er, »ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, daß Ihr uns betrügt, obwohl es klug wäre, in jetziger Zeit sich vor jedermann zu hüten, der nicht von holländischem Blute ist. Ihr seid zwar kein Engländer, doch Ihr seid ein Deutscher. Aber ich behaupte, daß diese schlauen Halunken Euch betrügen. Sie sind ausgeschickt, um die Menge der Büchsen zu zählen, die wir ins Feld führen können.«

    »Ihr sagt, ich wäre ein Deutscher,« rief der Missionar eifrig, »aber das darf Euch kein Grund des Argwohns sein. Niemals mischen wir Missionare uns in die Politik, wir halten uns fern von Händeln und vom Streit und sind alle Brüder, mögen wir Holländer, Engländer oder Deutsche sein. Dafür zum Beweise seht hier die heilige Schrift! Dies selbe Buch hat Euerm großen Landsmann van der Kemp gehört, aus seinen Händen ging es in die meines Lehrers, des Engländers Moffat, über, und nun lehre ich aus ihm die heilige Predigt.«

    Der Missionar hatte bei diesen Worten ein vergilbtes und durch langen Gebrauch zerschabtes Buch aus der Tasche gezogen und zeigte es den Buern. Er war wohlbekannt mit dem Ansehen, welches gedruckte Schriften bei den in den unwirtlicheren Landstrichen Transvaals umherziehenden Buern noch immer genossen, und rechnete dazu auf den Namen des berühmten Missionars van der Kemp als auf eine Beglaubigung seiner Persönlichkeit. Er hatte sich in seiner klugen Berechnung nicht geirrt. Die Buern drängten sich neugierig zusammen und betrachteten ehrfurchtsvoll das alte Buch, ein Neues Testament in holländischer Sprache. Baas van der Goot griff in seine Tasche und zog ein großes ledernes Futteral hervor, aus welchem er eine ungeheure Brille mit schwarzer Horneinfassung nahm. Diese Brille setzte er auf die Nase und hielt das Buch auf Armslänge von sich ab. Seine Augen waren, wenn sie über den Lauf der Büchse wegsahen, so scharf wie die eines Falken, aber er hielt es der Würde der Sache für angemessen, beim Lesen eine Brille zu gebrauchen.

    »Doktor Johann Theodosius van der Kemp, 1799,« las er mit lauter Stimme und dann den mit vergilbter Tinte von des Doktors Hand geschriebenen Spruch: »Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Leuten. Der Herr ist nahe.«

    Der Spruch des Apostels und der Name des großen holländischen Missionars lenkten den Sinn des Baas auf einen andern Weg. Er klappte das Buch wieder zu, überreichte es ehrerbietig dem Eigentümer, räusperte sich und steckte seine Brille wieder in die Tasche.

    »Was gedenkt Ihr zu thun, wenn ich diese Zulus ziehen lasse?« fragte er den Missionar. »Wohin werdet Ihr Euch wenden?«

    Der Missionar rief die beiden Schwarzen zu sich heran, um sie durch seine persönliche Nähe besser schützen zu können, und erwiderte: »Ihr wißt, daß ich nur im Drange der Not gestern abend zu Euch stieß, denn mein Beruf ist nicht, mit Kriegsleuten zu ziehen. Ich werde meine Reise nach Südosten fortsetzen, um eine Station zu gründen an irgend einer Stelle, die Gott mir in seiner Gnade als eine günstige bezeichnen wird. Diese beiden Fremden werde ich mit mir nehmen als Gäste, so lange sie bei mir bleiben wollen, oder aber sie in ihre Heimat zurückkehren lassen, wenn sie das vorziehen.« Die Zulus sahen währenddessen den Missionar voll Dankbarkeit an, und ihre Augen funkelten von tiefem, unterdrücktem Gefühl.

    »Es ist gut,« sagte der Älteste, »zieht in Frieden.«

    »Auch mit Euch sei der Friede Gottes,« sagte der Missionar, indem er segnend seine Hände erhob. Dann wandte er sich und schritt in Begleitung der beiden von ihm geretteten schwarzen Männer dem Lager und seinem Wagen zu.

    »Pieter Maritz!« rief Baas van der Goot.

    Der Knabe näherte sich dem Ältesten, und dieser ging einige Schritte mit ihm auf die Seite, so daß er, ohne von den andern gehört zu werden, mit ihm reden konnte.

    »Pieter Maritz, du wirst jetzt ein großer Junge,« sagte der alte Buer, ihn mit seinem strengen Auge messend. »Du wirst, wie ich denke, auch ein verständiger Junge sein. Dein Vater, Gott habe ihn selig, war einer unserer besten Männer, und deine Mutter ist eine fromme und tapfere Frau. Du wirst nicht aus der Art geschlagen sein, wie ich hoffe.«

    Der Knabe errötete bei diesen Worten des Alten und blickte ihm erwartungsvoll fest ins Auge.

    »Diese Zulus gefallen mir nicht,« fuhr der Baas fort. »Ich würde gern jemand mitschicken, der den Wagen des Herrn Missionars und die fremden Teufel begleitete. Denn ich möchte wohl sicher sein, daß sie auf guten Wegen bleiben und sich nicht etwa nach unsern Städten im Süden oder auch nach Osten, nach Lydenburg, hinschleichen und dort spionieren. Aber wir können keinen Mann entbehren. Deshalb habe ich daran gedacht, du solltest mitgehen. Ich werde mit deiner Mutter darüber reden. Du sollst den Herrn Missionar und seine Freunde begleiten und achtgeben. Merkst du, daß die Sache nicht richtig ist und daß die Zulus sich nach Lydenburg hin wenden oder gar in der Richtung auf Pretoria oder daß sie bei andern Gemeinden herumlauern, so schießt du sie nieder. Verstehst du mich?«

    »Jawohl, Baas,« antwortete Pieter Maritz, dem das Herz von Stolz schwoll.

    »Du wirst gut aufpassen, und du wirst zu Pferde sein,« fuhr der Älteste fort. »Das ist ein wichtiger und schwieriger Auftrag für deine jungen Jahre, also nimm dich zusammen. Wie und wann du zu uns wieder zurückkehrst, das ist deine Sorge. Knöpfe deine Augen und Ohren also hübsch auf, mein Junge. Warst ja soeben auch schnell bei der Hand, als du den Herrn Missionar herbeiholtest.«

    Als Baas van der Goot so gesprochen hatte, ging er mit dem Knaben in den Lagerkreis zurück. Hier herrschte jetzt reges Leben, die Männer sahen nach ihren Waffen und Pferden, Frauen und Mädchen beschäftigten sich mit ihren Haushaltungen, saßen bei den Wagen, wuschen, nähten, melkten die Kühe und bereiteten das Frühstück für die Familien vor, die schwarzen Diener hockten um die Feuer und aßen Maisbrei aus dampfenden Töpfen. Über das alles goß eine hellstrahlende Sonne ihren blendenden Schein aus. Besondere Thätigkeit aber herrschte bei dem Wagen des Missionars. Seine drei schwarzen Diener, Jan, Kobus und Christian, banden die Seile los, mit denen die Hinterbeine der Ochsen zusammengebunden waren und trieben unter lautem Rufen die langhörnigen Tiere in eine Reihe zusammen. Sie hatten zolldicke Ochsenziemer von Rhinozeroshaut, die schrecklichen Sjambocks, in ihren schwarzen Fäusten, und laut schallend fielen die Hiebe, lange Streifen ziehend, auf das Fell der Ochsen. Paarweise ordneten sie die Tiere und schrieen dabei ein jedes mit seinem Namen an; denn alle vierundzwanzig Zugochsen, die zu diesem Wagen gehörten, hatten ihren eigenen Namen, den sie gut kannten. Dann schirrten sie sie paarweise an, indem sie sie an das lange, vorn an der Deichsel befestigte Zugseil heranstellten, welches aus vielen Riemen zusammengeflochten und mit den nötigen Jochhölzern versehen war, die den Tieren auf den Nacken gelegt wurden. Jedes Paar hatte sein bestimmtes Jochholz, einen schweren starken Ast, und wurde an demselben befestigt, indem ein viereckiges Gestell den Hals umfaßte und zugleich das Jochholz mit Stricken an den Hörnern festgebunden wurde.

    Während dieser Zurüstungen stand der Missionar im Gespräch mit den beiden Zulus in der Nähe des Wagens. Sie unterredeten sich in der Bantusprache, welche sowohl die Schwarzen als der Missionar verstanden. Dieser kannte, seit langen Jahren in seinem schweren Berufe thätig und vielgewandert, viele Sprachen der schwarzen Völker. Bei dieser Unterredung aber fielen einige Bemerkungen, welche zeigten, daß der Argwohn des Baas van der Goot hinsichtlich der beiden Fremden nicht so ganz unbegründet war.

    »Die Buern lieben es nicht, den Ton der englischen Sprache zu hören,« sagte der ältere von ihnen. »Die Engländer aber sind die Feinde der Zulus. Warum wollen nun die Buern die Zulus töten? Haben sie nicht dieselben Feinde wie wir?«

    Der Missionar ward durch diese Worte unangenehm betroffen und sah dem Schwarzen prüfend ins Gesicht. Diese Leute hatten, seitdem er mit ihnen zusammen war, noch niemals über solche Dinge gesprochen, sondern nur nach den Lehren der christlichen Religion gefragt. Es schien ihm so, als habe die Aufregung der letzten Stunde und die drohende Todesgefahr ihren Mund gegen ihren Willen aufgeschlossen.

    »Die Buern sind Christen gleich den Engländern,« entgegnete er, »und beide Völker sind nicht die Feinde der Zulus, sondern möchten sie glücklich machen, indem sie ihnen die Wahrheit über den großen Gott lehren, der alle Dinge erschaffen hat.«

    Über das Antlitz des Zulu glitt ein Lächeln, und er verneigte sich höflich. »Mein Vater redet gewiß die Wahrheit,« sagte er, »aber er hat lange Zeit in einsamer Gegend gewohnt und weiß vielleicht nicht, was an den Grenzen vorgeht. So wissen auch diese Buern es vielleicht nicht, denn sonst würden sie ihre Schießgewehre nicht gegen die Gesandten Tschetschwajos erhoben haben.«

    »Ich bekümmere mich nicht um Krieg und Handel,« sagte der Missionar ausweichend. »Ich bin ein Lehrer der frohen Botschaft, welche allen Menschen Frieden verkündigt.«

    Der jüngere der Zulus mischte sich jetzt in das Gespräch, um ihm eine andere Wendung zu geben. »Tschetschwajo ist sehr stark,« sagte er. »Er ist der mächtige Elefant, der König der Könige, der König des Himmels. Er wird unserm Vater sehr dankbar sein, wenn er vernimmt, was er für uns gethan hat. Wird unser Vater uns erlauben, ihn ferner zu begleiten? Humbati und Molihabantschi können nicht sicher sein in diesen Landstrichen. Haben sie heute ihr Leben gerettet, so werden sie es morgen verlieren, denn die Buern streifen überall umher und werden sie sicherlich töten.«

    »Es wäre mir lieber, ihr ginget euern eigenen Weg,« erwiderte der Missionar. »Seht zu, daß ihr so bald als möglich nach Hause kommt. Ihr seht, wie gefährlich es für euch ist, mit den Buern zusammenzutreffen, und ich bin nicht gewiß, euch immer beschützen zu können.«

    Auf den Gesichtern der Zulus drückte sich Bestürzung aus. Sie sahen einander an und schwiegen eine Weile. Dann wandte sich der ältere von den beiden, Humbati, mit einer tiefen Verbeugung wieder an den Missionar und sagte mit demütigem, aber zugleich hofmännischem Wesen: »Mein Vater ist sehr mächtig und sehr gütig. Er wird seine Wohlthat nicht unvollendet lassen wollen. Die Gesandten des großen Königs werden die Güte des christlichen Lehrers zu preisen wissen, und sie werden des Königs Ohr offen finden. Tschetschwajo wird es den Missionaren in seinem Lande entgelten lassen, was unser Vater Gutes thut. Unser Vater möge uns erlauben, unter seinem Schutze weiterzureisen. Wir werden uns in dem rollenden Hause verborgen halten, wenn wir andern Weißen begegnen, oder wir werden unsers Vaters Sklaven sein auf der Reise.«

    Der Missionar war unschlüssig, was er antworten sollte, da er ebensowohl wünschte, den Fremden seinen fernern Schutz zu gewähren, als auch fürchtete, in politische Händel verwickelt zu werden. Da näherten sich Baas van der Goot und Pieter Maritz. Der Knabe war mit Patronengurt und Hirschfänger ausgerüstet, trug die Büchse auf dem Rücken und führte Jager gesattelt neben sich her.

    »Mein Freund,« sagte der Baas zu dem Missionar, »Ihr seid ein bejahrter Mann, und die schwarzen Schlingel, die Ihr zu Eurer Bedienung und Gesellschaft habt, werden Euch auf der Reise viel Sorge machen, da Ihr allein seid. Ich gebe Euch deshalb diesen jungen Menschen zur Hilfe mit. Er wird ein Auge auf die Schepsels haben und Euch zur Hand sein, wenn Ihr seiner Hilfe bedürfen solltet.«

    Der Missionar sah nachdenklich vor sich hin und betrachtete dann den Knaben. Er fühlte die Bedeutung der Worte des Baas und merkte dessen Mißtrauen. Das entschied ihn, die bedrohten Zulumänner in seiner Begleitung zu behalten. Das Aussehen des Knaben gefiel ihm. Er hatte sich darüber gefreut, daß dieser ihn geweckt und herbeigeholt hatte, und war mit der Wahl dieser Begleitung zufrieden.

    »Es ist gut,« sagte er, »ich danke Euch für Euere Sorglichkeit um mein Wohl.«

    Der Baas ging und der Missionar reichte dem Knaben die Hand. »Wir wollen gute Freunde sein auf unserm Wege,« sagte er lächelnd. Der Knabe zog den Hut und küßte dem ehrwürdigen Geistlichen, dessen freundliches Antlitz ihm Ehrerbietung und Liebe einflößte, die braune, runzlige Hand. Dann schwang er sich in den Sattel und richtete seinen Blick aufmerksam auf die Vorbereitungen zur Abreise und besonders auf die beiden Zulus, welche in vornehmer Ruhe unbeweglich neben dem Wagen standen.

    Die Ochsen waren jetzt sämtlich vorgespannt und bildeten, da ihrer zwölf Paare voreinander standen, eine sehr lange Reihe. Doch sah ihre Anschirrung noch sehr unordentlich aus, denn das Zugseil, an welchem sie alle ziehen sollten, lag manchen Tieren auf dem Rücken, bei manchen aber lag es wiederum zwischen dem Gespann am Boden. Es gab keinen gemeinsamen Zügel, sondern die farbigen Diener mußten neben den Tieren gehen und sie mit Peitschen lenken, einer von ihnen saß auf der Vorderkiste des Wagens, um die Hinterochsen anzutreiben. Diesen Platz hatte Kobus eingenommen, und als er sah, daß alle Tiere am Jochholz fest waren, schrie er mit gellender Stimme: »Treck!« Sämtliche Ochsen verstanden den Ruf und legten sich mit den Stirnen ins Geschirr, das harte Seil streifte über ihre Rücken fort, riß einen und den andern herum, der nicht in der rechten Richtung anzog, und setzte die gewaltige Maschine in Bewegung. Der Wagen war wohl vierzehn Fuß lang, vier Fuß breit, schwer aus mächtigem Holze erbaut, mit riesigen, dicken, eisenbeschlagenen Rädern, und glich mit seinem rund gespannten Leinwandzelt in der That einem rollenden Hause, wie der Zulu ihn genannt hatte.

    Aber obwohl die Tiere angezogen hatten und nun gemessenen Schrittes vom Lager hinwegwandelten, hörten doch der Lärm und das Geschrei der Farbigen nicht auf. Jan und Christian rannten wie toll an ihnen auf und nieder und riefen einen jeden Ochsen mit seinem Namen an. Kobus schwang von seinem Sitze aus eine Peitsche, die einen zwölf Fuß langen Bambusstiel hatte und im ganzen wohl dreißig Fuß lang war, so daß er die vier hintersten Paare damit beherrschen konnte. Der Knall dieser Peitsche klang wie das Aufschlagen eines Zündhütchens und das Auftreffen ihrer Spitze riß einen blutigen Striemen in das Fell. Jan und Christian, angefeuert durch das Knallen dieses furchtbaren Instruments, fuhren mit den Sjambocks zwischen die vorderen Paare und ließen dicke, blutrünstige Schwielen auf den Rücken und Flanken der Ochsen aufschwellen.

    Inzwischen war der Missionar in den Sattel gestiegen und ritt am Zuge hin. »Was schlagt ihr die Tiere so sehr?« rief er zürnend den Farbigen zu.

    »Mynheer!« entgegnete Jan ihm achselzuckend, »der Ochs muß seinen Schlag haben, damit er gehorsam ist, und wenn der Ochs gehorsam ist, dann muß er doch seinen Schlag haben.«

    Die Tiere waren unter diesen Hieben in einen schnelleren Gang gefallen, und so schwer der Wagen und so sandig der Boden war, zogen sie das schwankende und ächzende Gefährt doch in schnellem Trabe dahin. Aber das durfte nicht sein, denn sonst mußten die Tiere ihre Kräfte zu rasch verbrauchen. Jan, der jetzt die beiden an der Stirn durch einen Querriemen verbundenen Vorochsen führte, ließ den Riemen, an dem er sie leitete, los, stürzte mit erstaunlicher Behendigkeit vor, bückte sich und nahm einen faustgroßen Stein vom Boden auf. Diesen schleuderte er mit großer Geschicklichkeit gerade zwischen die Hörner des rechts gehenden Vorderochsen. Der Ochse stutzte und mit ihm hielt sein Nachbar inne.

    »Avanhou! Avanhou!« brüllten alle drei Diener. Dazu griffen sie neue Steine von der Erde auf und warfen sie den Ochsen vor die Stirn. So mäßigte sich allgemach der Lauf der Tiere, und nun war nach Kobus' Ansicht die Gangart die richtige. Tief schnaufend, mit rollenden Augen und schlagenden Weichen schritten die vierundzwanzig Tiere dahin. Hinter ihnen rollte der Wagen, und seine Räder gruben sich in den Sand ein.

    Der Missionar hatte sein Pferd hinter den Wagen gelenkt, und neben ihm schritten die Gesandten des Zulukönigs, leichtfüßig mit weiten Schritten einhergehend. Pieter Maritz schloß den Zug. Er war seiner Aufgabe eingedenk und verließ die Fremden nicht mit einem Blicke.

    So wich das Lager der Buern hinter ihnen zurück, und das blaue Rauchfähnchen über dem weiten Wagenkreise verschwamm allmählich den Augen der Rückschauenden im klaren Äther. Vor ihnen öffnete sich im Morgenglanz ein weites Land voll Schönheit, aber auch voll Gefahren.

    Drittes Kapitel

    Auf der Reise

    Inhaltsverzeichnis

    Das Land, welches die Reisenden durchmaßen, war sehr eben, und das Auge erkannte bei der Durchsichtigkeit und Klarheit der Luft jener südlichen Gegenden auch entfernte Gegenstände mit großer Deutlichkeit. Der Boden ward immer mehr mit Gras und Kräutern bedeckt, je weiter sie zogen, und die dürren Sandflächen des nördlichen Landstrichs, aus dem sie kamen, verloren sich ganz. Oft sah Pieter Maritz in weiter Entfernung Herden der Springböcke

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