Der Waldbruder, ein Pendant zu Werthers Leiden
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Buchvorschau
Der Waldbruder, ein Pendant zu Werthers Leiden - Jakob Michael Reinhold Lenz
Jakob Michael Reinhold Lenz
Der Waldbruder, ein Pendant zu Werthers Leiden
Sharp Ink Publishing
2023
Contact: info@sharpinkbooks.com
ISBN 978-80-282-7601-0
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titelblatt
Text
"
Erster Brief
Herz an seinen Freund Rothe in einer großen Stadt
Ich schreibe Dir dieses aus meiner vÖllig eingerichteten HÜtte, zwar nur mit Moos und BaumblÄttern bedeckt, aber doch für Wind und Regen gesichert. Ich hätte mir nie vorgestellt, daß dies Klima auch im Winter so mild sein könne. Übrigens ist die Gegend, in der ich mich hingebaut, sehr malerisch. Grotesk übereinander gewälzte Berge, die sich mit ihren schwarzen Büschen dem herunterdrückenden Himmel entgegen zu stemmen scheinen, tief unten ein breites Tal, wo an einem kleinen hellen Fluß die Häuser eines armen aber glücklichen Dorfs zerstreut liegen. Wenn ich denn einmal heruntergehe und den engen Kreis von Ideen, in dem die Adamskinder so ganz existieren, die einfachen und ewig einförmigen Geschäfte und die Gewißheit und Sicherheit ihrer Freuden übersehe, so wird mir das Herz so enge und ich möchte die Stunde verwünschen, da ich nicht ein Bauer geboren bin. Sie sehen mich oft verwundrungsvoll an, wenn ich so unter ihnen herumschleiche und nirgends zu Hause bin, mit ihrem Scherz und Ernst nicht sympathisieren kann, so daß ich mich am Ende wohl schämen und in ihre Form zu passen suchen muß, da sie denn ihren Witz nach ihrer Art meisterhaft über meine Unbehelfsamkeit wissen spielen zu lassen. Alles dies beleidigt mich nicht, weil sie meistens recht haben und ein Zustand wie der meinige durch die äußern Symptome, die er veranlaßt, schon seit Petrarchs Zeiten jedermann zum Gespött dienen muß. Soll ich aber die Wahl haben, so ist mir der Spott des ehrlichen Landmanns immer noch Wohltat gegen das Auszischen leerer Stutzer und Stutzerinnen in den Städten.
Wenn Du einmal einen geschäftfreien Tag hast, so komm zu mir, Du bist der einzige Mensch, der mich noch zuweilen versteht.
Herz.
Zweiter Brief
Fräulein Schatouilleuse an Rothen, der aufs Land gereist war, eine
Frühlingskur zu trinken
Sagen Sie mir doch in aller Welt, wo mag Herr Herz hingekommen sein. Etwa bei Ihnen, so hab ich eine Wette gewonnen. Der Papa sagte heut, er habe seine Bedienung bei der Kanzlei niedergelegt und sei in den Odenwald gegangen, um Waldbruder zu werden. Da lachten wir nun alle, daß uns die Tränen von den Backen liefen, er aber schwur, es sei wahr. Ich schlug gleich eine Wette mit ihm ein, daß er bei Ihnen in Zornau wäre; schreiben Sie mir doch, ob dem so ist, und ich will Ihnen auch viel Neues von ihm sagen, das Sie recht zu lachen machen wird.
Dritter Brief
Herz an Rothen, der dem Boten weiter nichts als einen Zettel mitgegeben,auf dem mit Bleistift geschrieben war:Herz! Du dauerst mich!
Ich danke Dir für Dein zuvorkommendes Mitleid. Das Pressende und Drückende meiner äußern Umstände preßt und drückt mich nicht. Es ist etwas in mir, das mich gegen alles Äußere gefühllos macht.
Du hast vermutlich erfahren, daß mein letztes Geld, das ich aus der