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Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung.  Band 9
Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung.  Band 9
Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung.  Band 9
eBook562 Seiten5 Stunden

Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung. Band 9

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Über dieses E-Book

In diesem Band 9 der Buchreihe "Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung" geht es um die gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums und deren Verhinderung. Hoher Alkoholkonsum ist für 2,2 % aller Krebserkrankungen ursächlich verantwortlich und mäßiger Alkoholgenuss bei ca. 10 % mitbeteiligt. 
Bei den 25 häufigsten Krebserkrankungen werden die Erkrankungsrisiken aufgezählt und der Einfluss von Alkohol kommentiert. Alkohol selber ist zwar kein mutagen wirkendes Kanzerogen, aber ein starker Krebspromotor, der Krebsgene aktiviert und die Aggressivität von Krebszellen erhöht. Eindeutig karzinogen ist hingegen Acetaldehyd, ein Abbauprodukt von Alkohol. Acetaldehyd ist sehr reaktionsfreudig und geht leicht Verbindungen mit anderen Molekülen ein, so auch mit der DNA. 
Den Behauptungen, dass Alkohol gesundheitsschädlich sei, stehen Behauptungen anderer Experten entgegen, dass Alkohol die Gesundheit fördere, ja, sich sogar hemmend auf das Krebswachstum auswirke. Immerhin galt Alkohol über viele Jahrhunderte als Heilmittel und wurde bei vielen Krankheiten erfolgreich eingesetzt. Tatsächlich können sich einige Inhaltsstoffe in alkoholischen Getränken auch bei mäßigem Konsum gesundheitsfördernd auswirken. Die Frage, was moderater, mäßiger, riskanter und unmäßiger Konsum ist, spinnt sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die meisten Behauptungen krebshemmender Einflüsse werden allerdings als Mythen entlarvt.
Aufwendige Recherchen wurden vom Autor zu der Frage durchgeführt, welche Organe besonders alkoholgefährdet sind. Nach wie vor ist nicht gesichert, warum Alkohol das Brustkrebsrisiko stark erhöht, hingegen auf das Nierenkarzinom- und das Prostatakarzinomrisiko – wenn überhaupt – nur einen geringen Einfluss hat. 
Das Wissen hinsichtlich der Bedeutung eines gesunden Lebensstils für die Entstehung von Krebserkrankungen ist noch rudimentär. Hypothesen überwiegen noch, aber verdichten sich. Der negative Einfluss von hohem Alkoholkonsum ist aber eindeutig und sollte Jedem bewusst sein. 
Professor Dr. Hermann Delbrück, Arzt für Hämatologie/ Onkologie, hat sich in seinem Berufsleben in namhaften deutschen und französischen Krebsforschungs-Instituten mit der experimentellen Onkologie befasst und war als Hochschullehrer für Innere Medizin und Sozialmedizin an mehreren deutschen und französischen Universitätskliniken tätig.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Apr. 2022
ISBN9783347607132
Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung: Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung.  Band 9

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    Buchvorschau

    Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Krebs-vorbeugung - Hermann Delbrück

    Vorworte

    Vorwort zur Buchreihe „Personalisierte Krebsvorsorge und Früherkennung"

    Jeder zweite Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. Jeder Vierte stirbt an dieser Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht beim Krebs daher von einer Epidemie, die ebenso energisch bekämpft werden muss wie die lebensbedrohenden Infektionskrankheiten. Krebs sei das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem. Gelinge es nicht die Entwicklung einzudämmen, so erwarte uns in den nächsten Jahren „ein Tsunami" an Krebsneuerkrankungen, erklärt sie.

    Dabei machen die Einschätzungen der International Agency for Research on Cancer (IARC) und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg (DKFZ) etwas Mut. Sie meinen, dass wir der Herausforderung nicht völlig machtlos gegenüberstehen. 37,4 % aller Krebserkrankungen in Deutschland seien allein auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen und somit vermeidbar, sagen sie. Nach aktuellen Berechnungen können sie - Vorbeugung und Früherkennung zusammengenommen - die Krebssterblichkeit um 50 bis 75 Prozent senken (Behrens et al 2018, Baumann 2018).

    Bei der Krebsbehandlung gibt es beeindruckende Fortschritte. Krebsmedikamente sind (mit 7 Milliarden Euro und einem durchschnittlichen Kostenanstieg von 8,3 % im Jahr) inzwischen die umsatzstärkste Indikationsgruppe der forschenden Pharmaindustrie. Die Zahl der Produkte in der klinischen Entwicklung ist 2011 von 870 auf 2197 im Jahr 2021 gestiegen und wird noch weiter steigen. Die „Pipeline" ist voll von vielversprechenden Präparaten (Quelle IQV1a). Deren Wirksamkeit kann man heute - dank dem besseren Verständnis der molekularen Ursachen von Krebserkrankungen und der Kenntnis immunologischer Angriffspunkte und prädiktiver molekularer Biomarker – gut vorhersagen. Die Entdeckung gezielt behandelbarer Treibermutationen hat das therapeutische Vorgehen verbessert. Sie erhöhen die Wirksamkeit von Medikamenten bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit. Sie verhindern allerdings nicht die Zunahme der Neuerkrankungen. Letztendlich sind sie nur Teil einer Reparaturmedizin. Nur die Vorbeugung kann Krebsneuerkrankungen verhindern.

    Die vorliegende Buchreihe befasst sich nicht mit der Therapie, sondern mit der Vorsorge. Sie legt hierbei den Schwerpunkt auf die Verursachung und Vermeidung (Vorbeugung) von Krebs und kommentiert lediglich die Bedeutung der Krebsfrüherkennung in der Prävention.

    Krebsvorsorge wurde in Deutschland bislang vornehmlich mit Krebsfrüherkennung gleichgesetzt. Dem lag die Vorstellung zugrunde, je früher man den Krebs erkenne, desto höher sind die Heilungschancen und umso mehr nimmt die Anzahl der Krebskranken ab. Ein „Dogma", das der kritischen Kommentierung bedarf. Nicht etwa, weil bei besseren Heilungschancen die Gesamtzahl der lebenden Krebskranken steigt und aktuellen Studien zufolge die Gesamtheit aller etablierten Krebsfrüherkennungsmaßnahmen die Gesamtmortalität in Westeuropa nur um ein bis drei Prozent senken (Stang, A und KH Jockel 2018, Zeissig, S et al (2020). Schwerwiegender ist der Vorwurf zunehmender Krebs Überdiagnosen. Überdiagnosen sind Diagnosen bei Menschen, die nie Symptome oder Schäden erfahren hätten, wenn der Krebs bei ihnen unentdeckt und unbehandelt geblieben wäre (Zeissig et al 2020). Sie stehen im engen Zusammenhang mit dem Fortschritt der Diagnostik. Je höher die Empfindlichkeit eines Diagnostikums, desto größer ist die Gefahr einer Überdiagnose. Hinzu kommt, dass jeder Verdachtsfall diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen nach sich zieht, die (abgesehen von den individuellen Belastungen) für die Betroffenen auch gesundheitsökomisch relevant sind.

    Dank der besseren Bildgebung, empfindlicherer Tumormarker, Genanalysen, der Analyse von zirkulierender Tumor-DNA im Blut (liquid biopsy) sowie der DNA-Sequenzierung können wir Krebsgewebe heute zwar wesentlich früher erkennen, doch wissen wir nach wie vor nicht, ob alle vorzeitig entdeckten „Frühkarzinome klinisch relevant sind und zu Beschwerden führen, die die Lebenszeit verkürzen und/oder die Lebensqualität beeinflussen. Würde man alle vorzeitig endeckten Krebserkrankungen behandeln, so wären auch zahlreiche „gesunde Menschen betroffen. Viele der dank Früherkennung entfernten Tumoren hätten später nie Probleme bereitet. Eine großen australischen Studie geht davon aus, dass etwa 20 % aller bislang gestellten Krebsdiagnosen das Ergebnis von Überdiagnosen sind (Glasziou et al 2019). Kritiker der Krebsvorsorge-Früherkennungs-Untersuchungen behaupten, dass das durch sie verursachte gesundheitliche Risiko wesentlich größer sei als der erhoffte Nutzen.

    Einer pauschalen Ablehnung von Früherkennungsmaßnahmen stimmt die Buchreihe nicht zu, warnt allerdings vor systematischen Vorsorge-Untersuchungen bei Gesunden ohne Erkrankungsrisiko. Sie schlägt stattdessen Screening-Untersuchungen bei Gefährdeten (Risikopersonen) vor. Gefährdete können gesund aussehen, sich subjektiv wohl fühlen, aber dennoch ein großes Erkrankungsrisiko haben. Wer ein Erkrankungsrisiko hat und wie groß dieses ist, ist Gegenstand dieser Buchreihe. Die vorliegende Buchreihe empfiehlt einen Paradigmenwechsel hin zu risikoadaptierten Krebs-Früherkennungs-Untersuchungen. Nur im Falle eines Erkrankungsrisikos sollen Vorsorge Untersuchungen durchgeführt werden, die dann aber mit wesentlich empfindlicheren (sensitiveren) und aussagekräftigeren (spezifischeren) Untersuchungsmethoden als bislang vorzunehmen sind.

    Die Aufzählung und Kommentierung von Krebs Erkrankungsrisiken, die zur Aktivierung latenter Krebsgene und Krebszellen führen, bilden einen Schwerpunkt der Reihe. Dabei stützt sie sich auf Schätzungen und Untersuchungen nationaler wie internationaler Krebsforschungszentren

    Zahlen und Anteile der durch vermeidbare Krebsrisikofaktoren bedingten Krebsfälle in Deutschland 2018. (Aus Behrends, G et al: Krebs durch Übergewicht, geringe körperliche Aktivität und ungesunde Ernährung (Dtsch. Ärztebl 115, 35-36) (2018).

    Die Bedeutung und Möglichkeiten der Krebsvorbeugung werden unterschätzt. Es herrscht eine weitgehende Unkenntnis ihrer Effektivität. Tatsächlich sollen laut Forschern des DKFZ in Heidelberg etwa 40 Prozent der Krebserkrankungen in Deutschland auf vermeidbare Life-Style-Risikofaktoren zurückzuführen sein. So ist die Häufigkeitsabnahme des Gebärmutterhalskrebses nicht etwa nur auf die Früherkennung und präventive Entfernung der Krebsvorstufen zurückzuführen, sondern auch eine Folge der besseren Sexualhygiene (und neuerdings vor allem der HPV-Impfung). Gewichtsabnahme und mehr Bewegung, und nicht etwa Vorsorge-Untersuchungen führen bei übergewichtigen Frauen zur Reduzierung von Gebärmutterkrebs. Nicht die Krebsvorsorge-Früherkennung, sondern der geringere Tabakkonsum, die Verteuerung von Zigaretten sowie die Vermeidung der Asbestexposition haben zum Rückgang von Lungenkrebserkrankungen geführt. Dass die Anzahl der Darmkrebs-Neuerkrankungen gesunken ist, verdankt man zwar auch der Früherkennung von Krebsvorstufen und Frühkarzinomen, weit mehr aber ihrer prophylaktischen Entfernung. Der signifikante Rückgang von Magenkarzinomerkrankungen ist eine Folge der besseren Ernährung, der wirksameren Konservierung von Lebensmitteln sowie der Helicobacter Eradikation, nicht aber der Früherkennung. Der Rückgang von Leberkrebserkrankungen ist eine Folge der Hepatitis-Impfung, der Warnung vor zu hohem Alkoholkonsum sowie der besseren Hygiene, nicht der Krebs-Früherkennung.

    Die Buchreihe verkennt nicht die Vorteile der Krebsfrüherkennung, plädiert jedoch für ihre Individualisierung. Sie schlägt eine Risikostratifizierung vor, die sich auf anamnestische Angaben bezieht, auf ererbte Risiken, Lifestyle-Verhalten, Umweltfaktoren und die private sowie berufliche Exposition zu krebsverursachenden Schadstoffe. Ziel der Krebsvorsorge sollte die Reduzierung von Risiken, die Abnahme der Erkrankungen, aber auch die Optimierung der Effizienz des Ressourceneinsatzes im Gesundheitssystem sein.

    Es wird immer offensichtlicher, dass das Krebsproblem nur dann zu bewältigen ist, wenn die Krebsentwicklung frühzeitig gehemmt wird. Setzt man weiterhin primär auf Erkennung und Therapie und geschieht nicht mehr, so ist das Gesundheitswesen bald überfordert und Krankheiten nehmen zu. Auf lange Sicht ist Prävention die kosteneffizienteste Krebsbekämpfung.

    Die vorliegende Reihe verdankt ihre Entstehung der zunehmenden Kritik an der derzeit praktizierten systemischen Krebsvorsorge-Früherkennung (sekundäre Prävention), deren Nutzen in der Gesundheitspolitik, der Bevölkerung, aber auch der Ärzteschaft deutlich überschätzt wird. Sie möchte auf die Fortschritte und das Potential der Vorbeugung (primäre Prävention) hinweisen. Ziel der Buchreihe ist auch, Ärzte stärker zur Gesundheitsberatung zu motivieren.

    Prof. Dr. med. H. Delbrück, Wuppertal 2012

    Arzt für Innere Medizin, Arzt für Hämatologie und Onkologie, Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin, Arzt für Sozialmedizin und Rehabilitationswesen, Diplomé d’université de parasitologie et de santé tropicale (Université d’Aix-Marseille), Assistant étranger des hopitaux de Paris.

    Vorwort zum Band 9: Alkohol und Gesundheit. Empfehlungen zur Gesundheit, speziell zur Krebsvorbeugung

    Wie auch in den vorherigen Bänden der Reihe geht es auch in diesem Band darum, das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstils zu stärken, da dieses ein wichtiger Stimulanz für die Krankheitsvorbeugung ist.

    Laut dem World Cancer Report (2014), dem IARCC (International agency for cancer research) (Rumgay (2021) und dem Deutschem Krebsforschungszentrum (Behrens et al 2018) soll Alkohol bei bis zu 4,1 % aller Krebsfälle ursächlich mitbeteiligt sein. Wie bei einer J-Kurve steigt das Krebsrisiko mit der Höhe des Konsums an. Doch nicht nur der Alkohol selber, sondern auch seine Metaboliten und die Begleitumstände sind für die Langzeit Nebenwirkungen wie Krebs verantwortlich. Sie werden in diesem Band deswegen ausführlich kommentiert.

    Den Behauptungen, dass Alkohol gesundheitsschädlich sei, stehen Behauptungen anderer Experten entgegen, dass Alkohol auch die Gesundheit fördern könne, ja, sich sogar hemmend auf das Krebswachstum auswirke. Die meisten Behauptungen und Argumente gesundheitsfördernder Einflüsse entlarvt dieser Band allerdins als Mythen, obwohl bestimmte Inhaltsstoffe von alkoholischen Getränken bei ausgeglichenem Lifestyle auch gesundheitsfördernd sind. Mäßiger Alkoholkonsum kann – im Gegensatz zum unmäßigem Alkoholkonsum - ein Marker für einen gesunden Lebensstil sein. Die Frage, was moderat, mäßig, riskant und unmäßig sowie gefährlich ist und ob es einen Schwellenwert gibt, spinnt sich wie ein roter Faden durch das Buch.

    Dass unmäßiger Alkoholkonsum ungesund ist, ist eine Binsenweisheit. Sie wird von kaum Jemandem bezweifelt. Aber was mäßiger Alkoholkonsum ist, ab welcher Menge der Konsum riskant oder gar gefährlich ist, weiß kaum jemand zu definieren. Die meisten unterschätzen das Risiko ihres eigenen Konsums. Die Frage, ob und ab wann eine Gesundheitsgefahr vorliegt, wird im Buch ausführlich kommentiert.

    Für das vorliegende Buch führte der Autor eine aufwendige Recherche zu der Frage durch, welche Organe besonders alkohol- und krebsgefährdet gefährdet sind und welche Wirkmechanismen hierfür verantwortlich sind. Nach wie vor ist nicht gesichert, warum Alkohol das Brustkrebsrisiko stark erhöht, hingegen auf das Nierenkarzinom- und das Prostatakarzinomrisiko – wenn überhaupt – nur einen geringen Einfluss hat. Der Autor schließt sich der Meinung derjenigen Krebsforscher an, die Alkohol selber gar nicht für genschädigend halten, also Krebs verursachen. Mutagen, also krebsverursachend ist vielmehr Acetaldehyd, ein Abbauprodukt von Alkohol. Alkohol selber ist „lediglich ein Krebspromotor, der die Aggressivität von Alkoholgenen und Kanzerogenen fördert und das Wachstum von Krebszellen stimuliert. Vererbbare Faktoren, Alkohol Gene, spielen sicherlich eine Rolle. Doch sie alleine führen noch nicht zu einer Abhängigkeit und zu Krebs. Dafür bedarf es zusätzlicher „Promotoren.

    Deutschland ist ein Hochkonsumland für Alkohol. Die OECD weist auf einen dringenden Handlungsbedarf zur Reduzierung des Alkoholkonsums hin. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) beklagt die mangelhafte Kenntnis von Alkoholkonsum als Risikofaktor für Krebs. Der Förderung des Wissens um einen gesunden Lebensstil sollte eine höhere Priorität eingeräumt werden, sagen alle bedeutenden Krebsorganisationen. Der Kampf gegen die Alkoholabhängigkeit über alle Bevölkerungsschichten hinweg zählt zu den großen Herausforderungen unserer Zeit, sagen die Ökonomen. Dennoch setzt das öffentliche Gesundheitswesen die Priorität in der Kuration und nicht in der Prävention. Dabei wird es immer offensichtlicher, dass die Probleme chronischer Erkrankungen wie die Alkoholkrankheit nur dann, auch ökonomisch, zu bewältigen sind, wenn die Ursachen verhindert werden. Wenn auch weiterhin die Therapie von chronischen Krankheiten wie Krebs und Alkoholkrankheit im Vordergrund steht und nicht darüber hinaus etwas geschieht, darf man sich nicht wundern, wenn das Gesundheitswesen bald überfordert sein wird, sagen die Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) (Steindorf und Herbolsheimer 2021).

    Das Wissen hinsichtlich der Bedeutung eines gesunden Lebensstils für die Entstehung von Krebserkrankungen ist noch rudimentär. Hypothesen überwiegen noch, aber verdichten sich. Die grundsätzliche Bedeutung eines gesunden Lebensstils für die Entstehung chronischer Erkrankungen ist eindeutig, die Gefahr einer Alkoholabhängigkeit und die damit verbundenen Gefahren sollten jedem Einzelnen bewusst sein. Zu den Gefahren gehören auch Krebskrankheiten. Hierfür eine größere Sensibilität in der Bevölkerung zu entwickeln ist der Wunsch des Autors.

    Mit dem 2015 verabschiedetem Präventionsgesetz hat der Gesetzgeber in Deutschland neue Akzente in der Gesundheitsprävention gesetzt. Es werden neue Wege beschritten. Nicht nur die Folgen, sondern auch die Ursachen der Alkoholkrankheit sollen angegangen werden. Hierzu gehört die Verhinderung der Alkoholkrankheit. Wie die vorherigen Bücher der Reihe will auch dieser Band einen Beitrag dazu leisten, einen Paradigmenwechsel weg von der Verhaltensprävention und hin zur Verhältnisprävention vorzunehmen.

    Prof. Dr. med. H. Delbrück

    Wuppertal, im Dezember 2022

    Danksagungen

    Dem Medizinhistoriker und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Herr Dr. med. Alexander Rothkopf, danke ich für seine Anregungen und die Erlaubnis für den Abdruck des von ihm angefertigten „CAGE" Linolschnitts.

    Herrn Dr. med. Jan Tomaschoff, Arzt für Neurologie und Psychiatrie in Düsseldorf, danke ich für die von ihm angefertigten Cartoons.

    Meinem Weinhändler, Herrn Andreas Orthmann, danke ich für die stets gute Beratung und großzügige Versorgung mit Rot- und Weißweinen. Möge er mir trotz dieses Buchs auch weiterhin gewogen bleiben!

    Herrn Prof. Dr. theol. Martin Karrer von der kirchlichen Hochschule, Herrn Prof. Dr. med. Rasche von den Helioskliniken sowie Herrn Prof. Dr. med. W. Mendling danke ich für die Korrekturen und kritischen Interventionen.

    Herrn Alexander Keller und Dr. rer. nat. Enrico Ellinger danke ich für die mühevolle Formatierung des Manuskripts.

    Nicht zuletzt danke ich, Herrn Dirk Bittner, für die zahlreichen sprachlichen Verbesserungen des Manuskripts.

    Kapitel 1

    Alkoholkonsum und Gesundheit – ein historischer Überblick

    I Alkoholkonsum zum „Kontakt mit der heiligen Welt"

    Seinen geographischen Ursprung hat der Weinbau vermutlich in Vorderasien, in der Gegend des heutigen Georgien, Armenien und Südost-Anatolien. Von dort breitete sich die Weinkultur über den Mittelmeerraum bis nach Zentraleuropa und schließlich in die Neue Welt aus. Wein wurde nachweislich bereits um 4000 v.Ch. von den Ägyptern, Babyloniern und Indern angebaut. Man nutzte ihn demnach als Genussmittel, zur Stärkung, zur Fermentierung und Konservierung von Lebensmitteln, zur Bewusstseinserweiterung, als Heilmittel und zum „Berauschen bei rituellen und religiösen Anlässen. Wein wurde als göttliches Getränkverehrt. Er spielte eine wichtige Rolle bei den altägyptischen Totenfesten, bei denen „sich die Grenzen vom Diesseits zum Jenseits der Teilnehmer verwischten. In der Antike gab es in jeder Hochkultur eine Gottheit, die den Wein und den Weingenuss repräsentierte, etwa in Ägypten Osiris, in Griechenland Dionysos und in Rom Bacchus. Alkohol galt als bewusstseinserweiternd und erkenntnisfördernd. Im Rausch glaubte man, Beziehungen zu den Göttern herstellen zu können. Die Vorstellung, im berauschten Zustand den „Kontakt zur heiligen" Welt aufnehmen zu können, wurde auch in der Heilkunde genutzt.

    II Studien der Schule von Hippokrates zum Alkohol

    Hippokrates (400 vor Christus) und seine Schüler unternahmen auf Kos umfassende Studien hinsichtlich der Wirkung des Wein auf den gesunden und kranken Organismus. Wein wurde zur Stärkung, zur Beruhigung und als Schlafmittel, gegen Kopfweh und Depressionen, bei Herz-Kreislaufstörungen, Darmerkrankungen, als Harn treibendes Mittel und zur Wundbehandlung eingesetzt. Hippokrates war der Erste, der die Folgen des Alkohols zu erforschen versuchte und seine Beobachtungen beschrieb. Das alkoholische Delir war für ihn keine „göttliche Krankheit". So führte er das Delir eines thrakischen Königs eindeutig auf dessen unmäßigen Weingenuss zurück.

    Auch die Bierbraukunst hat eine lange Tradition. Bei dem Bier handelte es sich allerdings in der Regel eher um Met, das nur wenige Gemeinsamkeiten mit unserem heutigen Bier hat. Es wurde auf der Basis von vergorenem Honig unter Zutaten verschiedenster Gewürze und Wasser hergestellt und enthielt bis zu 20 Vol.-% Alkohol. Met fand ebenso wie Wein vielseitige Verwendung: als Opfergabe für die Götter, als Grabbeigabe, bei religiösen Festlichkeiten, aber auch als Heilmittel. Griechen und Römer hielten Bier auf Getreidebasis für ein Charakteristikum der Barbaren. Die Gallier stellten mehrere Biersorten aus unterschiedlichem Getreide her (Cervesia) (André 2013).

    III Wein zur Pflege der Geselligkeit

    In Rom verlor der Wein viel von seiner mystischen Bedeutung. Im Vordergrund stand der Genuss. Betrachtet man die zahlreichen Abbildungen aus der damaligen Zeit, so muss es damals wahre Weinorgien gegeben haben. Wein wurde aber auch therapeutisch genutzt: schwere rote Weine gegen Magen-Darmerkrankungen, gerbstoffreiche Weine bei Blutungen und alte Weine gegen Appetitlosigkeit. Wein diente auch zur Kräftigung, weswegen Schwerarbeiter und Ruderknechte zur Kräftigung Wein erhielten. Wein war nur erwachsenen Männern zugänglich, den Frauen war er verboten (André 1998). Ansonsten zählte Wein zu den Grundnahrungsmitteln und wurde – allerdings verdünnt und mit zahlreichen Zutaten versehen - zu jeder Mahlzeit und zu jeder Zeit getrunken.

    IV Met zur Stärkung von Mut und Entscheidungsfreude

    Von übermäßigem Alkoholkonsum der „Barbaren", den Kelten und den Thrakern berichteten römische Schriftsteller. Tacitus beschreibt in der Germania ausschweifende Gelage der germanischen Führungseliten. Es heißt dort, dass bei den Barbaren wichtige Beschlüsse nur im berauschten Zustand gefasst wurden, wobei jeder Beteiligte die gleiche Menge Alkohol erhielt. Es herrschte Trinkzwang, damit niemand Vorteile aus dem Rausch des Anderen ziehen konnte. Getrunken wurde Met. Die Kunst des Weinanbaus erreichte Germanien erst mit der römischen Besatzung. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches wurden die Bierzubereitung und der Weinbau vor allem in den Klöstern weiterentwickelt

    V Bier und Wein als Universalheilmittel

    Im Mittelalter, zurzeit Karl des Großen, verbreitete sich die Überzeugung, statt des häufig verunreinigten Brunnenwassers besser Wein zu trinken. Alkohol erlangte als Arznei eine zentrale Bedeutung. Wegweisende Autoritäten der Medizin (zum Beispiel Arnald von Villanova, 13. Jahrhundert) priesen das „aqua vitae als Universalheilmittel (Schott 2001). Die Mystikerin Hildegard von Bingen (1089 bis 1179 n. Chr.) sprach dem Bier große Heilkräfte zu. Sie fasste ihren medizinischen Rat bei vielen Krankheiten kurz und bündig mit den Worten zusammen: „Cerevisiam bibat„Er möge Bier trinken!"

    VI Herstellung von Branntwein

    Bereits im alten Ägypten kannte und praktizierte man die Destillation von Wein. In Europa verbreitete sie sich aber erst im Zuge der Expansion des Osmanischen Reiches – während des 14. und 15. Jahrhunderts -. Sie ermöglichte die Herstellung vom Branntwein, dem „Spiritus Vini", der als magisches Mittel bei der Krankenheilung galt, so auch bei der Pest. Whisky wurde von den Mönchen in England zur Behandlung aller möglichen Erkrankungen, einschließlich Pocken und Lähmungen verwendet.

    VII Erlass des Reinheitsgebots von Bier

    Hopfenbier setzte sich erst im 16. Jahrhundert durch. Mittelalterliche Klöster entwickelten jene Standards der Braukunst, die noch heute gültig sind. 1516 wurde das „Reinheitsgebot erlassen. Weinanbau und Bierproduktion entwickelten sich zu bedeutenden Industriezweigen. Die Biersuppe galt als gesund. Sie wurde in den Klöstern hergestellt und zu hohen Preisen verkauft. Im historischen Keller der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr befindet sich noch heute der Spruch „Gegen alle Kränk und Pest ist der Rotwein das Best.

    VIII Exzessives Trinken, ein Privileg der Oberschicht

    Reichlicher Alkoholkonsum gehörte beim Adel zum guten Ton. Die Chroniken und Memoiren des 16. und 17. Jahrhunderts liefern vielfältige Schilderungen ausschweifender Trinkgelage. An den Universitäten, in Offizierskorps und den Pfarreien wurde viel und exzessiv getrunken. Das „Saufen galt dabei - vergleichbar mit dem „Fressen (Völlerei) und „Huren"- zwar als Laster und Sünde, ein mäßiges Trinken erschien hingegen im Hinblick auf Geselligkeit und Wohlergehen aber erstrebenswert (Schott 2001). Auch den Professoren war das Laster nicht fremd, nicht zuletzt darum, weil viele von ihnen zur Verbesserung ihres Einkommens neben dem Lehramt den Bier- und Weinausschank betrieben.

    IX Erste gewerblichkommerzielle Brennereien. Alkohol zur Entspannung und Stärkung

    Im 16. Jahrhundert entdeckte die breite Bevölkerung Alkohol als wohlschmeckendes Genussmittel. Schnaps wurde zur Entspannung eingesetzt. Der Konsum von destilliertem Alkohol wurde, ausgehend vom Adel, über die wohlhabenden Bürger der Städte und die ländlichen Oberschichten, langsam in das Trinkverhalten der städtischen – später auch der ländlichen Unterschichten – integriert. So richtig setzte sich der Branntweinkonsum aber erst im Verlaufe des 18. Jahrhunderts durch. Nach 1700 entstanden gewerblichkommerzielle Brennereien, die Branntwein aus Getreide herstellten. Hausbrennereien setzten sich später durch.

    Ärzte verschrieben Alkohol zur Stärkung und Anregung bei „asthenischen Krankheiten. Seeleute, Soldaten und generell Menschen, die im Freien arbeiteten, entdeckten den Branntwein als „Schutz gegen die Kälte. Die Soldaten Napoleons sollen in den Schlachten große Mengen Branntwein konsumiert haben. Branntwein diente sowohl zur Motivation als auch als Nahrungsersatz und sollte im Gefecht die Angst verdrängen. Noch Ende des 19. Jahrhunderts wurde ernsthaft die Frage diskutiert, ob Lohnarbeiter überhaupt auf den Alkohol als vermeintlich notwendiges Nähr- und Stärkungsmittel verzichten könnten (Schott 2001). Der durchschnittliche Konsum lag bei ein bis drei Litern pro Tag; die Getränke hatten allerdings einen nur geringen Alkoholgehalt.

    X Kartoffelschnaps als Getränk des gemeinen Volkes. Auswüchse des Branntweinkonsums.

    Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte der Übergang von der Getreidezur Kartoffelbrennerei. Der Kartoffelschnaps war wesentlich preiswerter und wurde ein Massengetränk. Auch die ärmsten Bürger konnten sich nun den qualitativ minderwertigen (und mit Wasser gestreckten) Kartoffelschnaps leisten. Das hatte dramatische Auswirkungen, da sich der Alkoholismus wie eine Seuche über das Land ausbreitete (Branntweinpest). Es kam zu erheblichen Auswüchsen des Alkoholkonsums. Ärzte wiesen auf die Gefahr des Branntweins hin und propagierten stattdessen das Bier (Büren 1826). Spätestens seit dieser Zeit verbindet man Branntwein mit allen möglichen Eigenschaften, aber kaum noch mit positiven. Der Alkoholkonsum wurde verteufelt. Man erklärte ihn fortan als Auslöser aller möglichen sozialen und wirtschaftlichen Probleme - und als Ursache von Krankheiten. Zunehmend wurden die Auswüchse des Alkoholkonsums kritisiert und zur Gefahr für die Gesellschaft erklärt. Zur gleichen Zeit wurden wirksame Medikamente entwickelt, die Krankheiten besser bekämpften und die Heilkraft des Alkohols in den Hintergrund drängten. Alkohol als Heilmittel verlor an Bedeutung.

    XI Branntwein als „Seelentröster"

    Die Begleitumstände der Industrialisierung führten zu sozialen Missständen und machten die Bevölkerung für den Alkoholkonsum anfällig. Die teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Früh- und Hochindustrialisierung verleiteten so manchen Arbeiter, zur Flasche zu greifen. Schwierige Arbeitsbedingungen, Verarmung, Wohnungsnot, das Fehlen einer sozialen Absicherung und der Verlust familiärer Bindungen führten zum „Elendsalkoholismus und zur Flucht in den Alkohol (Schivelbusch 2005). Viele Arbeitgeber erlaubten den Alkohol am Arbeitsplatz, ja förderten seinen Konsum. Sie gaben ihren Beschäftigten Alkohol, damit diese die harten Arbeitsbedingungen besser ertragen konnten, denn überlange Arbeitszeiten, hohe oder niedrige Temperaturen am Arbeitsplatz und schwere körperliche Arbeit forderten ihren Tribut. Ein Teil des Lohnes wurde in Kartoffelschnaps ausgezahlt. Die Folgen waren verheerend. Der jährliche Branntwein-Pro-Kopf-Verbrauch (der in Preußen um 1800 noch bei 2 – 3 Litern lag) stieg in den 1830er und 1840er Jahren allein in Brandenburg auf über 13 Liter. Der Arbeiter benutzt den Alkohol als Fluchthelfer und Seelentröster gegen seine unmenschlichen Lebensbedingungen und verelendet schließlich im Alkohol", schrieb Engels (1845).

    XII Gründung der Mäßigkeitsvereine und Nüchternheitsbewegungen.

    Mäßigkeitsvereine und Nüchternheitsbewegungen wurden gegründet. Sie propagierten Mäßigkeit und warben für Nüchternheit beziehungsweise Abstinenz; so der 1851 in den USA gegründete Guttempler-Orden. Die Gewerkschaften erkannten die Gefahr für die Arbeiterschaft und fassten u. a. Beschlüsse gegen den Verkauf von Alkohol am Arbeitsplatz. Nahezu alle Regierungen in Europa und den USA bauten Barrieren zur Bekämpfung des Alkoholkonsums auf (Prohibition), sei es durch Erhöhung der Branntweinsteuern, durch den Entzug von Brennrechten oder dem Verbot von Hausbrennereien. Der Branntwein verteuerte sich dadurch und der Alkoholkonsum reduzierte sich auf wohlhabende Genusstrinker. In der Bevölkerung verlagerte sich die Bedeutung von Alkohol als Nahrungs- und Suchtmittel hin zum Genussmittel.

    XIII Beginnendes Interesse der medizinischen Forschung an Fragen von Sucht und Abhängigkeit.

    Mediziner hatten sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts vorrangig mit der Eigneschaft von Alkohol als Heilmittel befasst, nicht aber mit dessen Nebenwirkungen. Zunehmend begannen sie nun auf die negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums für das Individuum und die Gesellschaft hinzuweisen. Wesentliche Anstöße zur Einstufung des Alkoholismus als behandlungsbedürftige Krankheit kamen von Huss aus Schweden (1807 – 1890) und Auguste Forel in Zürich (1848 – 1931). Forel zählt zu den interessantesten und vielseitigsten Wissenschaftlern im 19. Jahrhundert. Ihm sind wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse in der Hirnforschung, der Entomologie, der Sozialmedizin zu verdanken. Er gründete die erste Trinkerheilanstalt und befasste sich intensiv mit den Ursachen, der Behandlung, aber auch der Prävention der Alkoholkrankheit. Forel gilt als Begründer der Psychiatrie in der Schweiz und gab als Sozialreformer wesentliche Anstöße. Wegen seiner sozialethischen und rassistischen Vorstellungen zur Rassenhygiene (die er später allerdings teilweise revidierte) und seines zeitweisen Engagements für die Verhinderung der Fortpflanzung von Alkoholikern genießt er heute keinen ungeteilten Zuspruch.

    Alkoholabstinenzbewegung 1890: Anton Delbrück, Auguste Forel, Eugen Bleuler, (S. Orelli-Rinderknecht?)

    Mit gerade fünfzig Jahren gab Forel seinen Lehrstuhl an der Universität Zürich auf, um sich intensiver seinen privaten Forschungen, so der Ameisenforschung, zu widmen. Die Leitung des Universitätsinstituts wollte er an seinen Schüler Anton Delbrück übergeben, was jedoch an der Intervention der Zentralregierung in Bern scheiterte, die keinen Deutschen auf dem Lehrstuhl wünschte und stattdessen den Schizophrenieforscher Eugen Bleuler berief. Anton Delbrück verließ daraufhin die Schweiz, baute in Deutschland die Bremer Heilanstalten auf und setzte sich in Deutschland intensiv für die Abstinenzbewegung ein. In der Psychiatrie ist er heute allerdings weniger wegen seiner (Anti) Alkoholismus Aktivitäten als dem (von ihm geprägten) Begriff der „Pseudologia Phantastica" bekannt.

    XIV Die Anti Alkoholbewegung um die Jahrhundertwende

    Die Jahre vor und nach dem ersten Weltkrieg waren in Deutschland von einer breiten, öffentlichen Auseinandersetzung um die Risiken des Alkoholkonsums gekennzeichnet. „Alkoholische Geistesstörungen rückten ins Blickfeld, ebenso Zusammenhänge von Alkohol und Nachkommenschaft von Alkohol und Verbrechen. Psychiatrie, Erbbiologie und Kriminalanthropologie gewannen an Bedeutung. Die Errichtung von Trinkerasylen wurde zu einer zentralen Aufgabe ärztlicher Gesundheitspolitik erklärt (Schott 2001). Abstinenz und Mäßigkeit beim Alkoholkonsum galten nicht mehr als ein Ausdruck von Schwäche, sondern als Merkmal eines vernünftigen Verhaltens. In der gleichen Zeit erreichte die Anti Alkohol Bewegung in den USA ihren Höhepunkt. Unterschiedlichste Gesellschaftsgruppen kämpften für ein Alkoholverbot: Frauen, die unter der Gewalt verarmter Trinker litten, Evangelikale, aber auch Industrielle wie Henry Ford, die sich von der Abstinenz eine Verbesserung der Arbeitsleistung versprachen. Von 1920 bis 1933 herrschte die Prohibition, d. h. „die Herstellung, der Verkauf, der Transport, der Konsum sowie die Ein- und Ausfuhr berauschender Getränke waren verboten. Mit der Prohibition sank der Alkoholkonsum zwar offiziell auf 30 %, aber diese Zahl beinhaltete nicht die schwarz gebrannten Spirituosen und das, was Schmuggler, Schwarzbrenner und Panscher in den illegalen Hinterzimmern, Kneipen, den „Speakeasys servierten. Der Konsum wurde lediglich in die Illegalität gedrängt. Die amerikanische Regierung beschloss 1933 die Aufhebung des Alkoholverbots.

    XV Alkoholkonsum und Antialkoholbewegung im Dritten Reich

    Im Dritten Reich hieß es, dass nur der Missbrauch, nicht aber der Alkoholkonsum als solcher zu verdammen sei. Die Weinindustrie wurde unterstützt. Zusätzlich zu Hitlers „Mein Kampf erhielten Brautpaare in einigen Städten zwei Flaschen Wein als Geschenk vom Bürgermeister. Obdachlose Alkoholiker hingegen riskierten eine Verhaftung und eine Abschiebung. Man stufte Alkoholismus als angeborene bzw. vererbbare Krankheit und als psychopathische Minderwertigkeit ein. Alkohol wurde zum gefährlichen „Keimgift erklärt. Alkoholabhängige galten als „Volksschädlinge und Minderwertige, vor denen die arische Rasse zu bewahren sei. Sie galten als „Saboteure und Schmarotzer, die die Gesundheit und Leistungskraft des Volkes schädigten und wurden der öffentlichen Missachtung preisgegeben. Trinker, die weder durch die organisierte Alkohol-Gefährdetenhilfe noch durch einen freiwilligen oder auferlegten Aufenthalt in einer Heilstätte (Trinkerasyle, Trinkerheilstätten) gebessert werden konnten, stellte man unter polizeiliche Aufsicht. Die Asylierung sollte sie einer „nutzbringenden Arbeit zuführen und ihre Fortpflanzung verhindern. Bei etwa 5 bis 10 % der Alkoholkranken wurde eine Zwangssterilisation gemäß dem „Gesetz zur Verhütung erbrankten Nachwuchses durchgeführt (Fahrenkrug 1991). Hierdurch erhoffte man sich nicht nur die Aufwertung der germanischen Rasse, sondern auch einen merklichen Rückgang des Alkoholismus.

    XVI Alkoholkonsum in zweiten Weltkrieg

    Wer sich als Soldat in alkoholisiertem Zustand etwas zuschulden kommen ließ, für den galt das Kriegsrecht. Der Rekrut musste – je nach Schwere des Delikts – mit Strafen bis hin zur standrechtlichen Erschießung rechnen. Für die Offiziere galten andere Regeln. Ihnen wurde der Alkoholkonsum zumeist zugestanden. Missbrauch wurde bei ihnen mit der geistigen, körperlichen und seelischen Erschöpfung entschuldigt, die der Kriegseinsatz mit sich brachte. Man bot

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