Verantwortliches Management Ratgeber für ethische Werte im öffentlichen und privaten Management: Erfolgsmodell Kloster
Von Linda Maria Koldau und Erika Krüger
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Management ist heute in aller Munde - gutes Management ist gefragt, von den internationalen Großkonzernen der Privatwirtschaft über Krankenhäuser, Universitäten und Polizeiwachen bis hin zum "Familienmanagement" und "Zeitmanagement" des Einzelnen in einer Zeit, in der alles beschleunigt und atemlos erscheint.
Das Kloster- und Ordensleben mit seinen jahrtausendealten Traditionen scheint außerhalb dieser Zeit zu stehen. Tatsächlich aber mussten sich Menschen, die in Klöstern leben, schon immer den gleichen Herausforderungen stellen, die uns auch im weltlichen Arbeits- und Privatleben begegnen: Eine funktionierende Klostergemeinschaft verlangt eine gute und kluge Organisation, sowohl in Betrieb und Verwaltung als auch in den menschlichen Beziehungen der Bewohner untereinander. Klostergemeinschaften müssen sich ebenso Fragen der Macht und Hierarchie stellen und zwischenmenschliche Konflikte bewältigen, wie dies in der "Welt draußen" der Fall ist.
In der Geschichte sind zahllose Klöster und sogar ganze Orden in Schwierigkeiten geraten, wenn das Management nicht stimmte - wenn etwa ein zu großer Abstand zwischen Leitung und einfachen Gemeinschaftsmitgliedern entstand, wenn die Mittel, die dem Kloster zur Verfügung stehen, unklug verwaltet wurden, wenn gar Korruption und persönliche Machtinteressen das Klostermanagement zu prägen begannen. Und doch haben Orden überlebt, und doch gibt es bis heute unzählige gut funktionierende Klostergemeinschaften, die das Gut ihrer Klöster weise verwalten und sich den typischen menschlichen Konflikten in ihrer Gemeinschaft stellen.
Was ist das "Rezept", was die "Überlebensformel" solcher Gemeinschaften? Können heutige Manager von Klöstern lernen? Liegt der Unterschied zu weltlichen Gemeinschaften und Organisationen in der gemeinsamen geistlichen Grundlage, im christlichen Fundament der Gemeinschaft? Wie gehen Ordensleute heute mit der Spannung zwischen Gehorsamsgebot und individueller Selbstbestimmung um, mit dem Dilemma zwischen den Hierarchien, die klösterlichen Gemeinschaften notwendigerweise innewohnen, und dem Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben, das auf Gleichheit und gegenseitigem Respekt beruht? Und wie verhalten Kloster¬gemeinschaften sich im Verhältnis zu anderen Institutionen und Organisationen, die ein Mitbestimmungsrecht über die klösterlichen Güter, die Gemeinschaft und ihr geistliches Leben besitzen, aber selbst nicht Teil dieser Gemeinschaft sind?
In diesem Buch teilen Ordensangehörige, Theologen und Experten für Management ihre Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart. Dadurch entstehen Einblicke und Erkenntnisse zur verantwortungsvollen Organisation und Führung von Gemeinschaften mit Werten, die "weltlichen" Managern durchaus als Inspiration dienen können.
Linda Maria Koldau
Linda Maria Koldau ist Professorin für Musikwissenschaft und Kulturgeschichte und hat zahlreiche Bücher und Artikel veröffentlicht, darunter auch mehrere Bücher über Management und Verantwortung im öffentlichen Sektor. Nebenberuflich ist sie als Tierheilpraktikerin mit Spezialisierung auf Meerschweinchen tätig.
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Buchvorschau
Verantwortliches Management Ratgeber für ethische Werte im öffentlichen und privaten Management - Linda Maria Koldau
Einführung
Management ist heute in aller Munde – gutes Management ist gefragt, von den internationalen Großkonzernen der Privatwirtschaft über Krankenhäuser, Universitäten und Polizeiwachen bis hin zum „Familienmanagement und „Zeitmanagement
des Einzelnen in einer Zeit, in der alles beschleunigt und atemlos erscheint.
Das Kloster- und Ordensleben mit seinen jahrtausendalten Traditionen scheint außerhalb dieser Zeit zu stehen. Abgeschlossen, still, friedlich, so ist das Bild, das wir uns von Klöstern machen. Tatsächlich aber mussten sich Menschen, die in Klöstern leben, schon immer den gleichen Herausforderungen stellen, die uns auch im weltlichen Arbeits- und Privatleben begegnen: Eine funktionierende Klostergemeinschaft verlangt eine gute und kluge Organisation, sowohl in Betrieb und Verwaltung als auch in den menschlichen Beziehungen der Bewohner untereinander. Klostergemeinschaften müssen sich ebenso Fragen der Macht und Hierarchie stellen und zwischenmenschliche Konflikte bewältigen, wie dies in der „Welt draußen" der Fall ist.
In der Geschichte sind zahllose Klöster und sogar ganze Orden in Schwierigkeiten geraten, wenn das Management nicht stimmte – wenn etwa ein zu großer Abstand zwischen Leitung und einfachen Gemeinschaftsmitgliedern entstand, wenn die Mittel, die dem Kloster zur Verfügung stehen, unklug verwaltet wurden, wenn gar Korruption und persönliche Machtinteressen das Klostermanagement zu prägen begannen. Und doch haben die Orden überlebt, und doch gibt es bis heute unzählige gut funktionierende Klostergemeinschaften, die das Gut ihrer Klöster weise verwalten und sich den typischen menschlichen Konflikten in ihrer Gemeinschaft stellen.
Was ist das „Rezept, was die „Überlebensformel
solcher Gemeinschaften? Können heutige Manager von Klöstern lernen? Liegt der Unterschied zu weltlichen Gemeinschaften und Organisationen in der gemeinsamen geistlichen Grundlage, im christlichen Fundament der Gemeinschaft? Wie gehen Ordensleute heute mit der Spannung zwischen Gehorsamsgebot und individueller Selbstbestimmung um, mit dem Dilemma zwischen den Hierarchien, die klösterlichen Gemeinschaften notwendigerweise innewohnen, und dem Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben, das auf Gleichheit und gegenseitigem Respekt beruht? Und wie verhalten Klostergemeinschaften sich in Beziehung zu anderen Institutionen und Organisationen, die ein Mitbestimmungsrecht über die klösterlichen Güter, die Gemeinschaft und ihr geistliches Leben besitzen, aber selbst nicht Teil dieser Gemeinschaft sind?
Diesen Fragen ging die Tagung „Verantwortliches Management – Erfolgsmodell Kloster" am 21. und 22. September 2021 in Kloster Ebstorf nach. Die Referentinnen und Referenten waren Ordensangehörige, Theologen und Experten für Management, die ihre Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart teilten und mit den Bedingungen außerhalb des Klosters verglichen. Abgedeckt wurden dabei folgende Bereiche:
•Gemeinschaftsstrukturen: Hierarchie, Aufgabenverteilung
•Arbeitsteilung im Kloster: Aufgabenverteilung, Finanzverwaltung, Fundraising
•Menschliches in der Gemeinschaft: Regeln, Regelverletzung, Schuld, Sühne und Vergebung
•Sprache: Kommunikation in der Gemeinschaft und nach außen
Die Referenten brachten Erfahrungen aus verschiedenen Ordensgemeinschaften mit: Zisterzienser, Teresianischer Karmel, Franziskaner, Benediktiner. Dass gleich zwei Vorträge die Grundsätze des Gemeinschaftslebens im Teresianischen Karmel darlegten, war dabei kein Zufall: Teresa von Avila (1515–1582) war Gründerin zahlreicher Klöster, für die sie – basierend auf jahrzehntelangen Erfahrungen in ihrem Eintrittskloster – neue Regeln gemeinschaftlichen Zusammenlebens entwarf. Modern gesagt, war sie eine Managerin mit weitreichender Erfahrung in Leitung, Personalführung, Konfliktlösung, Public Relations und Fundraising. Hinzu kommt, dass ihr Wissen und ihre praktischen Erfahrungen in einem Quellencorpus belegt sind, das wohl als einmalig in der Geschichte der verschiedenen Orden gelten darf: Teresa hat ihre Erfahrungen in Gründung und Leitung, vor allem aber im Glaubensleben – das bei Teresa die Grundlage für alles andere ist –, in mehreren Büchern festgehalten. Darüber hinaus sind fast 500 Briefe erhalten, in denen Teresa oftmals die Einzelheiten (und nicht selten Probleme) des praktischen Alltags in den Klöstern darlegt ¹ – insgesamt also ein umfassendes „Managementmanual", wie Historiker und Personen mit Leitungsverantwortung es sich nicht ausführlicher wünschen könnten. Die Vorträge von Schwester Mechthild Brömel und Pater Ulrich Dobhan legten auf der Tagung die Grundlinien dar, wie diese ungewöhnliche Ordensfrau des 16. Jahrhunderts mit ihren Mitschwestern und -brüdern umgegangen ist und Regeln für Gemeinschaften erstellt hat, die sich bis heute auf bewundernswerte Weise bewährt haben. ²
Mit den Beiträgen von Äbtissin Petra Articus und Schwester Anna Elisabeth Rifeser sind zwei weitere große Orden vertreten, Zisterzienser und Franziskaner. Während die Frage nach dem Umgang mit Schuld und Vergebung in Klostergemeinschaften ausgehend von einem historischen Blick auf die Tertiarschwestern des hl. Franziskus in Brixen diskutiert wird, zeichnet Äbtissin Articus ein lebendiges Bild von den konkreten strukturellen und finanziellen Herausforderungen, denen sich eine Klostergemeinschaft und ihre Äbtissin im ausgehenden 20. und 21. Jahrhundert stellen müssen.
Ob historisch oder zeitgenössisch: Die Leitlinie in den Erfahrungsberichten dieser Gemeinschaften ist stets das Glaubensfundament, das – zusammen mit den ethischen Richtlinien für ein gutes Zusammenleben – den einzelnen Klostergemeinschaften und den Orden im Ganzen selbst in unüberwindlich scheinenden Krisen den notwendigen festen Halt und gemeinsamen Fokus gegeben hat.
Dies führt zurück zur Grundfrage dieser Tagung: Lassen sich die klösterlichen Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart auf Managementstrukturen außerhalb der Klöster übertragen? Der einführende Beitrag von Linda Maria Koldau weist auf grundlegende Probleme im heutigen Management hin (sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft), die auf einen tiefgreifenden Wandel im Selbstverständnis von Management seit den 1980er Jahren zurückgehen. Die Ziele und Werte dieses Managements sind, wenn auch mit anderen Wörtern ausgedrückt, den althergebrachten Grundregeln des Klostermanagements nicht unähnlich: Effizienz, Exzellenz, Authentizität und Rechenschaftsbereitschaft sind nicht nur die großen Slogans des heutigen Managements – sie galten von jeher als Grundsätze für gutes, verantwortliches Management, auch in Klostergemeinschaften (wo weniger wortgewaltig von gemeinschaftlicher Zusammenarbeit, Gehorsam, Verantwortung und Wahrhaftigkeit die Rede ist). Die Frage ist freilich – und hierauf weist vor allem der abschließende Beitrag zur Sprache und Wortwahl des heutigen Managements hin –, wie weit diese Leitwörter des Managements in der Wirklichkeit verankert sind, die sie beschreiben. Denn nur wenn das, was die Sprache beschreiben will, auch eine Verbindung zur Wirklichkeit hat, die wir im Alltag erleben, ist Sprache noch das, was sie sein soll: ein vertrauenswürdiges Mittel der Kommunikation, ein zuverlässiger Träger menschlicher Beziehungen. In dem Augenblick, in dem wir die positiven Leitwörter des Managements nur noch als leere Worthülsen auffassen können, während unsere Wirklichkeit eine andere ist, hat die Sprache diese entscheidende Funktion verloren – und wir sehnen uns zurück zur Wahrhaftigkeit (modern gesagt: Authentizität), zu der bereits die Bibel in ihren Leitlinien für menschliches Miteinander vielfach aufruft.
Die abschließende Grundfrage dieses Buches lautet somit: Was können wir von Klöstern lernen, damit ihre Werte gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Welt außerhalb des Klosters greifbare Wirklichkeit werden und zu einem besseren Management im menschlichen Miteinander führen?
Rechtsseitige Abbildung:
Blick aus dem Refektorium des Klosters Ebstorf auf den sonnigen Innenhof,
September 2021
¹ Vermutet wird, dass Teresa insgesamt bis zu 25.000 Briefe geschrieben oder diktiert hat.
² Der Vortrag von P. Ulrich Dobhan OCD ist nicht in diesem Band enthalten, ist aber als Video auf YouTube unter „Heimat- und Kulturkreis Ebstorf" zu sehen.
Management heute – ist das noch mit ethischen Werten vereinbar?
Prof. Dr. Linda Maria Koldau, Schwedeneck
Als soziales Wesen lebt der Mensch in Gemeinschaften – Gemeinschaften, die quer durch alle Kulturen und die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte fast immer so organisiert sind, dass es eine Spitze mit Verantwortung gibt, darunter eine kleine Gruppe mit speziellen Aufgaben innerhalb des Verantwortungsbereichs und schließlich die große Gruppe der Gemeinschaft. Ob Großfamilie oder Stamm, mittelalterliche Ständegesellschaft, moderne Unternehmensstruktur oder Staatswesen, das Muster ist stets gleich geblieben. In heutigen Demokratien wird zwar gerne und mit Stolz von „flachen Strukturen" gesprochen. Tatsächlich aber gilt gleichermaßen in demokratischen Gesellschaften, dass eine kleine Gruppe mit einigen Wenigen in Spitzenpositionen die Leitung des Staatswesens innehat und dass die typische Pyramidenstruktur sich genauso in öffentlichen und privaten Institutionen wiederfindet – nur mit dem Unterschied zu früheren Staatsformen, dass die Machtpositionen für begrenzte Zeit vergeben werden, idealerweise auf der Grundlage freier Wahlen. An der Pyramidenstruktur der Gemeinschaft hat sich dennoch nichts geändert.
Das Interesse daran, wie an der Spitze der Pyramide Macht und Vermögen der Gemeinschaft verwaltet werden, scheint heute größer denn je: Management-Ratgeber und Seminare gibt es wie Sand am Meer, und sowohl Institutionen wie auch politische Parteien schicken Nachwuchstalente auf „Leadership-" oder Management-Seminare, in der Hoffnung, dass die dortige theoretische Schulung zuletzt zum Erfolg der Kandidaten und zu profitabler Umsetzung in der Praxis führen wird.
Gleichzeitig sind Management-Praktiken jedoch auch in allgemeine Kritik geraten wie selten zuvor. Die Erwartungen der Gesellschaft – ob Bürger im Staatswesen oder Mitarbeiter und Kunden eines Unternehmens – sind hoch, gleichzeitig häufen sich Beispiele für das Versagen des Managements. Erinnert sei nur an den VW-Skandal, das mangelhafte Warnsystem bei der Flutkatastrophe vom Sommer 2021 oder, ganz allgemein, die Kette von Finanzkrisen mit ihrem Hintergrund von fragwürdigen Investment-Strategien. Diese Beispiele erscheinen jedoch nur als Spitze des Eisbergs: Wer mit Arbeitnehmern aus beliebigen Bereichen spricht, sei es in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Sektor, hört ständig neue Beispiele dafür, wie oft gute Arbeit und gute Ideen „von oben" blockiert werden, und das, obwohl das Management ja gut geschult ist und nur das Beste will.
Wie kommt es zu diesem Gegensatz – und was macht gutes Management heute eigentlich aus? Gibt es Werte und Regeln, die Abhilfe schaffen können, wenn es knirscht – und können wir etwas von den Klöstern lernen, die immerhin als Institutionen menschlicher Gemeinschaft Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende überdauert haben?
Leitungsstrukturen in Klöstern
Im traditionellen Kloster besteht eine Ämteraufteilung, die dem klassischen Organigramm eines Unternehmens oder einer größeren Institution gleicht:
Abt
(auch: Prior)
höhere Ämter
Subprior, Dekan, Bursar, Cellerar, Grangiar
niedrigere Ämter
Portarius, Infirmar, Novizenmeister, Hospitalar,
Vestiar, Sakristan, Bibliothekar, Kantor, Archivar, Subcellerar
Gemeinschaft
Brüder ohne Ämter
Die gleiche Struktur gilt für Frauenklöster, allerdings mit der Besonderheit, dass in den Klöstern der katholischen Orden geistliche Ämter durch Männer wahrgenommen werden (Priester, Beichtvater), die dem Kloster zugeordnet sind, aber nicht der Gemeinschaft an sich angehören. Über viele Jahrhunderte hin lag darüber hinaus die Verwaltung der Güter ebenfalls in den Händen eines männlichen Geistlichen, der als Propst seine Wohnung auf dem Gelände des Klosters hatte. Die Gemeinschaft selbst wurde und wird jedoch von einer Äbtissin oder Priorin geleitet, die wiederum durch eine Gruppe von Amtsinhaberinnen unterstützt wird.
Die Aufgaben von Abt oder Äbtissin gleichen denjenigen des modernen Managements:
•Führung der Gemeinschaft (geistlich und weltlich)
•Verwaltung der Gesamtorganisation
•Aufgabenbereiche innerhalb des Klosters: Verteilung der Aufgaben, Aufsicht, Kontrolle
•oberste Verantwortung für die Güter- und Finanzverwaltung
•Strukturerhalt und -erneuerung
•Vertretung der Gesamtorganisation nach außen
Über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende haben Ordensleute diese Aufgaben wahrgenommen und ihre Klöster durch oft bewegte Zeiten geführt.