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Vor den Toren zum Paradies: Das Leben unserer Kindeskinder
Vor den Toren zum Paradies: Das Leben unserer Kindeskinder
Vor den Toren zum Paradies: Das Leben unserer Kindeskinder
eBook501 Seiten6 Stunden

Vor den Toren zum Paradies: Das Leben unserer Kindeskinder

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Über dieses E-Book

Wir schreiben das Jahr 2070. Die Welt ist globalisiert. Zwei Menschen, zwei komplett unterschiedliche Lebensentwürfe:

Auf der einen Seite Jenny, eine junge, intelligente und durchsetzungsfähige Frau, die mit ihrem Töchterchen in einer geborgenen identitären Gesellschaft wirken und leben möchte. Auf der anderen Seite Charly, ihr ehemaliger Freund, der die Welt erobern, der den Traum "vom Tellerwäscher zum Millionär" in die Tat umsetzen möchte.

Beide kämpfen auf ihre Art ums Überleben: Jenny stemmt sich gegen Vorurteile, Denkfaulheit und Bürokratie, während Charly auf seiner Reise um die Welt zu höchsten Höhen aufsteigt, wieder ganz nach unten stürzt und manchmal nur noch sein nackes Leben in Händen hält.

Finden beide wieder zueinander?

Ein spannender Abenteuer- und Politthriller, in dem auch der nötige Schuss Erotik nicht fehlt!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Nov. 2016
ISBN9783734561290
Vor den Toren zum Paradies: Das Leben unserer Kindeskinder

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    Buchvorschau

    Vor den Toren zum Paradies - Gerd-Uwe Dahlmann

    1

    Auf einem Marktplatz irgendwo im Westen Eurasiens.

    Aus einem amtlichen Lautsprecher ertönt die Stimme des Regierungssprechers der Einenweltregierung.

    „Seid gegrüßt ihr Menschen auf der Erde …, seid gegrüßt ihr Menschen in Afrika, in Amerika, Eurasien und auf dem fünften Kontinent.

    Heute ist ein großer Tag für die Menschheit! Wir feiern den Tag, an dem wir eine Welt geworden sind. One World, eine Welt, eine Menschheit – eine Weltregierung. Eine Regierung, die alle Menschen regiert, die für alle da ist. Als Welthauptstadt haben wir Jerusalem ausgewählt. Hier, wo die drei großen Weltreligionen heute in Harmonie nebeneinander bestehen, hier, wo so viele verschiedene Kulturen heute friedlich zusammenleben, hier, wo die Wiege der Zivilisation steht, hier haben wir uns als Weltregierung zusammengefunden.

    Ihr, … ich meine euch, … Ihr wählt in geheimen Wahlen aus den verschiedenen Verbänden, den Gewerkschaften und den Vertretern der vereinigten Kirchen, einen euch vorgeschlagenen Abgeordneten eures Bezirks. Diese Abgeordneten, aus den verschiedenen Bezirken, wählen wiederum die Delegierten für die Regionalparlamente. Diese schicken ihre Delegierten in die jeweiligen Kontinentalparlamente und das Kontinentalparlament wählt dann die Weltregierung – eure Regierung. Damit die verschiedenen Bevölkerungen der ganzen Welt gerecht repräsentiert werden, wurde beschlossen, dass aus allen Regionen gleichmäßig viele Parlamentarier für das Weltparlament entsendet werden. Und so haben wir dann zehntausend Abgeordneten für das Weltparlament bestimmt. Das hört sich nach sehr viel an, ist aber im Verhältnis zur gesamten Weltbevölkerung sehr wenig und dient, wie bereits gesagt, einer gerechten Verteilung der Verantwortung.

    Liebe Mitweltbürgerinnen und Mitweltbürger, ihr habt ab heute euer Schicksal selbst in der Hand. Dies ist die reine Form der Herrschaft der Menschen, die reine Form der Herrschaft von unten nach oben, wie ich soeben dargelegt habe.

    Alle Probleme werden wir ab heute gemeinsam lösen, friedlich miteinander ohne Streit, ohne Kriege. Unsere neue Regierung wird alle Güter und Errungenschaften der Menschheit gerecht und gleich unter allen Menschen verteilen.

    Wir, der Weltrat, haben ein Konzept entwickelt, das einer Weltregierung, mit den vorher beschriebenen Untergliederungen, erlaubt, in vollkommener Übereinstimmung mit den Bedürfnissen aller Menschen, alle Vorgänge auf unserem Globus zur Zufriedenheit jedes Einzelnen zu regeln. Ich will nicht übertreiben, aber man kann sagen, dass wir unter diesen Voraussetzungen paradiesischen Zeiten entgegengehen.

    Wir gehen …, j-a wir leben schon ab heute vor den Toren zum Paradies. Bla, bla, bla …"

    „Wer kriegt den Öko-Burger?"

    „Hier, ich bitte."

    „Haste die Sozimarke dabei?"

    „Nein, die habe ich leider zu Hause vergessen."

    „Dann musste den vollen Zahlen, macht 250 Unierte, da hätteste fuffzig sparen können. Tipp da am Kästchen deine Identnummer ein und bestätige mit Fingerabdruck auf dem Glasfeld. Also Leute, für die, die es vergessen haben, ab heute wird nicht mehr bar bezahlt, is verboten, nur noch übern Telepointer!"

    „Wer kriegt das Peace-Omelett?"

    „Hallo Charly!"

    „Ach, Jenny, du?"

    „Ich wollte dich schon in den Studios treffen, aber da warst du schon weg und so bin ich Dir nachgegangen. Es gibt ja nicht viel Auswahl, welchen Weg man gehen muss."

    „Ich wollte eigentlich mit dem Gerätewagen mitfahren, war aber zu spät und mit den Öffentlichen ist es zu teuer, besonders dann, wenn man, wie ich, seinen Studentenausweis vergessen hat."

    „Du hättest ja vierter Klasse fahren können, aber das Publikum entspricht ja nicht deiner Kategorie bzw., der, der du gern angehören würdest. Kann ich ein Stück von deinem Brötchen haben?"

    „Mensch Jenny, es ist Monatsende und mein BAföG ist auch noch nicht da. Meinetwegen; ich muss jetzt aber gehen."

    „Ich komm mit."

    „Was wolltest du eigentlich von mir?"

    „Ja, Charly, du weißt ja, wie beschissen es mir geht, können wir uns deinen Job nicht teilen?"

    „Bist du wahnsinnig? Ich brauche jeden Unierten und das BAföG wurde auch schon wieder gekürzt, außerdem muss ich Unterhalt für meine kranke Mutter zahlen."

    „Ich dachte, wenn wir zusammenziehen, sparst du doch auch eine ganze Menge. Lass uns nicht durchs Moslemviertel gehen, da verhauen sie dich. Schon allein, weil du blond bist. Gehen wir ein paar Straßen weiter runter, das ist sicherer."

    „Aber dann gehen wir doch durch eine Gegend der vierten Kategorie!"

    „Gib einfach den bettelnden Kindern nichts, dann wird man uns in Ruhe lassen."

    Die Straße, in die sie nun einbiegen, hat keine Pflasterung und auch keinen Fußweg; kein Straßenschild verrät ihren Namen. Die Hütten rechts und links der mit Schlaglöchern übersäten Straße sind aus Holzresten und Pappe gebaut. Die Häuser haben Wellblechdächer, teilweise aber auch nur Plastikplanen als Bedachung. In den Gärten versuchen die Bewohner Gemüse anzubauen, das sie sich aber immer wieder gegenseitig stehlen.

    „Wie kommst du denn darauf, dass wir zusammenziehen sollten?"

    „Weil ich es alleine nicht schaffe und ich glaube du auch nicht, trotz deiner hochtrabenden Pläne."

    „Wieso sollte ich es denn nicht in eine der höheren Kategorien schaffen? Jeder hat eine Chance."

    „Jeder Angepasste und die der dritten und vierten Kategorie schon allemal nicht, mit Ausnahme der paar Vorzeigeaffen, die im Medienzirkus beschäftigt werden und uns als Promis verkauft werden. Ich habe dir doch gesagt, du sollst den Kindern nichts geben!"

    „Nur etwas Kleingeld, damit sie nicht so lästig sind."

    „Das war genau falsch Charly, und jetzt hast du die ganze Meute am Hals und die zieht hundertprozentig das Gesocks an."

    „Hey, Ihr zwej hibschen …

    Drei zerlumpte Gestalten, die eine Armutswelle irgendwann hier angespült hatte, umringt das Paar.

    … Jib Schakett, Blonder, Brieftasche kannste drin lassen."

    „Jackett, Brieftasche? Der spinnt wohl. Ich ruf die Polizei."

    „Polizei? Wovon redet er Jakkusch? In welcher Kat lebst du, hier gibts kene Polizei nich."

    „Sei vernünftig Charly, gib ihm die Jacke, hier wird dir keiner helfen."

    „Kluges Mädchen, nun mach schon. Bringt bei Trödler mindestens zweetusend Unnies."

    „Was is mit dem Mädschen Brodin?"

    „Fasst mich nicht an ihr dreckigen Schweine, dem Ersten, der es versucht, kratze ich die Augen aus!"

    „Komm Jakkusch, lass uns abhauen, ehe die anderen uns alles wieder wegnehmen."

    „Na klasse! Das war ja ein super Tag, wär ich bloß nicht aufgestanden, dann hätte ich genauso viel verdient."

    „Tja Charly, du schwebst eben immer in höheren Regionen, du müsstest öfter durch solche Gegenden gehen, dann bleibst du mit den Füßen am Boden."

    „Werde ich hundertprozentig nicht. Nach oben muss man sich orientieren – Jenny."

    „Wo lebst Du denn, glaubst Du mit deinem BWL-Studium wirst du mal Chef von Volkswagen?"

    „Warum eigentlich nicht?"

    „Weil Du dein Studium nur so nebenher machst und weil du nicht auf eine Elite-Uni gehst. Weil du auch nicht das nötige Vitamin B hast, oder kennst du jemanden in der VW-Zentrale? Die ist übrigens in Schanghai …"

    „Weiß ich …"

    „Der Vorstandsvorsitzende Li Dau Zeng entstammt einem alten Adelsgeschlecht und hat alle Kulturrevolutionen überstanden …"

    „Na und? …"

    „Das heißt, diese Leute mischen immer mit und sind am Ende doch immer wieder vorne. Hast du schon einmal eine historische Landkarte gesehen?"

    „Wozu?"

    „Früher war Amerika im Westen, Eurasien in der Mitte und Asien im Osten auf den Karten. Heute ist Amerika im Osten, China, Asien und Australien in der Mitte und das ehemalige Europa im Westen auf der Landkarte …"

    „Meinetwegen …"

    „Als der Aktienbesitz von VW in chinesische Hände überging; weißt du, was der erste chinesische Vorstandsvorsitze gesagt hatte, als man ihm sagte, dass er nun in die Hauptzentrale nach Wolfsburg müsste?"

    „Na was denn?"

    „Wo liegt denn Wolfsburg?"

    „In Deutschland", war die Antwort.

    „Und wo liegt Deutschland?"

    „Im Regionalstaat westliches Eurasien."

    Ein Sekretär zeigte die ungefähre Lage von Wolfsburg.

    „Waaas, da soll ich hin? Da oben bei Grönland, ans Packeis? Wir werden eine neue Zentrale bauen, in Schanghai! Volkswagen ist schließlich ein chinesisches Auto."

    Jenny schaut Charly mitleidig mit ihren sanften hellbraunen Augen an.

    „Gut meine Liebe, ich muss ja nicht gleich Chef von VW oder Siemens werden, obwohl mich Schanghai oder Hongkong schon reizen würde. Aber eine Etage unter Li Dau lebe ich immer noch in der zweiten Kategorie."

    „Du wirst bestenfalls hier Filialleiter in einer Servicestation von VW oder Siemens. Aber immerhin kannst du dann deinen Status in der dritten Kategorie aufrechterhalten."

    Sie haben nun das Elendsviertel verlassen und kommen in ein Quartier der dritten Kategorie. Dieses Viertel besteht aus Plattenhochbauten, es gibt aber auch Straßen mit Mietshäusern, die eine bessere Bausubstanz haben.

    „Komm Jenny, lass uns durch den „Kontipark gehen. Da müssen wir nicht durch das Verkehrsgewühl mit seinen stinkenden Abgasen.

    Park des kontinuierlichen Fortschritts und der Völkerfreundschaft steht auf einer verwitterten Säule am Eingang. Darunter eine beschädigte Tafel mit den Namen derer, die sich für die Erschaffung des Parks oder anderer Dinge des Fortschritts verdient gemacht hatten. Die Landschaft des Parks ist eine Steppe mit Büschen. Bäume gibt es nicht mehr, sie wurden von den Armen abgeholzt, um Brennholz zu haben. Alle Versuche einer neuen Bepflanzung schlugen fehl, weil selbst die jungen Bäume gleich wieder abgeschlagen wurden. Heute hat die Stadtverwaltung ohnehin kein Geld mehr für solche Dinge.

    Die beiden sind im Zentrum des Parks angelangt.

    „Die Regierung dieses Landes wird alles daransetzen, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung weiter kontinuierlich zu verbessern …", dröhnt eine Stimme aus einem Lautsprecher, die an allen öffentlichen Plätzen aufgestellt sind. Auf eine riesigen Betonwand ist das Bild eines Nachrichtensprechers projiziert.

    Ein paar zerlumpte Gestalten hocken apathisch im Sand. Bänke gibt es nicht mehr. Das Holz und selbst die Zementsockel wurden als Baumaterial entwendet.

    „„‚ dazu hat unsere Regierung bei der Weltregierung in Jerusalem eine niedrigere Umverteilungsrate beantragt, das heißt, unsere Region muss weniger Abgaben …"

    „Komm Charly, lass uns weiter gehen, ich kann diesen Mist nicht mehr hören."

    „Wieso, klingt doch ganz vernünftig, endlich einmal mehr für uns hier."

    „Und das glaubst du?"

    „Dem Regiodirektor Özmir ist von den örtlichen Behörden, wegen seiner Zugehörigkeit zum Islam, die Einreise nach Jerusalem verweigert worden …", tönt die Stimme hinter Jenny und Charly her.

    „Siehst du Charly, leider kann er nun nicht mehr vor der Weltregierung sprechen; das nenn ich höhere Gewalt. – Ich wusste übrigens gar nicht, dass der Nachrichtensprecher dem Voodoo-Kult anhängt."

    „Wie kommst du denn darauf?"

    „Hast du denn nicht die vielen bunten Ornamente auf seinem Gesicht gesehen? Das war ja eine komplette Kriegsbemalung."

    „Du Doofe, das ist doch das Graffito auf der Betonwand."

    „Ach."

    „Einen Augenblick mal ihr beiden …, ein Wachmann kommt auf sie zu, „… wohin des Weges?

    „Wir müssen hier nur durchgehen, ich wohne auf der anderen Seite des Viertels, das hier ist meine Freundin."

    „Zeigt mal eure Identkarten!"

    „Können Sie mal die Schranke aufmachen? Ich wohne hier in der Nähe."

    „Ich muss erst einmal euere Kennung aufnehmen und dann noch euere Identität überprüfen. So, ihr könnt weitergehen."

    „Tja Jenny, hier ließe es sich leben."

    „Wo alles so schön eingezäunt ist."

    „Jedenfalls ist man hier sicher. Schau einmal dieses wunderschöne Haus, ganz weiß und wie großzügig …"

    „Eher großkotzig."

    „… und blaue Hochglanzschindeln auf dem Dach …"

    „Die Schlitze in dem runden Turm sind das Schießscharten?"

    „Meinst Du die schmalen Fenster im Treppenhaus? Das ist eben maurischer Stil, damit die Sonneneinstrahlung nicht so stark ist."

    „Wo es hier doch immer so heiß ist."

    „Hallo, was machen Sie da?"

    „Wir sind eben schon überprüft worden."

    „Sie haben sich aber ungewöhnlich lange vor diesem Haus aufgehalten."

    „Weil es uns so gefallen hat."

    „Mir nicht."

    „Kommen Sie doch bitte einmal mit zum Überprüfungswagen."

    „Wir können uns ausweisen."

    „Nein, das ist nicht sicher genug. Ich muss Sie einscannen."

    „Also, hier möchtest du wohnen, Charly?"

    „Lieber als im Quartier der Vierten."

    „Da wär ich mir nicht so sicher."

    „Jenny, jetzt spinnst du aber."

    „Vielleicht doch nicht."

    „Möchtest du in solchen vergammelten Hütten leben?"

    „Es gibt auch Quartiere mit festen Häusern, einfach aber solide."

    „Und nachts bewachst du deine Möhren mit der Kanone."

    „Es haben sich schon Gruppen gebildet, die sich nicht gegenseitig beklauen. Im Gegenteil, sie halten zusammen. Die tauschen untereinander, dadurch haben sie keine Abgaben an den Staat."

    „Ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich beim Einscannen Ihre persönlichen Daten einsehe."

    „Die sind doch geschützt!"

    „Ach Jenny, nun mach doch keine Schwierigkeiten."

    „Sie können mir Ihre Daten natürlich verweigern, dann muss ich Sie leider der Polizei übergeben."

    „Bloß das nicht!"

    „Es geht ja ganz schnell, Jenny."

    „Das wars schon, Sie können weitergehen. Ich danke für Ihre Kooperationsbereitschaft."

    „You’re welcome. Sagen Sie, warum wird man hier eigentlich an jeder Ecke überprüft?"

    „Wir arbeiten hier nur im Dienste unserer Kunden und sind für deren Sicherheit verantwortlich. Außerdem hat das Komitee für Multikulturelle Zusammenarbeit neulich eine Resolution verabschiedet, in der es befürwortet, das mehr Begegnungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen stattfinden sollten. Wir möchten für Sie damit den Anreiz erhöhen, nächstes Mal durch ein anderes Viertel zu gehen …"

    „Da kannst du dann schon mal dein Marken-T-Shirt ausziehen."

    „So, da wären wir Jenny. Kommst du noch mit rauf?"

    „Das hatte ich eigentlich vor."

    „Ach so, ja. Wolltest du dich bei dieser Gelegenheit gleich bei mir einnisten?"

    „Und warum wolltest du, dass ich mit rauf komme? Du willst immer nur das eine."

    „Und du das andere. Wir können doch Freunde sein, ohne gleich in einer Wohngemeinschaft zu leben."

    „Ganz so einfach liegen die Dinge aber bei mir nicht. Schließlich habe ich auch noch Scherz zu versorgen und beide haben wir regelmäßig Hunger."

    „Wenn ihr beide zu mir zieht, kann ich meine Karriere abhaken."

    „Den Karriereknick hast du aber schon hinter dir. Du solltest über Alternativen nachdenken. Wie gesagt, zu zweit geht es besser und in einer Tauschgemeinschaft geht es eher noch besser …"

    „Komm, wir reden drinnen weiter, die Wände haben hier Ohren."

    „Okay, trotzdem denk noch mal drüber nach."

    „Soll ich uns einen Tee kochen?"

    „Ja, gerne."

    „Bleibst du heute Nacht hier?"

    „Du meinst, wir wollen Sex haben?"

    „Warum nicht, wär ja nicht das erste Mal."

    „Das ist richtig, aber ich möchte so langsam mal eine feste Beziehung."

    „Ach Jenny, kann das nicht noch etwas warten?"

    „Das könnte es wohl, aber ich habe das Gefühl, dass du unsere Beziehung nur solange aufrechterhalten willst, bis du eine Anstellung bekommst und dann an deiner Karriere arbeiten kannst."

    „Hier, dein Tee. Vorsicht, ist noch heiß!"

    „Ja danke. Charly, du weißt, dass ich nicht bei dir schnorren will. Wie du weißt, ich bin nicht darauf angewiesen, ich könnte auch bei meinem Vater in Luxus leben …"

    „Kannst du mich da nicht mitnehmen und mir über ihn einen attraktiven Job besorgen? Ich möchte allerdings kein Frühstücksdirektor werden, arbeiten will ich schon."

    „Du weißt genau, dass ich aus diesem Leben ausgestiegen bin. Gerade diese miese Korruption ist genau das, was ich so hasse. Charly, ich mag dich wirklich ganz doll. Empfindest Du denn gar nichts für mich?"

    „Doch, Jenny, das tu ich, aber ich bin noch nicht fertig und um eine Familie zu ernähren, muss ich einen adäquaten Job haben. Ich möchte auch noch etwas von der Welt sehen. Manchmal bin ich hin und her gerissen. Ich möchte mit dir zusammen sein, aber auch in die weite Welt hinaus."

    „Tja Charly, beides geht nun einmal nicht. Ich kann übrigens heute Nacht nicht hierbleiben, Scherz ist allein zu Hause. Ich geh dann mal, danke für den Tee."

    „Aber ein Stündchen hast du doch wohl noch Zeit, zum Schmusen."

    „Tut mir leid, aber mir ist nicht danach. Leb wohl Charly."

    „Jenny, Jenny …"

    Charly geht im Zimmer auf und ab. Er schaut zum Fenster hinaus, aber Jenny ist schon verschwunden. Er überlegt, ob er ihr nachlaufen soll, setzt sich aber dann an seinen Computer und versucht sich auf das neue Projekt zu konzentrieren. Ja, das neue Projekt, sein Projekt. Ein kompaktes Universal-Automobil für Kleinbetriebe und Gewerbetreibende, aber auch für den Normalverdiener der Mittelklasse. Ein Auto, das man mit einigen Handgriffen von einem Familienauto in einen Kleinlieferwagen umwandeln kann. Die Weltregierung hat seit etlichen Jahren den Besitz von Privatfahrzeugen praktisch unmöglich gemacht. Als Begründung führte man den Umweltschutz an. Nur höhere Angestellte in den verstaatlichten Betrieben, ebenso höhere Beamte und natürlich die Politiker selbst dürfen noch über Dienstfahrzeuge verfügen. In Wirklichkeit lenkte man den Personenverkehr auf öffentliche Verkehrsträger, um Personen besser überwachen zu können und einen besseren Zugriff zu haben. Ein Automobil kann leichter auf Nebenstraßen ausweichen als ein Fahrgast in einem Zug oder Bus. Charly hatte bemerkt, dass viele Tätigkeiten und Geschäfte eben nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen sind. Also warum nicht ein kleines flexibles Fahrzeug mit einem geringen Aktionsradius für den Verkehr in den Randgebieten der Ballungsräume bauen?

    Charly hat alles genau durchgerechnet. Ein ältere Konstrukteur, Karl Demmert, hat ihn bei technischen Details beraten und July Kamsha ein junger Ingenieurstudent macht für ihn die Konstruktionsarbeit. Charly hat schon mehrfach bei VW in Wolfsburg nachgefragt, ob man dort nicht Interesse an seinem Projekt hätte, aber die haben nur abgewinkt. Man montiert dort nur noch Teile für China. Es gibt zwar noch ein kleines Entwicklungsteam, das arbeitet aber nach genauer Anweisung an Projekten für das Werk in Schanghai.

    „Hallo Charly, ich bins, July, wie gehts?"

    „Na ja es geht. Wo bist du, was machst du?"

    „Ich bin in WOB im Werk und habe gerade an unserem Projekt gearbeitet. Mein Teamleiter hat mich dabei erwischt und wollte mich gleich rausschmeißen. Zufällig kam der Bereichsleiter vorbei und hat das mitgekriegt und sich die Sache angeschaut. Er hat mich gleich mitgenommen auf die Bereichsleiteretage und hat sich das Ding von mir erklären lassen. Mensch du, der ist interessiert, du sollst demnächst mal herkommen, dann will er mit uns sprechen."

    „Das klingt ja vielversprechend, aber erzähl ihm nicht zu viel. Ich möchte nicht, dass jemand anderes mit meiner Idee durchbrennt und dass derjenige, wenn er genügend Unterlagen hat, auf eigene Faust weitermacht. Zumal so ein Bereichsleiter ganz andere Möglichkeiten und Kontakte hat."

    „Ist klar Charly. Ich bin erst mal froh, dass ich meinen Praktikantenplatz behalten kann. Tschüss dann."

    „Ja tschüss."

    Charly macht sich sofort, als er von seiner Praktikantenstelle abends aus dem Studio kommt, wieder an die Arbeit. Er ist berauscht von der Idee, dass man bei Volkswagen in WOB an seiner Arbeit interessiert ist und erträumt sich eine schnelle Karriere. Er entwickelt aufwendige Tabellen und Berechnungen, erstellt Grafiken und arbeitet intensiv an einer Präsentation.

    „Hallo, sprech ich mit Ihnen Herr Newman, Charly Newman?"

    „Ja, Sie sind hier richtig. Mit wem spreche ich?"

    „Mein Name ist Dr. Jeromie Spessart, ich bin Bereichsleiter für Neue Konzepte bei Volkswagen in WOB. Guten Tag, Herr Newman! Ich schalte mal Skype ein, damit wir uns sehen können."

    „In Ordnung. Guten Tag, Herr Dr. Spessart."

    „Herr Newman, der Kamsha hat mir von Ihrer Arbeit erzählt …"

    „Ja ja, ich arbeite an einem Konzept eines Hybridautos mit einem Dreh…"

    „Schön schön, lassen Sie uns das nicht hier besprechen! Wie wärs, wenn Sie einmal kurz zu mir herüberkommen, sagen wir morgen Nachmittag gegen 14.00 Uhr?"

    „Da muss ich aber ins Studio … natürlich gegen 14.00 Uhr, ich komme."

    „Also dann bis morgen."

    „Ja, bis morgen."

    Charly arbeitet die halbe Nacht, kann dann aber vor Aufregung trotzdem nicht einschlafen. Erst gegen Morgen übermannt ihn die Müdigkeit und er schläft bis 12.00 Uhr durch.

    Ein merkwürdiges Gequassel weckt ihn auf. Er hatte vergessen, seinen Computer auszuschalten und irgendetwas quasselte da herum. Charly hat das dumme Gefühl, das seine Dateien extern gescannt werden. Für einen Moment steht er hilflos da, dann entfernt er geistesgegenwärtig den Stick, auf dem die Daten gespeichert sind. Er muss sich jetzt beeilen, um nicht zu spät zu seiner Verabredung zu kommen. Am Bahnhof bemerkt er, dass er kein Geld mehr für die Fahrkarte hat. Er kann seinen Finger so oft er will auf den Scanner legen, ständig erscheint die Meldung: „Sorry, no account. Was nun? Charly bemerkt, dass ein anderer Fahrgast, der schon gescannt hat, noch etwas zögert. Blitzschnell nutzt er die Gelegenheit und rempelt den Fahrgast an, wodurch der noch einmal mit seinem Finger die Scan-Scheibe berührt und wieder das „ok erscheint. Charly entschuldigt sich und rennt zum Bahnsteig. Der Fremde schaut ihm verdutzt hinterher. Als Charly in WOB-Bahnhof ankommt, sieht er zwar das Werk der DÀZHÒNG-AG (ehem. VW), weiß aber nicht, wo der Eingang ist. Er geht erst einmal der Menge hinterher, im Glauben, dass sie auch ins Werk geht, was auch stimmt. Das Gros der Menschen zeigt die Ausweise an der Wache und kann passieren. Charly muss sich aber erst noch anmelden. Oh Schreck, da steht eine riesige Schlange. Die Anmeldeprozedur dauert ja ewig lange. Charly weiß von July, dass Bereichsleiter Spessart im selben Stockwerk wie der Werksvorstand Prof. Dr. Cha Wung Lang sitzt.

    „Entschuldigung, ich bin im Bereich Prof. Dr. Cha Wung Lang gemeldet."

    „Oh, wen darf ich anmelden?"

    „Charly Newman bitte."

    „Danke, ich melde Sie in der Zentrale an. Draußen steht ein Wagen, der fährt Sie hin."

    „Danke!"

    „Gern geschehen."

    Charly wird zum Hauptgebäude gefahren und meldet sich beim Empfang.

    „Tut mir leid, Herr Newman, aber Sie sind leider nicht auf der Liste von Prof. Dr. Cha Wung Lang für heute Morgen."

    „Ach das ist ein Irrtum, ich hatte auch nicht gesagt, dass ich zu Prof. Dr. Cha Wung Lang wollte, sondern zu Bereichsleiter Dr. Spessart im Bereich von Prof. Dr. Cha Wung Lang."

    „Ach sooo, dann schauen wir dort einmal nach. Nein, tut mir leid, auch dort sind Sie nicht eingetragen, haben Sie sich vielleicht im Tag geirrt?"

    „Nein bestimmt nicht, wir haben uns gestern verabredet."

    „Oh, dann frag ich am besten einmal nach. Einen Moment bitte. Herr Dr. Spessart, hier ist Herr Newman, er sagt er wäre mit Ihnen heute verabredet."

    „Ach, hab ich vergessen es eintragen zu lassen. Er soll heraufkommen!"

    „Sie können zu ihm gehen. Dort ist der Fahrstuhl, fahren Sie in den 21 Stock und dann Zimmer 218. Warten Sie! Ich schließ Ihnen den Direktionsfahrstuhl auf, der fährt Sie direkt dahin."

    „Vielen Dank." Charly blickt der Empfangsdame tief in die Augen.

    „Gern geschehen."

    „Hallo Herr Newman, sind Sie gut hergekommen?"

    „Ja ohne Probleme."

    „Schön, dann zeigen Sie mal her, was Sie da so ausgebrütet haben."

    Charly zeigt Spessart seine Präsentation, seine Tabellen und Berechnungen. Spessart möchte Kopien haben, Charly zögert.

    „Sie brauchen keine Angst haben, ich geb nichts weiter, ich behalte es für mich. Wir hängen das hier nicht an die große Glocke, das wäre nicht gut. Da gibt es zu viele Bedenkenträger, die Tausend Gründe fänden, warum wir so etwas lieber nicht tun sollten. Wie sieht es beruflich bei Ihnen aus?"

    „Ich studiere noch und jobbe in einer Werbeagentur nebenbei."

    „Hm, Sie können hier ein Fachpraktikum machen, das ist besser für Ihre spätere Karriere und Sie kriegen auch mehr Geld. Geben Sie den Job bei der Agentur auf!"

    „Wann kann ich denn hier anfangen?"

    „Gleich, ich regle das. Sie können morgen gleich anfangen. Den Kamsha stell ich Ihnen zur Seite und wir suchen eine ruhige Ecke, wo Sie ungestört arbeiten können."

    „Kann ich July, ich meine July Kamsha noch sprechen?"

    „Was wollen Sie denn von ihm?"

    „Äh er schuldet mir noch Geld, äh ich brauch noch etwas."

    „Ich sag meiner Sekretärin Bescheid, die sorgt dafür, dass ein Betrag auf Ihre Identkarte geladen wird."

    „Danke, aber, na ja, so komm ich nicht nach Hause, mit der Bahn."

    „Na, Sie müssen ja klamm sein. Frau Spät, haben wir irgendein Versuchsfahrzeug für den jungen Mann?"

    „Heute ist nur noch der Phaeton frei, erst morgen gibt es einen Polo GTI Solar."

    „Dann geben Sie ihm heute den Phaeton und ab morgen den Polo. Haben Sie gehört? Heute kriegen Sie die Luxuskarre, aber parken Sie den im Parkhaus, nicht auf der Straße."

    „Ja, vielen Dank."

    „Frau Spät wird Ihnen sagen, wo Sie morgen zur Arbeit hinmüssen und sie besorgt Ihnen auch noch den Werksausweis. Also, welcome on board!"

    „Nochmals vielen Dank."

    Charly kann es kaum glauben, als er im Phaeton Völkerfreundschaft Super Comfort sitzt und zum Werkstor hinausfährt, vollgetankt und blitzeblank gewaschen und poliert. Wenn Jenny ihn jetzt sehen könnte … Beim Hinausfahren hält er seinen neuen Werksausweis vor den Scanner an der Schranke und schon ist er auf dem Weg zur Autobahn. Dort lässt er erst einmal die dreihundertfünfzig Pferde galoppieren. Ha, welch ein Gefühl ist das! Jedes Rad wird von einem Elektromotor angetrieben, die Elektromotoren werden beim Beschleunigen wiederum von einem 12-Zylinder-Vapeur-Injection-Diesel unterstützt. Beim Bremsen schalten die elektrischen Antriebsmotoren auf Dynamobetrieb um und laden die Batterien auf. Vor den Ampeln sind für jedes Fahrzeug mehrere Laserdioden in den Straßenbelag eingegossen, die beim Halten des Fahrzeuges die Batterien von unten wieder nachladen. Ein Sensor, der unter dem Fahrzeug angebracht ist, liest den Stromverbrauch und stellt ihn den Fahrzeughalter in Rechnung.

    Am nächsten Tag fährt Charly am Morgen in den F+E Bereich zur DÀZHÒNG-AG nach WOB.

    Der Wachmann schaut etwas skeptisch, als Charly die Schranke passiert. Frau Spät führt ihn an seinen neuen Arbeitsplatz, ein kleines Zimmer hinter ihrem Empfang.

    „Ach Frau Spät, ich hatte gedacht, dass ich in einem Großraumbüro mit vielen Leuten arbeiten werde. Sprach Herr Dr. Spessart nicht von einem Team für dieses Projekt?"

    „Schon, das heißt aber nicht, dass alle beieinander hocken. Das Team verteilt sich über mehrere Bereiche. Hier sind Sie gut aufgehoben oder mögen Sie nicht bei mir hier sein?"

    „Doch, doch …"

    „Na sehen Sie und ich bringe Ihnen auch jeden Morgen einen Kaffee."

    „Oh vielen Dank, das ist aber sehr lieb von Ihnen."

    „Ja so bin ich."

    Charly ist etwas irritiert. Was meinte sie nun? War das eine Anmache oder suchte sie nur etwas Unterhaltung? Er schätzt Frau Spät auf Anfang fünfzig, vollschlank, fein geschnittene Gesichtszüge, dunkelblond und hellbraune Augen. Eigentlich ganz attraktiv.

    Charly macht sich an die Arbeit, er holt seinen Laptop hervor und arbeitet, als ob er bei sich zu Hause säße.

    „Hier ist Kaffee."

    Frau Spät strahlt Charly an.

    „Vielen Dank, Sie sind ein Schatz", rutscht es Charly heraus.

    „Oh!"

    Charly fürchtet, etwas zu voreilig gewesen zu sein.

    Frau Spät hat die Tür zum Vorzimmer ein wenig geöffnet gelassen.

    „Guten Morgen, Herr Dr. Spessart."

    „Morgen, Frau Spät."

    „Herrn Newman habe ich im Nebenzimmer untergebracht."

    „Herrn wen?"

    „Herrn Newman! Das neue Fahrzeugkonzept."

    „Ach so den, ja ist gut. Nachrichten aus Schanghai?"

    „Ja, die wollen einen Termin mit Ihnen, wegen des neuen Kon…

    „Schsch-t … ich kümmere mich darum. Und halten Sie die Tür geschlossen!"

    „Ja."

    Frau Spät geht leise zur Tür und schließt sie diskret. Charly hat es aber mitbekommen. Er denkt nach. Es sieht so aus, als wären sie hier auf etwas Neues angewiesen, haben aber nichts. Um so besser für ihn.

    „Kommen Sie um eins mit in die Kantine?"

    „Ja gern, wo find ich die?"

    „Ich nehm Sie mit oder möchten Sie lieber alleine essen?"

    „Nein, gerne! Wie ist das Essen in der Kantine?"

    „Sehr gut und viel Auswahl. Also bis eins!"

    „Ja bis dann!"

    Charly sucht eine Stromquelle für seinen alten Laptop, der etwas schwächelt. Schnell hat er eine gefunden. Da ist ja noch ein Anschluss, das muss das Hausnetz sein, mal sehen, ob ein passendes Anschlusskabel für seinen Laptop zu finden ist. Ja, da ist schon eins. Er verkabelt sich schnell und ist überrascht, dass er direkten Zugang zur Direktionsebene hat. Das ist in diesem Bereich nicht ungewöhnlich, man hat wohl nur nicht an ihn gedacht. Charly lässt es sich nicht nehmen etwas im Direktionsbereich herumzustöbern. Er trifft auch auf die Chefsekretärin Spät: aha! Harla Spät, geb. …, verheiratet …, zwei Kinder …, Lebenslauf etc.

    Was Charly nicht weiß, ist, dass Frau Spät auf ihrem Rechner sehen kann, was er auf seinem macht. Sie kann sogar auf ihrem Rechner übers Netz seine Arbeiten kopieren,

    „Gehen wir jetzt essen?"

    „Äh, äh ja sofort, eben nur den Rechner abschalten, ich komme schon."

    „Warum so erschrocken, waren Sie so versunken in der Arbeit?"

    „Ja, ja war ich, kann losgehen."

    „Na dann gehen wir. Sind Sie verheiratet?"

    „Nein, bin ich nicht."

    „Aber eine feste Beziehung, die haben Sie doch?"

    „Na ja, warum fragen Sie?"

    „Weils mich interessiert."

    „Und Sie, Sie sind doch verheiratet?"

    „Ja, woher wissen Sie das?"

    „Ich habs bloß vermutet."

    „Kann man mir das denn ansehen?"

    „Weiß ich nicht. Ihr Mann, arbeitet der auch hier im Werk?"

    „Nein, der ist für längere Zeit in Schanghai, er hofft auf einen Karriere-Hop."

    „Ja, wer hofft nicht darauf."

    „So da sind wir, halten Sie Ihren Werksausweis gegen den Scanner, nehmen Sie sich ein Tablett und suchen Sie sich etwas am Büfett aus."

    Nachdem sich beide an einen Tisch an der großen Fensterfront gesetzt haben, entspinnt sich ein lockeres Gespräch während des Essens. Frau Spät erzählt auch von ihren Kindern, die beide im Ausland studieren. Sie ist nun ziemlich alleine hier, da alle ihre Verwandten in anderen Städten wohnen. Nur einmal im Monat trifft sie sich mit Freunden zum Kegeln.

    Nach dem Essen gehen beide ins Büro zurück und Charly macht sich wieder an die Arbeit. Hin und wieder unterbricht er, um im Direktionsnetz herumzustöbern.

    „Teatime, ich hab Ihnen auch ein paar Kekse mitgebracht."

    RESET, der Rechner rast herunter.

    „Oh Ihr Rechner ist abgestürzt, was ist passiert?"

    „Weiß ich auch nicht … mit einem Mal."

    „Puh, das ist noch einmal gut gegangen", denkt Charly.

    „Ich mach in einer halben Stunde Feierabend. Die Schlüssel für den Polo liegen auf meinem Schreibtisch. Also dann, bis morgen."

    „Ja bis morgen."

    Charly könnte nun in aller Ruhe im Netz surfen, der Schreck sitzt ihm aber noch so in den Knochen, dass er sich vorerst lieber auf seine Arbeit konzentriert.

    „Na mein Junge, wie kommen Sie voran?"

    „Ja, Herr Dr. Spessart, sehr gut, ich habe ja hier Ruhe. Was ist, wenn ich Daten benötige oder Berechnungen brauche?"

    „Immer Frau Spät fragen, die besorgt Ihnen alles. Also machen Sie es gut, wir reden Mittwoch noch einmal über unser Projekt."

    „Ja bis dann."

    Charly findet sich schnell in dem System zurecht. Frau Spät besorgt ihm alles, was er für seine Arbeit benötigt. Mittags geht er mit ihr in die Kantine und manchmal surft er ein wenig im Direktionsnetz herum, das Frau Spät seltsamerweise nicht ausgeschaltet hat. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Charly schon bald auf die Korrespondenz von Dr. Spessart und Len Ko Ming von VW Schanghai stößt und er lesen kann, dass die beiden über ein neues Konzept eines Kompaktautos diskutieren. Ja, er kann sogar mitverfolgen, wie Spessart, nachdem er mit ihm am Mittwoch über seine Arbeit gesprochen hat, direkt im Anschluss mit Len Ko Ming kommuniziert.

    „Guten Morgen Herr Newman, na, die Woche haben wir geschafft oder wollen Sie auch morgen am Samstag arbeiten kommen, dann müsste ich allerdings auch erscheinen, denn ich darf Sie hier nicht alleine werkeln lassen. Wegen der Geheimhaltung, wissen Sie?"

    „Na ja Frau Spät, dann werd ich eben zu Hause weitermachen."

    „Haben Sie denn gar kein Freizeitprogramm; Sport, Kultur, Unterhaltung?"

    „Doch ich geh dreimal die Woche ins Fitnessstudio."

    „Und sonst nichts?"

    „Im Augenblick konzentriere ich mich auf mein Projekt, damit ich vorankomme, ich meine auch beruflich."

    „Das ist sehr lobenswert für einen jungen Menschen, aber man muss sich doch auch gelegentlich entspannen, sonst rennt man sich mit seiner Arbeit fest."

    „Da haben Sie wohl recht."

    „Sehen Sie! Haben Sie nicht Lust heute Abend mit mir zum Kegeln zu gehen? Ich treff mich heute mit Freunden, und da mein Mann verreist ist, mag ich nicht so gern solo gehen."

    „Ja gern, warum nicht?"

    „Fein, ich melde mich dann in Begleitung an. Übrigens, Dr. Spessart fliegt nächste Woche nach Schanghai."

    „Ja ich weiß."

    „Woher?"

    „Hatte er das nicht am Mittwoch gesagt?"

    „Nein, das weiß er selbst erst seit gestern."

    „Ach so, dann muss ich das verwechselt haben."

    „So ist es wohl. Gehen wir nachher wieder gemeinsam essen?"

    „Ja gern."

    Oh, das war peinlich Charly, ob sie etwas gemerkt hat? Charly wüsste zu gern etwas Genaueres über die Reise von Dr. Spessart, aber er lässt heute lieber die Finger vom Direktionsnetz.

    „So, ich geh heute etwas früher. Hier haben Sie meine Adresse, wenn Sie mich dann gegen 19.00 Uhr abholen. Ich denke wir müssen ja nicht mit zwei Autos hinfahren."

    „Nein, das denk ich auch."

    „Also bis dann. Fahren Sie vorher noch nach Hause?"

    „Ja, ich mach mich noch etwas frisch und ziehe mich noch um."

    „Also bis später."

    „Bis später."

    „Hallo junger Mann, ist Frau Spät schon fort?"

    „Ja, die wollte heute etwas früher gehen."

    „Ist in Ordnung. Sie wissen, ich fliege nächste Woche nach Schanghai, da brauch ich noch ein paar Unterlagen. Komplettieren Sie mir schnell noch Ihre Power-Point-Präsentation auf den neusten Stand."

    „Damit bin ich gerade fertig geworden, Sie können den Stick gleich mitnehmen."

    „Das ist ja doll. Haben Sie denn gewusst, dass ich verreise?"

    „Nein, nicht, aber ich habe die Präsentation vorsorglich vorbereitet."

    „Na prima, jetzt müssen Sie mich noch kurz briefen, damit ich etwas dazu erzählen kann. Eine halbe Stunde reicht wohl?"

    „Das müsste klappen."

    Um nach Hause zu fahren und sich umzuziehen, ist es nun zu spät. Da Charly jetzt alleine ist, kann er noch ungestört im Netz herumsurfen. Er möchte sich auch dies und das kopieren, aber da schlägt dann der Rechner Alarm. Er muss sich also von Hand Notizen machen.

    Kurz vor 19.00 Uhr packt er zusammen, schaltet sein Navi ein und fährt zu Frau Spät hinüber.

    „Hallo da sind Sie ja, kommen Sie kurz herein, ich bin gleich fertig. Haben Sie sich gar nicht umgezogen, waren Sie nicht zu Hause?"

    „Nein, Dr. Spessart war noch gekommen und wollte von mir ein Update der Präsentation."

    „Ja, für seine Reise nach Schanghai.

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