Die Meistersinger von Nürnberg: Prinz Rupi erzählt Wagners Oper
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Über dieses E-Book
Richard Wagner verarbeitete das Thema mit einer enormen Portion Humor, feinstem Sprachwitz, Situationskomik und Spott zu einer großen Künstleroper. Auf der Bühne fliegen dabei die Fetzen.
Die »Meistersinger von Nürnberg« präsentieren sich in der Nacherzählung von Prinz Rupi als komische Oper, die sich gegen Spießbürgertum und Engstirnigkeit in der Kunst ausspricht.
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Buchvorschau
Die Meistersinger von Nürnberg - Prinz Rupi (Ruprecht Frieling)
Prinz Rupi
Die Meistersinger
von Nürnberg
Prinz Rupi
erzählt Wagners Oper
E-Book, erschienen 2022
ISBN: 978-3-95949-590-5
2. durchgesehene Auflage
Copyright © 2022 ANTHEUM Verlag,
Eutiner Straße 24,
18109 Rostock
www.main-verlag.de
www.facebook.com/MAIN.Verlag
order@main-verlag.de
Text © Prinz Rupi
Umschlaggestaltung: © Marta Jakubowska, ANTHEUM Verlag, unter Verwendung eines Motivs von Hugo L. Braune
Illustration: © Hugo L. Braune
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Der ANTHEUM Verlag ist ein Imprint des Förderkreises Literatur e.V.
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
Inhalt
Richard Wagner und die Meistersinger
Der Wert der »Meistersinger«
Wer waren die Meistersinger?
Was ist der Meistergesang?
Was verlangt die Tabulatur?
Was leistet der Merker?
Wer war Hans Sachs?
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
Darsteller
ERSTER AUFZUG
Ein festlicher Auftritt (Orchestervorspiel)
Liebeshändel im Kirchenschiff (ERSTE SZENE)
Das Geheimnis der Tabulatur (ZWEITE SZENE)
Versungen und vertan (DRITTE SZENE)
ZWEITER AUFZUG
Johannisabend (ERSTE SZENE)
Ein Sommerabend (ZWEITE SZENE)
Sachs grübelt (DRITTE SZENE)
Eva und Sachs (VIERTE SZENE)
Fluchtpläne (FÜNFTE SZENE)
Nächtliche Straßenschlacht (SECHSTE SZENE)
DRITTER AUFZUG
In Sachsens Werkstatt (ERSTE SZENE)
Stolzings Meisterlied (ZWEITE SZENE)
Beckmesser, keiner besser (DRITTE SZENE)
Die selige Morgentraumdeut-Weise (VIERTE SZENE)
Das Meistergericht (FÜNFTE SZENE)
Richard Wagner: Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft
Libretto
Personen
ERSTER AUFZUG
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
ZWEITE SZENE
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Glossar
Der Autor
Ein Dankeschön an meine Leser
Richard Wagner
(22. Mai 1813 – 13. Februar 1883)
»Zerging’ das heil’ge römische Reich in Dunst,
Uns bliebe doch die heil’ge deutsche Kunst.«
Richard Wagner und die Meistersinger
Juli 1845. Richard Wagner gönnt sich in Marienbad eine Auszeit. Er hat gerade sein Künstlerdrama »Tannhäuser« abgeschlossen und damit seinen mit »Der Fliegende Holländer« eingeschlagenen Weg fortgesetzt. »Tannhäuser« fertigte er wie unter einem Alpdruck, er wurde von Todesahnungen verfolgt und hatte die Vision, die Arbeit an dem Stück nicht zu Lebzeiten abschließen zu können.
Ein Stein fällt dem Komponisten vom Herzen, als er endlich die letzte Note gesetzt hat. Er ist erleichtert, befreit, er atmet auf und fühlt sich, als sei er einer Lebensgefahr entronnen.
In Marienbad lässt er den Theaterlampenduft und die Atmosphäre des Dienstes weit hinter sich; er wirkt leicht und fröhlich gestimmt, und eine Heiterkeit erfasst ihn. Da passt es gut, dass er die feste Absicht hat, als nächstes Stück eine komische Oper zu schreiben.
Mit einem »leichteren Genre« hofft der unverändert in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Wagner auch, Zugang zu den deutschen Theatern zu finden und sich finanziell zu sanieren.
Wie zur geistigen Erfrischung erscheint ihm auf jener Erholungsreise plötzlich das Bild eines komischen Spieles, das in Wahrheit als beziehungsvolles Satyrspiel, als heiteres Nachspiel, seinem »Sängerkriege auf Wartburg« sich anschließen könnte.
Es sind »Die Meistersinger zu Nürnberg« mit Hans Sachs an der Spitze.
Wagner fasst die Figur Hans Sachs als Erscheinung des künstlerisch produktiven Volksgeistes auf. Er stellt ihn der Spießbürgerschaft entgegen, deren durchaus drolliger, an festgelegten Regeln orientierten Pedanterie, er mit der Figur des »Merkers« einen ganz persönlichen Ausdruck gibt.
Dieser »Merker« war eine Art Schiedsrichter, der regelwidrige Fehler der Vortragenden »merken« und sie mit Strichen aufzeichnen musste. Wem so eine gewisse Anzahl von Strichen zugeteilt war, der hatte »versungen« und durfte sich nicht »Meistersinger« nennen.
Schnell bringt Wagner den Plot der Geschichte zu Papier. Doch da juckt es ihn plötzlich, die Skizze zum »Lohengrin« niederzuschreiben. Die Badeärzte mahnen den Meister, sich zu schonen und wenigstens im Urlaub Abstand vom Dichten und Komponieren zu nehmen.
Doch Wagner lässt sich nicht beirren. Er meint, es müsse eine besondere Bewandtnis haben, dass er nach dem erquicklichen Ausflug ins heitere Fach mit dem »Lohengrin« in eine ehrfürchtig-ernste Stimmung kommt.
Seine »Meistersinger«-Skizze arbeitet mit den Mitteln der Ironie. Der ebenso wie die Tondichtung selbst verfasste Text der Oper zeigt mit ihrem enormen Sprachwitz, welche Wert der Komponist auf pointierte Sprachpfeile legt.
Wagner meint, die einzige für die »Öffentlichkeit verständliche, und deshalb irgendwie wirksame Form des Heiteren ist, sobald in ihr ein wirklicher Gehalt sich kundgeben soll, nur die Ironie«, wie er an Freunde schreibt.
Die Ironie greife das Naturwidrige der öffentlichen Zustände bei der Form an, und »ist hierin wirksam, weil die Form, als das sinnlich unmittelbar Wahrnehmbare, das Einleuchtendste und jedem Verständlichste ist; während der Inhalt dieser Form eben das Unbegriffene ist, in welchem wir unbewusst befangen sind, und aus dem wir unwillkürlich immer wieder zur Äußerung in jener, von uns selbst verspotteten Form gedrängt werden.«
Am 19. Oktober 1845 wird jedenfalls erst einmal der »Tannhäuser« in Dresden uraufgeführt. Der Komponist leitet die Aufführung selbst. Der Plan der »Meistersinger« verschwindet in der Versenkung, bis der Musikverleger Franz Schott aus Mainz Wagner mit einem fetten Vorschuss zur Weiterarbeit verpflichtet.
Mittlerweile sind mehr als 15 lange Jahre verstrichen. Wagner lebt in Paris, wo er 1861 an dem Werk weiterarbeitet. Im Februar 1862 legt er im Verlagshaus Schott den Text des zweiten Prosaentwurfs vor.
Darauf zieht Wagner nach Biebrich, den Stadtteil von Wiesbaden, der von Mainz nur durch den Rhein getrennt wird. Hier setzt er die Arbeit an der Oper fort. Im März 1867 sind Libretto und Partitur vollendet, zumal König Ludwig II. von Bayern als Sponsor alle finanziellen Sorgen von seinen Schultern nimmt.
Am 21. Juni 1868 ist es dann endlich so weit: In München findet die opulente Uraufführung statt; allein die Anfertigung der aufwändigen Dekorationen kostet 50.000 Taler.
Der Erfolg ist überwältigend: Die Zuhörer feiern Wagner als Superstar, und auch die Promis jener Tage äußern sich enthusiastisch.
Zu den glühenden Verehrern des Werkes zählt Johannes Brahms. Der meint, ein »paar Takte« der Meistersinger seien »wertvoller … als alle Opern, die nachher komponiert worden sind«.
Friedrich Nietzsche schreibt nach dem Hören des Vorspiels: »Ich bringe es nicht übers Herz, mich dieser Musik gegenüber kritisch kühl zu verhalten; jede Faser, jeder Nerv zuckt an mir, und ich habe lange nicht ein solches andauerndes Gefühl der Entrücktheit gehabt als bei letztgenannter Ouvertüre.«
Und in seinem Werk »Gut und Böse« jubelt Philosoph Nietzsche: »Was für Säfte und Kräfte, was für Jahreszeiten und Himmelsstriche sind hier nicht gemischt! Das mutet uns bald altertümlich, bald fremd, herb und überjung an, das ist ebenso willkürlich als pomphaft-herkömmlich, das ist nicht selten schelmisch, noch öfter derb und grob …; etwas Deutsches, im besten und schlimmsten Sinne des Wortes, etwas auf deutsche Art Vielfaches, Unförmliches und Unausschöpfliches; eine gewisse deutsche Mächtigkeit und Überfülle der Seele, welche keine Furcht hat, sich unter die Raffinements des Verfalls zu verstecken …; ein rechtes, echtes Wahrzeichen der deutschen Seele, die zugleich jung und veraltet, übermürbe und überreich noch an Zukunft ist.«
Richard Wagner hat eine Oper vollendet, die mit durchschnittlich viereinhalb Stunden Spieldauer zu den längsten Werken des Musiktheaters zählt.
Gleichzeitig schuf er ein komisches Stück, das so kurzweilig ist, dass die Zeit wie im Fluge vergeht, denn der Stoff des Stückes thematisiert Grundsätzliches: alt versus neu, Fortschritt versus Tradition, Beharren versus Umsturz.
Wagner erzählt in seiner Oper die Geschichte eines verliebten Ritters, der sich um die Aufnahme bei den Meistersingern bemüht, damit er seine Angebetete bekommt, die als Hauptgewinn für den besten Sänger ausgelobt ist. Dumm nur, dass der verliebte Junker keinen Schimmer hat von den komplexen Regeln, mit denen die Meister verbissen ihre Kunst betreiben.
Diese Regeln aber muss er kennen – die Meister dulden keine andere Gesangsform. Lediglich einer der Meister, Schuhmacher Hans Sachs, erkennt das Talent des Bewerbers und versucht, seine Bewerbung gegen die Regeln der festgefahrenen Ewiggestrigen durchzuboxen.
All dies wird mit einer enormen Portion Humor, feinstem Sprachwitz, Situationskomik und Spott vorgetragen, während auf der Bühne die Fetzen fliegen. Die Bedeutung Richard Wagners als Autor ist von der ausschließlich auf Musik fixierten Forschung weitgehend unbemerkt geblieben. Dabei kommt sie in dieser Oper voll zur Geltung!
Nietzsche schreibt zum Stichwort: »Wer sich über die Nachbarschaft … der Meistersinger befremdet fühlen kann, hat das Leben und Wesen aller wahrhaft großen Deutschen in einem wichtigen Punkte nicht verstanden: Er weiß nicht, auf welchem Grunde allein jene eigentlich und einzig deutsche Heiterkeit Luthers, Beethovens und Wagners erwachsen kann, die von andern Völkern gar nicht verstanden wird und den jetzigen Deutschen selber abhanden gekommen scheint – jene goldhelle durchgegorne Mischung von Einfalt, Tiefblick der Liebe, betrachtendem Sinne und Schalkhaftigkeit, wie sie Wagner als den köstlichsten Trank allen denen eingeschenkt hat, welche tief am Leben gelitten haben und sich ihm gleichsam mit dem Lächeln der Genesenden wieder zukehren.«
Nicht nur sprachkünstlerisch, auch musikalisch zieht der Tondichter der »Meistersinger« alle Register. Er befiehlt sogar noch zusätzliche Verstärkung ins Orchester. Von Oratorien, Chorälen über Lieder, Duette über Quintette hin zu mächtigen Chören bietet diese Oper alles, was Auge und Ohr des Zuschauers verlangen.
Entstanden ist eine vieldimensionale Wagner-Oper, die in jeder Hinsicht Vergnügen wie Erkenntnis schenken kann.
Der Wert der »Meistersinger«
Ein wesentlicher Aspekt des Wertes der »Meistersinger« besteht in Wagners Vermögen und seiner künstlerischen Kraft, eine in sich geschlossene, versunkene Welt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts wieder sichtbar gemacht zu haben. Das ist die Welt der Nürnberger Meistersinger und ihrer komplexen, hölzernen Regeln.
Das Meistersingen diente der Stabilisierung der Ständeordnung. Mitglieder der singenden Meisterinnung sind beruflich selbstständige und finanziell unabhängige Männer aus den verschiedenen Berufszweigen. Sie sind Repräsentanten des gehobenen Bürgertums, die sich einerseits vom Plebs abheben, andererseits aber mit der übergeordneten Kaste der Ritter ungern auf Tuchfühlung gehen.
Manch einer behauptet, Wagner hätte sich das Meistersingen ausgedacht, um eine ulkige Personage zur Vorführung kleinkarierter, rückwärtsgewandter Besserwisser zu versammeln. Das ist Quatsch. Genau das Gegenteil ist der Fall. Er greift einfach auf vorhandene gesellschaftliche Strukturen und Einrichtungen des 16. Jahrhunderts zurück.
Kunsthistorisch betrachtet ist die Komposition der »Meistersinger« die abenteuerliche Entdeckung einer Truhe mit Schätzen längst versunkener Zeiten. Dabei zeigt sich die Größe des Komponisten, der nicht nur unterhalten und amüsieren will. Wagner fühlt sich einem Bildungsauftrag und Bildungsanspruch verpflichtet. Er will Wissen vermitteln, will weiterbilden.
Ein weiterer Wert der Wagner-Oper »Die Meistersinger von Nürnberg« ist die Behandlung des Themas »Kunst«. Kunst definiert Richard Wagner als höchste Äußerung menschlichen Geistes ohne verklärende Spitzweg-Romantik und verzuckerte Laubsäge-Biedermeier.
Glücklicherweise beobachtet man selten in den Inszenierungen plumpe Ausrutscher auf der Kitsch-Palette. Manch ein Bühnenbildner und Regisseur greift gelegentlich böse in die Kitsch-Kiste, statt den Konflikt so geschickt zu pointieren wie Wagner es in seinem Text vorführt.
Der Kampf einer erstarrten Kulturauffassung (der Meistersinger) ums Überleben, und das Bemühen der Moderne, zementierte Mauern einzureißen, macht die Oper zu einem besonderen Leckerbissen, die immer wieder aktuell interpretiert werden kann.
Kunst entwickelt sich permanent fort und kann von ihrem Selbstverständnis her schon nicht erstarren. Wir sprechen deshalb auch von »art in progress«.
Bei einer Oper ist die Entwicklung an der Art der Inszenierung und der Blickrichtung auf und das Verständnis für das Werk ablesbar. Hier spielen Zeitgeschmack und Zeitgeist wichtige Rollen.
Außerdem sind die Sänger besonders gefordert. Sie müssen auch über schauspielerisches Talent verfügen, um den Wortwitz der Geschichte herauszuarbeiten.
Wagner hatte sich ausführlich mit Minnelied und Meistergesang befasst. Um sich im Stoff der »Meistersinger« zurechtzufinden, sind Kenntnisse der im Stück so wichtigen Tabulatur hilfreich. Es ist erforderlich, die Rolle des Meistersingers Sixtus Beckmesser als »Merker« und seines Widerparts, des berühmten Meistersingers Hans Sachs, ebenfalls ein Meistersinger, zu veranschaulichen.
Wie bei allen elf Wagner-Opern ist der inhaltliche Zugang eine Grundvoraussetzung für das tiefe Eintauchen in den eigentlichen Zauber des Werks. Zum vollen Hochgenuss der Oper zählen deshalb Wissen und Verständnis der Vorgänge auf der Bühne. Dieser Opernverführer möchte dazu das nötige Rüstzeug liefern.
Gut gerüstet macht der Besuch der Oper richtig Spaß, und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude mit den »Meistersingern«!
Wer waren die Meistersinger?
Die sogenannten Meistersinger waren Handwerksmeister im 15. und 16. Jahrhundert, die sich zu Gilden zusammenschlossen, um in ihrer Freizeit der Dichtkunst zu frönen.
In einer »Schulordnung« legten sie den Umgang miteinander und ihre Auftritte fest. Sie gliederten sich in Schüler, Schulfreund, Singer, Dichter und Meister.
Meistersinger konnte nur werden, wer gemäß des in der »Tabulatur« niedergelegten Regelwerks vor der Gildenleitung ein eigenständiges Lied fehlerfrei vortrug. Sämtliche Meistersinger arbeiteten in ihren bürgerlichen Berufen, die Arbeit innerhalb der künstlerischen Gemeinschaften erfolgte ohne Vergütung, und auch ihre Veranstaltungen waren kostenfrei zugänglich.
Die Darbietungen der Meistersinger fanden meistens im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst statt. Sie wurden als »Singschulen« bezeichnet. Für ihre Aufführungen stand den Nürnberger Meistersinger sogar eine eigene Bühne zur Verfügung:
Die Marthakirche in der Königstraße im Südosten der Altstadt war 1526 als Folge der Reformation, die sich in Nürnberg durchsetzte, geschlossen worden und wurde ab dann für Schauspielaufführungen und als Probenraum genutzt. Außerdem traten die Nürnberger Meistersinger in der Katharinenkirche auf.
In Augsburg, Frankfurt am Main und Straßburg, in Mainz, Freiburg und Nördlingen, in Danzig, Breslau und Prag gab es ebenfalls Meistersinger. Die Sänger standen in regem Austausch miteinander, was durch die Wanderjahre, die jeder Geselle zu absolvieren hatte, begünstigt wurde.
Die bekanntesten Nürnberger Meistersinger waren Fritz Kettner, der Bäcker Konrad (Kunz) Nachtigall, der Nagelschmied Fritz Zorn, Sixt Beckmesser und der Leinenweber Lienhard Nunnenbeck, der wiederum Hans Sachs ausgebildet hatte.
Durch die Kunst des Hans Sachs erlebte der Meistergesang eine Blütezeit, die über den Tod des dichtenden Schuhmachermeisters hinaus bis etwa 1630 anhielt. Danach setzte ein Verfall der Meisterschulen ein, die letzte Gesellschaft wurde 1839 in Ulm aufgelöst.
Als Erfinder ihrer Kunst verehrten die Meistersinger eine Reihe fahrender Sänger des 13. und 14. Jahrhunderts, die ihnen zum Vorbild dienten. Die heute bekanntesten dieser sogenannten »12 alten Meister« waren Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach, der Schöpfer des »Parzival«.
Innerhalb der Meistersinger kam es vor allem im Zuge der Reformation immer wieder zu Diskussionen über die teilweise starre Auslegung des Regelwerks.
Richard Wagner parodiert genau diese Auseinandersetzung, indem er in der Gestalt des Sixtus Beckmesser den Prototyp des »Merkers« schuf, der sich als Erbsenzähler und Pedant ausweist.
Hans Sachs hingegen verkörpert den fortschrittlichen, von der Reformation geprägten Geist, der die Starre der Tabulatur in Frage stellt und im Interesse einer künstlerischen Entwicklung lockern will.