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Gansltod: Kriminalroman
Gansltod: Kriminalroman
Gansltod: Kriminalroman
eBook341 Seiten4 Stunden

Gansltod: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Nach dem traditionellen sonntäglichen Mittagessen mit ihrer Familie wird die vermögende Helga Thaimer tot in ihrem Bett aufgefunden. Was zuerst nach einem Herzstillstand aussieht, erweist sich nach der vom ungeliebten Stiefsohn initiierten Autopsie als Vergiftung. Die Wiener Chefinspektoren Vogel und Walz übernehmen die Ermittlungen und geraten in einen Strudel innerfamiliärer Konflikte. Die Familie zerfällt zwar in eine unübersichtliche Melange aus Eifersucht und Schuldzuweisungen, aber niemand scheint ein echtes Motiv zu haben …
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum14. Sept. 2022
ISBN9783839272749
Gansltod: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Gansltod - Rupert Schöttle

    Zum Buch

    Letztes Mahl Nach einem familiären Ganslessen wird die reiche, verwitwete Gastgeberin Helga Thaimer tot in ihrem Bett aufgefunden. Was zunächst nach einer natürlichen Todesursache aussieht, erweist sich nach der vom ungeliebten Stiefsohn initiierten Autopsie schnell als Vergiftung. Da gerade dieser Lukas derjenige ist, den alle verdächtigen, stehen die Wiener Chefinspektoren Vogel und Walz vor einem Rätsel: Hätte er die Autopsie veranlasst, wenn er Helga tatsächlich umgebracht hat? Unwahrscheinlich! Auf der fieberhaften Suche nach dem wahren Täter schießen sich schließlich alle auf die ungeratene jüngste Tochter Tanja ein, die ein angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter hatte. Tatsächlich finden sich an ihrem Rucksack Spuren des tödlichen Gifts. Der Fall scheint damit gelöst, doch im Gegensatz zu ihrem Vorgesetzten geben sich die Inspektoren damit nicht zufrieden und kommen schließlich zu einem überraschenden Ergebnis.

    Rupert Schöttle wurde in Mannheim geboren. Sein Studium führte ihn schon bald nach Wien, in die »Welthauptstadt der Musik«, wo er sofort heimisch wurde. Neben seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter im Orchester der Wiener Staatsoper und bei den Wiener Philharmonikern, die er 30 Jahre lang ausübte, wurde er durch seine Diplomarbeit im Fach der Musiksoziologie von einem Verleger entdeckt, der ihn dazu aufforderte, diese in Buchform zu bringen. Somit war der ersehnte „intellektuelle Ausgleich" zu seinem Musikerberuf gefunden und Schöttle begann, Bücher zu schreiben.

    Impressum

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Immer informiert

    Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

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    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

    Herstellung: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Jack Jelly / shutterstock

    ISBN 978-3-8392-7274-9

    Prolog

    Martina Vogel war zutiefst beunruhigt.

    Denn ihr Ehemann, der uns allen wohlbekannte Chefinspektor Kajetan Vogel, war in den letzten Wochen ein anderer geworden.

    Nicht, dass sie dies bedauern würde, nein, ganz im Gegenteil, hatte sie eine solche Wandlung doch oft schon ersehnt und zuweilen sogar lautstark angemahnt, doch jetzt, wo sie endlich eingetreten war, befürchtete sie darin einen tieferen Grund. Und das konnte nichts Gutes bedeuten.

    Eine natürliche Ursache dafür, wie etwa eine wieder erblühte Gattenliebe, schloss sie bereits nach wenigen Tagen aus.

    Kajetan war einfach zu liebenswürdig und zu verständnisvoll. Er half ihr im Haushalt, sorgte sich um die fälligen Einkäufe, bedachte sie mit längst vergessenen Kosenamen und nahm sich endlich Zeit dazu, ihren täglichen Sorgen Gehör zu schenken. Selbst das Wochenende, sonst ein ständiger Streitpunkt zwischen ihnen, hatte er sich für die Familie freigenommen, sodass sie endlich wieder einmal Freunde einladen konnten.

    Als akzelerierendes Moment kam hinzu, dass auch zwei ihrer Bekannten über dieselben Symptome bei ihren Ehemännern berichteten, die wiederum andere Frauen kannten, denen dasselbe widerfahren war, sodass die Freude auch der arglosesten Vertreterinnen unter ihnen schon bald einem kollektiven Misstrauen wich.

    Aus gutem Grund, wie wir uns denken können, kann die Ursache einer solch massiven Wandlung ins Gute doch nur in einem schlechten Gewissen begründet sein.

    Zwar hatten auch ihre Freundinnen den Grund für diese auffällige Mentalitätswandlung noch nicht erkennen können, doch war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Ausläufer der medialen Wellen, die für eine solch tiefgreifende Beunruhigung innerhalb der Männerwelt sorgten, auch sie erreichen würden.

    Aber was war denn überhaupt passiert?

    Eine ungeachtet ihrer konservativen Weltsicht technikaffine katholische Organisation hatte die Website des beliebten Seitensprungportals finallylove gehackt und die Namen sämtlicher Mitglieder online gestellt. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, waren auch die dazugehörigen Korrespondenzen und Fotos ins Netz gelangt und dadurch nun für jedermann einsehbar.

    Also auch für die Ehefrauen, die das eigentlich überhaupt nichts anging.

    Das freilich hatten auch Martinas Freundinnen und Bekannte noch nicht in Erfahrung bringen können, da die betroffenen Ehemänner naturgemäß alles daransetzten, ihre Gattinnen darüber im Ungewissen zu lassen. So waren die obligatorischen Tageszeitungen und Wochenmagazine plötzlich nicht mehr im Briefkasten zu finden, selbst zum Zeitpunkt der Fernsehnachrichten im Hauptabendprogramm, ansonsten ein sakrosankter Termin männlicher Selbstbestimmung, verfielen die Angetrauten plötzlich in familienfreundliche Aktivitäten und schlugen gemeinsame Abendspaziergänge zum nächstgelegenen Eissalon vor oder veranstalteten sogar gemütliche Spieleabende, vorwiegend mit befreundeten Familien, deren männliche Oberhäupter der gleichen Problematik ausgesetzt waren.

    In der wohl berechtigten Hoffnung, dass sich die medialen Wellen schon bald soweit gelegt haben dürften, dass sie es nicht mehr in die Fernsehnachrichten schaffen würden.

    Doch bei all ihren Vorsichtsmaßnahmen konnten die sorgengeplagten Ehemänner nicht verhindern, dass sich ihre Gattinnen untereinander über die Ursache für diese kollektive Charakterwandlung austauschten.

    Die größte Gefahr ging freilich von den öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Denn die dort angebotenen Gratiszeitungen stürzten sich mit großer Lust und geheuchelter Empörung auf diese fatale Form des Datendiebstahls, wobei sie wichtigtuerisch prophezeiten, dass die Scheidungsanwälte schon bald die meistbeschäftigte Berufsgruppe in Österreich sein dürfte.

    Es war also nur mehr eine Frage der Zeit, bis der erste Ehemann auffliegen würde.

    Dabei schien die Lage von Kajetan Vogel auf den ersten Blick nicht ganz so verzweifelt zu sein wie die seiner Leidensgenossen. Immerhin hatte er vor einiger Zeit einen Mordfall aufgeklärt, der in direktem Zusammenhang mit eben dieser Agentur gestanden war. Dies zumindest hätte er als Argument gegenüber seiner Frau in Anschlag bringen können. Problematischer hätte sich hingegen das Verhältnis zu der Person gestaltet, die er über dieses Portal kennengelernt und auch getroffen hatte, war es doch niemand anderer als die Trauzeugin und beste Freundin seiner Ehefrau Martina gewesen, die er in Zusammenhang mit einem Blind Date tatsächlich »versehentlich« getroffen hatte. Was freilich auch ein leidenschaftlich-spielerischer Mailverkehr, der dem Treffen vorausgegangen war, hinreichend dokumentierte.

    Für sich alleine gesehen hätte dies unter Umständen auch unter die Rubrik »Recherche« fallen können, schließlich, so konnte Vogel argumentieren, hatte er sich ein Bild davon machen müssen, wie es in einer solchen Agentur zuging. Und wer wäre dafür besser geeignet gewesen als die in einem solchen Zusammenhang doch völlig unverdächtige beste Freundin seiner Frau?

    Diese Vertrauensstellung hatte Monika Leinreuther jedoch nicht davon abhalten können, unseren armen Helden bei ihrem Treffen dergestalt zu bestürmen, dass er die für ihn ohnehin ungewohnte Verteidigung der ehelichen Treue nur kurz aufrechtzuerhalten vermochte, um ihrem Drängen dann fast widerspruchslos – und anfangs durchaus lustvoll – nachzugeben.

    Jene Tatsache schlug sich freilich nicht in ihrem Mailverkehr nieder, was immerhin beruhigend war – dies konnte er also durchaus glaubwürdig abstreiten.

    Auch die anderen vergeblichen Werbungsversuche bei einigen ausgewählten Damen bildeten eigentlich keine Gefahr, weil auch sie zu Recherchezwecken entstanden sein konnten.

    Nein, die eigentliche Bedrohung ging nicht von den im Netz zugänglichen Dokumenten aus, sondern alleine von der Person Monika Leinreuthers.

    Denn die hatte ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass diese Episode für sie noch lange nicht abgeschlossen sei, zumal Vogel nicht nur durch sein Verhalten während ihres kurzen Pantscherls, sondern auch gegenüber ihrem neuen Galan Monika allen Grund gegeben hatte, sich der alten Weisheit zu entsinnen, dass Rache eine Speise sei, die kalt genossen am bekömmlichsten ist.

    Dass seine Frau Martina auf die eigentlich naheliegende Idee gekommen ist, an jenem Freitagabend ihre Trauzeugin Monika zusammen mit Florian Brunner, eben jenem wenig geliebten Nachfolger, anlässlich ihres 15. Hochzeitstags zum Abendessen einzuladen, machte die Sache nicht eben einfacher für Vogel.

    Er hatte sich den Nachmittag freigenommen und war gerade auf dem Heimweg, als Monika ihn anrief und sich dessen versicherte, dass er auch ganz gewiss da sein werde und nicht von irgendwelchen wichtigen Ermittlungen von diesem »gemütlichen Beisammensein« abgehalten würde. Schließlich hätte sie ihm und seiner Gattin etwas »außerordentlich Wichtiges« mitzuteilen, und da »wäre es doch schade, wenn er nicht dabei sein könnte«.

    Sein banges Nachfragen, wes Inhalts diese wichtige Nachricht sei, beantwortete sie mit der einleuchtenden Bemerkung, dass sie ihm das jetzt sicherlich nicht mitteilen würde, da es ansonsten »ja keine Überraschung mehr« wäre. Der Unterton, in dem sie ihm diese Mitteilung machte, versetzte ihn, dessen Nerven durch die Tatsache ihres Besuchs ohnehin reichlich mitgenommen waren, in zusätzliche Alarmbereitschaft.

    Als er zu Hause ankam, schien sich sein Seelenzustand nur allzu deutlich in seiner Gesichtsfarbe widerzuspiegeln. Dies bemerkte auch seine Frau Martina, die sich sogleich besorgt nach seinem Gesundheitszustand erkundigte und ihm dazu riet, sich zur Erholung ein wenig niederzulegen, da es doch zu schade wäre, wenn sie »den netten Abend mit Monika und Florian« absagen müssten.

    Diese Idee war ihm noch gar nicht gekommen!

    Doch bereits nach kurzer Überlegung verwarf er jenen reizvollen Gedanken gleich wieder, könnte doch das dann unvermeidliche Telefonat zwischen Monika und Martina ohne eine Möglichkeit seines Eingreifens unkontrolliert eskalieren.

    Also fügte sich Vogel in das Unvermeidliche und verkündete stattdessen, mit seiner Greyhoundhündin Emily zur Cholerakapelle im Wienerwald zu fahren, um sein sicherlich nur vorübergehendes Unwohlsein mit einem ausgedehnten Spaziergang zu kurieren.

    Martina war’s recht, zumal sie bei den Vorbereitungen des Abendessens ohnehin ungestört sein wollte. Die nunmehr 13-jährige Tochter Laura, die er eigentlich dazu mitnehmen wollte, weigerte sich beharrlich, eine so lange Wanderung mit ihrem angeschlagenen Vater zu unternehmen, sodass er alleine auf sich gestellt alle möglichen Szenarien des folgenden Abends durchspielen konnte.

    Der strahlende Frühlingstag wäre eigentlich bestens dazu angetan gewesen, auch die dunkelsten Gedanken zu verscheuchen, doch Vogel beachtete kaum die Sonnenstrahlen, die bereits eine wohlige Wärme verbreiteten. Selbst das lustige Vogelgezwitscher, das das Erwachen der Natur feierte, und die Ausgelassenheit seines Hundes vermochten ihn nicht aufzuheitern. Zu sehr war er mit den möglichen Folgen des heutigen Abends beschäftigt.

    Zwar glaubte er nicht, dass Monika mit der ganzen Wahrheit herausrücken würde, immerhin war ja auch sie bei ihrem Zusammensein nicht untätig geblieben, genau genommen war sie ja sogar die treibende Kraft gewesen, auch wenn sie das heute sicherlich abstreiten würde. Eine solche Offenbarung hätte wohl unweigerlich nicht nur zum Ende seiner Ehe, sondern auch zum Ende der Freundschaft zwischen Martina und Monika geführt – und so weit wollte sie es wohl nicht kommen lassen.

    Es genügte ja auch nur ein kleiner Hinweis auf die gehackte Agentur, möglicherweise noch verbunden mit der Aufforderung, sich dort doch einmal umzuschauen, wer sich aller in diesem Seitensprungportal herumgetrieben hatte. Doch auch in diesem Falle würde Martina auf die Verbindung aufmerksam werden.

    Es hing also alles davon ab, wie weit Monika heute Abend gehen würde.

    Dann war da noch dieser unsägliche Florian, den er ja überhaupt nicht leiden konnte.

    Zwar glaubte Vogel nicht, dass Monika ihm gebeichtet hat, dass sie sich auf einem solchen Portal bewegt hatte. Das machte doch auf einen Liebhaber einen allzu jämmerlichen Eindruck, dass sie solche Dinge notwendig gehabt hätte, bevor sie ihn kennengelernt hatte. Was in seinen Augen wohl unweigerlich zu ihrer Herabminderung führen würde. Nein, so dumm würde Monika sicherlich nicht sein!

    Mit anderen Worten: Eigentlich hatte er am heutigen Abend überhaupt nichts zu befürchten!

    Dennoch war ihm etwas mulmig zumute, als es pünktlich um 19.30 Uhr an der Tür läutete. Schon bevor er dem Besuch öffnete, hörte er Monikas glucksendes Lachen, das ihn anfangs so begeistert hatte und ihn in diesem Moment doch wieder verunsicherte, zumal es ihn an ihre Spottlust erinnerte, mit der sie ihn bei ihrem letzten Treffen in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hatte.

    Er hatte jedoch beschlossen, ihr furchtlos gegenüberzutreten und sich möglichst gelassen zu geben.

    Tapfer setzte er sein strahlendstes Lächeln auf und öffnete schwungvoll die Tür.

    Herzlich hieß er sie willkommen, Monika mit zwei oberflächlichen Wangenküssen und Florian mit einem festen Händedruck.

    »Schön, dass ihr gekommen sein, um mit uns unseren Hochzeitstag zu feiern. Das war wirklich eine grandiose Idee von euch!«, flötete er, während er Monika galant aus dem Mantel half. Florian versuchte unterdessen – in der einen Hand den obligaten Blumenstrauß, in der anderen das zerknüllte Seidenpapier – sich der stürmischen Liebesbezeugungen Emilys zu erwehren, die mit ihrem langen Schwanz peitschenartige Hiebe verteilte.

    »Martina war leider bis vor Kurzem von der Küchenfron in Anspruch genommen, und lässt sich vorderhand entschuldigen, sie macht sich noch schön für euch«, erklärte Vogel, während er Emily sanft beiseiteschob und die Gäste in das angrenzende Speisezimmer führte, wo Laura gerade dabei war, die auf dem Esstisch verteilten Kerzen zu entzünden.

    Nach dem üblichen Begrüßungsprozedere, bei dem Laura Monika mit einem herzlichen Lächeln bedachte und den ihr noch nicht bekannten Florian eher zurückhaltend die Hand schüttelte, und der Erfüllung der Aperitifwünsche der Gäste und den damit verbundenen üblichen Floskeln, machte sich erst einmal verlegenes Schweigen breit, das erst durch das Auftauchen der Dame des Hauses durchbrochen wurde.

    »Ist etwas passiert? Ihr sitzt ja da, als wäre gerade jemand gestorben«, plauderte Martina fröhlich los, als sie der wohl dümmlich vor sich hin lächelnden, gleichwohl in andächtiger Stille versunkenen Gesellschaft ansichtig wurde.

    Mit einem Schlag war die gedrückte Atmosphäre verflogen, deren Ursache natürlich darin begründet war, dass das letzte Treffen in dieser Konstellation ausgesprochen unerfreulich verlaufen war und in einem erbittert geführten Streit geendet hatte.

    Nach der allgemeinen Begrüßungszeremonie mitsamt der feierlichen Überreichung des Blumenstraußes war die Stimmung wie umgewandelt.

    Martina und Monika plauderten ausgelassen über ihre Männer, sogar Kajetan scherzte mit Florian.

    Es schien vorderhand, als ob die anfänglich gehegten Befürchtungen Vogels doch unbegründet gewesen waren. Angesichts dieser ausgelassenen Atmosphäre ging er sogar so weit, dass er ihr letztes Zusammensein in launiger Weise persiflierte.

    »Nachdem unser erstes Kennenlernen unter nicht ganz erfreulichen Umständen geendet hatte, an denen auch ich einen nicht geringen Anteil hatte, nehme ich die Schuld daran zur Gänze auf mich und bitte Florian, mein freundschaftliches Versöhnungsangebot anzunehmen.«

    »Ganz so war es doch nicht, auch ich habe leider über das Ziel hinausgeschossen«, antwortete Florian freudig und erhob sein Glas.

    »Es wäre ja schließlich nicht das erste Mal, wenn sich eine harmonische Beziehung aus einem holprigen Beginn entwickeln würde – also, hiermit sei es besiegelt, Florian und ich haben unser Kriegsbeil begraben«, rief Kajetan geradezu euphorisch aus und prostete ihm zu, »angesichts der hier herrschenden weiblichen Übermacht muss man sich als unterlegene Kraft einfach solidarisieren, um nicht unterzugehen.«

    »Ja, die Männer geben sich immer dann besonders stark, wenn sie etwas ausgefressen haben«, erwiderte Monika lachend.

    »Oje, hat der Florian etwas angestellt?«, ging Martina fröhlich auf die Flachserei ihrer Freundin ein.

    »Wer hat etwas von Florian gesagt?«, antwortete sie leichthin.

    »Wollt ihr vor der Vorspeise nicht doch noch etwas trinken?«, beeilte sich Vogel zu fragen.

    Seine bislang an den Tag gelegte Unbekümmertheit wich sogleich der schieren Panik, wobei er bemüht war, sich dies nicht anmerken zu lassen.

    »Ja, noch so ein Gläschen Prosecco wäre nicht schlecht«, meinte Monika, während sie Vogel mit aufreizender Miene ihr leeres Glas hinhielt, »was ist das überhaupt für ein Gesöff? Es ist köstlich.«

    »Danke, ich finde auch, dass er es mit jedem Prosecco aufnehmen kann. Das ist ein Uhudler Frizzante aus dem Südburgenland«, erklärte Vogel, dankbar, dieser gefährlichen Situation vorerst entgangen zu sein. »Wisst ihr eigentlich, dass der Uhudler schon einige Male verboten war, weil er angeblich gesundheitsschädlich ist? Zuerst im Jahre 1938, wo eh fast alles untersagt wurde, was Spaß macht. Erst 1992 wurde dieses Verbot wieder aufgehoben, der Wein wurde also gleichsam erst sehr spät rehabilitiert. Allerdings nicht ganz. So darf er nur in einigen burgenländischen Gemeinden verkauft werden, und das, obwohl die sogenannte Isabella-Traube gegen die Reblaus und die meisten Pilzkrankheiten resistent ist und daher nicht gespritzt werden muss. Und das Ärgste daran ist, dass eine weitere Anpflanzung von Uhudler-Trauben fast wieder verboten wurde.«

    »Da steckt doch sicherlich wieder die EU dahinter, die sich den Interessen der Chemiekonzerne beugt«, warf Florian ein.

    »Bitte, ihr Lieben, tut mir einen Gefallen: keine Politik heute Abend!«, rief Martina dazwischen, »wir wollen doch einen gemütlichen Hochzeitstag feiern.«

    »Ja, weißt du, wenn Männer zusammenkommen, gibt es eh nur drei Themen: Fußball, Politik oder Frauen, das ist das Einzige, was sie interessiert! Und ich glaube, mit Martina einig zu sein, wenn wir verlangen, dass heute Abend weder über Politik noch über Fußball geredet wird«, setzte Monika hinzu.

    »Und über Frauen dürfen wir schon sprechen?«, fragte Florian verwundert.

    »Wenn es für uns interessant ist, dann schon, nicht wahr, Martina?«, antwortete Monika spitz und bedachte Vogel mit einem bedeutungsvollen Blick. »Wenn ihr uns beispielsweise eine befriedigende Erklärung dafür geben könntet, warum ihr immer wieder irgendwelchen anderen Frauen hinterher laufen müsst, obwohl diese um keinen Deut attraktiver oder gescheiter sind als wir, die euch treu ergeben sind.«

    »Ja, das würde mich auch einmal interessieren«, pflichtete ihr Martina bei.

    »Da kann uns doch bestimmt der Kajetan Auskunft darüber geben. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du vor einiger Zeit mit einem Mordfall im Umfeld einer Seitensprungagentur zu tun gehabt. Und dabei sicherlich auch Einblick in die Psyche der männlichen Kundschaft gewinnen können. Erzähl doch mal, was waren das denn für Typen?«

    Doch Kajetan hatte nach ihren anfänglichen Andeutungen mit einem solchen Ausfall von Monika gerechnet.

    »Ich glaube nicht, dass sich das Thema für ein 13-jähriges Mädchen eignet, meinst du nicht auch?«, fragte er sie kühl und streichelte seiner interessiert lauschenden Tochter Laura über den Kopf.

    »Entschuldige, Laura, wenn man selbst keine Kinder hat, vergisst man leider nur allzu oft, dass man nicht über alles reden kann, wenn sie dabei sind«, sagte Monika und warf Kajetan einen anerkennenden Blick zu, mit dem sie ihm aber gleichzeitig beschied, dass dieses Thema für heute Abend sicherlich noch nicht ausdiskutiert war.

    Nach einem ausgiebigen Abendessen, bei dem Martinas Kochkünste einhellig gelobt worden waren – es gab nach einer Frittatensuppe Rindsrouladen mit Spiralen und danach Marillenknödel – unternahm Kajetan den obligaten Abendspaziergang mit seiner Emily, während Martina Laura davon zu überzeugen suchte, dass es langsam an der Zeit für sie wäre, ins Bett zu gehen.

    Als Kajetan nach Hause zurückkehrte, konnte er schon im Vorzimmer an Monikas glucksendem Lachen hören, dass seine Abwesenheit der herrschenden Stimmung keinen Abbruch getan hatte.

    Kaum hatte er das Zimmer betreten, als Monika ihm laut lachend zurief: »So, die Laura ist im Bett, und jetzt wollen wir doch wissen, was das für Männer waren, denen du in dieser Seitensprungagentur begegnet bist. Deine Martina interessiert sich doch sicherlich auch dafür, oder?«

    »Natürlich, mir hast du davon gar nichts erzählt«, stimmte sie ihr zu.

    »Ich wusste nicht, dass du dich für solche Themen interessierst«, tat Vogel verwundert, »du betonst ja immer wieder, dass du von meinen Mordsachen nichts hören willst.«

    »Ja, von dem üblichem Mord und Totschlag will ich wirklich nichts wissen, das macht mir Angst – und vor allem hast du immer dann davon erzählt, wenn Laura daneben saß.«

    »Aha, und kaum geht es um Sex, dann interessiert es dich plötzlich …«, rief Florian lachend aus.

    Bevor jedoch die etwas verlegene Martina darauf antworten konnte, mischte sich wieder die unselige Monika ein.

    »Erzähl jetzt doch endlich, was sind das für Typen, die sich dort herumtreiben?«

    »Das müsstest du doch eigentlich besser wissen als ich. Ich nehme doch an, dass du es öfter mit gattungswilligen Männern zu tun hast«, antwortete Vogel, der angesichts der ständigen Sticheleien Monikas beschlossen hatte, seinen bisherigen Verteidigungsmodus wenigstens kurzzeitig zu überdenken.

    »Hört, hört, jetzt fliegen die Hackln aber tief«, rief der gänzlich ahnungslose Florian aus, während Monika Kajetan einen forschenden Blick zuwarf.

    »Kinder, streitet doch nicht«, warf sich nun Martina ins verbale Getümmel, »bitte, Kajetan, beantworte doch einfach die Frage von Monika, das würde mich nämlich auch interessieren.«

    Vogel stand wortlos auf, ging zu einem großen Kästchen, das an der Wand hing, und entnahm diesem nach kurzer Abwägung eine Pfeife, die er bedächtig stopfte. Danach nahm er wieder am Tisch Platz und schaute ruhig in die erwartungsvolle Gesellschaft.

    »Ganz normale Männer habe ich dort getroffen, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es ein repräsentativer Querschnitt durch die männliche Bevölkerung Wiens war. Vom verheirateten Arzt bis zum ledigen Rockmusiker mit sadomasochistischen Neigungen war alles dabei, wobei ich betonen muss, dass es letztlich keiner dieser Männer war, der diesen Mord begangen hat«, sagte er und entzündete genüsslich den Tabak in seiner Pfeife, der sogleich den Raum mit einem nach Vanille duftenden Aroma erfüllte.

    »Wie geht es in einer solchen Gesellschaft zu? Wie finden die Menschen überhaupt zueinander?«, insistierte Monika, die sich anscheinend von ihrer Überraschung wieder erholt hatte.

    Doch Kajetan hatte während des Spaziergangs Muße genug gehabt, um sich auf dieses Gespräch vorzubereiten.

    »Das war für uns auch das Problem gewesen. Um einen Einblick zu gewinnen, musste ich eben dieser Agentur selbst beitreten, inkognito, versteht sich.«

    »Davon hast du mir ja gar nichts erzählt«, wiederholte Martina vorwurfsvoll.

    »Vielleicht hatte er ja einen Grund dafür«, zündelte Monika weiter.

    Doch Vogel nuckelte gelassen an seiner Pfeife und nahm Martinas Hand.

    »Das hätte dich doch nur beunruhigt, mein Schatz. Das musste ja alles unter strengster Geheimhaltung erfolgen. Stell dir nur vor, ich erzähle dir das, und dann triffst du eine Freundin und plauderst mit ihr darüber. Die erzählt es wieder ihrem Mann, die Geschichte ist ja schließlich amüsant genug. Und der sagt es wiederum einem befreundeten Zeitungsredakteur, und schon haben wir eine Überschrift auf der Titelseite der Kronen Zeitung: ›Kriminalbeamter vergnügt sich auf Steuerkosten in einer Seitensprungagentur‹ – na, mehr hätte ich nicht gebraucht, außerdem wäre dann meine Tarnung aufgeflogen, und alles wäre umsonst gewesen.«

    Doch Monika ließ nicht locker.

    »Das sagt er jetzt, das könnte ja auch ein wunderbarer Freibrief sein, um sich einmal in anderen Gärten umzusehen. Sei doch mal ehrlich, Kajetan, was hast du dort angestellt? Du musst schließlich auch einige Frauen getroffen haben, um zu sehen, wie es dort zugeht … das ist ja das, was uns eigentlich interessiert, oder etwa nicht, Martina?«

    »Na ja. Ich weiß eigentlich nicht, ob ich das alles so genau wissen will«, antwortete diese unbehaglich.

    »Ich habe ja nichts zu verbergen«, gab sich Vogel großzügig. »Ja, ich habe tatsächlich eine Dame getroffen, um zu sehen, auf welchem Weg der Mord zustande gekommen sein könnte. Auf dem Kommissariat hatten wir ja alle keine Erfahrung darin. Als Dienstältester habe halt ich das übernommen … Die Begegnung selbst war ganz nett, allerdings hatte sich die betreffende Dame wohl mehr davon erwartet … und den Mord haben wir dann eh aufgeklärt.«

    Behaglich zog Vogel an seiner Pfeife und lächelte Monika siegessicher zu, als plötzlich sein Telefon läutete. Man kann sich vorstellen, dass dies unserem Helden in dieser Situation durchaus zupass kam, denn der Anrufer war niemand anderer als sein Kollege und Freund Alfons Walz, wie er auf dem Display ersah. Mit einer entschuldigenden Handbewegung ging er ins Nebenzimmer, ließ aber die Tür offen, damit das Gespräch gut zu hören war.

    »Was gibt’s, o du mein Walz?«, sagte er übertrieben laut.

    »Hier ist mein verabredeter Rettungsruf, ich habe uns schon einmal einen Tisch im Salzberg in der Corneliusgasse reserviert.«

    »Was, um Himmels willen, ist denn passiert?«, fragte Vogel mit gespieltem Entsetzen.

    »Alter Pharisäer, sag einfach, zwei Kollegen sind erkrankt, deshalb müssen wir zu einem Einsatz. Eine männliche Leiche wurde in einem verlassenen Haus aufgefunden.«

    »Aber ich habe doch Gäste …«, protestierte Vogel lahm.

    »Das klingt ja fast schon überzeugend …«, antwortete Walz lachend.

    »Okay, wohin soll ich kommen?«

    »In die Hirschstettner Straße im 22. Hieb, da ist heute Abend wirklich eine Leiche gefunden worden – das ist schön weit weg, bis du zurück bist, sind die Gäste sicherlich schon nach Hause gegangen.«

    »Das ist ja am anderen Ende der Stadt, dazu brauche ich mindestens eine halbe Stunde. Ich beeil mich!«

    Mit zerknirschter Miene kehrte Vogel ins Esszimmer zurück und zuckte bedauernd mit den Schultern.

    »Ihr habt es ja gehört. Leider muss ich zu einem dringenden Einsatz, weil zwei Kollegen plötzlich erkrankt sind. In der Hirschstettner Straße im 22. Bezirk wurde eine männliche Leiche gefunden – Auftrag von ganz oben!«, fügte Vogel mit wichtiger Miene hinzu.

    »O nein«, rief Martina aus, »jetzt war es gerade so gemütlich. Hättest du nicht sagen können, du wärest krank?«

    »Zu spät«, antwortete Vogel zerknirscht.

    »Es ist wirklich zum Heulen … aber ihr bleibt schon noch ein bisserl?«, wandte sich Martina an ihre Gäste, die selbstredend versprachen, ihr in ihrem Leid beizustehen.

    »Aber glaub ja nicht, dass unser heutiges Gespräch damit beendet ist«, rief ihm Monika lachend hinterher, als er davonstürmte.

    Erleichtert, der immer peinlicher werdenden Diskussion glücklich entronnen zu sein, stieg Vogel in sein Auto und fuhr frohgemut nach Mariahilf, wo ihn sein Kollege im Salzberg erwartete.

    »Danke, du warst meine Rettung«, begrüßte Vogel seinen Kollegen, der in dem hinteren Teil des geräumigen und gut besuchten Lokals Platz genommen hatte.

    »War es so schlimm?«, fragte Walz lachend.

    »Schrecklich war’s. Wie ich befürchtet habe, hat die Monika gezündelt und wollte

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