Botticelli
Von Emil Schaeffer
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Buchvorschau
Botticelli - Emil Schaeffer
Emil Schaeffer
Botticelli
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2022
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066433635
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
VERZEICHNIS DER WERKE SANDRO BOTTICELLIS.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Kapitel 1
Inhaltsverzeichnis
Jahrhunderte lang wurde in einer Kapelle der Kirche St. Maria Maggiore zu Florenz eine Darstellung der Himmelfahrt Mariä verwahrt, deren Entwurf man Sandro Botticelli dankt. In diesem anscheinend frommen Bilde hatte die heilige Inquisition ketzerische Greuel entdeckt und entzog es durch einen Vorhang den Blicken der Gläubigen. Botticelli war nämlich in der Auffassung der Engel einer verdammungswürdigen Meinung des Origines gefolgt, der da behauptet hatte, die Seelen jener Engel, die bei Lucifers Empörung neutral geblieben, seien in menschliche Körper gebannt und solcher Weise von Gott noch einmal versucht worden. Eigentlich hätte eine gestrenge Inquisition sämtliche Bilder von Botticellis Hand verdecken, verhüllen und verbrennen sollen; denn stets kann vor ihnen der nämliche Tadel laut werden, allüberall gewahren wir Menschen mit engelhaften Seelen…
Ich bin der Sonne ausgesetztes Kind,
Das heim verlangt…
So liest man in den schmerzlichen Blicken botticellesker Menschen, das künden ihre adligen Gesten, mehr noch ihre Körper, die nichts vom Geiste der Schwere haben und wie Musik dünken. Die christlichen Heiligen und die heidnischen Grazien schreiten fremd durch dieses Thal der Thränen und bangen in frierender Sehnsucht nach einer verlorenen Sonnenheimat.
Man muss sehr weit zurückdenken, um die Erscheinung Botticellis innerhalb der Florentiner Kultur als eine historische Notwendigkeit zu empfinden. Das ganze Mittelalter hindurch tobten bis zum Beginn des Quattrocento wüste Parteikämpfe in den Gassen der Arnostadt. Die Häuser, gewaltig und zinnenbewehrt, wandelten sich oft genug in Festungen und ihre Inwohner liessen dem Schwert keine Zeit, Rost anzusetzen. Noch heute reckt, ein Wahrzeichen jener Tage, der Turm des Palazzo Vecchio sein Haupt über die Dächer, als wollte er Ausschau halten nach einem Feinde; selbst die Chroniken des Trecento scheinen nicht mit der Feder, sondern mit dem Schwert geschrieben und ihre Sätze klingen zuweilen wie drohendes Panzergerassel. »Freiheit«, lautete das grosse Losungswort der Zeit; es enthielt alles, was die Florentiner auf Erden forderten; die Schönheit blieb dem Jenseits vorbehalten. Nur wenige jedoch waren so gelehrt, dass Bücher ihnen eine greifbare Vorstellung von himmlischer Seligkeit vermitteln konnten; darum sollte die Kunst durch goldschwere Gemälde den »uomini grossi, che non sanno lettera« das wahre Leben im farbigen Abglanz zeigen. Natürlich mussten dabei Anlehen bei den Gebilden dieser Erde gemacht werden, aber von einem Nachahmen der Sinnenwelt um ihrer selbst willen war nie die Rede.
Allmählich verstummte der Lärm des Streitens und der Friede zog in Florenz ein. Das Auge des Bürgers war von keiner zornigen Leidenschaft mehr verdunkelt, heiter und willig haftete es an den Herrlichkeiten dieser Erde. Das neue Empfinden forderte eine neue Kunst; das schöne Diesseits wollte man nunmehr im Bilde schauen, den Menschen und die Dinge um ihn. Künstler standen auf, die, geführt von Donatello und Masaccio, die Herrschaft über alle Ausdrucksmittel der Kunst sich zu eigen machten, dem Bereich des Darstellbaren neue Stoffgebiete angliederten. Jenen Grossen, deren Gebilde noch den ganzen finsteren Reckentrotz des Trecento atmeten, folgten Jüngere, die bereits ernten durften,