Fischen das Wasser erklären - Mahamudra Lehren für die heutige Zeit: Zwei Vorträge und ein Interview
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Über dieses E-Book
Es ist so, als ob man einem Fisch das Wasser erklären möchte. Wie macht man das? Der Fisch kennt ja nur Wasser. Er kennt das Wasser so gut, dass er es nicht von der Essenz der eigenen Erfahrung unterscheiden kann. Der Fisch ist vielleicht nie wirklich zufrieden, er will immer etwas anderes, als das, was er hat, oder es handelt sich um einen Fisch, der alles daran setzt, an einem ganz bestimmten Ort im Fluss zu bleiben und nirgendwo anders. So ein Fisch kann nicht vertrauen, dass das Wasser da ist und ihn trägt, wo auch immer er ist. Er hat vielleicht vom Wasser gehört und sehnt sich danach, aber der Fisch kann nicht verstehen, dass er schon im Wasser lebt und sich nur zu entspannen braucht. Zu vertrauen bedeutet, das Wasser tun zu lassen, was Wasser natürlicherweise tut.
Die englische Lehrerin Shenpen Hookham hat sich in über 50 Jahren buddhistischer Praxis und Lehre zur Aufgabe gemacht, die tiefgründigen buddhistischen Lehren westlichen Menschen nahe zu bringen. Sie tut das auf eine Weise, die spüren lässt, wie lebendig und relevant sie für unser Leben jetzt und hier sind.
Lama Shenpen Hookham
Die Engländerin Lama Shenpen lebte von 1969 an als junge Frau längere Zeit in Indien, überwiegend als Nonne in der tibetisch buddhistischen Tradition. Im engen und persönlichen Kontakt lernte sie in dieser Zeit von den großen Lamas der exil-tibetischen Gemeinschaft, wie Bokar Rinpoche, Kalu Rinpoche und dem 16. Karmapa. Dieser schickte sie im Jahr 1976 nach Europa zurück, um Gendün Rinpoche beim Aufbau eines der ersten buddhistischen Zentren in Europa als Übersetzerin zu unterstützen. Dort traf sie auf Khenpo Tsültrim Gyamtso Rinpoche, einen der großen lebenden Meister der Kagyu-Schule, dessen Schülerin sie seit dieser Zeit ist. Auf sein Anraten gab sie den Status als Nonne auf und begann eine Doktorarbeit in Oxford, in der sie eine bahnbrechende Neuinterpretation des Ratnagotravibhaga, einer zentralen Schrift zu den tiefgründigen Lehren zur Buddha-Natur, vornahm. Sie ist unter dem Titel "The Buddha Within" als Buch erschienen. 1982 heiratete sie Lama Rigdzin Shikpo (Michael Hookham), der zu einem wichtigen Lehrer für sie wurde und dessen Sangha Longchen-Foundation sie mit aufbaute. Mit ihm entwickelte sie das Training "Discovering the Heart of Buddhism", (deutsch: "Unterwegs ins Herz der Dinge") einen als Selbst-Studium konzipierten umfassenden buddhistischen Kurs. 1998 gründete sie in Nord-Wales die Lebens- und Lehrgemeinschaft "Awakened Heart Sangha" und baute hier 2003 das Retreat-Zentrum "The Hermitage of the Awakened Heart" auf. Sie ist Autorin des Buches "Beim Sterben geht es um mehr als den Tod" (Theseus, Neuauflage 2018). Ihre neuesten Veröffentlichungen sind ihre Lebensgeschichte "Keeping the Dalai Lama waiting" (2020) und "The Guru-Principle" (Shambhala, August 2021). Unermüdlich unterrichtet sie im Rahmen der tibetischen Mahamudra-Tradition ihre Schüler:innen in Meditation, Kontemplation und Einsichtspraxis. Typisch für sie ist der direkte, aus Erfahrung gespeiste und Jargon-freie Lehr-Stil. Sie besucht auch Deutschland, um zu lehren und das Mandala "Herz der Dinge" weiter zu fördern. Insgesamt verbrachte Lama Shenpen circa 12 Jahre im Retreat und lebt jetzt im Semi-Retreat in der Hermitage. Mittlerweile konzentriert sie ihre Energie darauf, ihre langjährigen Schüler:innen weiter auszubilden, Einzelgespräche mit Praktizierenden zu führen und weiter zu schreiben.
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Rezensionen für Fischen das Wasser erklären - Mahamudra Lehren für die heutige Zeit
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Buchvorschau
Fischen das Wasser erklären - Mahamudra Lehren für die heutige Zeit - Lama Shenpen Hookham
INHALT
Vorwort von Sylvia Wetzel
Vorwort von Agnes Pollner
1 Beziehungen: Ich und Andere und das Mandala-Prinzip
2 Fischen das Wasser erklären – Ein Interview mit Lama Shenpen
3 Spirituelle Autorität. Eine buddhistische Perspektive
Anhang
Hinweis zum Text
Zum Wohle der Leserinnen wird in dieser Fassung häufig die grammatikalisch weibliche Form bzw. das große »I« in Pluralform verwendet.
Hinweise und Anmerkungen von Sylvia Wetzel sind in eckige Klammern gesetzt.
Mögen alle Fehler in diesem Buch keine Eindrücke im Geist der geschätzten Leserinnen und Leser hinterlassen.
VORWORT VON SYLVIA WETZEL
Im Oktober 1993 begegnete ich Lama Shenpen zum ersten Mal im Sharpham Institut for Buddhist Studies im englischen Devon. Stephen Batchelor hatte eine Handvoll westlicher buddhistischer Lehrerinnen und Lehrer zu einer kleinen Tagung über Dharma im Westen eingeladen, an dem auch der kürzlich verstorbene Zen-Lehrer John Crook und Ajahn Sumedho teilnahmen. Ich mochte Shenpens feinsinnige und kluge Art auf Anhieb. Meine Hinweise auf patriarchale Strukturen im Buddhismus – ich war wie so oft in den 1990er Jahren als feministische Lehrerin eingeladen – fanden bei Shenpen allerdings kaum Resonanz. Das fand ich schade. Drei Jahre später sahen wir uns wieder auf der ersten europäischen Konferenz buddhistischer Lehrender auf Schloß Wachendorf, damals noch Sitz des Kamalashila Instituts. Zu diesem Treffen hatte die EBU eingeladen (European Buddhist Union), der Dachverband der buddhistischen Vereine und Gemeinschaften in Europa. Und zwar auf Vorschlag der DBU, des deutschen Dachverbandes, denn wir hatten 1994 und 1996 bereits zwei Treffen der deutschsprachigen Lehrenden – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – durchgeführt und fanden das äußerst wertvoll. Inspiriert dazu hatte uns die Erste Konferenz Westlicher Buddhistischer Lehrender in Dharmasala 1993.
Ein paar Wochen vor der Europäischen Tagung 1996 wurde mir die Teilnehmerliste zugeschickt, und darauf standen zwei Namen von Frauen (mein Name und der einer italienischen Pali-Gelehrten) und knapp dreißig von buddhistischen Lehrern. Ich rief sofort Shenpen an und bat sie, teilzunehmen, damit wir wenigstens zu dritt die Perspektive der Frauen vertreten könnten. Sie kam, und wir genossen den Austausch. Zur selben Zeit empfahl mir auch Lama Yeshe Udo Regel seine wunderbare Lehrerin Shenpen, die er immer wieder zu Kursen ins Kamalashila-Institut einlud. Als Lama Shenpen dann Ende der 1990er Jahre ein Wochenende in Berlin zum Mandala-Prinzip hielt, bot ich ihr an, ihren Kurs zu übersetzen und ihr zu helfen, Vorträge und Kurse in Deutschland zu halten. Aber es war wohl noch nicht die rechte Zeit dafür.
Ich freute mich daher sehr, als Lama Shenpen zustimmte, im Herbst 2009 in Berlin eine Seminar für die Tara-Libre-Sangha durchzuführen, und zwar zum Thema Zuflucht und Buddha-Natur, auf der Grundlage der wunderbaren Zufluchtsverse aus dem Ratnagotravibhaga. 2010 folgte dann das zweite Seminar zum Thema Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin, auf der Basis des Canki-Sutta, und 2011 das dritte Seminar zum Thema Formlose Meditation und zum Mandala-Prinzip.
Ich freue mich sehr, dass Agnes Pollner es durch ihre sorgfältige Übersetzung von drei Vorträgen möglich gemacht hat, dass wir Lama Shenpens Lehren auch auf Deutsch genießen können.
Mögen alle armen Seelen, die ihr wahres Wesen noch nicht kennen, es entdecken und aus der Fülle des Seins leben und zum Wohle aller Wesen wirken.
Jütchendorf, Allerseelen und Tara-Tag im November 2011, Sylvia Wetzel
VORWORT VON AGNES POLLNER
»Heutzutage bist du entweder eine Wissenschaftlerin, die von einer Sprache in die andere übersetzt, oder eine Übende, die bei einer Lehrerin in Ausbildung ist.« schreibt Trungpa Rinpoche im Vorwort zur Lebensgeschichte von Marpa, seines Zeichens Übersetzer und Gründervater der Kagyu-Schule des tibetischen Buddhismus. Marpa wanderte im 11. Jahrhundert drei Mal von Tibet nach Indien, um dort die buddhistischen Lehren zu studieren, das Knowhow und die dazugehörigen Texte zurück in seine Heimat zu bringen. Trungpa Rinpoche. fährt fort: »Im Westen vertreten viele Wissenschaftler die Ansicht, dass man nur entweder das eine sein kann oder das andere, beides zusammen geht nicht. Bist du eine Übende, dann verlierst du den ›objektiven‹ Standpunkt, bist du eine Wissenschaftlerin, dann verlierst du den Zauber des Herzens. Das Leben von Marpa aber ist eine einzigartige Geschichte darüber, wie Übersetzen und Übung zusammenkommen. Die Tibeter haben immer beides getan, übersetzt und praktiziert. In ihrer Kultur geht man davon aus, dass es gar nicht möglich ist, richtig zu übersetzen, wenn man nicht auch übt.«
Lama Shenpen führt diese Tradition fort, sie ist, wie Marpa, Praktizierende und Übersetzerin zugleich. Als sie als junge Frau die tibetischen Lamas im indischen Exil aufsuchte, konnte niemand mehr als ein paar Worte Englisch. Es gab keine andere Möglichkeit, sich zu verständigen und mehr über Buddhismus zu erfahren, als selbst Tibetisch zu lernen. Einer der ersten Texte, die der 16. Karmapa Lama Shenpen zu dieser Zeit als Übersetzungsprojekt auftrug, war das große Wunschgebet des Samantabhadra. Seither hat sie viele Texte und Vorträge tibetischer Lamas übersetzt.
Doch für eine neugierige Übende und sprachgewandte Forscherin wie Lama Shenpen kann sich das Übersetzen nicht darauf beschränken, die beste Wiedergabemöglichkeit eines traditionellen Textes zu finden. Zurückgekehrt in den Westen lag es Lama Shenpen besonders am Herzen, die überlieferten Belehrungen, die in die tibetische Kultur eingebettet sind, Menschen der westlichen Welt leichter zugänglich zu machen. Ein Ausdruck davon ist ihre Doktorarbeit, mit dem Titel The Buddha Within (Der Buddha in uns). Hier erläutert sie den bis dahin im Westen wenig bekannten ›positiven‹ Strang der buddhistischen Lehren. Der erste Beitrag in diesem Buch – »Beziehungen: Ich und Andere und das Mandala-Prinzip« – handelt unter anderem davon.
Als sie Rigdzin Shikpo (Michael Hookham), ihren späteren Mann kennen lernte, begegneten sich auch zwei fähige westliche Praktizierende mit einem gemeinsamen Interesse. Beide suchten Wege, das Dharma so zu vermitteln, dass es westliche Menschen intellektuell und emotional in ihrer