22 Lila Märchen
Von Christine Keller
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Über dieses E-Book
Hase, diverse Zwerge, Mac Holle, Rapunzel auf Abwegen im Altersheim, ein Crêpes liebender
Wolf und viele mehr leisten hier Abhilfe. LILA steht für Überraschung und amüsante
Revolte, für Entspannung und Entertainment. Ein modernes Märchenbuch und ideales
Mitbringsel für Erwachsene und Kinder.
Christine Keller
über die Autorin: Christine Keller (*1959) ist eine künstlerische Wundertüte. Neben ihrem Status als Familienfrau und Wanderlehrerin malte und realisierte sie von 1987-2003 viele Ausstellungen. Sie studierte an der Universität Zürich, arbeitete als Lebensberaterin und forschte über Farben. Seit 2010 schreibt sie Bücher in verschiedensten Genres, die sie zum Teil selbst illustriert
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Buchvorschau
22 Lila Märchen - Christine Keller
Ein Märchen hat seine Wahrheit und muss sie haben,
sonst wäre es kein Märchen.
— JOHANN WOLFANG VON GOETHE
Was uns ein Märchen sagt, passt in eine Nussschale,
gleichzeitig sind selbst die sieben Universen nicht
groß genug, um es zu fassen.
— TÜRKISCHES SPRICHWORT
Wenn du wirklich etwas willst, werden alle Märchen
wahr.
— THEODOR HERZL
Inhaltsverzeichnis
Das Märchen vom verbotenen nein
Achtsames Märchen
Elf heraus
Raprunzel & Belami
Der Schneewittwer
Das süsse kleine Aschenpudelchen
Mac Holle
Jeanne à la bonne Chance
Vom König der nicht Tango Tanzen und von der Königin, die nicht in Möbelhäuser gehen wolle
Die Prinzessin, die nicht aufwachen wollte
Rubin
Der Platz
Mimimi
Stress im Paradies
Three Daddys online
Tumtus der Igel
Der Regenjunge
Malpipi der Kommentar
Die Versteinerung
Märchen aus der Besteckschublade
Die vereiste Prinzessin und der Punkprinz
Hasencoaching
Das Märchen vom
verbotenen nein
Es war einmal ein Junge, der hieß Alois und hatte seine Eltern sehr lieb. Leider starben sie, als er sieben Jahre alt war, und er kam zu Onkel und Tante. Der Onkel war ein pensionierter Psychologe. Das heißt er war vor allem tagsüber pensioniert, morgens und abends kurz psychologisch, dafür von ausgewählter Sturheit! Die Tante, tja, … war einfach die Tante!
Eines Morgens verbot der Onkel dem Neffen Nein zu sagen. Was sollte Alois tun? Sein Onkel stand vor ihm und dozierte, was er im letzten Fortbildungskurs vor dem Ruhestand gelernt hatte. Es ging darum, dass man im Leben immer nur Ja sagen dürfe.
Der Onkel erklärte Alois lang und breit, dies sei das viel gerühmte positive Denken. Es gebe keine Verneinung im Universum! Der Onkel bläute Alois ein, dass man alles, woran man denke, vor allem wenn man es abwehrend oder angstvoll tue, anziehe.
»Also denke immer positiv und sag schön Ja und Amen, wenn du gefragt wirst.«
So lautete der erzieherische Kurzschluss. Das positive Denken wurde zu Onkels Lieblingsthema, und mit der Zeit schien es Alois, diese Theorie des ewigen Ja könnte stimmen. Er gab sich alle Mühe, positiv zu denken, zumindest um seinen Onkel nicht zu erzürnen.
Obwohl ein Angsthase, war Alois auch ein schlauer kleiner Logiker. Er erfand hinter dem Rücken von Onkel und Tante eine universelle Entsorgungsstrategie für alles, was ihm Angst machte: Matheprüfungen, der Nikolaus oder die fixe Idee, sein ganzes Leben im Reiheneinfamilienhaus von Onkel und Tante verbringen zu müssen! Dies alles schrieb er auf kleine Zettel, die er dann zerknüllte und wegwarf. Das Nein verschwand einfach im Papierkorb.
Eines Morgens traute Alois seinen Augen nicht: Ein zirka zwanzig Zentimeter großes Männchen, gekleidet wie ein Zwerg, stand auf einem Stapel pädagogisch wertvoller DVDs und beugte sich über den Papierkorbrand.
Alois überlief ein Schauer. Es war tatsächlich ein Zwerg! Mit seinen Miniaturhändchen fischte der Zwerg eine Papierkugel aus dem Korb und warf sie Richtung Kommode. Alois staunte noch mehr, als eine zweite kleine Gestalt mit Zöpfen, die unter der Mütze hervorlugten, herbeihuschte und das zerknüllte Papier auffing.
»Ich habe Angst, wegen meiner Sommersprossen«, las die Zwergin im typischen Zwergenjargon vor. Der Zwerg gluckste. Seine Frau blickte um sich und entdeckte Alois, der auf dem Bett saß und seine Besucher anstarrte. Er hielt einen abgerissenen Knopf in der Hand, welchen er eben an seine Wolljacke hatte annähen wollen.
Alois spürte, dass dieses Treffen kein Zufall war. Er legte den Knopf auf die Bettdecke und beschloss, das Zwergenpaar anzusprechen. »Ich bin ein Waisenkind«, brachte er hervor. Etwas Besseres kam ihm nicht in den Sinn, doch die zwei kleinen Besucher verstanden ihn nach Zwergenart auf der Stelle.
»Warum schreibst du diese doofen Zettel?« Der Zwerg fixierte Alois mit seinen Knopfaugen.
»I-ich darf ni-nicht negativ denken, sonst wird mein Onkel wü-wütend«, stotterte Alois.
»So ein Quatsch, das bringt ja gar nichts! Kein Wesen kann überleben, ohne mal etwas abzulehnen!« Die Zwergin war voller Mitleid.
»Seht ihr, wie schwer ich es habe?« Alois schüttete sein Herz vor dem Zwergenpaar aus, das es sich unterdessen im Schatten der Zimmerpalme gemütlich gemacht hatte. Er füllte seinem Besuch Sprudel in einen Fingerhut und legte einige Krümel von einem Brownie auf den abgerissenen Knopf.
Die Zwerge waren entzückt von Alois’ Gastfreundschaft. Und bekanntlich revanchieren sich Zwerge sehr großzügig für einen Gefallen.
»Jedes Menschenkind lernt Nein zu sagen.«
Der Zwerg war nachdenklich. »Wenn dein Onkel dies nicht will, dann erwartet er etwas von dir, was er selbst nicht einhält. Diese Ungerechtigkeit muss aufhören!«
»Aber wie? Könnt ihr mir helfen?« Alois wagte kaum zu atmen, so glücklich war er über das Interesse der Zwerge, die jetzt miteinander tuschelten und dann feierlich verkündeten: »Wir haben eine Idee, aber du musst genau das tun, was wir dir sagen!«
»Alles!«, rief Alois.
»Also, du verschwindest jetzt für drei Tage. Drei müssen es sein, denn so ist es immer im Märchen. Du packst deinen Rucksack mit dem Nötigsten und kommst mit uns in den Wald. Um Verpflegung und eine Schlafgelegenheit brauchst du dir keine Sorgen zu machen, das erledigen wir für dich.«
»Was möchtet ihr denn als Belohnung?« Alois war sehr gerechtigkeitsliebend.
»Ja, weißt du«, die Zwerge blickten Alois eindringlich an, »weil du uns so lieb bewirtet hast, möchten wir nur eines, nämlich dass du später unser Botschafter in der Menschenwelt wirst.«
»Kann ich das denn?« Alois war etwas skeptisch.
»Natürlich, du musst nur über uns schreiben. Die Leute wollen heute solche Dinge lesen. Du aber hast sie wirklich erfahren und dir nicht nur eingebildet.«
»Stimmt«, die Erleichterung, dass auch er den Zwergen behilflich sein konnte, und zwar auf eine Art, die ihm Spaß machte, war Alois anzusehen. Nur etwas lag ihm noch auf dem Herzen: »Aber werden es Onkel und Tante erlauben, dass ich solche Dinge schreibe?«
»Keine Angst, sie werden es erlauben.« Die beiden Zwerge nickten Alois ermunternd zu.
Der Plan der Zwerge wurde durchgeführt. Am nächsten Morgen brachten sie Alois in eine Waldhütte. Die sollte für die nächsten drei Tage sein Versteck sein. Selbstverständlich belegten die Zwerge die Hütte mit einem Unsichtbarkeitsbann.
So schnell sie mit ihren kurzen Beinen konnten, eilten die Zwerge zurück zu Onkels und Tantes Reiheneinfamilienhaus und stellten sich im Garten auf. Als Zwerge beherrschten sie das Stillstehen aus dem Effeff.
Die Tante wunderte sich zwar, dass kein Ton aus Alois Zimmer kam, vermied es aber nachzusehen. Als sie kurz vor dem Mittagessen in den Garten ging, um Schnittlauch für den Salat zu holen, standen zwei putzige Gartenzwerge mitten im akkurat gemähten Rasen zwischen Rhododendron und Johannisbeeren. Ein Männlein und ein Weiblein. Das Verrückte war, sie hatten die Gesichtszüge von Onkel und Tante. Das Verwandeln von Körper und Gesichtszügen ist eine von vielen außerordentlichen zwergischen Fähigkeiten!
Mit einem erstickten Schrei lief die Tante aus dem klinisch aufgeräumten Garten zurück ins Haus. Der Onkel saß in seinem Büro, in dem er tagelang seine diversen Sammlungen zu sortieren pflegte. Ächzend erhob er sich und folgte seiner aufgeregten Frau in den Garten. Beim Rhododendron blieb sein Blick an zwei Gartenzwergen mit Johannisbeerenspuren auf ihren Pausbacken hängen. Sie blickten genauso herrschsüchtig wie er und seine Frau. Und sie hatten diesen Ausdruck im Gesicht, den er positiv nannte. Der Onkel erschrak bis in sein Innerstes.
»Sie sehen zwar noch ganz gut aus«, brummte er, »aber so geht das nicht!« Energisch versuchte er die zwei Gestalten zu ergreifen und über den Zaun zu werfen. Doch es war wie verhext: Er griff immer daneben.
»Das wäre ja gelacht!« Der Onkel wurde immer wilder und die Tante musste nach einer Weile eingreifen.
»Wir überlegen uns eine andere Strategie«, sagte sie. Das Beruhigen des Gatten war ihr im Laufe ihrer Ehe zum Reflex geworden.
Der geübte Märchenleser ahnt die Fortsetzung. Was kam, war die Hölle. Wieder und wieder versuchte der Onkel, die Zwerge zu packen, den ganzen Nachmittag lang. Dass Alois nicht da war, schien ihn nicht zu kümmern. Es war die Tante, die vergeblich alle Mitschüler von Alois anrief und nach ihm fragte.
Am nächsten Morgen, als der Onkel für neue Fangversuche der Gartenzwerge mit Werkzeug ausgerüstet im Garten erschien, ging die Tante zur Polizei. Sie war nun doch verstört. Verstohlen blinzelten sich die Zwerge zu: Es lief alles nach Plan.
In der Nacht zum dritten Tag wandten die Zwerge noch einen weiteren Trick an: Sie benutzten sämtliche Traumphasen von Onkel und Tante, um ihnen die Leviten zu lesen. Als der Tag anbrach, waren Onkel und Tante am Ende, und zwar mit ihren Nerven. Sie gelobten Besserung in allem, was Alois betraf.
Leider erlitten sie kurz danach einen Rückfall in die alte Verständnislosigkeit und waren beim