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Resilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördern: Handlungsempfehlungen und praktische Umsetzung
Resilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördern: Handlungsempfehlungen und praktische Umsetzung
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eBook640 Seiten5 Stunden

Resilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördern: Handlungsempfehlungen und praktische Umsetzung

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Über dieses E-Book

Was sind Stellschrauben personaler und organisationaler Resilienz in einer sich zunehmend revolutionär verändernden Welt? Eine ganzheitlich verstandene und gelebte Resilienz bietet den Rahmen, um schwierigen Situationen wie auch dem, was überraschend auf uns zukommen kann, zu begegnen. Dabei ist der „Faktor Mensch“ entscheidend, um solche Herausforderungen zu bewältigen und daraus gestärkt hervorzugehen. 
Fachlich fundiert beschreibt der Autor, wie Resilienz im Unternehmen wirksam gestaltet werden kann. Dabei zeigt er konkrete, praxiserprobte Wege auf, die jede Organisation unter Berücksichtigung der jeweiligen Unternehmensphilosophie und -kultur in Betracht ziehen und an ihre spezifische Situation, Stärken und Potenziale anpassen kann.
Ein praxisorienterter Leitfaden mit vielen sofort umsetzbaren Handlungsempfehlungen, um die Resilienz in Unternehmen mit System und Konsequenz zu entwickeln und zu fördern. 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum23. Aug. 2021
ISBN9783658345914
Resilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördern: Handlungsempfehlungen und praktische Umsetzung

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    Buchvorschau

    Resilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördern - Erich R. Unkrig

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    E. R. UnkrigResilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördernhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34591-4_1

    1. Einleitung

    Erich R. Unkrig¹  

    (1)

    ILOS Institut für lernfähige Organisationen und Systeme, Krefeld, Deutschland

    Unsere Welt ist im Umbruch! Mächtige spalten die Gesellschaft in ihren Ländern und Bündnisse zwischen Staaten (siehe bspw. Donald Trump, Recep Erdoğan, Wladimir Putin, Aljaksandr Lukaschenko oder Xi Jinping), radikale, extremistische und terroristische Gewalttaten sind schon fast an der Tagesordnung, Naturkatastrophen nehmen zu. Last but not least: COVID-19 wird als die größte Krise bezeichnet, mit der die Menschheit im 21. Jahrhundert umgehen muss. Die Bedrohungen, die in einem solchen Umfeld entstehen bzw. von diesem ausgehen, können sowohl in ihrer Wirkung als auch in ihrer Häufigkeit variieren. Ein Ereignis in einem Gebiet kann oft katastrophale Auswirkungen in einem anderen Gebiet haben (Jüttner 2005; Bhamra et al. 2011).

    Ungeachtet dieser zusätzlichen Belastungen bleiben bekannte Herausforderungen bestehen. Globale Märkte und weltweiter Wettbewerb zwingen uns zu kontinuierlichen Verbesserungen und fordern Flexibilität, Kreativität und Innovationen. Mit der Konsequenz, dass wir selbst dazu beitragen, dass sich Produkte, Dienstleistungen und Prozesse schneller verändern und komplexer werden. All das wirkt sich mental auf der individuellen Ebene, sozial auf der zwischenmenschlichen und kollektiven Ebene, wirtschaftlich und politisch auf der organisationalen Ebene aus. Die zunehmende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit (was vielfach als Faktoren der VUKA-Welt bezeichnet wird) ruft bei uns selbst, in unseren Teams, den Unternehmen und Institutionen, ja sogar in Gesellschaftssystemen und bei Nationen Stress hervor.

    Dass Resilienz nichts Lapidares ist, zeigt die Abb. 1.1 mit Konzepten und Beziehungen im Zusammenhang mit organisationaler Resilienz. Darüber hinaus wird in dieser Abbildung beschrieben, wie die betriebliche Resilienz durch Unternehmensanforderungen gesteuert wird (siehe auch Allen et al. 2012).

    ../images/504270_1_De_1_Chapter/504270_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Konzepte und Beziehungen, die mit organisationaler Resilienz assoziiert werden (nach Allen et al. 2012)

    Insofern ist Resilienz als personales und organisationales Konzept in vielen Organisationen auf dem Radar – mit unterschiedlicher Intensität, diversen Ansätzen und auf verschiedene Ebenen verteilt. Dabei variiert das Verständnis von Theorie und Praxis enorm, obwohl sowohl Praktiker als auch Akademiker über eine beträchtliche Menge an Informationen zu diesem Thema verfügen (siehe auch Duchek 2020). Bis zum heutigen Tage existiert keine einheitliche Definition des Begriffs, was Strategien zur Förderung der Resilienz erschwert und den Wirksamkeitsnachweis von Interventionen problematisch macht. Sadhbh Joyce und Kollegen (Joyce et al. 2018) schreiben, dass der kleinste gemeinsame Nenner in der Resilienzforschung derzeit darin bestehe, dass resiliente Individuen trotz großer Stressfaktoren und widriger Lebensumstände ein gesundes und erfolgreiches Leben führen. Auch besteht nach meiner Wahrnehmung weitestgehend Einigkeit darüber, dass Resilienz von Bedeutung ist, um Menschen, Organisationen und Gesellschaften agil und vital zu halten (siehe vertiefend Elgamal 2018).

    Das vor allem im deutschsprachigen Bereich immer noch vorherrschende Verständnis von Resilienz als eine individuelle Eigenschaft oder Kompetenz ist angesichts der evolutionären wie revolutionären Veränderungen und der damit einhergehenden Herausforderungen zu kurz gesprungen. Insofern muss Resilienz deutlich mehr berücksichtigen als nur ein Cluster von persönlichen Eigenschaften. Vielmehr ist Resilienz als ein komplexer intra- und interpersonaler wie auch intra- und interorganisationaler Interaktionsprozess zu verstehen und nicht als Synonym für Risiko- oder Krisenmanagement. Denn: Organisationale Resilienz nimmt eine breitere Perspektive ein, die den derzeit noch vorherrschenden Ansatz des Risikomanagements ergänzt, indem sie eine strategische, leistungsbasierte, organisationsweite Sichtweise einnimmt, die auch die entscheidende Bedeutung der Mitarbeitenden, von Führung und der Kultur der Organisation berücksichtigt.

    „Machen Sie Ihre Organisation resilienter! scheint deshalb das Schlagwort von Beratern und in der Managementpraxis zu sein. Dienstleister bieten (ihre) Konzepte an, wie Organisationen und die in ihnen arbeitenden Menschen resilienter gemacht werden können. Obwohl das Konzept als vielversprechend gilt, wird berechtigterweise kritisiert, dass es in Bezug auf die Unternehmensrealität oft zu vage ist. Für die unternehmerische Akzeptanz und Relevanz ist jedoch nicht nur ein klar definiertes und messbares Konzept erforderlich, sondern die Erklärung von Sinn und Zweck sowie des konkreten Nutzens, der sich in „harten Kennzahlen ausdrücken sollte. Dazu einige Fakten, die Sie, liebe Leser, gerne ergänzen können:

    Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage (AU) aufgrund psychischer Erkrankungen wächst mit leichten Schwankungen seit den 90er-Jahren kontinuierlich. Aktuelle Daten nennen 708,3 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage beziehungsweise 1,9 Mio. ausgefallene Erwerbsjahre (siehe baua 2020). Und: Psychisch erkrankte Arbeitnehmer sind mit rund 35 Tagen deutlich länger krankgeschrieben als körperlich erkrankte (siehe BPtK 2019). Derart viele und lange Ausfallzeiten eines/r Mitarbeitenden bedeuten für Unternehmen und Institutionen nicht nur hohe Kosten aufgrund des Produktionsausfalls, sondern auch einen ungeplanten, zeitweisen Verlust an Kompetenzen und Know-how.

    Vor dem Hintergrund des durch den demografischen Wandel verursachten Fachkräftemangels, den „Kampf" um die besten Talente und die Bindung von Wissens- und Leistungsträgern der Generation 50 plus kommt diesen Zahlen eine erhebliche Bedeutung zu. Denn: Die VUKA-Welt mit ihrer zunehmenden Dynamik und Komplexität stellt für unsere Unternehmen und die Mitarbeitenden eine wesentliche Ursache für den Anstieg psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz dar.

    Weltweite Märkte, weltweiter Wettbewerb und hohe Ansprüche bestehender und potenzieller Kundengruppen zwingen uns zu kontinuierlicher Innovation, mehr Effizienz und Effektivität.

    Dies hat wiederum zur Folge, dass sich Prozesse, Technologien, Dienstleistungen und Produkte immer schneller verändern und komplexer werden.

    Dadurch veraltet unser Fach- und Methodenwissen immer rascher.

    Das wiederum fordert unsere Flexibilität und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen auf allen Ebenen, im Privaten wie im Beruflichen.

    Damit sind wir aufgefordert, uns immer wieder mit unserem Qualifikationsstand (= Wissen und Können) auseinanderzusetzen, diesen an den aktuellen Gegebenheiten zu reflektieren und gegebenenfalls anzugleichen. Die Veränderungen stellen auch hohe Anforderungen an unsere sozialen Kompetenzen; vor allem Führungskräfte merken dies in besonderem Maße. So erfordert etwa die Einführung von agilen Arbeitsformen bei zunehmend mobilem Arbeiten und dem oftmals damit verbundenen „Führen aus der Ferne" ein vertrauenförderndes, kooperatives und teamorientiertes Führungsverhalten.

    Vor dem Hintergrund der skizzierten Rahmenbedingungen, des Anstiegs psychischer Erkrankungen und der damit einhergehenden Wirkungen auf den Unternehmenserfolg erscheint eine ganzheitliche Resilienzförderung als relevantes, vielleicht sogar entscheidendes Mittel, um die Leistungsfähigkeit des Einzelnen, von Teams wie auch von Bereichen zu erhalten und damit den Erfolg wie auch die Agilität und Vitalität der Organisation zu sichern. Denn eine Organisation kann sich, ähnlich wie ein Organismus, durch ein intaktes „Immunsystem" gegen Gefährdungen und strategische Schocks (Sampler 2015) wappnen. Der Weg dahin ist die Schaffung einer auf Widerstandsfähigkeit ausgelegten Resilienzkultur der Organisation. Wenn wir dabei eine mögliche Definition des Begriffs Kultur zugrunde legen (= Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung), dann wird deutlich, dass es sich bei den Überlegungen zur Resilienz im Unternehmen um ein Gesamtkonzept handeln muss – und dies mit dem Ziel, die bestmögliche Befähigung aller Einheiten und vor allem aller Mitarbeitenden zum Umgang mit besonders fordernden Situationen herzustellen. Das bedeutet vor allem, als Einzelne/r, als Team und als (Organisations-)Einheit offen zu sein für die Notwendigkeit, bisher bewährte Prozesse zu hinterfragen, ggf. zu verändern und so zukunftssicher zu machen. Insofern geht es nicht nur darum, unerwünschte Ereignisse zu vermeiden oder auf sie zu reagieren, sondern auch darum, sich zu ändern und Chancen zu nutzen, bevor die Kosten des Nicht-Änderns zu groß werden.

    Der Zweck dieses Buches besteht darin, dafür Schlüsselfaktoren zu beschreiben und Handlungsoptionen anzubieten, die dazu beitragen, eine ganzheitlich verstandene, individuelle, kollektive und organisationale Resilienz zu fördern und/oder aufzubauen. Dabei sind die Faktoren auf der personalen und organisationalen Ebene kein festes Rezept, um allen Widrigkeiten und Herausforderungen zu begegnen. Vielmehr bieten sie Ihnen, liebe Leser, an der aktuellen Theorie reflektierte und in der Praxis erprobte Wege an, die jede Organisation je nach ihrer ganz spezifischen Situation und Unternehmensphilosophie wie auch nach ihren Stärken und Bedürfnissen in Betracht ziehen, testen und anpassen kann. Darüber hinaus ist es eine gute Möglichkeit, über Agilität und Resilienz in Veränderungen und besonderen Herausforderungen nachzudenken, um den Weg von einer fragilen oder robusten Organisation (in deren Status wahrscheinlich die meisten Organisationen derzeit „ruhen") zu einer resilienten zu gehen (OECD 2008, 2014).¹ Nur wenige gehören der dritten Gruppe an, obwohl das Erreichen erhebliche Vorteile mit sich bringt.

    Für die fragile Organisation stören Veränderungen das „Business as usual. Sie sind resistent gegenüber Veränderungen und haben keinen adäquaten Backup-Plan für den Fall eines Scheiterns. Infolgedessen haben schwierige Veränderungen oft drastische Auswirkungen bei den Mitarbeitenden, bspw. Unsicherheit oder eine offene oder versteckte Aggression am Arbeitsplatz, die Commitment und Performanz reduzieren. Dies kann dazu führen, dass die gesamte Organisation in Turbulenzen und ins Wanken gerät. Erfahrungsgemäß findet sich Fragilität am häufigsten in großen und „reifen Strukturen und Organisationen.

    Die robuste Organisation ist genauso unflexibel wie die fragile. Zwar schützt ein vielfältiges Portfolio an Aktivitäten und die Diversität von Geschäftsfeldern vor völligem Versagen, Veränderungen und Störung werfen sie dennoch hier und da aus der Bahn. Die Auswirkungen bei den Mitarbeitenden sind wahrscheinlich ein Anstieg ungeplanter Fluktuation, Verschlechterung des Images, der Kundenbeziehungen und die Verschlechterung der Produktivität (s. Abb. 1.2).

    ../images/504270_1_De_1_Chapter/504270_1_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Entwicklungsstufen der Organisation

    Die resiliente Organisation kann Herausforderungen und Veränderungen in eine produktive Kraft umwandeln. Anstatt durch Störungen beschädigt zu werden, lernt sie, passt sich an und schafft Eigendynamik. Sie ist flexibel, kreativ und bringt Innovationen. Die Mitarbeitenden sind mental fit und bringen sich mit Performanz und Commitment in die Organisation ein.

    Der Vollständigkeit halber sei hier noch die antifragile Organisation erwähnt, die für etablierte Organisationen eher als eine Utopie erscheinen mag. Sie findet sich vor allem bei Startups, weil diese tendenziell wenige Mitarbeitende, wenige Regeln und eine Führungspersönlichkeit ( = der/die Gründer*in) mit Charisma haben. Insofern sind sie schnell und sehr flexibel, wenn Veränderungen oder Störungen auftreten. Die Leichtigkeit, antifragil zu sein, ist für ein Startup organisch. Um bei Wachstum diese Fähigkeit zu erhalten, ist eine gute Strategie in Bezug auf Hierarchie, Prozesse, Recruitment etc. erforderlich.

    Die Fähigkeit einer Organisation, effektiv auf widrige Ereignisse zu reagieren, hängt von ihrer Struktur, den vorhandenen Management- und operativen Systemen und der kollektiven Belastbarkeit dieser Systeme ab. Organisatorische Resilienz ist zu einem wichtigen Element der modernen Unternehmensstrategie geworden und damit eine dynamische Initiative, die es ermöglicht, sich in einer sich verändernden Umgebung zu behaupten. Resilienz kann weder auf der personalen, noch auf der organisationalen Ebene isoliert gelingen, da sie von der Vernetzung intra- und interpersonaler wie auch intra- und interorganisationaler Komponenten und Faktoren abhängt, um zu den individuellen, kollektiven und organisationalen Zielen beizutragen.

    Suvarna Moti (Moti 2020) greift die Erkenntnisse von Stephanie Duchek (Duchek 2020) auf und stellt fest, dass aus einer unternehmerischen Perspektive Resilienz als eine Reihe von organisationalen Fähigkeiten definiert werden kann, die die Resilienzkapazität eines Unternehmens formen (siehe Abb. 1.3).

    ../images/504270_1_De_1_Chapter/504270_1_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Organisationale Resilienz als fähigkeitsbasiertes Konzept (in Anlehnung an Duchek 2020)

    Diese Fähigkeiten müssen sich ganzheitlich entwickeln, um organisationale Resilienz zu definieren. Dazu gehören Antizipationsfähigkeiten, um potenzielle Risiken zu erkennen und proaktive Schritte zu unternehmen, die zur Entwicklung eines Resilienzpotenzials führen. Sie ermöglichen effektive Reaktionen auf kritische Situationen, während Bewältigungsfähigkeiten helfen, das genannte Potenzial zu realisieren, indem sie Krisenpläne anwenden und kollektives Wissen nutzen, um kontext- und situationsspezifische Lösungen zu entwickeln.

    Lernen ist notwendig, um sich an Veränderungen anzupassen, Vorwissen zu transformieren und Fähigkeiten zu entwickeln. Kurz gesagt: Resiliente Organisationen können nur durch ein effektives Zusammenspiel von Kognition und Verhalten entstehen. Eine Verhaltensänderung ohne kognitive Entwicklung oder die Schaffung von Wissen ohne eine begleitende Verhaltensänderung funktioniert nicht effektiv. Hinzu kommen kontextuelle Faktoren (bspw. Ressourcen, soziales Kapital und Macht), die für eine erfolgreiche Bewältigung von Schwierigkeiten und Krisen wichtig sind. Suvarna Moti empfiehlt deshalb, dass Organisationen eine vielfältige Wissensbasis auch außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts entwickeln sollten, um Veränderungen zu antizipieren, um Ideen für die Krisenreaktion zu entwickeln und um sich für die geeignetste Lösung zu entscheiden.

    Literatur

    Allen, J., Curtis, P., Mehravari, N., Moore, A., Partridge, K., Stoddard, R., & Trzeciak, R. (2012). Analyzing cases of resilience success and failure – A research study. Carnegie Mellon University.Crossref

    baua Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. (Hrsg.). (2020). Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2018.

    Bhamra, R., Dani, S., & Burnard, K. (2011). International Journal of Production Research, 49(18), 5375–5393.Crossref

    BPtK Bundespsychotherapeutenkammer. (Hrsg.). (2019). BPtK-Auswertung 2018 „Langfristige Entwicklung Arbeitsunfähigkeit".

    Duchek, S. (2020). Organizational resilience: A capability-based conceptualization. Business Research volume, 13, 215–246.Crossref

    Elgamal, M. (2018). Dynamic organizational capabilities: The joint effect of agility, resilience and empowerment. Journal of Human Resource Management, 6(2), 44–49.Crossref

    Joyce, S., Shand, F., Tighe, J., Laurent, S., Bryant, R., & Harvey, S. (2018). Road to resilience: A systematic review and meta-analysis of resilience training programmes and interventions. BMJ open, 8(6), 1–9.

    Jüttner, U. (2005). Supply chain risk management. International Journal of Logistics Management, 16(1), 120–141.Crossref

    Moti, S. (2020). Building organisational resilience for pandemic preparedness. Projektbericht, Dezember 2020. https://​www.​researchgate.​net/​publication/​346890876_​Building_​Organisational_​Resilience_​for_​Pandemic_​Preparedness. Zugegriffen am 01.08.2021.

    OECD (Hrsg.). (2008). Concepts and dilemmas of State building in fragile situations: From fragility to resilience. OECD Publishing.

    OECD (Hrsg.). (2014). Guidelines for resilience systems analysis. OECD Publishing.

    Sampler, J. (2015). Bringing strategy back: How strategic shock absorbers make planning relevant in a world of constant change. Jossey-Bass.

    Fußnoten

    1

    Interessante Überlegungen mit Bezug auf Staaten finden sich in einem Diskussionspapier der OECD aus dem Jahr 2008 sowie in OECD-Leitlinien aus dem Jahr 2014.

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    E. R. UnkrigResilienz im Unternehmen - den Faktor Mensch fördernhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34591-4_2

    2. Resilienz – ein kurzer Einblick in Theorie und Praxis

    Erich R. Unkrig¹  

    (1)

    ILOS Institut für lernfähige Organisationen und Systeme, Krefeld, Deutschland

    2.1 Organisationale Resilienz – Einblicke in die Entwicklung einer Idee

    Da das Umfeld von Unternehmen und Institutionen immer komplexer, instabiler, unsicherer und widersprüchlicher wird, hat das Konzept der organisationalen Resilienz in der Managementlehre zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das bedeutet, dass Organisationen in der Lage sind, externe Schocks zu absorbieren und aus ihnen zu lernen, während sie sich gleichzeitig auf externe Erschütterungen vorbereiten und darauf reagieren. Dabei ist trotz allen Interesses organisationale im Vergleich zur personalen Resilienz in der Wissenschaft noch wenig erforscht (siehe vertiefend u. a. Ancelovici 2013; Di Bella 2014). Erste Überlegungen und Konzepte finden sich im Bereich der Ökologie. So vertrat Crawford Holling (Holling 1973; s. a. Holling 1996) die Ansicht, dass Resilienz die Beständigkeit und Nachhaltigkeit von Beziehungen innerhalb eines Systems bestimmt und ein Maß für die Fähigkeit ist, Änderungen zu absorbieren und trotzdem zu bestehen. Inspiriert von Martin Seligmans Positiver Psychologie beginnen Anfang dieses Jahrtausends Organisationsforscher wie Fred Luthans (Luthans 2002) oder Kim Cameron und Kollegen (Cameron et al. 2003; siehe ergänzend u. a. Kaiser et al. 2007), Faktoren und Prozesse zu erforschen, die zu einer Stärkung von Organisationen in Krisenzeiten beitragen. Andere Forscher wie bspw. Karl Weick und Kathleen Sutcliffe (Weick und Sutcliffe 2008, 2015) konzentrieren sich auf Abläufe in Unternehmen und stellen die gezielte Vermeidung von Krisen bzw. den Umgang mit Unerwartetem in den Mittelpunkt. Parallel bestimmen vor allem Standardisierungsbestrebungen die Diskussion.

    Der Kern dieser Aktivitäten liegt in drei Hauptkomponenten:

    eine Bewegung weg von „Business as usual"-Prozessen

    ein zeitlicher Aspekt in dem Sinne, dass es Zeit braucht, um sich nach einem belastenden, ggf. zunächst überfordernden Ereignis zu erholen

    einen Elastizitätsaspekt in dem Sinne, dass die Notwendigkeit besteht, sich anzupassen bzw. zu verändern, um den Schock zu absorbieren

    Der grundsätzlich dafür verwendete Begriff ist „Business Continuity"¹ und weniger der der organisationalen Resilienz. Ran Bhamra (Bhamra 2015) schreibt dazu, dass Kontinuitätsmanagement vor allem die Rückkehr eines Unternehmens zum Status „business as usual" sei. Im Unterschied dazu ermögliche organisationale Resilienz nicht nur, mit dem Normalbetrieb fortzufahren, sondern auch zu lernen, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen, was wahrscheinlich zu einer Transformation führe bzw. damit einhergehe. Anders gesagt, Business Continuity bringt uns dorthin zurück, wo wir vor einem Ereignis waren, während organisationale Resilienz dabei hilft, sich als Organisation weiterzuentwickeln und zu wachsen.

    2.2 Personale Resilienz – Einblicke in die Entwicklung einer Idee

    Grundsätzlich lassen sich vier Phasen in der Resilienzforschung unterscheiden, bei denen jeweils folgende Fragestellungen im Mittelpunkt stehen (Fleming und Ledogar 2008; Masten 2016):

    Phase 1 „Beschreibung": Was ist Resilienz?

    Phase 2 „Prozesse": Wie kommt es zu Resilienz?

    Phase 3 „Förderung": Kann man Resilienz fördern?

    Phase 4 „Interdisziplinäre Forschung": Resilienz als multidisziplinärer Forschungsgegenstand

    Jack Block führt Resilienz als Begriff zu Beginn der 1950er-Jahre in die Psychologie ein. Er nutzt ihn im Sinne von „ego-resiliency" (Block 1950; Letzringa et al. 2015). Diese ist mit der Fähigkeit zur Selbststeuerung („ego-control) verflochten, was sich insbesondere darauf bezieht, Wut und Aggression zu kontrollieren. Bei der „ego-resiliency geht es also darum, wie wir uns an Faktoren in unserer Umgebung anpassen können, die uns stressen, und Selbststeuerung meint die Fähigkeit, Impulsen zu widerstehen, wenn wir gestresst sind.

    In der Resilienz- bzw. der Risiko- und Schutzfaktorenforschung werden meist Längsschnittstudien durchgeführt, die die Entwicklung von Kindern oftmals von Geburt an bis ins Erwachsenenalter begleiten. Dabei steht am Anfang die Erkenntnis, dass Entwicklungsrisiken bei Kindern nicht zwangsläufig zu psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten führen müssen. Einige der bekanntesten Akteure werden im Folgenden kurz beschrieben (einen Überblick über weitere Studien siehe bei Jürgen Bengel et al. 2009).

    Norman Garmezy (1974, 1985, 1991) kommt in seinen „Compentence Studies" und in den daran anschließenden Forschungen zu der Erkenntnis, dass die Herausbildung von Resilienz in engem Zusammenhang mit der Zahl der zu bewältigenden Risiken und den jeweils zugänglichen Schutzfaktoren zu sehen ist. Dabei unterscheidet er zwischen individuellen, familiären und externen Risiko- und Schutzfaktoren und entwickelte zu ihrer Wirkungsweise drei Modelle: das Kompensations-, das Herausforderungs- und das Interaktionsmodell.

    James Anthony (1974; Anthony und Cohler 1987) verwendet den Begriff des „psychologically invulnerable child aus Erkenntnissen des St. Louis Research Project, in dem Kinder aus „Problemfamilien über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden. Ein Teil dieser Kinder war in der Lage, sich trotz ungünstiger Entwicklungspotenziale und widriger Umfeldbedingungen mental gesund zu entwickeln. Ein wichtiger Faktor ist hierbei insbesondere ein stabiles emotionales Klima, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und förderlich für die psychische Entwicklung und Reife ist. Er beobachtete auch, dass eine einmal erworbene Resilienz nicht überdauern muss, da Menschen, die in früheren Lebensabschnitten „unverwundbar" erschienen, in späteren Lebensabschnitten und in Zeiten erhöhten Stresses unter Umständen wenig oder gar kein resilienzförderndes Verhalten zeigten.

    Emmy Werner und Ruth Smith (1971, 1982, 2001) beobachteten in einer mehr als 40 Jahre dauernden Langzeitstudie auf der Hawaii-Insel Kauai rund 700 der im Jahr 1955 auf der Insel Kauai geborenen Kinder von der Geburt bis ins mittlere Erwachsenenalter. Dabei stellten sie fest, dass etwa ein Drittel der sogenannten Hochrisikokinder, die in ihrer frühen Kindheit mehrfachen Entwicklungsrisiken ausgesetzt waren, diese weitgehend unbeschadet meisterten (d. h. im Erwachsenenleben in einer glücklichen Beziehung lebten, beruflich erfolgreich und sozial integriert waren), während andere Kinder angesichts vergleichbarer Problemkonstellationen mentale Schäden davontrugen oder verhaltensauffällig wurden. Die grundlegende Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass bei Kindern ungünstige Voraussetzungen nicht zwingend zu Misserfolg führen müssen und dass resiliente Heranwachsende über bestimmte Eigenschaften verfügen, die es ihnen ermöglichen, sich trotz widriger Umstände positiv zu entwickeln.

    Aaron Antonovsky (1997) untersuchte parallel zu Werners und Smith’ Kauai-Studie den mentalen und körperlichen Gesundheitszustand von Frauen, die Konzentrationslager überlebt hatten. Er fand, dass knapp 30 Prozent der Frauen aus den KZs trotz dieser Erfahrungen gesund waren. Diese Beobachtung ließ ihn die Frage nach Eigenschaften und Ressourcen dieser Menschen stellen, und er entwickelte in Folge sein Konzept der Salutogenese, der Theorie der Entstehung von Gesundheit. Ähnliche Erfahrungen regten Viktor Frankl (Frankl 2015, 2018) zu seiner Logotherapie an, bei der Lebenssinn und Resilienz im Mittelpunkt stehen. Dahinter steht sowohl die Auseinandersetzung mit Holocaustüberlebenden als auch seine kritische Haltung der modernen Konsumgesellschaft gegenüber, in der Menschen (so seine Meinung), die Glück oder Erfolg hinterherlaufen, den Sinn niemals finden können (Frankl 2017).

    Hans Selye (1974) stellte die Zusammenhänge von Stress und der Reaktion des Organismus auf diesen ins Zentrum seiner Überlegungen und beschreibt das „Allgemeine Adaptationssyndrom", das besagt, dass sich die Stressantwort des Körpers nicht nach der Art des Stressors richtet, sondern nach der wahrgenommenen Notwendigkeit einer Anpassungsreaktion. Stress sei, als hormonell gesteuerte Anpassung, die psychosomatische Reaktion des Körpers auf schädliche Einflüsse. Die physiologische Stressreaktion erfolge in drei Phasen: (1) Alarmreaktion (Reiz wird als Belastung wahrgenommen), (2) Phase des Widerstands (Anpassung an Belastung) und (3) Phase der Erschöpfung (Ermüdung und Überlastung) (siehe u. a. Viner 1999).

    Michael Rutter (1979) stellte anhand der Ergebnisse seiner Isle-of-Wight-Studie fest, dass bestimmte Faktoren die kindliche Entwicklung positiv beeinflussen, vor allem eine enge Eltern-Kind-Beziehung. Auch stellte er heraus, dass das Umfeld für ein resilientes Verhalten und Handeln eine zentrale Rolle spielt. In Bezug auf die personalen Resilienzfaktoren wies er auch auf die Relevanz biologischer und genetischer Aspekte hin. Ausschlaggebend für die Fähigkeit zu resilientem Verhalten seien unter anderem mentale Eigenschaften und Haltungen wie planvolles Handeln, Selbstkontrolle, Selbstreflexion, Selbstvertrauen und Selbstbestimmung.

    Suniya Luthar (Luthar 1991, 2003) untersuchte unterprivilegierte Jugendliche und kommt zu dem Ergebnis, dass sich resiliente Jugendliche vor allem durch eine ausgeprägte interne Kontrollüberzeugung sowie ausgeprägte soziale Verhaltensweisen auszeichnen. Ihre Erkenntnis, dass ein bestimmter Schutzfaktor in bestimmten Konstellationen zum Risikofaktor wird, öffnete eine neue Dimension in der wissenschaftlichen Diskussion. Analog zu Rutter stellte sie die Rolle von biologischen Faktoren für die Entwicklung psychischer Erkrankungen heraus.

    Ann Masten (Masten 1999, 2001, 2016) vertritt die Position, dass Resilienz nicht eine außergewöhnliche Fähigkeit, sondern weit verbreitet ist. In ihren Studien mit Kindern identifiziert sie Kompetenzen in drei Bereichen: Bildung („academic achievement), Verhalten („rule abiding vs. „antisocial behavior) und soziale Kompetenz („acceptance, „friendship"). Als ausschlaggebend für resilienzförderndes Verhalten werden von ihr Lernfähigkeit, Problemlösefähigkeit sowie die Fähigkeit, sich ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, identifiziert. Auch erklärt sie, dass es bei Risiken und Krisen auf die individuelle Wahrnehmung ankomme und dass insofern auch die Reaktion auf die jeweilige Belastung komplex, unterschiedlich und für den/die Einzelne/n schwer vorhersagbar sei. Deshalb auch ihr Plädoyer: Resilienz ist ein kultur- und kontextgebundenes Phänomen.

    Michael Ungar (Ungar 2005, 2012) greift das Thema Kultur- und Kontextgebundenheit auf und benennt sieben resilienzfördernde Faktoren: Zugang zu materiellen Ressourcen, Beziehungen, persönliche Identität, Zugang zu Gesundheitsressourcen, soziale Gerechtigkeit, kulturelle Eingebundenheit, soziale Zugehörigkeit. Er lenkt damit die Aufmerksamkeit auf den sozialen und ökologischen Kontext, in dem der/die Einzelne agiert, und versteht Resilienz als das Ergebnis des Zusammenwirkens von Individuum und dessen Umgebung.

    Während sich international vor allem im anglo-amerikanischen Bereich sehr viel getan hat, nimmt die Resilienzforschung im deutschsprachigen Raum erst recht spät an Fahrt auf.

    Ab 1986 engagieren sich Günter Esser und Martin Schmidt (Esser und Schmidt 2017) in der von 1986 bis 2011 durchgeführten Mannheimer Risikokinderstudie. Als besonders relevant für eine (psychisch) gesunde Entwicklung stellen sich dabei eine positive frühe Eltern-Kind-Beziehung und das Kind bestätigende (Interaktions-)Erfahrungen im Alter von zwei Jahren heraus. Auch spielen sprachliche, kognitive und sozial-emotionale Kompetenzen, ein positives Selbstkonzept und belastbare Beziehungen resp. Freundschaften eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu anderslautenden Positionen kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Resilienz ein Persönlichkeitsmerkmal ist, das ab dem frühen Erwachsenenalter eine hohe Stabilität besitzt (siehe u. a. Hohm et al. 2017).

    Friedrich Lösel und Doris Bender (Lösel und Bender 1999, 2003) kommen in der Bielefelder Invulnerabilitätsstudie zu der Erkenntnis, dass es bei Risiken und Krisen auf die individuelle Wahrnehmung ankomme (s. o. Masten). Wer also Stress und Risiken als besonders belastend wahrnehme, entwickele stärkere Verhaltensprobleme. Die resilienten Jugendlichen in der Untersuchung verfügten vor allem über mehr Flexibilität, Kontaktfreudigkeit, eine eher höhere Intelligenz, ein positives Selbstkonzept, Selbstbewusstsein und höhere Selbstwirksamkeitserwartungen, Leistungsmotivation, ein aktives Bewältigungsverhalten und ein größeres soziales Netzwerk.

    Am DRZ (Deutsches Resilienz Zentrum) werden seit 2014 mit dem Forschungsansatz PASTOR ( = Positive Appraisal Style of Resilience) (siehe Kalisch et al. 2014) weniger die einzelnen, resilienzfördernden Faktoren in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt als vielmehr das Gehirn selbst. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Gehirn als wichtiges „Resilienz-Organ" über übergeordnete Schutzmechanismen verfügt. Grundlage für diese Ansicht ist die Überzeugung, dass es vorrangig darauf ankommt, wie das Gehirn eine bestimmte Belastungssituation bewertet. Isabella Helmreich und Klaus Lieb (Helmreich und Lieb 2015) stellen dazu fest, dass ein positiver Bewertungsstil resilientes Verhalten fördert.

    2.3 Resilienzforschung – (m)ein Resümee

    Trotz der Unterschiedlichkeit der hier holzschnittartig genannten Trends und Entwicklungen der Resilienzforschung gibt es deutliche Schnittmengen bei den Faktoren, die eine Wirkung auf die Entwicklung von resilienzfördernden Fähigkeiten (bei Kindern und Jugendlichen) haben:

    Emotional belastbare Bindung an eine Bezugsperson

    Fehlt eine Bezugsperson, dann stellt dies ein hohes Risiko dar, denn eine Bezugsperson ist ein entscheidender Faktor für eine positive Entwicklung: Sie vermittelt emotionale Wärme und nimmt die Gefühle anderer ernst. Dabei wird u. a. auch darauf hingewiesen, dass die Beziehung zur Bezugsperson altersgemäß sein muss, damit es nicht zu emotionalen Abhängigkeiten kommt.

    Positives Erziehungs- bzw. Entwicklungsklima

    Es zeigt sich, dass sich Kinder dann gut entwickeln, wenn zu Hause ein inspirierendes, emotional zugewandtes Klima herrscht. Ein entsprechender Kontext ist gekennzeichnet durch emotionale Wärme, Gemeinschaftssinn und Herzlichkeit, aber auch klare Strukturen und Verhaltensregeln sowie Kontrolle und Konsequenz. Zu letzteren zeigen Untersuchungen, dass Kontrolle und klare Verhaltensregeln für Kinder umso wichtiger sind, je gefährdeter sie in ihrem (sozialen) Umfeld sind.

    Soziale Unterstützung

    Soziale Unterstützung ist von hoher Bedeutung, weil Rückhalt und Unterstützung durch Familienmitglieder, Verwandte, Freunde etc. Kinder direkt oder indirekt stärken. Bei stressauslösenden Verhältnissen im Elternhaus können positive Beziehungen in der Schule oder dem Freundeskreis eine ausgleichende Wirkung haben. Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen mit hoher Bewältigungskompetenz bei Belastungen sehr häufig gezielt Unterstützung im sozialen Umfeld suchen. Dabei ist anzumerken, dass soziale Unterstützung nicht so weit gehen sollte, dass sie zu Abhängigkeit oder Unselbstständigkeit führt.

    Temperament

    Alexander Thomas und Stella Chess (Thomas und Chess 1981) verstehen unter Temperament, „wie jemand etwas tut. Temperamentsmerkmale treten schon sehr früh in der Entwicklung in Erscheinung, lange bevor man von einer Persönlichkeitsbildung sprechen kann. Resilienzfördernde Temperamentsmerkmale sind bspw. eine vorwiegend positive und ausgeglichene Stimmungslage und eine geringe Irritierbarkeit sowie ein gutes Anpassungsvermögen an Veränderungen. Menschen mit „problematischen Temperamentsmerkmalen haben dann ein höheres Risiko, wenn die sozialen Ressourcen und Kompetenzen in ihrem Umfeld gering sind und sich die Bezugspersonen durch ein solches Temperament gereizt fühlen.

    2.4 Resilienzmodelle

    Die grundlegende Erkenntnis der Resilienzforschung ist, dass es personale und soziale Faktoren sind, die ein resilienzförderndes Verhalten möglich machen. Um sich mit deren Wirkmechanismen auseinanderzusetzen, gibt es eine Reihe von Modellen, die dafür hilfreich sind. Im Kontext dieser Veröffentlichung stelle ich solche Modelle ins Zentrum, die uns Erklärungsansätze für mentale Fitness in Verbindung mit dem Arbeitsleben liefern (können).

    2.4.1 Belastungs-Beanspruchungs-Modell

    Wir unterscheiden im deutschen Sprachraum zwischen Belastung ( = objektive, von außen auf uns wirkende Faktoren wie bspw. Zeitdruck, Lärm, überfordernde oder widersprüchliche Erwartungen etc.) und Beanspruchung als die individuelle Folge der Belastung (s. Abb. 2.1).

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    Abb. 2.1

    Belastungs-Beanspruchungs-Modell (nach Wieland und Hammes 2017)

    Die Begriffe „psychische Belastung und „psychische Beanspruchung werden in der EN ISO 10075-1:2017 (DIN 2018) definiert. Demnach sind psychische Belastungen die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Die gegenüber dem alltäglichen Sprachgebrauch neutrale Verwendung steht im Gegensatz zur überwiegend negativen Deutung, die auf der Betrachtung belastender Faktoren der Arbeit und deren oftmals gesundheitsbeeinträchtigenden Folgen beruht. Yvonne Knospe (Knospe 2013) nennt als mögliche Belastungsquellen

    die Arbeitsaufgabe mit hohen quantitativen und/oder qualitativen Anforderungen, unvollständige Information zu Aufgaben, Zeitdruck, Informationsüberlastung, widersprüchliche Anweisungen und unerwartete Unterbrechungen oder Störungen,

    die Funktion resp. die Rolle mit der daraus resultierenden Verantwortung, Konkurrenz und Konflikten, fehlende Unterstützung und mangelnde Anerkennung,

    die unmittelbare Arbeitsumgebung mit Bedingungen wie Lärm, hohen oder niedrigen Temperaturen etc.,

    die soziale Umgebung, zu der das Betriebsklima und strategische, strukturelle, organisatorische und/oder personelle Veränderungen zählen,

    organisatorische Maßnahmen, die gerade in der heutigen Zeit vor allem isolierte Arbeit(-splätze) aufgrund von Homeoffice, mobilem Arbeiten und/oder von Abstandsgeboten umfasst,

    Belastungen, die in uns selbst liegen wie bspw. die Angst vor Versagen und Misserfolg, ungeeignete Arbeitsstile, fehlendes Wissen und Können.

    Beanspruchung resultiert aus der Beziehung zwischen Arbeitsanforderungen, Ausführungsbedingungen sowie individuellen Leistungsvoraussetzungen bzw. Leistungserwartungen der Organisation und den Werten bzw. den Zielen des Individuums. Die Auswirkungen können sowohl positiv (Freude, Engagement etc.) als auch negativ (Unzufriedenheit, Ärger etc.) sein.

    2.4.2 Stresstheoretisches Modell

    Reize, die im beruflichen Kontext vielfach negativ interpretiert und als Stress im Sinne einer erhöhten physischen und/oder mentalen Anspannung verstanden werden – Belastungen, die zur Schädigung der Gesundheit führen können –, beziehen sich vor allem auf Belastungen wie die bereits vorgenannten Belastungsquellen. In diesem Sinne verstandene Stresskonzepte befassen sich mit der Entstehung, Wahrnehmung und Bewältigung von belastenden Situationen. Diese Ansätze unterscheiden sich insbesondere darin, wie sie Stress definieren:

    Stress

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