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Kommunikativer Konstruktivismus: Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz
Kommunikativer Konstruktivismus: Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz
Kommunikativer Konstruktivismus: Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz
eBook634 Seiten7 Stunden

Kommunikativer Konstruktivismus: Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz

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Über dieses E-Book

Die Welt wartet nicht dort draußen darauf, entdeckt zu werden, sondern wir schaffen sie Tag für Tag neu - und zwar vor allem mittels kommunikativen Handelns. Deshalb ändert sich die Wirklichkeit tagtäglich und mit ihr auch die soziale Ordnung und die Normen und Werte, die unserem Handeln Bedeutung verleihen. Das ist die Grundposition des hier vorgestellten Kommunikativen Konstruktivismus.

Die versammelten Beiträge versuchen zum einen, den Ansatz des kommunikativen Konstruktivismus theoretisch zu begründen. Zum zweiten wird der Ansatz in empirischen Arbeiten umgesetzt, die sich mit den unterschiedlichen Themen in verschiedenen soziologischen Teildisziplinen (Wissenschaftssoziologie, Migrationssoziologie, Mediensoziologie) beschäftigen. Zum dritten beinhaltet der Band Arbeiten, die Anschlüsse zu anderen Disziplinen herstellen, wie etwa zu der Stadt- und Regionalplanung, der Organisationsforschung und der Kommunikationswissenschaft.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer VS
Erscheinungsdatum28. Sept. 2012
ISBN9783531197975
Kommunikativer Konstruktivismus: Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz

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    Buchvorschau

    Kommunikativer Konstruktivismus - Reiner Keller

    Teil 1

    Der Kommunikative Konstruktivismus als Weiterführung des Sozialkonstruktivismus – eine Einführung in den Band

    Reiner Keller, Jo Reichertz und Hubert Knoblauch (Hrsg.)Wissen, Kommunikation und GesellschaftSchriften zur WissenssoziologieKommunikativer KonstruktivismusTheoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz10.1007/978-3-531-19797-5_1© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

    Der Kommunikative Konstruktivismus als Weiterführung des Sozialkonstruktivismus – eine Einführung in den Band

    Reiner Keller, Hubert Knoblauch und Jo Reichertz

    Zusammenfassung

    Seit den 1960er Jahren hat sich in der gesamten westlichen Wissenschaft eine Denkweise ausgebreitet, die man als „konstruktivistisch bezeichnet. Diese Denkweise reicht von der „Erlanger Schule der Philosophie über die Psychologie (z. B. Watzlawick) bis weit hinein in die Naturwissenschaften, wo etwa der „radikale Konstruktivismus in großer Breite Eingang fand. Auch die Sozialwissenschaft und hier vor allem die Soziologie hat mehrheitlich die konstruktivistische Wende vollzogen. Selbst wenn man in Deutschland irrtümlich erst an Luhmann denkt, wenn von „Konstruktivismus die Rede ist, waren es doch Peter Berger und Thomas Luckmann, die mit ihrem Buch zur „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit" im Jahre 1966 (deutsch: 1970) einen der ersten systematischen theoretischen Beiträge unter dem Titel der Konstruktion überhaupt vorlegten (und damit auch die Wissenssoziologie neu begründeten).

    Seit den 1960er Jahren hat sich in der gesamten westlichen Wissenschaft eine Denkweise ausgebreitet, die man als „konstruktivistisch bezeichnet. Diese Denkweise reicht von der „Erlanger Schule der Philosophie über die Psychologie (z. B. Watzlawick) bis weit hinein in die Naturwissenschaften, wo etwa der „radikale Konstruktivismus in großer Breite Eingang fand. Auch die Sozialwissenschaft und hier vor allem die Soziologie hat mehrheitlich die konstruktivistische Wende vollzogen. Selbst wenn man in Deutschland irrtümlich erst an Luhmann denkt, wenn von „Konstruktivismus die Rede ist, waren es doch Peter Berger und Thomas Luckmann, die mit ihrem Buch zur „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit" im Jahre 1966 (deutsch: 1970) einen der ersten systematischen theoretischen Beiträge unter dem Titel der Konstruktion überhaupt vorlegten (und damit auch die Wissenssoziologie neu begründeten).

    Der Konstruktivismus ist also keineswegs eine wissenschaftliche Rand- oder Neuerscheinung. Man könnte, durchaus auch in einem wissenssoziologischen Sinne, von einem wissenschaftlichen Paradigma sprechen, das vermutlich nicht zufällig den Umbruch von der industriellen in die nachindustrielle Gesellschaft begleitet und vielleicht auch deren Ausdruck ist (die bezeichnenderweise auf den Namen „Wissensgesellschaft getauft wurde). Während der Konstruktivismus generell davon ausgeht, dass die Wirklichkeit keine bloße „positive Gegebenheit darstellt, sondern eine, wenn auch keineswegs beliebige Konstruktion ist (wobei zuweilen auch die Wissenschaft selbst als mehr oder weniger bedeutsame Konstrukteurin Berücksichtigung findet), variiert die Frage quer über die Disziplinen, wie und was konstruiert wird. Berger und Luckmann behandelten diese Frage auf eine entschieden soziologische Weise: Die Konstruktion ist demnach ein sozialer Prozess, in dem aus der interaktiven Dynamik sozialer Handlungen heraus Institutionen geschaffen werden, die mit (legitimatorischem) Sinn erfüllt den Handelnden wieder so vermittelt werden, dass sie zu sozialen Tatsachen und für das soziale Handeln bestimmend werden.

    Es dürfte kein Zufall sein, dass die „gesellschaftliche Konstruktion nicht nur eine theoretische Richtung initiiert hat und heute noch darstellt, sondern auch zu einem der beliebtesten soziologischen Texte überhaupt wurde – und zwar seit Jahrzehnten anhaltend und weltweit. Denn die „gesellschaftliche Konstruktion bietet einen so breiten Ausgangspunkt für eine Reihe von nachfolgenden Ansätzen, dass ihr zentrales Anliegen bald als fast selbstverständlich galt. Diese Selbstverständlichkeit geht so weit, dass der Begriff der „gesellschaftlichen Konstruktion" zu einem akademischen Gemeinplatz geworden ist, dessen Verwendung selbst in der anspruchsvolleren Forschungsliteratur nicht immer mit dem Wissen aus der eigenen Lektüre des Buches korrelierte. So bemerkt Hacking (1999) in seiner Kritik an der „sozialen Konstruktion", dass Berger und Luckmann eigentlich eine sehr plausible Theorie formuliert hätten, jedoch von einer Unzahl von Arbeiten in oberflächlicher, irreführender und sogar verfälschender Weise zitiert (oder, noch häufiger, ohne Zitation verwendet) wurden¹.

    Es mag diese vielfache Konfusion gewesen sein, die sowohl Berger wie auch Luckmann zunehmend zögern ließen, den Begriff der gesellschaftlichen Konstruktion überhaupt noch selber zu verwenden. In der Tat scheinen sich beide ab den 1970er Jahren vom Konzept des Konstruktivismus zu distanzieren. So formulierte Luckman wiederholt und plakativ: „Ich bin kein Konstruktivist, jedenfalls nicht im Sinne der Angehörigkeit zu einer wissenschaftstheoretischen Richtung, die sich als Konstruktivismus bezeichnet." (Luckmann 1999: 17, siehe auch Luckmann 2003: 127)² Dass diese Formulierung nicht ein (einer bestimmten Situation geschuldeter) ‚Ausrutscher‘ war, sondern in der Tat dem Selbstverständnis von Luckmann (auch heute noch) entspricht, das belegt ein weiteres Zitat: „Im Vergleich zu Watzlawick und den Konstruktivisten der Erlanger Schule sind Berger und ich in gewissem Sinne Materialisten. (zitiert nach Schnettler 2006: 87) Auch Schnettler betont in seiner Luckmanneinführung, dass Berger und Luckmann weit davon entfernt gewesen seien zu behaupten, „alles sei konstruiert oder auch nur konstruierbar (ebd., vgl. auch Pfadenhauer 2012, Reichertz 2012).

    Diese Distanzierung vom Begriff bedeutete jedoch keine Abwendung von der Sache, also der gesellschaftlichen Konstruiertheit von Wirklichkeit, sondern nur eine Abwendung von einer postmodernen Spielart des Konstruktivismus, die alle Konstruktionen für beliebig ansieht. Vielmehr hat sich in der Aufnahme und Weiterführung der These von der gesellschaftlichen Konstruiertheit von Wirklichkeit in den letzten Jahrzehnten in Deutschland eine Form der empirischen Forschung ausgebildet, die sich dezidiert mit dem Prozess der gesellschaftlichen Kon struktion auseinandersetzt und sich als empirisch arbeitende Wissenssoziologie versteht.

    Die empirische Forschung setzt dabei jedoch weniger auf die klassischen Konzepte der Wissenssoziologie (der die „gesellschaftliche Konstruktion" zumindest in der deutschen Übersetzung laut Untertitel zugerechnet wurde), sondern verband sich mit Verfahren aus der deutschsprachigen Hermeneutik, aus dem Umfeld der angelsächsischen Ethnomethodologie und Ethnographie, der Interaktionsanalyse wie auch aus dem Umfeld der französischen Diskursanalyse. Theoretisch waren diese Verfahren beeinflusst – wenn auch in unterschiedlichem Maße – von der deutschen Phänomenologie (Husserl, Schütz), dem amerikanischen Pragmatismus (Peirce, Mead) und dem französischen Poststrukturalismus (Foucault). Gegenstand dieser empirischen verfahrenden Forschungen, die mitunter die Gestalt einer Art ‚Nanosoziologie‘ annahmen, waren die häufig nur in aufwendigen Studien erkennbaren Prozesse des Aushandelns und Herstellens sozialer Wirklichkeit. Mittel dieser oft erst unter dem Mikroskop erkennbaren Prozesse war durchgängig die Kommunikation.

    Diese Erkenntnis führte zu einer erkennbaren Fokusverschiebung: Das Augen merk wurde zunehmend auf Prozesse der Kommunikation verlagert. Auch Luckmann hat frühzeitig diese Bedeutung der Kommunikation gesehen, gewürdigt und später von einem „kommunikativen Aufbau der sozialen Welt und dem „kommunikativen Paradigma der neuen Wissenssoziologie gesprochen (Luckmann 2002: 157 ff und 201 ff; vgl. auch 2004 und 2007).

    Kommunikation gilt dabei keineswegs nur als ein besonderes Feld der sozialen Konstruktion. Vielmehr wird Kommunikation als die empirisch beobachtbare Seite des Sozialen betrachtet. Genauer: kommunikatives Handeln steht im Mittelpunkt des Sozialen, und damit unterscheidet sich dieser Ansatz deutlich (wenn auch nicht kategorisch) von der Systemtheorie Luhmanns, die ebenfalls den Kommunikationsbegriff in den Mittelpunkt stellt.

    In der Tat wurde die Frage einer theoretischen Klärung der Rolle des kommunikativen Handelns immer dringlicher, je mehr empirische Forschung betrieben wurde. Wohl auch deshalb entstanden seit den 1990er Jahren in der Soziologie und vereinzelt auch in der Kommunikationswissenschaft die ersten systematischen Arbeiten zum Thema der kommunikativen Konstruktion. Es ist bezeichnend, dass sie nicht nur theoretische Klärungen vornehmen, sondern auch den Bezug zur empirischen Forschung (und zum Alltagsleben der Menschen wie der Forschenden) aufrecht zu erhalten suchen. Angesichts der anhaltenden Missverständnisse des „Sozialkonstruktivismus" wie auch der in diesem Rahmen betriebenen empirischen Forschung – Missverständnisse oder Fehlinterpretationen, die vor allem in jüngeren theoretischen Ansätzen wie Poststrukturalismus, ANT, Anti konstruktivismus, Praxistheorie etc. vertreten werden – wurden diese Klärungen in den letzten Jahren verstärkt.

    Beides, die empirische Forschung wie die theoretischen Anstrengungen haben mittlerweile eine Breite und eine Tiefe erlangt, die eine eigenständige Darstellung ermöglichen und erfordern. Eine erste Sammlung solcher theoretischen wie empirischen Arbeiten soll hier unter dem Titel des „kommunikativen Konstruktivismus" vorgelegt werden soll.

    Die Vorstellung der kommunikativen Konstruktion der Wirklichkeit schließt dabei, wie oben gesagt, explizit an der Theorie der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit an. Zugleich zeigt die Betonung auf die kommunikative Konstruktion auch eine Akzentverschiebung: Zum einen geht es hier darum, die kommunikativen Prozesse (face-to-face oder medial gestützt, in Situationen in Erscheinung tretend und auch diskursiv eingebettet) der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit in den Vordergrund zu rücken – auch weil diese in der aktuellen Welt vielfältiger und bedeutsamer geworden sind. Zum anderen geht es dem kommunikativen Konstruktivismus um die Weiterentwicklung und Modifikation der sozialkonstruktivistischen Theorie, die der gewachsenen Bedeutung des kommunikativen Handelns, von Diskursen und kommunikativen Praktiken Rechnung trägt und dabei in der Lage ist, die verschiedenen gesellschaftlichen Kontexte, in denen dies geschieht, sowohl in die theoretischen Grundlegungen wie in die empirischen Analysen mit aufzunehmen. Deswegen erscheint es uns angezeigt, gerade auch die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit als eine spezifische Form der kommunikativen Konstruktion mit zu berücksichtigen (Keller 2005; Keller/Hirseland/Schneider/Viehöver 2005).

    Wir reden von kommunikativem Konstruktivismus als einem gemeinsamen Ansatz, weil wir, aus verschiedenen Überlegungen, unterschiedlichen theoretischen Schwerpunkten und mit verschiedenen Nuancen, dennoch eine Reihe von Vorstellungen teilen. Im Mittelpunkt dieser Vorstellungen steht die Kommunikation.

    Kommunikation wird dabei nicht allein als das Mittel verstanden, mit dem sich Menschen absichtsvoll Botschaften zukommen lassen und versuchen, andere zu steuern, sondern Kommunikation ist immer auch die menschliche Praktik, mit der zugleich Identität, Beziehung, Gesellschaft und Wirklichkeit fest-gestellt werden. Kommunikation dient in diesem Verständnis nicht allein der Übermittlung (von Informationen), sondern vor allem der Vermittlung (sozialer Identität und sozialer Ordnung). Kommunikation ist somit die Basis gesellschaftlicher Wirklichkeit. Deshalb macht es Sinn, den Ansatz, der sich mit der „kommunikativen Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit" auseinander setzt, Kommunikativen Konstruktivismus zu nennen. Der Kommunikative Konstruktivismus reagiert damit auf zwei Herausforderungen:

    Auf der einen Seite stehen die vielfachen Herausforderungen der empirischen Forschung, die für die „Wirklichkeitswissenschaft" Soziologie nicht nur beiläufig, sondern entscheidend sind und bis auf die theoretischen Grundlagen durchschlagen. Der Soziakonstruktivismus hat sich diesen Herausforderungen nicht nur gestellt, er hat sich auch sehr aktiv sowohl an der Forschung wie auch an der Methodenentwicklung (insbesondere in der qualitativen Forschung) beteiligt. Der kommunikative Konstruktivismus ist einer der Folgen der empirischen Arbeiten, also gleichsam eine Anpassung und Adaption des Sozialkonstruktivismus an die empirische Forschung und Methodenentwicklung.

    Die andere Gruppe von Herausforderungen, der sich der kommunikative Konstruktivismus stellt und die zur Abwandlung des Sozialkonstruktivismus führt, besteht in einer Reihe von neuen theoretischen Argumenten. Seit dem Aufkommen des Sozialkonstruktivismus haben sich verschiedene neue konstruktivistische Ansätze ausgebildet, wie etwa die Systemtheorie oder die Diskurstheorie; daneben stellen auch andere Theorien und Theorieteile Herausforderungen dar (wie etwa die Wiederbelebung des Pragmatismus, die Praxistheorie, die Actor- Network-Theorie oder die verschiedenen „Performanz"-Ansätze), die berücksichtigt werden müssen. Der Kommunikative Konstruktivismus stellt also auch eine Reaktion auf diese theoretischen Herausforderungen dar.

    Um den Eindruck zu vermeiden, dass es sich beim kommunikativen Konstruktivismus (schon) um eine geschlossene Theorie handelt, setzt der Band im ersten Teil mit drei verschiedenen theoretischen Artikeln der Herausgeber ein, die durchaus die unterschiedlichen Quellen sichtbar machen (Phänomenologie, Pragmatismus, Diskurstheorie). Die drei Beiträge formulieren sozusagen die Positionen formulieren, die den Ausgangspunkt für weitere theoretische Klärungen bieten können, die auch zwischen den Autoren geführt werden soll.

    Hubert Knoblauch skizziert sein theoretisches Modell der kommunikativen Konstruktion der Wirklichkeit. Dabei baut er deutlich auf der Theorie der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit auf. Durch die Verbindung von Habermas’ Konzept des kommunikativen Handelns mit dem Begriff des „sozialen Handelns bei Schütz, Berger und Luckmann schließt er an seine eigene Formulierung der „kommunikativen Konstruktion an, die er schon 1995 vorgenommen hat. Zugleich erweitert und verändert er dieses Modell um die Rolle des Körpers, er schließt das „Verhalten ins kommunikative Handeln ein, und mit der Betonung von „Objektivierungen löst er die Theorie von der einseitigen Konzentration der Analyse kommunikativen Handelns auf Sprache und Zeichen und weitet sie auf die Analyse medialer, technischer und dinglicher Prozesse aus.

    In dem Beitrag von Jo Reichertz wird (explizit in der Tradition des amerikanischen Pragmatismus und in Anknüpfung an neue Erkenntnisse der Anthropologie) eine Kommunikationstheorie entwickelt, die in Abgrenzung zu klassischen Kommunikationstheorien umstellt von Verstehen auf Wirkung – auf Kommunikationsmacht (Reichertz 2009). Demnach ist Kommunikation die von Menschen geschaffene basale Handlung, die Gesellschaft und die (Identität der) Menschen erzeugt: Kommunikation ist also das Werkzeug, das von der Gattung Mensch Schritt für Schritt zur ‚Selbsterzeugung‘ entwickelt wurde und die ‚Selbsterzeugung‘ möglich machte. Daneben dient Kommunikation auch zum Übermitteln von Botschaften. Dieser kommunikativen Gebundenheit kann sich niemand entziehen – auch der Wissenschaftler nicht. Der in Auseinandersetzung mit dem Sozialkonstruktivismus und Sozialkonstruktionismus von Reichertz entwickelte Kommunikative Konstruktivismus wendet deshalb die Grundidee des kommunikativen Konstruktivismus auch auf sich selbst an: Nicht nur die Menschen in der alltäglichen Sozialwelt erschaffen sich und ihr Wissen im wechselseitigen kommunikativen Handeln, sondern auch die Wissenschaftler schaffen sich und ihre Welt kommunikativ.

    Reiner Keller diskutiert in seinem Beitrag den Stellenwert der „diskursiven Konstruktion in den Prozessen kommunikativer Konstruktion. Im Anschluss an Foucaults Diskursbegriff wird zunächst die These entwickelt, dass darin immer schon konkrete kommunikative Tätigkeiten impliziert sind, denn, Foucault folgend, „sprechen Diskurse von Gegenständen. Im Rekurs auf das sehr viel ältere pragmatistische Konzept des „Diskursuniversums" und seine Nutzung bei Mead, Morris oder Schütz zeigt Keller dann die Schnittstellen zwischen der französischen Diskurstheorie Foucaultscher Prägung und den pragmatistischen Handlungs- und Kommunikationstheorien auf. Die von Keller entwickelte Wissenssoziologische Diskursanalyse nutzt diese Schnittstellen und entwirft ein Forschungsprogramm zur Analyse gesellschaftlicher Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken, die in der kommunikativen Handlungsform von Diskursen in Erscheinung treten. Damit wird es der Diskursforschung möglich, die Verwobenheit von Strukturierungen und kommunikativen Handlungen in Diskursprozessen in den Blick zu nehmen. Gleichzeitig insistiert Keller darauf, die nicht-kommunikativen Grundlagen und Folgen von Diskursen, wie sie etwa als Dispositive in Erscheinung treten, nicht zu vernachlässigen.

    Im zweiten Teil folgen theoretische Arbeiten aus den angrenzenden Fachdisziplinen Kommunikationswissenschaft und Organisationsforschung, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und inwieweit der Kommunikative Konstruktivismus fruchtbar bei der Lösung theoretischer Probleme sein kann.

    Der Kommunikationswissenschaftler Andreas Hepp geht in seinem Beitrag auf die Medien und deren Bedeutung bei der kommunikativen Konstruktion von Wirklichkeit ein. Dabei setzt er sich mit der in der Kommunikationswissenschaft gängigen These auseinander, die Medien besäßen eine eigene Logik, die sich zwangsläufig allen Inhalten aufdrückt, die in den Medien ausgedrückt werden. Dieses eher strukturtheoretische Konzept versucht Hepp im Anschluss an interaktionistische Konzepte von Tamotsu Shibutani und Anselm Strauss kommunikativ zu öffnen. In seinem Beitrag zeigt er, wie die Medien in kleinen sozialen Welten mittels Kommunikation eine eigene Prägekraft entfalten bzw. entfalten können. Wirkung wird so nicht vom Medium aus definiert, sondern durch die kommunikative Schaffung in Medienaneignung und Mediennutzung. Dabei betont Hepp zu Recht immer wieder und vehement, dass heute oft nicht mehr ein Medium alleine genutzt wird, sondern dass immer mehrere Medien gleichzeitig oder nacheinander verwendet werden, die einander kommentieren und bewerten. Da alle sozialen Welten von einer Vielzahl von Medien durchdrungen sind und bei der kommunikativen Konstruktion von Wirklichkeit eine Rolle spielen, muss eine Analyse der kommunikativen Konstruktion von Wirklichkeit immer dieses Zusammenspiel verschiedener Medien berücksichtigen.

    Günther Ortmann nimmt in seinem Beitrag ein altes klassisches Problem in den Blick, das für die Organisationstheorie von größter Bedeutung ist: die Entscheidungsfindung. In Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung zu dem Rational Choice-Ansatz zeigt er gerade dadurch, dass er (immer noch) an Husserl, Schütz und Berger & Luckmann anschließt, dass Entscheidungen nicht monologisch von einem einsamen Subjekt irgendwann getroffen werden, sondern dass Entscheidungen langsam reifen und dass bei diesem Reifungsprozess die Kommunikation eine bedeutsame Rolle spielt. Entscheidungen fallen demnach nicht, sondern an bedeutsamen Stellen führt immer wieder die Kommunikation dazu, dass Entscheidungen in eine bestimmte Richtung wachsen und dann auch ausgesprochen werden. Dennoch bedarf es nach Ansicht von Ortmann nicht einer Wende zum Kommunikativen Konstruktivismus hin, sondern einer „energischen kommunikationstheoretischen Erweiterung" des Sozialkonstruktivismus.

    Der dritte Teil des Bandes enthält Beiträge sowohl theoretischer wie empirischer Natur, die sich Prozessen der kommunikativen Konstruktion vor dem Hintergrund der Perspektive der diskursiven Konstruktion nähern. Anhand unterschiedlicher empirischer Felder werden dabei einerseits Einsatzmöglichkeiten der Diskursperspektive im Rahmen eines kommunikativen Konstruktivismus verdeutlicht. Andererseits werden auch theoretische Überlegungen vorgestellt, die das Verhältnis von diskursiver und kommunikativer Konstruktion weiter erhellen.

    In ihrem Artikel „Raumpioniere in Stadtquartieren und die kommunikative (Re-)Konstruktion von Räumen leistet Gabriela B. Christmann gleich mehrere Beiträge zu diesem Band. Vor dem Hintergrund einer luziden Darstellung des kommunikativen Konstruktivismus gelingt ihr zum einen ein Zuschnitt des allgemeinen Ansatzes auf die spezifischen Fragestellungen der sozialwissenschaft-lichen Raumforschung. Dabei zeigt sie mehrere Aspekte der kommunikativen Konstruktion des Raumes auf, um sich im weiteren Fortgang dann mit der Rekonstruktion des konstruierten Raumes zu beschäftigen. In diesem klar abgesteckten theoretischen Rahmen verortet sie dann eine empirische Studie zu zwei großstädtischen Bezirken, die unter einem „schlechten Image zu leiden haben. Diese Studien nutzt sie, um die empirische These der Rolle von „Raumpionieren" zu belegen, die solche Räume nutzen, zu ihrer Umdeutung beitragen, zudem soziale, organisatorische oder infrastrukturelle Neuerungen lokal vorantreiben und damit gleichzeitig Lösungsansätze für sozialräumliche Probleme entwickeln. Dabei greift sie auf die Deutungen der Raumpioniere, ihre Binnenkommunikation und die aus ihnen gebildeten Netzwerke zurück.

    Sasa Bosancic untersucht „Subjektpositionen und identitäre Selbst-Positionierung von ungelernten Arbeitern". Mit dem Begriff Subjektivierung wird ein doppelter Prozess bezeichnet: einerseits entstehen in Diskursen Subjektpositionen im Sinne von normativen Identitätsvorgaben, andererseits leiten diese die Selbst-Formierungsprozesse der Subjekte an. Ausgehend von den theoretischen Basisannahmen der Wissenssoziologischen Diskursanalyse wird in dem Beitrag mit Bezug auf die amerikanische Tradition des interpretativen Paradigmas ein heuristisches Modell der identitären Positionierung vorgeschlagen, das eine spezifische theoretische Vermittlung zwischen der Diskurs- und der Subjektebene im Konzept der Subjektivierung ermöglicht und damit die Verortung einer subjektfokussierten Empirie im Rahmen der WDA skizziert. Exemplarisch illustriert wird dieses Modell im Rückgriff auf eine Studie zu identitären Positionierungen un- bzw. angelernter Arbeiter, die in öffentlichen Diskursen der Wissensgesellschaft mit Qualifikationsanforderungen und -abwertungen konfrontiert sind, die ihr konkretes Arbeitsvermögen sehr weitreichend in Frage stellen.

    Der Beitrag von Anna-Katharina Hornidge hinterfragt Konzepte der „Wissensgesellschaft und „Wissen für Entwicklung als kommunikativ und diskursiv konstruierte Wirklichkeitsvorstellungen, die von der Wissenschaft des globalen „Nordens aus die Politikgestaltung zahlreicher Industrieländer, die Programmgestaltung internationaler Geberorganisationen und schließlich die Politikgestaltung vieler Länder des „Südens beeinflussten. Konzeptionell im kommunikativen und diskursiven Konstruktivismus verankert, schlussfolgert der Beitrag, „Wissen", gefasst in beiden Konzepten, als normativen Wissenschaftsdiskurs, faktischen Real diskurs und Hegemonialdiskurs zu begreifen.

    Der Beitrag von Angelika Poferl und Verena Walter wendet sich der Frage der kommunikativen Konstruktion von Wirklichkeit am Beispiel einer explorativen Studie über Wahrnehmungen globaler Armut zu. Gestützt auf Materialien zur Kampagne „Deine Stimme gegen Armut" und hierbei insbesondere auf Kommentierungen im Rahmen der online-Kommunikation von Nutzern werden Strategien der Problemdeutung sowie ausgewählte Ergebnisse zu spezifischen Formen der Legitimierung von Sprecherpositionen sowie der Zuweisung von Verantwortung vorgestellt. Ausgangspunkt ist die These, dass die kommunikative Konstruktion globaler Armut zur Konstitution von Globalität beiträgt und dass diese Bewusstseinsbildung sich über die Erzeugung und Verbreitung diskursiv vermittelter Formen des Problematisierungswissens vollzieht. Die Ausführungen schließen an den Sozialkonstruktivismus von Berger und Luckmann, an die Wissenssoziologische Diskursanalyse, aber auch an das Konzept der Motivvokabularien von Mills an. Plädiert wird abschließend für eine Verbindung diskursanalytischer und lebensweltorientierter Zugänge.

    Boris Traue geht in seinem Beitrag auf medientheoretische und mediensoziologische Aspekte des kommunikativen Konstruktivismus ein. Die Erweiterung des kommunikativen Handelns und der diskursiven Handlungsregulierung durch audiovisuelle Medienformate und das Verbreitungsmedium Internet informiert diese Überlegungen empirisch. Traue greift die Figur der dreigliedrigen Struktur kommunikativen Handelns auf und argumentiert, dass Medien die Beziehung zwischen verkörpertem Subjekt, Anderen und Objektivation stiften. Dabei werde eine ‚medienzentristische‘ Engführung des Handlungsbegriffs vermieden, indem im Rückgriff auf den Begriff der Objektivation, der einerseits Spuren von Körpern, andererseits Dinge und Artefakte bezeichnet, die Möglichkeit und das empirische Auftreten einer ‚Hermeneutik der Medien‘ festgestellt wird – diese Hermeneutik ist eine ‚Kommunikation über Kommunikation‘, die eben jede Kommunikation begleitet bzw. im Krisenfall begleiten kann. Diese Überlegungen führen zum Konzept des Kommunikationsregime, der in der zweiten Hälfte des Beitrags entfaltet wird: Sie umfassen Wahrnehmungs- und Selbstwahrnehmungsmöglichkeiten, juridische, institutionelle und technische Regulierungen sowie inhaltliche Regien, vor allem in Form medialer ‚Eigenideologien‘. Der Begriff des Kommunikationsregime bezeichnet damit gewissermaßen die Teilnehmerperspektive der Diskurse und erlaubt es, die Ermöglichungsbedingungen und Regulierungsformen nicht nur, aber insbesondere der neuen mediengestützten kommunikativen Praktiken zu rekonstruieren. Das Konzept des Kommunikationsregime wird abschließend am Fall der audiovisuellen netzgestützten Kommunikation des Online-Video illustriert.

    Während in den letztgenannten Beiträgen stärker diskursive Dimensionen im Vordergrund stehen, behandeln die Beiträge des vierten Teils das Konzept der kommunikativen Konstruktion im Hinblick auf eine Phänomenebene, die sich vorläufig als ‚situierter Kontext‘ begreifen lässt und stärker die face-to-face-Ebene kommunikativer Prozesse in den Blick nimmt. Es handelt sich dabei zwar um empirische Beiträge zu verschiedenen Themen, die von der Wissenschaft über das Spiel, die Medien (Videos) bis zur Flugbegleitung und hin zur Lebenswelt der Migranten reichen. Doch allen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie neben der empirischen Analyse der situativen Rolle von Kommunikation auch die theoretische Arbeit am Konzept der kommunikativen Konstruktion weiterführen.

    In ihrem Artikel nehmen Richard Bettmann und Norbert Schröer gleich zwei Gegenstände in den Blick: interkulturelle Kommunikation und Kommunikationsmacht in Organisationen. Am Beispiel der Kommunikation zwischen deutschen und indischen Flugbegleitern wird gezeigt, wie die Fluggesellschaft, der beide angehören, sich auch in der face-to-face-Kommunikation Gehör und Geltung verschafft und wie es der Organisation gelingt, Kommunikationsmacht aufzubauen. An diesem empirischen Beispiel aus einer laufenden Forschungsarbeit kann deutlich gemacht werden, dass die auf Basis einer Beziehung funktionierende Kommunikationsmacht nicht nur zwischen Personen, sondern auch zwischen Personen und Organisationen aufgebaut werden kann.

    In ihrem Beitrag „Das Imaginäre in der (Wissens-)Soziologie und seine kommunikative Konstruktion setzt sich Regine Herbrik zwei Ziele: Zum einen setzt sie zu einer längst überfälligen Klärung des Konzeptes des Imaginären an, zum anderen zeigt sie, welche Rolle es in der „realen Interaktion spielt. Schon länger arbeitet Regine Herbrik am Konzept des Imaginären, das, wie sie betont, besonders in der Literaturwissenschaft eine scharfe Kontur erhält. Die soziologische Prägung durch Castoriades jedoch neigt zur Substantialisierung, so dass sie eine an Schütz angelehnte Konzeption vorlegt. Deren Spezifizierung nimmt sie empirisch vor, indem sie die kommunikativen Formen beschreibt, wie die Imagination Teil der sozialen Wirklichkeit wird. Dabei stützt sie sich auf eine detaillierte Analyse von Pen-and-Paper-Rollenspielen, bei denen mit recht einfachen Mitteln (Stift, Papier und mündliche Kommunikation) in einer Gruppeninteraktion komplexe imaginäre Welten entfaltet werden. Im vorliegenden Text fasst sie die wesentlichen kommunikativen Formen zusammen, mit denen diese Art des Imaginären geschaffen wird – und bietet damit ein Musterbeispiel dafür, wie besondere Formen kommunikativen Handelns zur Konstruktionen besonderer sozialer Wirklichkeiten beitragen.

    Christian Kiesow beschäftigt sich in seinem Aufsatz „Die kommunikative Konstruktion der Mathematik mit der Frage, wie man die Mathematik verstehen kann. Auf der Grundlage videographischer Aufzeichnungen von mathematischen Lehr- und Forschungsinteraktionen zeigt er sehr anschaulich, dass die Zeichen der Mathematik nicht einfach als Symbole oder „geistig verstanden werden. Vielmehr schließt er an die These des Kommunikativen Konstruktivismus an und verdeutlicht, wie die mathematischen Zeichen erst in der verkörperlichten kommunikativen Handlungen Bedeutung gewinnen. Er stützt damit die These, dass die situative Rahmung mathematischer Symbole, zu der insbesondere körperlich-performative Akte wie etwa Mimik, Gestik und Blicke gehören, konstitutiv zur Bedeutung und zum Verständnis eben dieser Symbole beiträgt. Mit dieser These geht er über situationalistische ethnomethodologische Analysen hinaus und deutet eine neue Form der Wissenschaftssoziologie an, die ihre eigene Praxis nicht nur (theorie-rhetorisch), sondern empirisch material zum Gegenstand macht.

    Bernt Schnettler, Bernd Rebstein und Maria Pusoma diskutieren anhand eines Forschungsbeispiels aus dem Kontext der Migrationsforschung die Verknüpfung von Sequenzanalysen und ethnographischen Erkundigungen im Milieu der Migration. Kleinteilige Datenanalysen werden dabei in Beziehung gesetzt zu den umgreifenden sozialen Strukturen des Felds. In der methodischen Praxis entspricht das einer Kombination von wissenssoziologisch-hermeneutischen mit gattungsanalytischen Vorgehensweisen. Der Beitrag will damit die Verbindung der verschiedenen Ansätze innerhalb des kommunikativen Konstruktivismus ausloten.

    René Tuma beschäftigt sich in seinem Beitrag „Die kommunikative Video- (Re-)Konstruktion damit, wie soziales Handeln mithilfe von Videoaufzeichnungen interpretiert werden kann. Genauer wird auf Videoanalyse als kommunikative Handlungsform eingegangen, in welcher Wirklichkeiten rekonstruiert und konstruiert werden. Besonders hervorgehoben wird in dieser Untersuchung die Schaffung von Interpretationsräumen und geteilter Perspektiven durch die körperlich- kommunikative Verknüpfung sowie ihre jeweilige Einbettung in einen breiteren Kontext durch die analysierenden Akteure. Dieses Vorgehen verbindet er mit der These, dass verschiedene „Sehgemeinschaften vor allem aufgrund unterschiedlicher Methoden erzeugt werden, die man als Kommunikationsstile beschreiben kann.

    Literatur

    Berger, Peter L. (1998): Auf den Spuren der Theologie. Reden. Zürich: Pano Verlag.

    Berger, Peter L. (2001): Mit merkwürdigen Gefühlen. In: Manfred Prisching (Hrsg.): Gesellschaft verstehen. Wien: Passagen Verlag, S. 165 – 175.

    Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1966): Social Construction of Reality. New York: Free Press (deutsch. Frankfurt am Main: Fischer 1970).

    Hacking, Ian (1999): Was heißt ‚soziale Konstruktion‘? Zur Konjunktur einer Kampfvokabel in den Wissenschaften. Reinbek: Rowohlt.

    Keller, Reiner (2005): Wissenssoziologische Diskursanalyse. Wiesbaden: VS Verlag.

    Keller, Reiner/Hirseland, Andreas/Schneider, Werner/Viehöver, Willy (Hrsg.) (2005): Die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Wissenssoziologie und Diskursforschung. Konstanz: uvk.

    Knoblauch, Hubert (1995): Kommunikationskultur. Die kommunikative Konstruktion kultureller Kontexte. Berlin: de Gruyter.

    Pfadenhauer, Michaela (2012): Peter Berger. Konstanz: uvk.

    Luckmann, Thomas (1999): Wirklichkeiten: individuelle Konstitution und gesellschaftliche Konstruktion. In: Hitzler, Ronald/Reichertz, Jo/Schröer, Norbert (Hrsg.): Hermeneutische Wissenssoziologie. Standpunkte zu einer Theorie der Interpretation. Konstanz: uvk, S. 17 – 28.

    Luckmann, Thomas (2002): Wissen und Gesellschaft. Konstanz: uvk.

    Luckmann, Thomas (2003): 30 Jahre ‚Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit‘ Ein Gespräch. Aachen: Shaker Verlag.

    Luckmann, Thomas (2004): Soziales im Kulturellen und Kulturelles im Sozialen? In: Jo Reichertz et al. (Hrsg.): Hermeneutik der Kulturen – Kulturen der Hermeneutik. Konstanz: uvk, S. 27 – 41.

    Luckmann, Thomas (2007): Lebenswelt, Identität und Gesellschaft. Konstanz: uvk.

    Reichertz, Jo (2009): Kommunikationsmacht. Was ist Kommunikation und was vermag sie? Und weshalb vermag sie das? Wiesbaden: VS Verlag.

    Reichertz, Jo (2012): Alles nur Konstruktion! Von der seltsamen Enthaltsamkeit vieler Konstruktivisten gegenüber Werturteilen. In: Renn, Joachim/Ernst, Christoph/Isenböck, Peter (Hrsg.): Konstruktion und Geltung. Wiesbaden: VS Verlag. S. 93 – 119CrossRef

    Reichertz, Jo/Zielke, Barbara (2008): Theories that matter. Zur Handlungswirksamkeit des sozialen Konstruktionismus. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 9 (1), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs-0801D5Ed8.

    Schnettler, Bernt (2006): Thomas Luckmann. Konstanz: uvk.

    Fußnoten

    1

    In Anlehnung und Abgrenzung zum Sozialkonstruktivismus von Berger & Luckmann hat sich auch ein Sozialkonstruktionismus enwickelt, der allerdings empirisch später andere Wege ging (vgl. Reichertz/Zielke 2008, vgl. auch den Beitrag von Reichertz in diesem Band).

    2

    Auch Peter Berger verwahrt sich öffentlich immer wieder dagegen, ‚Konstruktivist‘ genannt zu werden (Pfadenhauer 2010: 77) – so z. B. in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an der LMU in München: „Luckmann und ich haben ausgeführt, wie die Wirklichkeit immer durch ein Prisma gesellschaftlicher Deutungen erlebt wird. Nachher entstand eine soziologische Richtung, die sich zu unserem Ärger ‚Konstruktivismus‘ nannte und die behauptete, daß alle Deutungen gleichwertig seien und darüber hinaus, daß es überhaupt keine Wirklichkeit außerhalb der gesellschaftlichen Deutung gebe. Luckmann und ich haben immer wieder betont, dass diese ‚postmoderne‘ Richtung nicht mit unseren Absichten übereinstimme; es hilft alles nichts. Immer wieder werden wir als Gründer des ‚Konstruktivismus‘ gelobt oder beschimpft" (Berger 1998: 23, siehe auch Berger 2001: 166).

    Teil 2

    Positionierungen

    Reiner Keller, Jo Reichertz und Hubert Knoblauch (Hrsg.)Wissen, Kommunikation und GesellschaftSchriften zur WissenssoziologieKommunikativer KonstruktivismusTheoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz10.1007/978-3-531-19797-5_2© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

    Grundbegriffe und Aufgaben des kommunikativen Konstruktivismus¹

    Hubert Knoblauch

    Zusammenfassung

    Die Formulierung „kommunikative Konstruktion schließt an der „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit von Berger und Luckmann (1966/1969) an, die vermutlich eine der ersten sozialwissenschaftlichen Formulierungen des Konstruktivismus war. Dabei macht der „kleine Austausch von „sozial zu „kommunikativ auf eine theoretische Verschiebung aufmerksam, deren Tragweite erst im Laufe der letzten Jahre deutlich wird. Die Formulierung „kommunikative Konstruktion, die Anfang der 1990er-Jahre aufkommt, trägt einerseits dem Umstand Rechnung, dass die von Bergers und Luckmanns gesellschaftlicher Konstruktion inspirierte Soziologie sich zunehmend der empirischen Forschung zuwandte. Stand dabei anfangs die Sprache und die sprachliche Konversation als zentrale Trägerin des gesellschaftlichen Wissens im Vordergrund, so weitete sich das empirische Forschungsinteresse zunehmend auf die Kommunikation aus. Das Ziel des kommunikativen Konstruktivismus besteht darin, die verschiedenen Begriffe, die sich in den empirischen Untersuchungen bewährt haben, zu klären und miteinander zu verbinden. Andererseits trägt der kommunikative Konstruktivismus den theoretischen Entwicklungen in angrenzenden Theorien Rechnung, insbesondere wenn sie sich mit ähnlichen empirischen Gegenständen beschäftigen oder mit vergleichbaren Methoden arbeiten.

    1 Für Anregungen zum Text danke ich Ronald Hitzler, der mir bei der Verteidigung dieser Thesen in einer 12-stündigen Diskussion viel abverlangte – und viel gegeben hat. Ich danke auch Bernt Schnettler, René Tuma, Theresa Vollmer und René Wilke für ihre zahlreichen und wichtigen Anregungen. Vor allem danke ich Anne Honer, die, weiß Gott wie, wohl auch in diesem Text nachhallt.

    1 Einleitung

    Die Formulierung „kommunikative Konstruktion schließt an der „gesellschaft- lichen Konstruktion der Wirklichkeit von Berger und Luckmann (1966/1969) an, die vermutlich eine der ersten sozialwissenschaftlichen Formulierungen des Konstruktivismus war. Dabei macht der „kleine Austausch von „sozial zu „kommunikativ auf eine theoretische Verschiebung aufmerksam, deren Tragweite erst im Laufe der letzten Jahre deutlich wird. Die Formulierung „kommunikative Konstruktion, die Anfang der 1990er-Jahre aufkommt, trägt einerseits dem Umstand Rechnung, dass die von Bergers und Luckmanns gesellschaftlicher Konstruktion inspirierte Soziologie sich zunehmend der empirischen Forschung zuwandte. Stand dabei anfangs die Sprache und die sprachliche Konversation als zentrale Trägerin des gesellschaftlichen Wissens im Vordergrund, so weitete sich das empirische Forschungsinteresse zunehmend auf die Kommunikation aus. Das Ziel des kommunikativen Konstruktivismus besteht darin, die verschiedenen Begriffe, die sich in den empirischen Untersuchungen bewährt haben, zu klären und miteinander zu verbinden. Andererseits trägt der kommunikative Konstruktivismus den theoretischen Entwicklungen in angrenzenden Theorien Rechnung, insbesondere wenn sie sich mit ähnlichen empirischen Gegenständen beschäftigen oder mit vergleichbaren Methoden arbeiten.

    Der Begriff der kommunikativen Konstruktion stellt also eine Verbindung der empirischen Kommunikationsforschung mit der soziologischen Theorie her, und zwar mit der allgemeinen Theorie (Knoblauch 1995; 2005), wie auch mit besonderen Gegenstandbereichen, wie der Organisation, Religion oder Moral (Knoblauch 1997; 1998; Bergmann und Luckmann 1999). In jüngerer Zeit ist das Konzept aufgenommen, vertieft und empirisch angewandt worden, vor allem von Gabriela Christmann (2003), Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (2005), Keller (2005: 60 ff) sowie von Jo Reichertz (2007; 2010) und von Regine Herbrik (2011). Weil der Begriff der kommunikativen Konstruktion dabei verschiedene Abwandlungen erfährt, möchte ich im Folgenden einige seiner zentralen Begriffe aufeinander aufbauend skizzieren, die sich einerseits anhand der empirischen Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsansatzes begründen lassen und andererseits aus der Auseinandersetzung mit angrenzenden umfassenden Ansätzen der soziologischen Theorie ergeben.¹

    2 Grundbegriffe des kommunikativen Konstruktivismus

    Der kommunikative Konstruktivismus ist also ein theoretischer Ansatz, der auf dem Sozialkonstruktivismus aufbaut, wie er von Peter Berger und Thomas Luckmann (1966) begründet wurde. Allerdings bildet er keine einfache „Ableitung" aus dem Sozialkonstruktivismus, sondern baut auf der empirischen Umsetzung dieses Ansatzes auf. Dieser aus methodologischen Gründen qualitativ vorgehende Empirismus muss in zweifacher Hinsicht als bedeutsames Merkmal des kommunikativen Konstruktivismus angesehen werden.

    Zum einen folgt er einer theoretischen Neuinterpretation von Schütz, dessen Theorie als Grundlage sowohl des Sozialen wie des Kommunikativen Konstruktivismus gelten kann, wenngleich nicht kritiklos auf ihr aufgebaut wird.² Diese Kritik betrifft die bewusstseinsanalytische Schlagseite der mundanphänomenologischen Theorie und wird am Problem der Intersubjektivität besonders deutlich. Intersubjektivität, so Schütz, gründet nicht im einsamen Bewusstsein, wie Husserl annahm. Sie ist vielmehr eine Folge der Begegnung mit empirischen Anderen. Weil die Anderen schon immer da sind, ist auch die alltägliche Lebenswelt nicht nur pragmatisch, sondern grundlegend sozial, und für Schütz folgt aus dieser empirischen Vorgegebenheit Anderer, dass die alltägliche Lebenswelt sich ganz wesentlich durch Kommunikation auszeichnet.³

    Bevor ich auf die Merkmale der Kommunikation eingehe, muss der zweite methodologische Aspekt des Empirismus hervorgehoben werden. In der Tradition der Weberschen Soziologie, in der auch der Sozialkonstruktivismus steht, bildet das soziale Handeln den Kern des Sozialen. Sozialität besteht demnach in der Orien tierung Handelnder an anderen Handelnden (Weber 1922/1980). Das zentrale Argument des kommunikativen Konstruktivismus besteht nun darin, dass alles, was am sozialen Handeln relevant ist, notwendig auch kommuniziert werden muss (ohne dass alles, was kommuniziert wird, sozial relevant sein muss). Jeder Versuch einer Beobachtung sozialen Handelns alltäglicher oder wissenschaftlicher Art hängt von der Tatsache ab, dass soziales Handeln erst dadurch für andere beobachtbar und erfahrbar – also zur Wirklichkeit – wird, dass es auf die eine oder andere Weise kommuniziert und das heißt, wie wir sehen werden, auch objektiviert wird.⁴ Die Bedeutung der kommunikativen Natur sozialen Handelns beschränkt sich natürlich nicht auf wissenschaftliche Beobachter, die „Daten" über soziale Handlungen erheben (und häufig vergessen, dass diese Erhebung selbst eine Form des kommunikativen Handelns ist). Der empirisch kommunikative Charakter sozialen Handelns ist ebenso für die Handelnden selbst von eminenter Bedeutung, werden die Handlungen doch erst dann zum Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wenn sie anderen kommuniziert werden.

    Der Begriff des kommunikativen Handelns schließt ganz zweifellos am Konzept des sozialen Handelns an. Seine analytische Schärfe gewinnt er jedoch erst, wenn er mit Blick auf Habermas’ Theorie gefasst wird, der diesen Begriff geprägt hat. Bekanntlich unterscheidet Habermas (1981) das zielgerichtete instrumentelle Handeln vom verständigungsorientierten kommunikativen Handeln. Letzteres besteht im Wesentlichen in der Möglichkeit, Widersprüche zu formulieren und potentiell begründen zu können. Habermas verbindet Verständigungsorientierung mit einer Form „kommunikativer Rationalität, die sicherstellt, dass diese Begründungen auch gelingen können. Diese kommunikative Rationalität ist wesentlich mit der Sprache verbunden: Es sind die in der sprachlichen Form von „Sprechakten verankerten „Geltungsansprüche", die Begründungen ordnen und damit Rationalität gewährleisten.

    So groß Habermas’ Verdienst an der Prägung des Begriffs „kommunikativen Handelns ist, so leidet sein Begriff an einer Überbetonung der Sprache. Für Habermas verkörpert vor allem die Sprache (und zwar nach dem protestantischen Muster der Schriftsprache) die „Kraft des besseren Arguments und damit „kommunikative Rationalität". Zwar anerkennt auch er die Rolle des Handelns (im Sprechakt), doch erscheint die Sprache eine Art Inkarnation des Geistes, ja der Vernunft selbst zu sein. Auf diese Weise vernachlässigt Habermas nicht nur die körperlichen Formen des Kommunizierens jenseits von Text (und bestenfalls noch Stimme). Auch andere Zeichenarten und Codes, wie etwa Diagramme, Schaubilder und andere Objekte (die weiter unten eine Rolle spielen werden), geraten so in Vergessenheit.

    Ein zweiter Schwachpunkt besteht in seiner Scheidung von instrumentellem und kommunikativem Handeln. Während die Konzentration auf Sprache einerseits die Eigenständigkeit der sprachlichen Bedeutung hervorhebt, vernachlässigt Habermas andererseits sträflich den Umstand, dass Sprache und Sprechen immer einen materiellen Vollzug bezeichnen. Ebenso wie die Bedeutung sprachlicher Zeichen eines materiellen Zeichenträgers bedarf, der produziert werden muss, kann kommunikatives Handeln nicht umhin, immer eine „Wirkung" zu haben, die zumindest diesen Zeichenträger erzeugt. Mit anderen Worten: Kommunikatives Handeln ist immer auch instrumentelles Handeln. Damit erweist sich jedoch die systematische Trennung beider Aspekte als ein Fehler. Denn wenn man davon ausgeht, dass die Materialität des Zeichens seinen Ort in der Struktur definiert und damit unmittelbar Folgen für die Bedeutung hat, dann ist diese Instrumentalität keineswegs nur beiläufig oder akzidentiell.⁶ Sie ist vielmehr integraler Teil des kommunikativen Handelns. Sei es der von Hand geschriebene Brief und die mit Tinte geformten Buchstaben, der vom Mund mechanisch gebildete Laut oder die technisch visualisierte Repräsentation auf einem Computerbildschirm, die von Hand eingetippt oder automatisch eingegeben wurde: Alle Fälle kommunikativen Handelns schließen instrumentelles Wirken mit ein.

    Will man kommunikatives Handeln nicht vom instrumentellen Handeln unterscheiden, legt es sich nahe, beides, im Anschluss an Schütz und Luckmann (1984), als „wechselseitiges Wirkhandeln zu verstehen und damit der „gesellschaftlichen Arbeit gleichzusetzen (Knoblauch 1995). Der Begriff Wirkhandeln bezieht sich auf die Veränderungen, die in einer als gemeinsam erfahrenen Umwelt absichtlich vorgenommen werden. Die „Wirkung des kommunikativen Handelns beschränkt sich jedoch nicht nur auf die „illokutionären und „perlokutionären Effekte oder das, was Reichertz (2010) pointiert als „Kommunikationsmacht bezeichnet: dass kommunikative Handlungen zu weiteren kommunikativen Handlungen führen.⁷ Die Kritik der Habermas’schen Trennung von kommunikativem und instrumentellem Handeln führt vielmehr zu einer dramatischen Ausweitung des kommunikativen Handelns (wobei nicht zu vergessen ist, dass instrumentelles Handeln die Technik miteinschließt). Der in einer gemeinsamen Umwelt erfahrbare Aspekt dieses Wirkhandelns ist das, was Berger und Luckmann als Objektivierungen bezeichnen. Selbst wenn sie dabei zumeist ebenfalls die Sprache überbetonen, so können sie darunter neben den sprachlichen Zeichen, materielle Anzeichen, körperliche Verhaltensweisen, Mimik und Gestik und andere zeitliche Prozesse fassen. Objektivierungen sind alle Kulturprodukte, egal ob es sich um Musik oder Malerei handelt, um Milch, Autos oder Papageien einschließlich der zu ihrer Wahrnehmung verfügbaren Klassifikationsschemata.⁸

    Dass sich kommunikatives Handeln durch Materialität auszeichnet, hat mit einem seiner Momente zu tun, das immer wieder angeschnitten, selten aber systematisch berücksichtigt wurde: Kommunikatives Handeln bezieht den Körper mit ein. Akte der Erzeugung von Objektivationen hängen vom Körper ab und deswegen spielt der Körper eine entscheidende Rolle für das kommunikative Handeln und bei der Konstruktion der Wirklichkeit. Erst durch den Körper wird Sinn sozial sichtbar.⁹ Diese Sichtbarkeit liegt nicht nur darin, dass der Körper die „awareness" (Heath et al. 2002) durch Sinne steuert (die als „Medien" ausgeweitet werden können). Sie besteht auch darin, dass der Körper die kommunikativen Handlungen so vollzieht oder, etwa bei technischen Vermittlungen, so an den Vollzug gekoppelt ist, dass er sinnhaft mit dem verbunden erscheint, was als Objektivierung gelten kann. Kommunikatives Handeln objektiviert Sinn, weil und wenn es mit dem Körper vollzogen wird. Sei es die Artikulation eines Klangs, das Zeichnen von Buchstaben oder das Drücken auf eine Tastatur – es ist der Körper, der Handeln und Welt miteinander verknüpft. Wegen seines verkörperten Charakters ist Instrumentalität wesentlicher Teil des kommunikativen Handelns – sei es beim Reden oder in der E-Mail-Kommunikation.

    Neben dem Doppelcharakter von zeitlichen Objektivierungen, die als Objekte, Technologien und Körper auf Dauer gestellte Objektivationen sein können, sollte man auch die Doppelseitigkeit des kommunikativen Handelns bedenken: dass wir im handelnden Bewirken von etwas dieses etwas auch zugleich immer selbst erfahren: Wir hören uns sprechen, wir sehen uns gestikulieren, wir spüren, wie wir berühren. Diese Reflexivität, die man mit Plessner als „exzentrische Positionalität" bezeichnen kann, soll nicht dazu verleiten, nun den Körper einfach an die Stelle zu setzen, die in der Handlungstheorie vom Bewusstsein eingenommen wurde. Im Rahmen des kommunikativen Konstruktivismus wird der Körper indessen als Teil einer triadischen Struktur gesehen.

    Diese triadische Struktur kann man sich an einem Beispiel verdeutlichen, das als eine elementare Form kommunikativen Handelns angesehen werden kann: der Fingerzeig. Dieser wird von Tomasello (2008) in einigen äußerst eindrücklichen Experimenten mit Schimpansen und Kleinstkindern untersucht und in seiner ontogenetischen und phylogenetischen Bedeutung herausgestellt. Dabei zeigt er, dass sowohl Kleinkinder wie auch Schimpansen von sich aus durchaus zu intentionalem Handeln in der Lage sind, doch fehle ihnen das, was er „shared intentionality nennt, also „joint attention, joint intention, and communicative intention, we see humans’ cooperative motives for communication turn into mutual assumptions, and even norms of cooperation; and we see humans’ ‚natural‘ communicative gestures turn into human communicative conventions (Tomasello 2008: 335). Diese „shared intentionality" ist die Voraussetzung dafür, dass man einen Fingerzeig als Verweis auf etwas Anderes versteht und nicht als Erzeugung der Aufmerksamkeit auf

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