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Kultur in Interaktion: Co-Creation im Kultursektor
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Kultur in Interaktion: Co-Creation im Kultursektor
eBook347 Seiten3 Stunden

Kultur in Interaktion: Co-Creation im Kultursektor

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Über dieses E-Book

Dieses Buch zeigt, warum ko-kreative Angebote und Prozesse im Kulturmanagement immer wichtiger werden, wie sie konkret aussehen und gestaltet werden können. Durch die Digitalisierung verschwinden die Grenzen zwischen Sender und Empfänger, zwischen Produzent und Konsument zusehends. Das wirft gerade für den angebotsorientiert denkenden Kultursektor viele Fragen auf: Wie wird diese Entwicklung unser Verständnis von Kultur, das Kulturangebot und die Kulturkommunikation verändern? Welche neuen künstlerischen und kommunikativen Formate und Formen entstehen? Wie können interaktive und ko-kreative Prozesse aus Managementperspektive gesteuert werden? Dieses Werk unternimmt eine erstmalige Annäherung an das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Neben theoretisch orientierten Beiträgen wird das Potenzial von Co-Creation anhand von zahlreichen Fallbeispielen aufgezeigt.

Zielgruppen: Kulturschaffende, Künstler, Kreative, Kulturpolitiker und Kulturwissenschaftler

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum30. Sept. 2019
ISBN9783658272609
Kultur in Interaktion: Co-Creation im Kultursektor

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    Buchvorschau

    Kultur in Interaktion - Christian Holst

    Hrsg.

    Christian Holst

    Kultur in Interaktion

    Co-Creation im Kultursektor

    ../images/477803_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Christian Holst

    Hamburg, Deutschland

    ISBN 978-3-658-27259-3e-ISBN 978-3-658-27260-9

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-27260-9

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

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    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Vorwort

    Durch die Digitalisierung verschwinden die Grenzen zwischen Sender und Empfänger, zwischen Produzent und Konsument. Kulturerlebnisse und -kommunikation werden mehr und mehr zu Ereignissen, die nicht mehr nur durch den Kulturproduzenten oder -veranstalter, sondern auch vom Publikum und weiteren Anspruchsgruppen (mit-)gestaltet und individualisiert werden. Die Kulturproduktion findet nicht mehr nur in der „Black Box Kulturbetrieb" statt, sondern wird zu einem offeneren Prozess, auf den verschiedene Anspruchsgruppen Einfluss nehmen. Entsprechendes gilt für die Kommunikation und die Debatten, die rund um die künstlerische Produktion stattfinden. Sie sind nicht mehr nur den Experten vorbehalten, sondern werden in größerer Breite als früher geführt.

    Co-Creation, Partizipation und Interaktion sind Schlagworte, mit denen diese Entwicklung beschrieben wird. Zwar bezeichnen diese Begriffe keine genuinen Phänomene der Digitalisierung, aber die Digitalisierung schafft neue, einfache Wege, sie in einem bisher ungekannten Ausmaß zu ermöglichen. Und nicht nur das – sie verringert auch die Möglichkeiten, sie zu verhindern. Die Entwicklung zu mehr Einflussnahme und größerer Gestaltungsmacht des Publikums und anderer externer Gruppen wird durch die Digitalisierung somit nicht verursacht, aber befeuert. Und indem interaktive Prozesse und ko-kreative Produkt- und Erlebnisgestaltung allgegenwärtig werden, ändern und erweitern sie die Erwartungshaltungen, die Kultureinrichtungen zu bedienen haben.

    Was bedeutet dieser Trend für den meist angebotsorientiert denkenden Kultursektor? Wie können Kultureinrichtungen sich auf diese aktivere, forderndere Rolle der Rezipienten einstellen? Wie wird die Entwicklung zu mehr Co-Creation, Partizipation und Interaktion unser Verständnis von Kultur, das Kulturangebot selbst und die Kulturkommunikation verändern? Welche neuen künstlerischen und kommunikativen Formate und Formen entstehen? Wie können ko-kreative und partizipative Prozesse überhaupt aus Managementperspektive gesteuert werden? Wie müssen Denkweise und Arbeitslogik der Kulturanbieter weiterentwickelt werden? Welche Bemühungen und Erfahrungen existieren bereits im Kultursektor? Das vorliegende Buch versucht eine Annäherung an Fragen wie diese.

    Ein Teil der Beiträge in diesem Band basiert auf Vorträgen und Sessions, die im Rahmen des Hamburger stARTcamps im September 2018 gehalten wurden. Das stARTcamp mit dem Themenschwerpunkt „Kultur in Interaktion. Co-Creation im Kultursektor ist somit Ausgangspunkt dieses Buches. stARTcamps sind partizipative „Unkonferenzen in der Tradition der Barcamps, die sich mit den Fragen der Digitalisierung im Kultursektor beschäftigen. Hervorgegangen sind sie aus den stARTconferences, die 2009 bis 2011 jährlich in Duisburg stattgefunden haben. Seitdem wurden über 30 stARTcamps im gesamten DACH-Raum veranstaltet. Der Reiz der stARTcamps (und Barcamps generell) besteht in deren offenem, partizipativem Charakter, der es erlaubt, unterschiedliche Perspektiven, Ansätze, Formate und Menschen zusammenzubringen. Dieses Prinzip schlägt sich auch in diesem Band nieder. Die Zugänge zu dem Thema sind heterogen und multidisziplinär, die Zusammenstellung der Beiträge eher dem für Barcamps kennzeichnenden Prinzip der Serendipität verpflichtet als an einer strengen inhaltlichen Systematik ausgerichtet. Das Anliegen ist hierbei, das Thema anfänglich und punktuell zu erkunden, in der Hoffnung, damit weiterführende Überlegungen und Auseinandersetzung in der praktischen und theoretischen Arbeit anzuregen.

    Der Band verfolgt somit das Ziel, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und aufzuzeigen, wie Co-Creation, Partizipation und Interaktion die Denk- und Arbeitsweisen der Kultureinrichtungen und ihrer Anspruchsgruppen beeinflussen und verändern. Neben eher theoretisch orientierten Beiträgen im ersten Teil dieses Bandes werden im zweiten Teil Möglichkeiten und Grenzen von Co-Creation, Partizipation und Interaktion anhand von Erfahrungsberichten und Fallbeispielen aus der Praxis sowie konkreten Anwendungsfeldern gezeigt.

    Was sich wie ein roter Faden durch die Beiträge zieht ist die Erkenntnis, dass digitale Technologien zwar helfen können, Co-Creation, Partizipation und Interaktion zu ermöglichen. Ob solche Aktivitäten allerdings erfolgreich sind, ist vor allem eine Frage der Herangehensweise, der Denkhaltung und des Selbstverständnisses. Anders formuliert, eine Frage, ob Kultureinrichtungen die Adaption an die „Kultur der Digitalität (Stalder 2017) gelingt. Diese schlägt sich nicht nur in den digitalen Technologien nieder, sondern durchdringt auch die nicht-digitale Welt. Pöllmann und Herrmann (2019, S. VI) konstatieren, dass die existierende Literatur zur Digitalisierung im Kulturbereich vor allem auf die Medien und die Kommunikation fokussiert. Sie plädieren daher dafür, das Thema umfassender zu betrachten. Tatsächlich zeigen auch die Beiträge in diesem Band, dass der Blick geweitet werden sollte und der Einsatz von digitalen Technologien zwar ein üblicher, aber nicht zwingend vorrangiger Bestandteil von Projekten ist, die einer „Kultur der Digitalität im Sinne Stalders Rechnung tragen. Mehr Kommunikation, mehr Partizipation, mehr Interaktion und mehr Co-Creation sind jedoch in jedem Fall kennzeichnend.

    Die hier kurz skizzierten Entwicklungen geschehen vor dem Hintergrund eines generellen, umfassenden gesellschaftlichen Wandels, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind und der diese Akteure vor Herausforderungen stellt. Der diesen Band eröffnende Beitrag von Annette Jagla und Tobias Knoblich untersucht die Rahmenbedingungen, die zu „Kultur in Interaktion" führen und sie ermöglichen können. Jagla bringt dabei die Perspektive einer Organisationsentwicklerin mit ein, Knoblich die eines Kulturpolitikers. Die dahinterliegende Frage ist, welche Akteure auf welche Weise zu einem gelingenden Wandel beitragen können, auf dessen Basis mehr Interaktion, Ko-Kreation und Teilhabe möglich wird.

    Der Aufsatz von Christian Holst bezieht die in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Ansätze zum Management von Co-Creation auf den Kultursektor und die im Kulturmanagement entwickelten Ansätze, Partizipation, Interaktion und Co-Creation mit den Anspruchsgruppen zu erhöhen. Der Beitrag beschäftigt sich dabei auch mit der Frage, wie die Idee von Co-Creation mit konzeptionellen Fragen und dem Selbstverständnis von traditionell geprägten Kultureinrichtungen zu vereinbaren ist.

    Helge Kaul beleuchtet das Thema Co-Creation aus der Kulturmarketing-Sicht. In einer groß angelegten Studie hat er untersucht, wie neue Beteiligungsformen zum Einsatz kommen und auf empirischer Basis vier verschiedene Kooperationstypen im Kulturpublikum ermittelt. Indem Kultureinrichtungen verstehen, wie diese verschiedenen Typen in die interaktive Wertschöpfung einbezogen werden können, können sie dauerhafte Wettbewerbsvorteile erzielen.

    Antje Schmidt untersucht in ihrem Beitrag die Voraussetzungen und Herausforderungen, unter denen Co-Creation im Museumsbereich stattfindet. Schmidt betont die Wichtigkeit von frei zugänglichen Digitalisaten und Kulturgütern die über Creative-Commons-Lizenzen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können. Neben rechtlichem Klärungsbedarf ist allerdings auch die technische Umsetzung solch offener Datenbestände nicht trivial. Und auch wenn das gelingt, ist es nur eine Voraussetzung, die noch nicht bedeutet, dass die zur Verfügung gestellten Digitalisate tatsächlich für Co-Creation verwendet werden. Der Erfolg von Co-Creation hängt somit von verschiedenen Faktoren ab, die gut aufeinander abgestimmt werden müssen.

    Unter ganz anderen Voraussetzungen findet Co-Creation in den darstellenden Künsten statt, auf die Ervina Kotolloshi ihren Fokus legt. Sie unterscheidet drei Arten von Aufführungen, die durch den Einsatz digitaler Kommunikationstechnologien zu ko-kreativen Ereignissen werden. Je nachdem welche Instanz einer Aufführung zum Knotenpunkt des Kommunikationsnetzwerks wird – die Künstler, der Raum bzw. die Bühne oder die Handlung – fällt die Erfahrung und der Grad der Co-Creation unterschiedlich intensiv aus. Während die Interaktivität einerseits neue Theatererfahrungen ermöglicht, bietet sie durch ihre Dynamik und Unvorhersehbarkeit auch die Gefahr, unfertige oder gar misslungene ästhetische Resultate hervorzubringen.

    Tabea Schwarze stellt am Beispiel der staatlichen Kunsthalle Karlsruhe dar, wie Co-Creation und Partizipation in der Museumspraxis gelebt werden können und welche Erfahrungen auf diesem Feld bislang gemacht wurden. Co-Creation und Partizipation sollen einerseits dabei helfen, dem Bildungsauftrag im digitalen Raum nachzukommen und potenzielle Zielgruppen zu involvieren, andererseits aber auch die Akzeptanz der Digitalisierung intern zu fördern.

    Katrin Schröder und Anaïs Wiedenhöfer geben mit ihrem Beitrag ebenfalls einen Bericht aus der Praxis, hier am Beispiel des Archäologischen Museums Hamburg. Vor dem Hintergrund sich wandelnder Ansprüche der Öffentlichkeit und geringer Erfahrungswerte wurden am Archäologischen Museum verschiedene Formen ko-kreativer und interaktiver Kommunikation sowie Veranstaltungsformate ausprobiert, die eine enge Verknüpfung von digitaler und analoger Welt erlauben. Die gewonnenen Erfahrungen werden im Beitrag dargestellt.

    Iris Groschek zeigt am Beispiel von KZ-Gedenkstätten, dass Interaktion in den sozialen Medien nicht einfach nach den beliebten How-To-Rezepten gestaltet werden kann. Die Rahmenbedingungen von Interaktion und Partizipation in Erinnerungseinrichtungen sind sehr spezifisch und müssen in der Kommunikation entsprechend berücksichtigt werden. Soziale Medien können aber durchaus als offener Ort dienen, an dem eine gemeinsame Erinnerungskultur etabliert werden kann.

    Anna Rentsch macht in ihrem Beitrag aus Agenturperspektive deutlich, welche Bedeutung die Einbeziehung von externen Anspruchsgruppen bereits im Rahmen des Designs von Kommunikationsangeboten hat. Dies geschieht zum Teil in unmittelbarer Zusammenarbeit mit den Endverbrauchern. Zum Teil geschieht es aber auch durch „imaginäre Präsenz", beispielsweise durch die Auswertung von quantitativen und qualitativen Daten, das Erstellen von Personas und anderen Techniken, die den User in den Mittelpunkt stellen. Ein Design-Ansatz, der Bedürfnisse, Interessen und Rezeptionsgewohnheiten der Adressaten berücksichtigt, stellt somit einen wichtigen Grundstein für gelingende Interaktion dar. Zugleich steht solch ein Ansatz allerdings oftmals im Widerspruch zu der in vielen Kultureinrichtungen noch vorherrschenden angebotsorientierten Denkweise.

    Richard Wetzel zeigt in seinem Beitrag eine spielerische Möglichkeit auf, wie Co-Creation bei der Entwicklung von Games in interdisziplinären Teams mit Hilfe von Ideationskarten organisiert werden kann. Dieses Verfahren erleichtert es interdisziplinären (Entwickler-)Teams, eine gemeinsame Sprache und Herangehensweise zu entwickeln, die nicht von der Logik einer bestimmten Disziplin dominiert wird. Das Verfahren, das Wetzel vorstellt, funktioniert analog, auch wenn die zu entwickelnden Produkte in der Regel digitale Produkte sind oder zumindest wesentliche digitale Komponenten haben.

    Isabel Jansen spricht im Interview über das Crowdfunding als eine mittlerweile sehr populäre Form von Co-Creation und Publikumsbeteiligung mittels digitaler Plattformen. Sie gibt einen Überblick über allgemeine Trends des Crowdfundings und stellt dar, für welche Gelegenheiten und Branchen sich die Schwarmfinanzierung besonders eignet sowie welche Voraussetzungen und Elemente für eine erfolgreiche Kampagne gegeben sein sollten.

    Besonderer Dank gilt Christian Henner-Fehr und Frank Tentler vom stARTconference e. V. sowie dem Verein selbst, die diese Veröffentlichung unterstützt haben. Ebensolcher Dank gebührt Katrin Schröder, die das Hamburger stARTcamp mitkonzipiert und -organisiert und damit auch wichtige Impulse für den inhaltlichen Rahmen des stARTcamps und somit dieses Buches geliefert hat. Des Weiteren danke ich Birgit Borstelmann, Barbara Roscher und Imke Sander von Springer Gabler sowie Julika Weinecker für die angenehme Zusammenarbeit und professionelle Unterstützung.

    Literatur

    Pöllmann, L., Hermann, C. (Hrsg.). (2019). Der Digitale Kulturbetrieb. Strategien, Handlungsfelder und Best Practices des digitalen Kulturmanagements . Wiesbaden: Springer Gabler.

    Stalder, F. (2017). Kultur der Digitalität . Berlin: Suhrkamp.

    Christian Holst

    Hamburg im Juni 2019

    Inhaltsverzeichnis

    Kulturpolitik und Kulturbetriebe im Zeitalter der Digitalität 1

    Annette Jagla und Tobias J. Knoblich

    Über die (Un-)Möglichkeit Co-Creation zu managen 23

    Christian Holst

    Empirisch begründete Kooperationstype​n zur Fundierung der interaktiven Wertschöpfung im Kulturbereich 39

    Helge Kaul

    Voraussetzungen für und Herausforderunge​n von Co-Creation mit digitalen Museumssammlunge​n 51

    Antje Schmidt

    Social Media auf der Bühne 63

    Ervina Kotolloshi

    Mit Co-Creation und Partizipation auf dem Weg zum digitalen Museum 75

    Tabea Schwarze

    Let’s participate! 87

    Katrin Schröder und Anaïs Wiedenhöfer

    KZ-Gedenkstätten und Social Media 105

    Iris Groschek

    Collaboration is king 119

    Anna E. Rentsch

    Spieldesign mit Mixed Reality Game Cards 135

    Richard Wetzel

    Crowdfunding ist Networking 159

    Isabel Jansen

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    C. Holst (Hrsg.)Kultur in Interaktionhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27260-9_1

    Kulturpolitik und Kulturbetriebe im Zeitalter der Digitalität

    Ein Gespräch aus der Perspektive von Organisationsentwicklung und praktischer Kulturpolitik

    Annette Jagla¹   und Tobias J. Knoblich²  

    (1)

    Selbständige Beraterin, Hamburg, Deutschland

    (2)

    Stadt Erfurt, Erfurt, Deutschland

    Annette Jagla (Korrespondenzautor)

    Email: mail@annette-jagla.de

    Tobias J. Knoblich

    Email: tobias.knoblich@erfurt.de

    Zusammenfassung

    Kultureinrichtungen sehen sich im digitalen Zeitalter einer doppelten Herausforderung gegenüber: Zum einen sind sie selbst dem digitalen Wandel ausgesetzt und müssen ihre oftmals traditionell geprägten Strukturen den neuen Bedingungen anpassen. Zum anderen sollen sie auch eine wichtige Rolle dabei spielen, diesen Wandel gesellschaftlich zu gestalten. Dabei spielen Partizipation, Interaktion und Co-Creation mit vielen verschiedenen Anspruchsgruppen eine zentrale Rolle. Der Beitrag behandelt die Frage, wie es Kultureinrichtungen gelingen kann, diesen Anforderungen gerecht zu werden und schlägt auf der gesellschaftlich-politischen Ebene eine konzeptbasierte Kulturpolitik und auf der Ebene der einzelnen Organisation ein professionelles Veränderungsmanagement als Lösungsansätze vor.

    Dr. Annette Jagla

    arbeitet als Kulturmanagerin und systemische Organisationsberaterin und ist Dozentin am Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hamburg. Als ausgebildete Naturwissenschaftlerin arbeitete sie zunächst im Profit-Management der BASF, wechselte anschließend in den Kulturbereich und war von 1997–2008 Marketingleiterin an Hamburger Theatern. Nach einer Zusatzausbildung in systemischer Organisationsberatung ist sie als selbständige Beraterin im Kultur- und Bildungsbereich tätig. Dr. Annette Jagla ist Vorständin der Kulturpolitischen Gesellschaft.

    Dr. Tobias J. Knoblich,

    Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung der Landeshauptstadt Erfurt, studierte Kulturwissenschaft, Kulturpolitik und Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte an der Universität Hildesheim. Er arbeitete u. a. für das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und war von 2011 bis Jan. 2019 Kulturdirektor der Landeshauptstadt Erfurt. Er ist u. a. Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. und Mitglied des Fachausschusses Kultur der Deutschen UNESCO-Kommission sowie Lehrbeauftragter an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder.

    1 Zur Begriffsklärung: Von der Technologie der Digitalisierung zur Kultur der Digitalität

    Jagla:

    Wenn ich bei Google den Begriff „Digitalisierung" eingebe, bekomme ich allein für den deutschen Begriff über 25 Mio. Treffer. Digitalisierung ist in aller Munde, natürlich auch im Kulturbereich. Selbstverständlich werden digitale Wege der Kommunikation inzwischen von allen Kulturanbietern genutzt, ganz gleich ob Musikwirtschaft oder Museum. Aber nicht nur die Kommunikation, auch die Angebote werden digital. Musik und Filme werden gestreamt, Konzerte werden in einer digitalen Concert Hall erlebbar, Museen bieten zum Teil auch schon digitale Sammlungen. Aber die digitale Technologie ermöglicht mehr, als nur digital Kultur zu konsumieren. Es gibt digitale Experimente im Theater, die mehr sind als nur der Einsatz von Livevideos in der gerade entstehenden Szene, die beispielsweise eine Livebeteiligung von Zuschauern ausprobieren. Und Museen stellen digitalisierte Artefakte zum Teil unter Creative-Commons-Lizenzen zur Nutzung zur Verfügung. Damit arbeiten u. a. Projekte wie Coding da Vinci. Hier zeigt sich, dass wir schon mitten in einer Entwicklung sind, die noch etwas anderes signalisiert: einen Rollenwechsel vom Kulturkonsumenten, der sich bestenfalls aus einem vorher festgelegten Angebotskanon etwas heraussucht, hin zu einem Prosumenten und Co-Kreativen. Und auf der Seite des Kulturbetriebs entwickelt sich ein Anbieter, der das Mitmachen erlaubt beziehungsweise fördert und offen ist für Impulse von außen. Das verweist auf ein verändertes Kulturmuster im Umgang mit Dingen und in der Interaktion zwischen Menschen. Felix Stalder (2017) hat dafür den Begriff der „Digitalität der Kultur" ins Spiel gebracht – die Rückwirkung der digitalen auf die analoge Wirklichkeit. Was ist denn eigentlich der Kern seines Konzeptes und welche Mechanismen und kulturellen Praktiken, auch jenseits der digitalen Technologie, beschreibt er denn?

    Knoblich:

    Im Grunde genommen beschreibt Stalder eine neue Qualität der Überlagerung von kulturellen Entwicklungen, die uns in drei Eigenschaften begegnet. Die erste beschreibt er als Referentialität. Dabei geht es darum, Sinnbezüge herzustellen, und zwar auf eine neue und viel intensivere Weise, die sich eben nicht auf die Arbeit mit neuen Technologien beschränkt, sondern mannigfach dominant und produktiv wird, etwa in der Alltagskultur oder der Kunst. Neue Formationen ergeben sich dadurch, dass kulturelles Material anders und aufgrund einer extremen Informationsflut, eines „Sogs des Digitalen", multipel in Beziehung gesetzt wird, eine neue Qualität von Verknüpfungen entsteht. Wir kennen das von den Remakes in der Popkultur zum Beispiel. Aus bestimmten Formen und Kombinationen entstehen erweiterte oder neue Sinnzusammenhänge. Und dies kann man durch die neuen Technologien viel leichter erzeugen und kommunizieren, sie helfen beim Collagieren, Hybridisieren oder Verfremden. Im Grunde genommen wird kulturelles Material anders gefiltert, organisiert und zugänglich gemacht, als es die bisherigen Ordnungen des Wissens im Kulturbetrieb getan haben. Etwa die Archive und die Museen. Mit Referentialität beschreibt Stalder, dass ein neues Geflecht von Bezügen entsteht, die auch der Nutzer viel aktiver mitgestalten kann. Die Produktion oder auch Kontrolle, wenn man so will, reduziert sich nicht mehr auf die privilegierte Perspektive des klassischen Kulturmachers oder einer Institution, die dafür gegründet worden ist. Aber dort freilich können auch neue Referenzen entstehen und Öffnungsprozesse einsetzen wenn die analoge Welt reagiert. Und sie kann sich diesen Anforderungen schlechterdings kaum entziehen.

    Ein zweiter Aspekt, der damit korrespondiert, sind neue Formen von Gemeinschaftlichkeit. Das heißt, dass auch Menschen anders und vielfältiger miteinander in Kontakt treten. Eine wichtige Voraussetzung dessen ist eine gesteigerte Individualität: Wir nehmen uns selbst als Individuen viel wichtiger, als das früher der Fall gewesen ist, pumpen uns gleichsam mit Bedeutung und Selbstoptimierungsansprüchen auf. Andreas Reckwitz (2017) hat den überindividuellen Rahmen dessen als „Gesellschaft der Singularitäten" beschrieben. Unser hoher Anspruch auf Authentizität prägt also Gemeinschaftlichkeit heute. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Aneignung von Kulturgütern, die wir anders kommunizieren und vor allem intensiver auf uns beziehen. Es entsteht eine höchst reflexive Beziehung zur Praxis, zu Objekten und Kontexten.

    Unmittelbar mit den neuen Technologien in Verbindung steht die dritte Qualität, die Stalder beschreibt, und das ist die Algorithmizität. Sie verkörpert den Modus der Lösung vordefinierter Probleme, der uns etwa in Gestalt von Suchmaschinen begegnet. Es entstehen durch Algorithmen generierte Ordnungen, die bestimmte Denkrichtungen und Erkenntnisse vorstrukturieren. Mithilfe computerisierter Verfahren schafft sich der individuelle Nutzer eine Welt, die für ihn selbst singulär ist, genauso singulär wie der auf Authentizität orientierte Individualist es heute ist und wohl sogar sein muss, um wahrgenommen zu werden. Es entsteht ein Steinbruch neuer selektiver, pragmatisch konstruierter Selbstbilder jenseits fester Bestände. Und wenn man Stalder beim Wort nimmt, ist dieses Ganze ja ein Prozess, der schon seit Jahrzehnten läuft, der unsere Kultur sukzessive verändert, neue „Weisen der Welterzeugung" gebiert. Das ist ein Begriff von Nelson Goodman (1998), der wie zahlreiche andere Denker schon vor einer Diskussion über eine Kultur der Digitalität die Relativität unserer Realität philosophisch beschrieben hat und eigentlich auch unseren eigenen kreativen Anspruch an das, was um uns herum passiert, heraushebt. Das heißt, auch die Art und Weise, wie wir unsere Welt ordnen, wie wir Perspektiven an sie anlegen, prägt diese Welt. Sie wird

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