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CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnik
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eBook256 Seiten2 Stunden

CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnik

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Über dieses E-Book

Die Biologie erlebt zurzeit die größte Revolution seit 30 Jahren. Der Auslöser: die molekulare Schere CRIPSR/Cas. Mit ihr ist es möglich, einfach und effizient die genetische Information eines Organismus zu verändern. Das hat weitreichende Konsequenzen für unser aller Leben. In der Landwirtschaft wie in der Medizin werden Dinge machbar, die vor wenigen Jahren noch für unmöglich erachtet wurden: Weizen und Tomaten, die resistent gegen Mehltaubefall sind, und Patienten, die nun die Aussicht haben, ihre tödliche Krankheit zu überleben.

In diesem Buch haben wir eine Reihe von allgemeinverständlichen Artikeln zusammengestellt, die in den letzten Jahren in NatureSpektrum der Wissenschaft, ZEIT und FAZ zu diesem Thema veröffentlicht wurden und die folgenden Fragen beantworten:

·         Woher kommt CRISPR/Cas und wie funktioniert es?

·         Wie können wir damit bessere Kulturpflanzen züchten?

·         Welche Krankheiten können wir damit heilen?

·         Was sind die Hoffnungen? Was sind die Risiken?

·         Was ist ethisch vertretbar und wo setzen wir die Grenzen? Sind wir auf dem Weg zum künstlichen Menschen?

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum11. Okt. 2018
ISBN9783662574416
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    Buchvorschau

    CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnik - Toni Cathomen

    Hrsg.

    Toni Cathomen und Holger Puchta

    CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnik

    ../images/459649_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Toni Cathomen

    Medical Center – University of Freiburg, Freiburg, Deutschland

    Holger Puchta

    Institute of Technology (KIT), Karlsruhe, Deutschland

    ISBN 978-3-662-57440-9e-ISBN 978-3-662-57441-6

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-57441-6

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die in diesem Sammelband zusammengefassten Beiträge sind ursprünglich erschienen in Spektrum der Wissenschaft, Spektrum – Die Woche, Spektrum.de, DIE ZEIT und Frankfurter Allgemeine Zeitung.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Vorwort

    CRISPR/Cas: Wenn Unmögliches plötzlich möglich wird

    Es gibt in unserem Leben Augenblicke, in denen Dinge möglich werden, die selbst unsere kühnsten Träume übertreffen. Solche Augenblicke passieren nicht oft. Sie können unser persönliches Leben betreffen, das einer ganzen Nation oder gar weltweit eine Wende einleiten. Für viele ältere von uns war sicherlich der Fall der Berliner Mauer ein solch historisches Ereignis. Man spricht dann gerne von einer Revolution, einer Zäsur, einem historischen Moment, einem Zustand, der uns in Euphorie versetzt und natürlich auch immer die Gefahr birgt, dass die Protagonisten über das Ziel hinausschießen. Weltweit befinden sich zurzeit Biologen, Biotechnologen, Mediziner und Agrarwissenschaftler in so einem Zustand. Und dies Alles dank der molekularen Schere CRISPR/Cas. Das CRISPR/Cas‐System ist eine Genschere, die den Träger unserer genetischen Information präzise und effektiv schneiden kann und so die zielgerichtete Modifikation der Erbinformation erlaubt. Zum ersten Mal werden wir damit in der Lage sein, Kulturpflanzen so zu verändern, dass sie resistent gegen Krankheitserreger werden. Zum ersten Mal wird es möglich sein, die Ursache von Erbkrankheiten, den ursächlichen Gendefekt, im Erbgut von Patientenzellen direkt zu korrigieren. Und einmal mehr müssen wir uns die Frage stellen, wo wir die allbekannte rote Linie setzen. Nicht alles, was technologisch machbar ist, ist wissenschaftlich sinnvoll oder ethisch vertretbar. Beim Einsatz von CRISPR/Cas in der Humanmedizin ist der Grat zwischen einer Therapie nach Maß und einem Menschen nach Maß dünn und die Grenze zwischen therapieren und optimieren wirkt bei näherem Hinsehen verschwommen.

    Wir beide arbeiten seit vielen Jahren mit molekularen Scheren wie CRISPR/Cas in menschlichen oder pflanzlichen Zellen und sind daher ganz besonders betroffen – aber auch vertraut mit der Technologie, die die Lebenswissenschaften zurzeit verändert, wie selten eine andere zuvor. Holger Puchta war weltweit der erste Wissenschaftler, der molekulare Scheren zur Genomveränderung in Pflanzenzellen einsetzte. In den letzten Jahren beschäftigte er sich intensiv mit der Anwendung des CRISPR/Cas‐Systems in der Pflanzenzüchtung. Toni Cathomen gehört zur ersten Generation von Wissenschaftlern, die vor 15 Jahren die ersten Genscheren für den Einsatz in menschlichen Zellen adaptierten. Mit einem Team aus Medizinern und Biologen entwickelt er gegenwärtig neuartige Therapien, um HIV‐ und Krebspatienten zu behandeln.

    Das CRISPR/Cas‐System gehört zu einer großen Familie von molekularen Scheren, die Molekularbiologen zur Veränderung der Erbinformation von Lebewesen zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu anderen Genscheren, lassen sich CRISPR/Cas‐Scheren jedoch sehr einfach und sehr schnell erzeugen. Just diese unkomplizierte Herstellung und die Einfachheit des Systems führte dazu, dass CRISPR/Cas seit seiner Entdeckung im Jahre 2012 eine rasante Verbreitung und breite Anwendung gefunden hat. Diese begünstigenden Faktoren haben die angesprochene genetische Revolution erst ermöglicht, was sich in der Fülle der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Patentanmeldungen sowie der investierten Finanzmittel wiederspiegelt.

    Mit diesem Buch möchten wir eine breite, wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum, über diesen revolutionären Wandel in der Gentechnologie, informieren. Wir möchten aufzeigen, wie CRISPR/Cas unser aller Leben nachhaltig verändern kann und werden uns mit Fragestellungen auseinander setzten wie: Welche Lebensmittel stehen in Zukunft auf unserem Mittagstisch? Können Infektions‑ und Erbkrankheiten oder gar Krebs zukünftig nicht nur behandelt, sondern geheilt werden? Wir stellen hier die schier unglaublichen Möglichkeiten vor, die sich durch den Einsatz von CRISPR/Cas ergeben werden, möchten aber auch die Risiken und die gesellschaftlichen Herausforderungen aufzuzeigen, die durch diese neue Technologie auf uns zukommen.

    Um Ihnen die Thematik näher zu bringen, haben wir eine Reihe von allgemeinverständlichen Artikeln zusammengestellt, die in den letzten Jahren in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften oder Tageszeitungen zu diesem Thema veröffentlicht wurden. Das Buch gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil macht Sie mit dem biologischen Hintergrundwissen zu dem aus Bakterien stammenden CRISPR/Cas‐System vertraut und erklärt, wie mit dieser molekularen Schere das Erbgut von Organismen verändert werden kann. Im zweiten Teil wird vermittelt, welche Veränderungen in der Landwirtschaft durch die Anwendungen von CRISPR/Cas möglich sind. Noch direkter betreffen uns die möglichen Anwendungen in der Medizin. Die aktuelle Forschung und die sich daraus ableitenden Therapieoptionen sind im dritten Teil des Buches zusammengefasst. Im letzten Teil geht es dann um grundsätzliche Fragen: Wo führt uns diese gentechnologische Revolution hin? Was ist ethisch vertretbar und wo setzen wir beim Einsatz am Menschen die Grenzen?

    Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass wir im Laufe des nächsten Jahrzehnts als demokratische Gesellschaft wichtige Entscheidungen zur Anwendung der CRISPR/Cas‐Technologie getroffen werden müssen. Um dies auf einer fundierten Grundlage zu tun, versuchen wir als Wissenschaftler und Hochschullehrer die Chancen und die Risiken, die CRISPR/Cas uns bietet, zusammen mit dem entsprechenden Hintergrundwissen, einer interessierten Leserschaft zugänglich zu machen. Wir hoffen, dass es uns mit diesem Buch gelingt einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion um CRISPR/Cas zu leisten. Außerdem möchten wir dem Springer Verlag für die Unterstützung danken, die entscheidend zum Gelingen dieses Buches beigetragen hat.

    Toni Cathomen

    Holger Puchta

    Freiburg und Karlsruhe

    August 2018

    Inhaltsverzeichnis

    Teil I Basiswissen CRISPR/Cas1

    0 Gezielter Eingriff ins Erbgut 7

    Margaret Knox

    1 Die Rätsel des CRISPR/​Cas-Systems 23

    Heidi Ledford

    2 Gentechnik:​ CRISPR verändert alles 35

    Heidi Ledford

    3 Die CRISPR-Welle 53

    Heidi Ledford

    Teil II CRISPR/Cas in der Landwirtschaft69

    4 Was Sie über gentechnisch veränderte Pflanzen wissen sollten 75

    Lars Fischer

    5 Wahrheiten und Legenden der Grünen Gentechnik 89

    Natasha Gilbert

    6 Gentechnik ohne Gene?​ 103

    Juliette Irmer

    7 Gentechnik im Tarnmantel 111

    Stephen S. Hall

    8 Mit CRISPR und Mikroben gegen Ernteausfälle 135

    Brooke Borel

    Teil III Medizinische Anwendung149

    9 Zwischen Wunsch und Wirklichkeit 157

    Juliette Irmer

    10 Emmanuelle Charpentier:​ Eine Frau, ihre Entdeckung und wie sie die Welt verändert 169

    Max Rauner und Martin Spiewak

    11 Mit Genen gegen Blutkrebs?​ 189

    Emmanuelle Vaniet

    12 Neue, vielseitigere CRISPR/​Cas-Genschere 191

    Jan Osterkamp

    13 Mischwesen gegen den Organmangel 195

    Lars Fischer

    Teil IV Ethische Aspekte201

    14 Umstrittener Eingriff ins embryonale Erbgut 209

    Ewen Callaway

    15 Menschendesign durch die Hintertür 215

    Stephen S. Hall

    16 Gute Aussichten für CRISPR/​Cas9-Babys 233

    Lars Fischer

    17 Unsere Kinder von morgen 239

    Erika Check Hayden

    Teil IBasiswissen CRISPR/Cas

    Was macht CRISPR/Cas einzigartig?

    Das Überraschende an der aktuellen durch CRISPR/Cas ausgelösten Revolution ist eigentlich, dass das zugrundeliegende Prinzip – das Ansteuern und Scheiden bestimmter Stellen im Erbgut von Lebewesen um die genetische Information zielgerichtet zu verändern – schon seit vielen Jahren etabliert war, bevor CRISPR/Cas entdeckt wurde. Was macht CRISPR/Cas also einzigartig?

    Die genetische Information aller Lebewesen wird in der Desoxyribonukleinsäure (DNS, englisch DNA) kodiert – das gilt für Bakterien genauso wie für Pflanzen, Tiere und Menschen. Bei allen Organsimen kommt es im Laufe des Lebenszyklus immer wieder zu Ereignissen, bei denen die genetische Information neu kombiniert wird. Bei uns Menschen tritt das zum Beispiel bei der Bildung der Keimzellen (Eizellen und Spermien) auf, wenn die Genanlagen mütterlicher und väterlicher Herkunft neu kombiniert werden. Oder etwa in Zellen unseres Immunsystems, in denen zur Abwehr von Krankheitserregern die für die Bildung von Antikörpern zuständigen Gene neu verknüpft werden. Der erste Schritt zu einer solchen Neuverknüpfung ist es die bisherige Kombination der DNA an spezifischen Stellen aufzuheben, d. h. zu spalten. Und genau dazu hat die Natur molekulare Scheren, sogenannte Nukleasen, entwickelt. Es gibt viele, ganz unterschiedliche Arten solcher Nukleasen und man findet sie in allen Lebewesen. Das Scheiden der DNA, um genetische Veränderungen zu erreichen, ist also ein Grundprinzip der Natur und nicht eine Erfindung des Menschen.

    Die ersten molekularen Scheren, die Restriktionsendonukleasen, wurden Ende der 1960er Jahre entdeckt und läuteten die Ära der Molekularbiologie ein. Restriktionsendonukleasen sind Enzyme, die Bakterien zur Abwehr von Viren dienen, indem sie das Virusgenom an bestimmten Positionen erkennen und schneiden. Sie stellen als solche somit einen wichtigen Bestandteil des bakteriellen Immunsystems dar. Für ihre grundlegenden Arbeiten zur Entdeckung der Restriktionsenzyme und ihrer Anwendung in der Molekulargenetik erhielten Werner Arber, Daniel Nathans und Hamilton Smith 1978 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Noch heute ermöglichen Restriktionsenzyme in molekularbiologischen Laboren die gezielte Herstellung von DNA‐Fragmenten, die dann isoliert und zu neuen Konstrukten zusammengesetzt werden.

    Der Leser und die Leserin dieses Buches werden sich fragen, warum solche Restriktionsenzyme nicht in pflanzlichen oder menschlichen Zellen eingesetzt werden? Ganz einfach: bakterielle Restriktionsenzyme erkennen sehr kurze Sequenzabfolgen, in der Regel vier bis acht Basenpaare (ein Basenpaar ist der Grundbaustein der DNA). Das ist viel zu wenig, um eine einzigartige Stelle, zum Beispiel eine krankheitsauslösende Veränderung, im menschlichen Erbgut mit seinen rund 3 Milliarden Basenpaaren anzusteuern. Da die spezifische Erkennungssequenz eines durchschnittlichen Restriktionsenzyms fast 1 Million Mal im menschlichen Genom vorkommt, würde ein bakterielles Restriktionsenzym sinngemäß Kleinholz aus unserem Erbgut machen.

    Die ersten molekularen Scheren, die in Pflanzen‑ und Humanzellen eingesetzt wurden, stammen aus der Hefe und gehören zur Klasse der Meganukleasen. Meganukleasen erkennen Sequenzabfolgen von 20 bis 24 Basenpaare und haben somit das Potential eine einzigartige Stelle in einem komplexen Genom zu identifizieren und zu schneiden. Mit Meganukleasen konnte infolgedessen vor rund zwei Jahrzehnten erstmals gezeigt werden, dass molekulare Scheren zum zielgerichteten Editieren des Erbguts von pflanzlichen und menschlichen Zellen herangezogen werden können.

    Das entscheidende Problem für den Einsatz von Genscheren in Pflanzen und beim Menschen war für lange Zeit, dass die in der Natur vorkommenden molekularen Scheren nur äußerst schwierig zu »reprogrammieren« waren. Reprogrammieren meint hier die gezielte Veränderung einer natürlich vorkommenden Meganuklease, damit sie eine neue, gewünschte Zielsequenz erkennen und schneiden kann. Seit fast 20 Jahren werden deshalb künstliche Genscheren, wie etwa Zinkfinger‐Nukleasen (ZFN) entwickelt. Allerdings war die Aktivität dieser ersten Generation von künstlichen molekularen Scheren relativ gering und ihre Herstellung war aufwändig und dauerte dementsprechend lang. Viele dieser Nachteile konnten vor 10 Jahren mit den aus Pflanzenbakterien stammenden Transkriptionsaktivator‐artigen Effektor‐Nukleasen, kurz TALEN, aufgefangen werden. Aufgrund ihrer hohen Präzision werden sie auch heute noch in der Pflanzenzucht und in therapeutischen Anwendungen am Menschen eingesetzt. Allerdings setzt auch die Erzeugung von TALEN viel molekularbiologisches Knowhow voraus, um diese Klasse der Genscheren erfolgreich herzustellen.

    All das hat sich mit dem CRISPR/Cas‐System geändert. Die CRISPR/Cas9‐Genscheren lassen sich einfach und schnell herstellen und haben so diese genetische Revolution erst ermöglicht. Aber wie kam es überhaupt zu der Entdeckung dieser molekularen Schere? Margaret Knox erzählt im ersten Artikel dieses Kapitels, »Gezielter Eingriff ins Erbgut«, wie Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier diese für die Biologie entscheidende Entdeckung machten und aufzeigen konnten, dass das Cas9‐Protein nicht nur eine extrem effiziente molekulare Schere darstellt, sondern dass sie auch schnell und einfach programmiert werden kann. Im Gegensatz zu Meganukleasen, ZFN und TALEN, wird die Erkennung der DNA‐Zielsequenz durch eine weitere Nukleinsäure definiert, in diesem Fall ein kurzes Ribonukleinsäure(RNA)‐Fragment, das Leit‐RNA (englisch: guide RNA) genannt wird. In Verbindung mit Cas9 kann sich diese Leit‐RNA direkt mit der DNA der Zielsequenz paaren und so die Zielsequenz erkennen und schneiden. Werden mehrere dieser Leit‐RNAs eingesetzt, können gleichzeitig mehrere Stellen im Genom geschnitten werden, ein Vorgang der mit anderen Scheren nicht so einfach möglich war.

    Aber warum benötigen Bakterien eine so effiziente molekulare Schere? Heidi Ledford führt im zweiten Artikel, »Die Rätsel des CRISPR/Cas‐Systems« in die biologische Rolle des CRISPR/Cas‐Systems ein. Es dient, wie die Restriktionsenzyme, der Abwehr von Viren. In einem ersten Schritt wird ein Teil der genetischen Information von infizierenden Viren im Bakteriengenom gespeichert. Diese Information wird dann in eine Leit‐RNA umgeschrieben und definiert damit die Spezifität der molekularen Schere Cas9. Auf diese Art und Weise entwickeln die Bakterien eine hochspezifische molekulare Schere, die sofort aktiv wird, sollte das gleiche Virus die Zelle erneut befallen. Durch dieses »immunologische Gedächtnis« kann mittels Spaltung der viralen DNA die Infektion gestoppt und das Überleben des Bakteriums sichergestellt werden.

    CRISPR/Cas9 hat sofort nach der Entdeckung breite Anwendung gefunden. Dies dokumentiert Heidi Ledford im dritten Artikel, »CRISPR verändert alles«. Die Anzahl der Veröffentlichungen, Patentanmeldungen und der eingesetzten Finanzmittel stieg rasant an, ebenso wie die Vielfalt der Anwendungsfelder. Inzwischen ist es auch gelungen der molekularen Schere Cas9 »den Zahn zu ziehen«. Die aktuelle Forschung hat aus der Schere einen Piloten gemacht, der eine bestimmte Fracht an eine bestimmte Stelle ins Genom bringen kann. Diese Weiterentwicklung der CRISPR/Cas9‐Technologie wird im vierten, ebenfalls von Hedi Ledford geschriebenen Artikel »Die CRISPR‐Welle« dargestellt. Mit solchen »stumpfen« Scheren werden nicht mehr die Gene verändert, sondern das Ablesen der genetischen Information in der Zelle gezielt beeinflusst. So ist es möglich Gene, die abgeschaltet sind, wieder anzuschalten und, umgekehrt, aktive Gene auszuschalten. In der industriellen Biotechnologie wird z. B. der Stoffwechsel einer Zelle so verändert, dass biologisch interessante Moleküle in größerer Menge produziert werden können als sie unter natürlichen Bedingungen vorkommen. In der Grundlagenforschung werden unter anderem mit solchen »CRISPR‐Piloten« die Chromosomenenden sichtbar gemacht, indem fluoreszierende Proteine gezielt an diese Regionen des Genoms herangeführt werden. Mittlerweile ist es gelungen viele neue CRISPR‐Werkzeuge zu entwickeln, die es uns ermöglichen Zellen auf ganz unterschiedlichen Ebenen zu beeinflussen und neue biologische Erkenntnisse zu gewinnen. Diese revolutionäre Entwicklung geht – wie in den nächsten Kapiteln dargestellt – weiter.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Toni Cathomen und Holger Puchta (Hrsg.)CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnikhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57441-6_1

    Gezielter Eingriff ins Erbgut

    Margaret Knox¹ 

    (1)

    Autorin und Lektorin, Boulder, USA

    Eine neue Methode, um DNA‐Moleküle zu verändern, könnte die Medizin revolutionieren. Doch

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