Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mord auf Königsindisch: Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie
Mord auf Königsindisch: Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie
Mord auf Königsindisch: Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie
eBook375 Seiten6 Stunden

Mord auf Königsindisch: Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Zwei alte Herren spielen täglich Schach und lesen in der Zeitung eine Geschichte, in der die Schachregeln dahingehend geändert wurden, dass jede geschlagene Figur des Gegners einem Menschen zugeordnet werden muss, der dann getötet wird. Von Verbitterung und Lebensüberdruss gezeichnet, übernehmen sie die Spielregel, da ihrer Ansicht nach ein Menschenleben nicht viel zählt. Um anfängliche Hemmungen zu überwinden, einigen sie sich, mit jedem geschlagenen Bauern erst einmal ein unliebsames Haustier aus der Nachbarschaft zu erledigen. Nach den ersten Morden geraten beide in einen Strudel der sich überschlagenden Ereignisse und bekommen Einblick in finstere Machenschaften höherer Kreise von Militär, Politik und Kirche. Aus diesem Sumpf heraus, leiten sie für sich die Rechtfertigung eines Mordes ab. Das Buch ist eine Persiflage auf die menschliche Gesellschaft und verletzt die Grenzen des guten Geschmacks. Ein Skandal wird erst dazu, wenn er publik gemacht wird und somit ist das Buch ein Skandal, doch kein geschildertes Ereignis ist in der Realität undenkbar. Mit Sarkasmus und Zynismus, mit schwarzem Humor und mit etwas Gefühl und Zärtlichkeit werden Begebenheiten erzählt, die gängigen Verhaltensweisen einiger Menschen ähneln.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum20. Okt. 2011
ISBN9783844212020
Mord auf Königsindisch: Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie

Ähnlich wie Mord auf Königsindisch

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Mord auf Königsindisch

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mord auf Königsindisch - Bernhard Wenzlaff

    Bernhard Wenzlaff

    Mord auf Königsindisch

    Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie

    Impressum

    Mord auf Königsindisch

    Eine schwarzweiße Komödie und schreckliche Tragödie

    Bernhard Wenzlaff

    © 2011, by Bernhard Wenzlaff

    published at epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-8442-1202-0

    Alle handelnden Personen und Geschehnisse sind völlig frei erfunden und das Spiel wird nicht zur Nachahmung empfohlen. Die Idee der tödlichen Spielweise lehnt an eine kurze Erzählung von Friedrich Dürrenmatt an, „Der Schachspieler", am 5.9.1998 aus dem Nachlass veröffentlicht in der FAZ.

    Für Walter war es eine beschlossene Sache. Er schaute hastig auf seine Uhr und unruhige Schritte trieben ihn durch die Wohnstube. Max war unpünktlich, was nicht zu seinen Gewohnheiten zählte. Walter mahnte ihn im Selbstgespräch, immer wieder auf die Wanduhr schauend und sein Hund sah aufmerksam zu ihm. Es war nicht die allabendliche Stimmung, die das Herrchen üblicherweise verbreitete, denn schon seit geraumer Zeit durchschritt Walter in hektischem Auf und Ab seine kleine Stube, vollzog zackige Kehrtwendungen, blickte abwechselnd auf die Uhr an seinem Arm und auf die an der Wand in der Stube. Plötzlich spitzte Humphrey die Ohren, sprang vom Sofa und verschwand. Walter folgte ihm erleichtert. Der Hund kündigte Max an, noch ehe der an die Tür klopfte. Walter öffnete die Tür, der Hund zwängte sich an ihm vorbei und begrüßte schwanzwedelnd den guten Freund, sperrte mit seiner Körperfülle den Eingang und wartete auf das tägliche Empfangsritual. Ja mein Guter, du bekommst deinen Leckerbissen. Max griff in die rechte Jackentasche, neigte sich zu ihm herab und tätschelte Humphrey, der den Bissen schnappte und die Tür freigab, um sich zu seinem Sofaplatz zu begeben. Fast täglich vollzog sich diese Begrüßung und es blieb die Ausnahme, dass Walter Humphrey an die Leine legte und zu Max ging. Es wird Zeit, empfing ihn Walter etwas kurz angebunden und ließ den Freund in stummem Vorwurf seine gedämpfte Laune spüren. Grußlos, ohne Entschuldigung und nur mit einem leichten Kopfnicken, schritt Max an ihm vorbei, reichte ihm eine Flasche Chateauneuf und schien die Verstimmung nicht zu spüren. Aufgebaut?, fragte er locker und blinzelte den Freund herausfordernd an. Walter bejahte mit einem säuerlichen Lächeln und wies, Max den Vortritt lassend, mit einer Handbewegung zum Wohnzimmer. Zwischen den hohen und klobigen Sesseln stand der kleine Schachtisch, der neben dem Schachbrett nur noch wenig Platz für eine Kerze, zwei Weingläser und den Aschenbecher ließ. Im flackernden Kerzenlicht warfen die Figuren, aufgereiht in Schlachtordnung, tanzende Schatten auf das Brett. Max streifte seine Jacke ab und warf sie in alter Gewohnheit über die Lehne des Sessels, der ihm über die Jahre der eigene geworden war. Walter hängte sie auf einen Kleiderbügel, den er schon vorsorglich für Max bereithielt, seine Gewohnheiten kennend, und trug sie zur Garderobe. Max blickte ihm schmunzelnd hinterher, fiel in den Sessel und schloss die Augen, wie Humphrey auf dem Sofa. Erst das Entkorken der Weinflasche riss ihn aus seinen Gedanken. Stumm schenkte Walter das Probierschlückchen ein und reichte es Max, nachdem er zuvor das Glas noch mit dem Geschirrhandtuch poliert hatte. Ob er wollte oder nicht, musste Max vorkosten, sah das schimmernde Rot im Glas, das er gegen das Kerzenlicht hielt, tat das Urteil von Südhang und sandigem Boden kund und betonte wie jeden Tag, es sei der billigste Wein aus dem Supermarkt. Walter ignorierte das Geplänkel und füllte mit feierlichem Ernst die Gläser, prostete Max zu und setzte sich nach einem kräftigen Schluck. Nun Walter, bleibt es dabei?, erkundigte Max sich zögerlich. Der Gefragte ließ nicht den geringsten Zweifel am Vorhaben aufkommen und bejahte sofort. Max wich seinen Blicken aus und drehte etwas hilflos den schwarzen König zwischen Daumen und Zeigefinger, bis er vom Brett fiel. Ich weiß nicht, ob noch alles richtig sortiert ist in unserem Oberstübchen. Ich meine wirklich, wir sollten uns das aus dem Kopf schlagen, teilte er Walter vorsichtig mit, dessen Miene sich augenblicklich verfinsterte. Red nicht, trink noch einen Schluck und dann wird gespielt!, forderte er Max auf und leerte sein eigenes Glas. Wer hat denn zuerst die Geschichte hier aufgetischt? Er wischte mit einer Handbewegung jeden Einspruch fort und für ihn war alles geklärt, denn in zahllosen Gesprächen schienen die Bedenken ausgeräumt worden zu sein. Mit einem Zeitungsausschnitt war Max vor einer Woche zu ihm gekommen und gab vergnüglich eine kleine Erzählung zum Besten, in der es sich um das Schachspiel drehte und die Regel, dass der Unterlegene einer Partie sich das Leben nehmen müsse. Damit aber nicht genug, denn die Figuren, die während des Spiels geschlagen wurden, waren leibhaftige Personen, die beide Spieler den entsprechenden geschlagenen Figuren zuordneten und sie dann töten mussten. Die somit anfallenden Morde erforderten Planung und Ausführung, verbunden mit dem gewissen Zeitaufwand. Hinzu kam das Bestreben, nicht der Verlierer zu sein. Das zog die Dauer einer Partie über Jahre hin und die Morde, scheinbar ohne jedes Motiv, wurden von der Kriminalpolizei nicht aufgeklärt. Die beiden Freunde spielten nach reichlichem Weingenuss die Version durch, töteten in Gedanken und kamen zu dem Schluss, die geniale Idee müsse in die Praxis umgesetzt werden. Mit diesem königlichen Spiel übten sie Rache an denen, die ihnen das Leben versauerten und meinten, sie seien die alten Schwachköpfe, denen man im täglichen Umgang mit aller Respektlosigkeit begegnen könnte, nur weil sie alt und in deren Augen somit auch senil waren. Und im Wissen auf baldiges Ableben und dem Gefühl, altersschwach vor dem eigenen Matt zu stehen, wollten sie ihr Spiel spielen in Anlehnung an die Geschichte, die der gescheite Schreiberling erdachte. Keinem von beiden war es jemals vergönnt, an den Hebeln der Macht sitzend, die Geschicke Einzelner zu beherrschen und zu lenken. Zu verlieren hatten sie nichts und sie konnten sich eines verlockenden Reizes nicht erwehren, Herren über Leben und Tod zu sein, auch wenn sich das Gewissen regte vor der unerhörten Absicht. Walter sah den zögerlichen Max an und fürchtete nun um seinen Spaß. Max, wir waren uns einig!, erinnerte er und redete eindringlich auf ihn ein in stetig ansteigenderem Wortschwall. Er faselte von Lug und Trug, schimpfte über eine verruchte Welt ohne Zucht und Ordnung, hielt Max die ewigen Verlierer vor Augen, zu denen sie zählten und stellte das baldige Ableben in Aussicht. Dabei war er aufgesprungen und ruderte mit den Armen, rang nach Luft, taumelte und sank wieder zurück in den Sessel. Max sah, wie Walter zu ersticken drohte und fürchtete um das Leben des Freundes. Er eilte zur Anrichte und griff die kleine Sprühflasche, war in wenigen Schritten bei Walter, sprühte mehrere Hübe in seinen Rachen, riss die oberen Hemdknöpfe auf und fächelte ihm geistesgegenwärtig mit einer herumliegenden Tageszeitung kühlen Wind zu.

    Geht es wieder?, fragte er besorgt und ein wenig hilflos. Max legte behutsam den Arm um ihn und richtete ihn im Sessel auf. Geht schon wieder, wehrte Walter unwirsch die Fürsorge ab. Er atmete ruhiger und schien seine alte Kraft wieder zu erlangen, nur die bläuliche Hautfärbung sah beängstigend aus. Walter mühte sich um Fassung, sog die Luft ein und blies sie langsam durch die halb geöffneten Lippen aus. Die geschwächte Lage des Freundes nutzend, wagte Max einen Versuch, ihn in ihren gemeinsamen Plänen umzustimmen und versprach sich Einsicht von Walter, denn beiden war im bisherigen Leben eine Radikalität gewisser Weltanschauungen, die zur Durchsetzung der Ziele auch legal die Jagd auf Menschenleben in das Programm schrieben, abgrundtief zuwider. Was sie vorhatten, war im Prinzip sinnloses Morden und nichts anderes. Sieh dich jetzt einmal hier im Sessel an!, sprach er ruhig. Meinst du, wir Greise sind überhaupt in der Lage, jemanden in den Tod zu befördern? Der eigene winkt doch schon und klopft förmlich bei uns an! Doch Walter kniff die Augen zusammen und fauchte: Das schaffen wir noch, verlass dich drauf! Jedes Wort bereitete ihm Luftnot und er gab eine lächerliche Figur ab, wenn Max daran dachte, was sie planten. In der Hoffnung, Walter doch zu einem Umlenken bewegen zu können, hakte er nach: Aber Walter, ich meine doch nur, wir probieren das Handwerk vorerst mit dem blöden Viehzeug, das hier herumläuft und werden nicht sofort als mordende Schwerverbrecher in die Analen der Geschichte eingehen. Gewähre uns eine Trainingseinheit oder Probezeit, wie immer wir es auch nennen. Er spielte auf Zeit der Besinnung und war in den schlaflosen Nächten vor dem heutigen Abend auf diesen Gedanken gekommen, da Walter immer überzeugter seinen Plan verfolgte, der Max Furcht einflößte. Die Hartnäckigkeit, die er sogar besitzt, auch wenn ihm in seinem Sessel die begrenzte Handlungsfähigkeit akut aufgezeigt wird, war erschreckend. Max blieb hartnäckig und gab nicht auf, auch wenn es dem Pusten gegen die Windmühlen glich, was er hier unternahm. Jeder geschlagene Bauer bedeutet ein Haustier aus der Nachbarschaft, erklärte er Walter, der darüber nachzudenken schien. Gewöhnlich fällt im Schachspiel manch ein Bauer, ehe es die Offiziere trifft und das bedeutete Zeitgewinn, in dem Max darauf setzte, Walter möge den Plan verwerfen, nach Menschenleben zu trachten. Er bereute jetzt schon den Abend, an dem er die hervorragende Erzählung aus der Zeitung zum Besten gab. Nach einer kleinen Pause ließ Walter vernehmen: Das klingt nicht schlecht und es ist vielleicht besser, wenn wir uns im Vorspiel an den Bestien aus der Nachbarschaft üben, ehe wir uns steigern. Max, die Idee ist gut. Ich will nicht kapitulieren, versteh mich Walter, versuchte Max sich rechtfertigend zu erklären und lenkte ein: Ich bin doch auch ein alter Soldat und stehe zu meinem Wort, nur habe ich nicht einmal im Feld einen Menschen getötet und ich muss gestehen, davor habe ich Abscheu. Von der Sache her bleiben wir aber dabei, versprochen! Die leicht zittrige Hand Walters ergriff das Glas und er verkündete: Also abgemacht, der geschlagene Bauer ist ein ins Jenseits zu beförderndes Tier. Er nickte Max zu und schlug zustimmend in seine Hand ein. Max war es recht und er fühlte Erleichterung, Zeit gewonnen zu haben, in der er vielleicht die Spielregel weitreichender und auf eine abgemilderte Form ändern konnte. Es gibt kein zurück nach dem ersten Zug! Figurenwahl!, startete Walter. Seine Lebensgeister kehrten wieder und Max kam ihm zuvor, griff sich einen schwarzen und einen weißen Bauern, würfelte sie hinter seinem Rücken in den Händen und streckte dann beide Fäuste über den Tisch. Rechts oder links? Rechts immer, links nie, tönte Walter in Überzeugung und tippte auf die rechte Faust, die den weißen Bauern preisgab. Er schnappte ihn forsch, drehte vergnügt das Brett mit den weißen Figurenreihen zu sich und rieb sich die Hände. Weiß beginnt, schwarz gewinnt, sang er dabei ganz fröhlich, von Luftnot keine Spur und eröffnete das Spiel mit dem Bauernzug d4. Du weißt, was es bedeutet, wenn schwarz gewinnt?, wies Max auf den Umstand hin, dass damit das ewige Paradies für ihn erreicht wäre. Ohne auch nur einen Lidschlag in Überlegung zu verharren, antwortete Walter über jeden Zweifel erhaben: Klar doch, ich beende mit einer Niederlage mein Leben. Ich hänge nicht daran, wenn du das meinst! Vielleicht hänge ich an deinem Leben?! Halb klang es fragend, halb beteuerte Max, wie wichtig ihm Walter ist. Die Blicke begegneten sich mit einem Lächeln. Max war jetzt alles egal und den Gedanken, recht lange mit den Bauern zu agieren, verwarf er und besiegelte den Pakt, das Leben gegeneinander einzusetzen mit seinem Springer, den er auf f6 führte, denn schlussendlich glaubte er nicht an die einhundertprozentige Einhaltung der Konsequenzen des Spielendes. Die Tragweite war noch nicht zu überblicken. Walter antwortete mit einem weiteren Bauernzug und besetzte das Feld c4, worauf Max sich zurücklehnte und ein Schlückchen aus dem Glas nahm. Wenn er forsch mit seinem Bauern auf c5 rutschte, dann bestand für Walter die Möglichkeit, ihm diesen Bauern zu nehmen. Der Abend wäre beendet und er dazu verurteilt, zur ersten Tat zu schreiten. Wie, um sich zu ermutigen, leerte er sein Glas Rotwein mit einem kräftigen Schluck. Mindestens eine Woche wollten sie nach einer geschlagenen Figur die Partie unterbrechen, damit der Betroffene sich in ausreichender Zeit mit Haustierschlachtung befassen könnte. Aber ihm war nicht danach, den gerade begonnenen Abend zu beenden und der Zug wäre auch unsinnig, deshalb setzte er seinen Bauern auf g6 und beobachtete Walter abschätzend, nahm die Flasche Wein und schenkte sich nach. Walter schien an alles zu denken, nur nicht an seinen nächsten Schritt, denn er zeigte überhaupt keine Reaktion auf den Zug. Nicht schlafen, denn du bist dran, erinnerte Max und holte Walter aus seiner Abwesenheit an den Spieltisch zurück. Nur keine Eile, in der kleinen Geschichte aus der Zeitung benötigten die Spieler Jahre für eine Partie. Aber nur, um einem zu begehenden Mord auszuweichen, zögerten sie endlos vor jedem Zug, lachte Max. Du willst wohl jetzt einen Rückzieher machen? Ich habe nur geträumt vom Schachspiel um ein Königreich oder das Spiel mit einem Gegner, um das Herz einer Prinzessin zu erobern. Als Kind phantasierte ich beim Spielen von solchen Märchen - doch zurück zum Heute! Walter sah auf das Brett und spielte eine schulbuchmäßige Königsindische Eröffnung mit dem Bauern, den er auf g3 rückte. Max spielte die Eröffnung mit und schickte seinen Läufer auf g7. Weißer Läufer auf g2 war Walters Antwort und Max vollzog die kleine Rochade.

    Zigarre?, unterbrach Walter und reichte Max die Zigarrenkiste zu, ohne auf seine Zustimmung zu warten. Dankend nahm Max an. Nach vier Zügen ohne gravierende Kampfhandlungen, schlängelten sich lange Rauchschwaden über das Schlachtfeld, als sei das prasselnde Donnerfeuer der Kanoniere beendet und eine Waffenruhe vereinbart. Weißer Springer auf c3, kommandierte Walter seinen Gaul wie ein echter Feldherr, worauf Max den Bauern auf d6 trieb. Beide pafften ihre Zigarre und schickten die dicken Qualmwolken in Richtung der Formationen auf dem Schachbrett. Für Augenblicke tauchten die Figuren in den dichten Nebel, der sich über sie legte. Max erhob sich und schlurfte in seinen Filzpantoffeln, die Walter ihm eigens kaufte, weil er die Gewohnheit besaß, beim Betreten der Wohnung nicht die Schuhe auszuziehen, zum Fenster. Humphrey unterbrach auf Befehl sein Schnarchen und hob den Kopf. Ist gut, schlaf weiter, brummelte Walter ihm zu. Max öffnete das Fenster einen spaltbreit und streckte seinen Kopf hinaus. Auf dem Rückweg stoppte er am Plattenspieler und versuchte, mit leicht unsicherer Hand die Nadel in die filigrane Rille der Schallplatte zu bekommen, die noch vom gestrigen Abend auflag. Keine Musik, ließ Walter energisch vernehmen. Ich vertrage jetzt keinen Mahler oder Satie und gebe sofort auf, wenn du nicht hörst. Max befolgte grinsend die Anweisung und begab sich zu seinem Sessel. Vor Walter blieb er stehen, schnippte an seinen Hosenträgern und musterte in erhabener Siegerpose die Stellung. Du gibst nicht auf, wenn ich Musik auflege, denn das ist eine klare Niederlage und somit dein Tod! Halt!, brauste Walter auf. Über diesen Fall haben wir nicht geredet! Ächzend nahm Max Platz und holte tief Luft. Streng blickte er Walter an. Wo hast du nur das Spielen gelernt? Über ein Aufgeben muss man als Schachspieler nicht reden, denn aufgeben heißt immer glatte Niederlage und bedeutet Sieg für den Gegner, maßregelte er ihn und beteuerte, das ist doch eine ganz klare Regel, die man jedem Anfänger beibringt und deshalb setze ich das voraus. Walter erhob keinen Einwand und Max fuhr fort: Plane für diesen Fall dein Ableben! Wir müssen dann auch gar nicht weiterspielen vor einer anstehenden Mordtat an einem Menschen, denn es besteht die Möglichkeit aufzugeben, wenn man nicht töten will und kann oder aus anderen Gründen keine Lust mehr verspürt. Nur muss der Aufgebende Hand an sich legen. Eine Einigung auf ein Remis darf erfolgen, wenn wir beide zu sehr am Leben hängen. Oder keiner von uns den anderen verlieren möchte!, ergänzte Walter und war mit den detaillierten Ausführungen zu den Spielregeln einverstanden. Sie lachten beide einvernehmlich, pafften und nippten an den Gläsern. Springer auf f3!, dirigierte Walter und Max schickte auch seinen zweiten Springer von der Grundlinie in das Feld auf d7. Rochade weiß und schwarzer Bauer auf e5 folgten, die Gelegenheit für Walter, diesen ersten Bauern zu nehmen. Er zögerte ganz kurz, schlug den Bauern nicht und waltete mit großherziger Gnade über seinen Feind. Dachtest wohl, ich würde ihn nehmen?, erkundigte er sich verschmitzt, als hätte er Max Gedanken erraten. Diesen kleinen Triumph möchte ich nicht genießen, dich verdammt zu wissen, in den nächsten Tagen einen Hamster würgen zu müssen. Das Heer braucht eine ordentliche Stellung und kein Soldat wird sinnlos getötet. Strategie ist wichtiger mein Lieber, den ersten Schlag überlasse ich dir. Er zog seinen Bauern auf e4 und lehnte sich zurück. Max winkte ab und reagierte mit Bauernzug c6. Im neunten Zug schickte Walter seinen Bauern auf h3, Max positionierte die Dame auf b6. Mit Bauernzug auf c5 bedrohte Walter die schwarze Dame. Max ließ eine längere Zeit verstreichen. Wortlos vollzog er mit seinem Bauern d6 einen Seitenhieb auf c5 und hielt Walter den weißen Bauern unter die Nase. Tut mir leid Walter, entschuldigte er sich, du musst den ersten Schritt im blutigen Feldzug marschieren. Voran und viel Glück! Walter nahm es sportlich gelassen und regte an, nicht generell eine Woche verstreichen zu lassen bis zum nächsten Schachzug. Sie sollten variabel bleiben und sich untereinander verständigen, um nach Lust und Laune spontan zu entscheiden, wann sie die Fortsetzung des Spiels aufnehmen. Wie oft haben wir Königsindische Eröffnung gespielt? Ich hätte dir im Voraus sagen können, wer zur ersten Tat schreitet, informierte Walter den Freund. Dafür bist du danach fällig, es sei denn, du erlaubst mir den sofortigen Gegenschlag. Es bringt nämlich nichts, wenn wir uns in einigen Tagen treffen, nur, damit ich mir deinen Bauern schnappe. Dann trennen wir uns für weitere Tage und pausieren das Spiel! Ich sehe es als Blödsinn an. Schlage du auch und wir sitzen im selben Kahn! Max war einverstanden. Wenigstens war keiner von beiden verdammt, allein auf die Jagd zu gehen. Mit dem Wissen, der Freund beschäftigte sich mit ähnlichem Unsinn, fiel die Tat leichter und sie waren verbunden im Geiste. Walter verdrängte mit seinem Bauern auf Feld d4 den schwarzen Bauern von e5. Max komplettierte den Zug und trat mit seinem bedrohten Springer den Rückzug auf e8 an. Elf Züge waren gespielt und beide beklagten einen Bauernverlust. Auch ging die Flasche Wein zur Neige und Humphrey musste vor der Nachtruhe noch ausgeführt werden. Es galt jetzt für beide, die vereinbarten Spielregeln einzuhalten. Fröstelnd, mit hochgezogenen Schultern, überquerten sie die Straße vor dem Haus und spazierten durch die gegenüberliegende Parkanlage. Sie blieben sprachlos, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und in die Nacht lauschend, bis sich die Wege trennten. Mit einem Schulterklopfen verabschiedeten sie sich voneinander und wünschten sich eine erholsame Nachtruhe. Walter blickte Max hinterher, bis er im kühlen Herbstnebel verschwand und wartete auf Humphrey.

    Walter konnte nicht einschlafen und lag die halbe Nacht wach in seinem Bett. Er wusste sofort, wen er zu erlegen hatte, nur war er sich über den genauen Ablauf der Tat nicht schlüssig. Jeden Morgen ärgerte er sich über den ekelhaften Pekinesen der dicken Matschnik, die über ihm wohnte und der Hund war es, an den er sofort dachte, nachdem sein erster Bauer fiel. Sie, zu fett und zu faul den Hund zu begleiten, schickte diese erbärmliche Kreatur pünktlich um sechs Uhr durch das Treppenhaus in den Hinterhof, damit er sein Morgengeschäft erledigte. Jeden Sprung auf den Holzstufen nahm Walter wahr, wenn das Tier kläffend den Treppenaufgang hinunter tippelte und die Krallen über das Holz ratschten. Mitunter kam es vor, dass Walter die Notdurft des Köters auf seiner Fußmatte fand und noch drauflatschte, wenn die Matschnik es am Abend vergaß, die Hinterhoftür zu öffnen, damit früh freie Fahrt für ihren freien Vierbeiner gegeben war. Widerlich waren Walter die Frau und ihr Hund und seine Planung zielte nur auf dieses Tier. Gerädert von wirren Träumen, die ihn im Schlaf heimsuchten, wurde er am nächsten Tag auch pünktlich um sechs Uhr geweckt, als das Kläffen im Hausflur ertönte und anschwellend bis vor seine Haustür immer lauter wurde, um dann wieder abzuklingen mit jeder Treppenstufe abwärts. Mit der Motivation, diesem Zustand ein Ende zu bereiten, quälte er sich müde aus dem Bett und verrichtete in Gedanken versunken seine Morgentoilette. Als er dann in der Küche am Tisch saß und in seiner Kaffeetasse rührte, hatte der Plan feste Konturen angenommen. Humphrey, Morgenrunde, rief er seinen Hund und verspürte genug Energie in seinen matten Gliedern. Freudig kam der Hund gesprungen und tänzelte um Walter herum, der es kaum schaffte, ihm das Halsband anzulegen. Im Treppenflur begegnete er Fräulein Schuster, die Wert auf diese Anrede legte, obwohl sie bereits sieben Jahrzehnte zählte. In Walters Augen war sie die einzige ehrenwerte Person, die das Haus bewohnte. Er schätzte sie als eine intelligente und soziale Frau, die sich in verschiedenen caritativen Einrichtungen und Verbänden selbstlos betätigte und innerhalb der Kirchengemeinde ehrenamtliche Funktionen bekleidete. Zu ihren Eigenschaften zählte sicher, dass sie sich mit Respekt und aufopferungsvoll gegenüber ihren Mitmenschen benahm, verlässlich und verantwortungsvoll in der Gemeinschaft von Mitbürgern agierte. Kein böses Wort und keinen Tratsch hatte Walter jemals aus ihrem Mund vernommen, einzig teilte sie die Ansicht Walters, was die dicke Matschnik betraf und sie ließ sich in Bezug auf diese Frau verleiten, doch einmal ein Wort mehr zu verlieren, ohne die Grundsätze ihrer bürgerlichen Erziehung und den Anstand zu verlieren. Beide Frauen wohnten Tür an Tür auf der oberen Etage. Nach einem freundlichen Morgengruß stoppte Fräulein Schuster auf gleicher Höhe ihren immer noch sportlich vitalen Schritt und flüsterte ihm hinter vorgehaltener Hand zu: Schauen sie nur einmal in die Mülltonne! Sie beugte sich näher an Walters Ohr und lauschte nach oben. Berge von Eisbeinknochen, flüsterte sie noch leiser und deutete mit einem Fingerzeig die Treppe hoch. Ich habe grundsätzlich nichts gegen eine gute Küche, fuhr sie fort und betonte dabei, dass, wie er bereits wisse, sie katholisch sei und es nicht ihre Art wäre, über Mitbewohner herzuziehen, doch wenn die gute Frau Matschnik jeden Freitag kiloweise Eisbein für ihren Tiefbauarbeiter kocht, der in der ganzen Woche auf Montage wahrscheinlich nichts Handfestes zwischen seine Zähne bekommt, dann dreht sich mir der Magen um und ich habe den unwiderstehlichen Drang, einen Beichtstuhl aufzusuchen. Leidend blickte sie Walter an, der sich innerlich auf ein längeres Gespräch einstellte. Fräulein Schuster erklärte ihm: Sie wissen, mein Glaube verbietet mir am Freitag das Fleisch. Es war nämlich ein Freitag, an dem man unseren Herrn Jesus Christus an das Kreuz schlug. Warum muss sie ausgerechnet an diesem Tag ihre Eisbeinorgie veranstalten? Angewidert schüttelte Fräulein Schuster sich. Walter mühte sich um einen verständnisvollen Blick. In Kirchenfragen fiel es ihm aber schwer, Fräulein Schuster ein offenes Ohr zu leihen. Verstehen Sie mich? Sie sah Walter fragend an, fuhr aber gleich fort: Gebeten habe ich sie in aller Höflichkeit, ob sie nicht Fischgerichte oder Eierspeisen auf den Kostplan des Freitags legen kann, Griespudding habe ich ihr auch empfohlen, doch sie lässt sich nicht missionieren, ganz im Gegenteil. Fräulein Schuster legte eine kleine Pause ein und bekreuzigte sich. Walter sah an ihrem freien Hals über der eng geschlossenen Bluse rötliche Flecken auftauchen, die sich intensiver färbten und bedrohlich höher in die Richtung ihres Gesichtes wanderten, für Walter ein beängstigendes Barometer. Herzrasen bekomme ich, wenn ich es ihnen erzähle, Herzrasen, wie gestern! Dem Herrn verdanke ich, dass ich heute hier mit ihnen rede und mich nicht unvermutet der Schlag traf! Sie musste sich mühen, nicht die Fassung zu verlieren, pausierte einen Moment ihren Redefluss und holte tief Atem. Walter legte seine linke Hand auf ihren Arm, um sie zu beruhigen. Der Herr möge es verzeihen, wenn ich mich ereifere! Sie können es sich einfach nicht vorstellen, was die Ausgeburt der Hölle gestern tat! Sie hielt inne, um Spannung aufzubauen, rückte noch dichter an Walter heran und ergriff seinen Arm, den er beruhigend zu ihr ausgestreckt hatte. Fasziniert betrachtete Walter aus der Nähe ihre knallroten Flecken auf der faltigen Haut. Teufelswerk, betonte sie, Teufelswerk! Walter war beeindruckt von Fräulein Schuster, denn in solch einer vertrauten Innigkeit redete sie erstmals zu ihm und diese Leidenschaft, mit der sie sich gehen ließ, vermutete er bisher nicht in ihr. Da ist noch Leben in einer hundertfach faltig geschrumpelten Backpflaume, amüsierte er sich in seinen Gedanken und er kam auf seinen morgendlichen Spaß. Ich sage ihnen, es ist einfach unvorstellbar, was ich gestern ertragen musste. Die Frau stand gebückt vor meiner Wohnungstür, als ich die Treppe hoch kam und sie war so vertieft in ihre Schandtat, dass sie mich nicht bemerkte. Das Ventil von ihrem Schnellkochtopf hat sie aufgeschraubt und lässt den Gestank von gekochtem Eisbeinfett, gepaart mit reichlich Gewürzkorn und Lorbeer direkt in mein Schlüsselloch abdampfen. Sprachlos war ich und sah in Luzifers Augen, so funkelte sie mich an, als sie ertappt war. Walter lächelte vor sich hin bei der Vorstellung einer gebückten Matschnik vor dem Schlüsselloch und wie zwei nackte dicke Arme mit den Wurstfingern am Kochtopf hantierten. An den voluminösen Gebilden erkannte man nicht die Konturen von Ellenbogen und Handgelenk, weil ein Mantel aus gleichmäßiger Fettschicht alles umgab. Der Blick von hinten ermöglichte freie Sicht auf langes Achselhaar, an denen übelriechende Schweißtropfen perlten und eingeengt in die Kittelschürze, quollen die Fettfalten über den ärmellosen Saum, während die ebenfalls nackten umfangreichen Oberschenkel so zusammengepresst waren, dass beim Bücken die chronisch aufgescheuerten, geröteten Innenseiten sichtbar wurden. Es passte in sein Bild von der dicken Matschnik, deren cerebrale Beleuchtung er auf drei Watt taxierte, mehr nicht. Fräulein Schuster, die Frau verkörpert niederen Charakter, nickte er zustimmend und verständnisvoll. „Es schadet nur ihnen, wenn sie sich darüber ereifern, versuchte er sie zu beruhigen. Aber das Unverschämteste kommt doch noch, fuhr sie erregt und fast atemlos fort, denn kein Blick von Scham oder Reue zeigte sie, sondern setzte noch eine Frechheit drauf und fragt mich, ob ich die Nacht mit meinem Beichtvater verbracht habe, weil ich nicht daheim war." In gespielter Fassungslosigkeit schüttelte Walter den Kopf und gab sich Mühe, nichts von seiner Belustigung erkennen zu geben, da er sich vorstellte, dass das in Jahrzehnten keusch und züchtig lebende alte Fräulein, wohlerzogen und in würdevoller Steifheit einherschreitend, nachts wilde Orgien mit ihrem ausgehungerten Geistlichen trieb. Er täuschte Eile vor, um nicht von Lachen geschüttelt zu werden, verwies auf Humphrey, der die Notdurft verrichten müsse und verabschiedete sich mit eilig formulierten tröstlichen Beistandsworten. Vor der Haustür prustete ein Lacher aus ihm heraus und er eilte über die Straße, um nicht noch einmal Fräulein Schuster begegnen zu müssen, die er schon hinter sich im Hausflur kommen hörte. Schnurstracks, direkt geradeaus durch den Park hindurch, visierte Walter einen Fleischerladen an, was er sonst nicht tat, denn die billigen Supermärkte kamen seiner spärlichen Rente entgegen und der Haushaltsetat war begrenzt. Einen erlesenen Köder für das verfettete Schoßhündchen wollte er holen, denn das Aas war sicher verwöhnt und ließ sich mit gefärbtem, verwässerten Gammelfleisch aus Billigangeboten nicht locken. Schade um jeden Groschen, dachte Walter sich und bedauerte schon jetzt den Braten, der seinem Opfer und nicht ihm galt. Aber wenn seine Geldbörse auch keine großen Sprünge erlaubte, dann wollte er heute richtig sündigen und er plante saftige, großzügige fünfhundert Gramm Filet für das Gelingen der Tat ein, die er zum Anfüttern portionierte und in mehreren Etappen einsetzen wollte. Weitere fünfhundert Gramm rechnete er für sich und Max ein, denn die Vollzugsmeldungen zweier Verbrechen an der Tierwelt waren ein Anlass, entweder ein Requiem abzuhalten oder sich an einem gemeinsamen spielfreien Abend zum Weingenuss auch gebührend zu beköstigen. Max dürfe sich durchaus an der Rechnung beteiligen. Der Fleischermeister, der Walter aus früheren wohl situierten Tagen kannte, in denen Walter zur Stammkundschaft zählte, war erfreut, ihn zu sehen. Er erkundigte sich nach dem Befinden, doch Walter blieb wortkarg und wusste, diese Freundlichkeit entsprang nur seiner Geschäftstüchtigkeit und der gierig erhofften Teilhabe an Walters Geldbeutel. Nachdem er seinen Kauf getätigt hatte, verwies der Fleischer Walter mit blöden Scherzen noch auf den Blumenladen und die Weinhandlung, deren Besuch zu einem Braten bei Kerzenlicht unerlässlich wäre, wenn man das anvisierte Ziel erreichen möchte. Dabei grinste er doppeldeutig und wippte seinen strammen, fettschwabbeligen Kopf, der keine Hautfurche aufwies und der dem Schweinskopf in der Auslage glich, auch was die Farbe betraf, und der wahrscheinlich deutlich mehr Sülze ergäbe als dieser. Eine reine Delikatesse für einen Kannibalenstamm, dachte sich Walter und schätzte ab, wie groß der Kessel wäre, in dem man von seinen Fettbergen Griebenschmalz zubereiten könnte. Er schüttelte sich innerlich vor Ekel und nahm sich vor, wenn Max ihm einen Offizier auf dem Schachbrett schlug, dann werde er den fettglänzenden, schweinchenäugigen Typen in seiner eigenen Wurstmaschine entsorgen, ohne ihn vorher mit dem Bolzenschussgerät zu betäuben. Zügig eilte er heim. Skrupellos zur Tat bereit, legte Walter zu seinem gewohnten Tagesablauf, der in der Regel aus Nichtigkeiten wie Zeitungsblättern, Aufräumen, Aufwärmen eines Fertiggerichtes, Hunderunde und Einkauf, Mittagsschlaf und Kaffeestündchen bestand, heute eine längere Betrachtung vor dem Spiegel ein. Er suchte in verschiedenen Posen die passende Mimik und übte die beste Maskerade, bis er einen eiskalten und hart gegerbten Alten im Spiegel sah, der nur Ähnlichkeit mit ihm aufwies. Das wird eine leichte Übung, sozusagen ein Kinderspiel, dachte Walter sich in Vorfreude und lobte zufrieden sein grimmiges Konterfei im Spiegel. Am Abend rückte der Zeiger langsam auf die Stunde, zu der das Röllchen die Treppe in den Hinterhof hinunter rannte, um die drängenden und drückenden Fäkalien loszuwerden. War nur die Frage, ob es in Begleitung der dicken Matschnik geschah. Der seltene Fall tritt dann ein, wenn er ungelegen kommt und den Wünschen hinderlich entgegen läuft. Hoffentlich keine Verschiebung, wünschte sich Walter, nur weil die Kuh heute Bewegungsdrang verspürte und ihn begleitete. Walters Filetstreifen war als Aufmerksamkeit für die erste Begegnung mit dem Plüschtier aus Liebe herzförmig zurechtgeschnitten. Ächzend beugte er seine Kniegelenke, die ihm bei derartigen Übungen schmerzten und lauerte auf allen Vieren hinter seiner Tür, die offen angelehnt war. Oben hörte er dann zu aller Freude, wie die Matschnik den Hund auf die Runde schickte, ohne dass sie mitlief. Jetzt musste er nur den Rückweg abpassen. Genug Zeit war vorhanden, da ihn die Matschnik vor Ablauf einer halben Stunde nicht wieder an der Wohnungstür empfing. Und Schätzchen beschäftigte sich in der Regel ungefähr zwanzig Minuten mit seinen Auslaufritualen, ehe er wieder zurückkam. Walter war gespannt, wie der Hund auf den Versuch reagierte, ihm ein Stück seines Leckerbissens zu füttern. Einfacher als gedacht, funktionierte Walters Plan, denn schwanzwedelnd erlag der Köter ohne Probelauf sofort der fleischlichen Verlockung und kam schnuppernd näher, als er ihm den Filetstreifen am ausgestreckten Arm durch die geöffnete Tür hielt. Langsam zirkelte er das Fleisch durch den Türspalt zurück und wie von einem Magneten angezogen lockte die baumelnde Versuchung auch den Hund hinterher. Als der Kopf durch den Spalt lugte, presste Walter die Tür kräftig zu. Riesige hervortretende Kulleraugen glotzten Walter an und er lockerte seinen Druck erst, als kein Röcheln mehr aus der geöffneten Schnauze, aus der eine bläulich verfärbte Zunge hing, zu vernehmen war. Walter gab die Türzwinge frei und das Tier sackte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1