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Die kurzen 1000 Jahre - Teil 2: Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend im dritten Reich
Die kurzen 1000 Jahre - Teil 2: Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend im dritten Reich
Die kurzen 1000 Jahre - Teil 2: Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend im dritten Reich
eBook99 Seiten1 Stunde

Die kurzen 1000 Jahre - Teil 2: Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend im dritten Reich

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Über dieses E-Book

Die tausend Jahre beginnen im Jahr 1933. Damals war ich fünf Jahre alt.
Und mir fällt eines Tages auf, daß überall in den Straßen Männer mit braunen Uniformen und schwarzen Stiefeln herumlaufen. Als ich meinem Papa davon erzähle, meint er:
"Zu denen mußt Du immer 'Heil Hitler' sagen, das hören sie gerne!"
***
Wir haben Herrn Rektor Lenz gerne als Klassenlehrer. Er ist noch jung und nett und redet viel und begeistert von unserem Führer Adolf Hitler und seinen großartigen Ideen. "Wir können unserem Führer gar nicht genug danken, dass er unser deutsches Vaterland gerettet hat!" verkündet er mit leuchtenden Augen und erzählt uns von den tapferen deutschen Soldaten, die vom bösen Feind nicht besiegt werden konnten und trotzdem das schändliche "Diktat von Versailles" hinnehmen mussten. Und dann erzählt er von der schlimmen Zeit nach dem Krieg, wo Hunger, Arbeitslosigkeit und überall ein großes Chaos herrschten.
***
Die Tieffliegerangriffe, die ich bei der Sanddornbeerenernte kennengelernt habe, fangen jetzt auch hier an. Und eines Tages - wir haben Ende Januar 1945 - erschüttert ein dumpfer Schlag das ganze Dorf. Die Eisenbahnbrücke, die von Wimpfen nach Jagstfeld führt, ist bombardiert worden und liegt jetzt zerstört im Neckar. Kein Zug wird mehr darüberfahren.
***
"Ich habe jetzt Anweisung vom Bezirk. Wir fahren übermorgen alle nach Teplitz-Schönau. Dort werden wir unseren weiteren Einsatz erfahren."
Wir eilen zur Landkarte im Tagesraum. Bestürzte Rufe werden laut:
"Himmel! - So weit oben!" – "Das ist ja beinahe bei den Russen!" – "immer weiter von zu Hause weg!"
Am nächsten Morgen hat Fräulein Schreiner jedoch schon wieder eine andere Nachricht.
"Über Nacht hat sich die Situation geändert," sagt sie, "wir fahren nicht morgen nach Teplitz-Schönau, sondern heute noch nach Staab bei Pilsen. Sie werden im Rüstungswerk in Holleischen arbeiten."
***
Wir haben Frieden. Die schreckliche Dunkelheit der vergangenen Jahre ist vorüber.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum6. Okt. 2016
ISBN9783738086904
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    Buchvorschau

    Die kurzen 1000 Jahre - Teil 2 - Gerlinde Schnittler

    Gerlinde Schnittler

    Zweiter Teil

    DIE KURZEN TAUSEND JAHRE,

    DIE VIEL ZU LANGE DAUERTEN

    Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend

    Im „dritten (dem „1000-jährigen) Reich

    Meine Freundin Ursula ist mit ihren Eltern nach Stettin umgezogen und ab und zu schickt sie mir von dort eine Postkarte — da ist meistens die Ostsee darauf. Ich möchte auch gerne mal das richtige Meer sehen.

    Gute deutsche Volksgenossen machen jetzt mit Kraft durch Freude ganz weite Reisen. Sie fahren mit einem schönen, großen Schiff bis nach Norwegen. So etwas ist toll und es ist kein Wunder, dass uns die Menschen in der ganzen Welt beneiden, denn so gut wie uns Deutschen geht es natürlich denen nicht - sagen unsere Lehrer. Und wir müssen einen Schulaufsatz schreiben mit dem Thema: Warum beneiden uns die Menschen in allen anderen Ländern? Wir schreiben in dem Aufsatz, dass der Führer im ganzen Land ganz tolle Autobahnen bauen lässt und dass später jeder gute deutsche Volksgenosse einen „Volkswagen haben soll. Und dass man für billiges Geld einen „Volksempfänger kaufen kann - wir haben zu Hause jetzt auch einen und nicht mehr das vierteilige Monstrum von Radioapparat. Und dann schreiben wir natürlich, dass alle Menschen bei uns Arbeit haben und dass niemand hungern und frieren muss, denn es gibt ja die NS—Volkswohlfahrt. Eine aus unserer Klasse bekommt eine Eins, weil sie schreibt: „Wir werden von den Menschen in anderen Ländern hauptsächlich deshalb sehr beneidet, weil wir ein starkes, einiges Reich mit einem so wunderbaren Führer haben!"

    Von „Kraft durch Freude halten Papa und Mama nicht viel. Mama sagt, wenn sie schon verreisen würde, dann wolle sie das als freier und ungebundener Mensch tun und nicht sozusagen mit der Hakenkreuzfahne für den Hitler im Ausland Reklame machen. Sie überlegt immer wieder mit Papa, ob sie nicht einmal einen Urlaub in Polen machen könnten, um Mr. Arran in Warschau zu besuchen. Dorthin fährt „Kraft durch Freude sowieso nicht. Und weil diese Reise sehr weit und sehr teuer ist, wird es von den Eltern einstweilen noch verschoben. Vielleicht, so meinen sie, klappt es im Jahr 1940 oder 1941.

    Die Sommerferien 1939 verbringen wir wieder in unserem alten Wimpfen. Das Haus, das sie sich dort gebaut haben, haben Papa und Mama inzwischen wieder verkauft. Sie sagten, sie hätten doch nur Ärger damit und Wimpfen sei sowieso nichts und wenn sie erst mal alt wären, würden sie dort erst recht nicht wohnen wollen. Besser sei es wohl, in der Umgebung von Mannheim etwas Hübsches zu kaufen und sie sind schon entsprechend auf der Suche.

    So verbringen wir die Ferientage wieder im alten Bauernhaus.

    Unser Rückreisetag ist der 1. September 1939. Wir sitzen im Warteraum des Bad Wimpfener Bahnhofes und warten darauf, dass der Bahnbeamte die Tür zum Bahnsteig aufschließt und unsere Fahrkarten locht. Es riecht nach Bahnhof und nach kaltem Zug und Mama sagt, ich solle hier nicht alles anfassen - so sehr sauber sei das hier nicht. Mit uns warten noch mehrere Leute, und mit der Zeit werden sie unruhig. Der Zug müsste schon lange da sein.

    „Das kann heute was geben, sagt ein Mann, der uns gegenüber sitzt, „die politische Lage hat den ganzen Fahrplan durcheinander gebracht!

    „Wieso denn? fragt Mama arglos, „ist denn was Besonderes los?

    „Ja, junge Frau - haben Sie denn heute keinen Radio gehört?! - Wir haben Krieg! Der Führer hat im Rundfunk gesprochen. Seit heute früh um fünf Uhr wird an der polnischen Grenze zurückgeschossen!"

    Wir haben im alten Bauernhaus keinen Radioapparat und wissen deshalb von nichts.

    „Ach Du liebe Zeit, sagt Mama nur, „da haben wir jetzt also tatsächlich Krieg!

    Hanna und ich gucken interessiert. Komischerweise erschreckt uns der Gedanke, dass jetzt Krieg ist, überhaupt nicht. Obwohl wir wissen, dass Krieg schrecklich sein kann. Papa und Mama haben oft davon erzählt, wie das früher war. Und wir haben auch sehr viele Filme vom Weltkrieg gesehen - für die Hitlerjugend gibt es da immer Sondervorstellungen. Grausige Kämpfe werden da gezeigt mit viel Kanonendonner und Verwüstungen. Und die tapferen deutschen Soldaten stehen in den Schützengräben - die bösen feindlichen Soldaten aber kommen mit hoch erhobenen Händen angerannt, denn sie sind feige und haben Angst und wollen sich gefangen nehmen lassen . . .

    Und nun haben wir also auch Krieg. Irgendwie lag das ja eigentlich schon In der Luft, obwohl niemand so plötzlich damit gerechnet hatte. Aber immerhin haben wir schon seit einiger Zeit schwarze Verdunkelungsrollos an allen Fenstern, denn das war plötzlich Vorschrift geworden und der Blockleiter In unserem Haus, der Herr Schumann, lief von Wohnung zu Wohnung und prüfte, ob diese Vorschrift auch richtig eingehalten worden ist.

    Auch Gasmasken besitzen wir bereits, weil es vor einiger Zeit hieß, dass jeder „Volksgenosse" so etwas besitzen muss. Es gibt Gasmasken für Erwachsene und für Kinder. Die grauen Gummihauben sitzen sehr straff um den Kopf und es sieht sehr komisch aus, mit den großen runden Glasfenstern für die Augen und dem runden Ding vor Mund und Nase, wo man durchatmen muss. Hanna und Ich haben das Ding zum Spaß über den Kopf gestülpt und wir sind damit in der Wohnung herumgerannt. Aber sehr lange haben wir das nicht ausgehalten, denn das Gummi drückte zu sehr am Kopf.

    Auch Probe-Alarm hat es schon einige Male gegeben und es sind überall In der Stadt Luftschutzsirenen angebracht worden. In den Kellern sind auch schon Luftschutzräume eingerichtet worden, mit starken Stahltüren davor. - Wenn man das alles so richtig bedenkt, dann ist dieser plötzliche Kriegsausbruch eigentlich gar nicht so sehr überraschend.

    Mama schüttelt den Kopf und sagt:

    „Aber, wenn nun ein Krieg begonnen hat, da muss doch deshalb nicht gleich der ganze Fahrplan zusammenbrechen, so dass kein Zug mehr fährt!"

    „Junge Frau, davon verstehen Sie nichts, sagt der Mann von gegenüber, „was denken Sie, was die Reichsbahn jetzt viele Züge einsetzen muss, um von allen Landesteilen die Soldaten zu transportieren! Das ist wichtiger als unsere Privatfahrten!

    Der Zug hat fast zwei Stunden Verspätung und ist proppenvoll. Und er fährt auch nicht zügig von einem Ort zum anderen, sondern bleibt zwischendurch immer wieder stehen, mal In irgendeinem Bahnhof, mal auf freiem Feld, so dass die Verspätung immer größer wird. In Heidelberg ist es schließlich ganz aus. Es ist mittlerweile dunkle Nacht geworden und es heißt, dass heute überhaupt kein Zug mehr nach Mannheim fahren würde. Wir hasten aufgeregt mit unseren Koffern vom Bahnhof hinüber zum Bismarckplatz und erwischen tatsächlich noch die letzte OEG, das ist die elektrische Straßenbahn zwischen Mannheim und Heidelberg. Gedrängt wie in einer Heringsbüchse kommen wir um Mitternacht in Mannheim an. Unser guter Papa steht mit besorgtem Gesicht am OEG-Bahnhof. Er sagt, er habe sich gedacht, dass wir hier ankommen, nachdem er hörte, dass kein Dampfzug mehr aus Heidelberg ankommt, und er nimmt unsere beiden schweren Koffer. Wortlos gehen wir durch die dunkle Innenstadt nach Hause. Die strahlend bunten Lichter meiner Heimatstadt sind aus den Straßen verschwunden, überall ist es dunkel, leer und still. Und jetzt erst ergreift mich ein unbestimmtes, banges Gefühl. Wir haben Krieg!

    * * * *

    Am hellen Tag sieht alles wieder anders aus. Das Leben auf der Straße unterscheidet sich in nichts von dem in früheren Tagen, meine Bangigkeit ist wieder verschwunden.

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