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Jalta 2.0: Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn
Jalta 2.0: Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn
Jalta 2.0: Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn
eBook428 Seiten3 Stunden

Jalta 2.0: Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn

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Über dieses E-Book

Die Europäische Union steht bekanntermaßen vor großen inneren und äußeren Herausforderungen. Diese sind zum Teil, siehe Islamismus, Schuldenkrise, Terrorgefahr und Zuwanderung, miteinander verknüpft. Hinzu kommen komplizierte Beziehungen zu zwei großen Nachbarn, zu Russland und zur Türkei. Die Neuordnung dieser Beziehungen sind das Leitthema dieses Buches.
Außenpolitisch haben gegenseitige Fehlwahrnehmungen, blinde Flecken in der Wahrnehmung des anderen, überhöhte Erwartungen sowie von EU-Seite das Primat einer werte-geleiteten anstatt einer maßvollen interessengeleiteten Außenpolitik zu dieser Situation beigetragen. Eine Politik klarer Abgrenzung und des gegenseitigen "In-Ruhe-Lassens" kann künftig zur Beruhigung und Befriedung der Situation beitragen.
Der äußeren Form nach erfolgt diese Neuordnung auf dem Wege eines Grundsatzabkommens, welches die Erfahrungen des Abkommens von Jalta und seiner Folgen nutzbringend berücksichtigt. Dies inkludiert politische Spielräume punktueller Zusammenarbeit, bei der keine der beiden Seiten sich zu etwas gedrängt fühlen muss. Ein solches Abkommen hätte gerade für die EU stabilisierende und legitimierende Wirkung nach innen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. Juni 2018
ISBN9783742735973
Jalta 2.0: Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn

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    Buchvorschau

    Jalta 2.0 - Robert Hanke

    1. Einleitung

    Robert Hanke (Hrsg.) & Thorsten Bosbach

    Jalta 2.0         

             Ялта 2.0

    Ein Weg zur emanzipierten Nachbarschaft

    zwischen der EU und deren östlichen Nachbarn

    graphics1

    Impressum

    Texte: © Copyright by R. Hanke und T. Bosbach

    Umschlag: © Copyright by Robert Hanke

    Verlag: Robert Hanke

    In den Biegen 9

    60437 Frankfurt am Main

    robih@gmx.de

    Druck: epubli, ein Service der

    neopubli GmbH, Berlin

    Printed in Germany

    Die Europäische Union steht bekanntermaßen vor großen inneren und äußeren Herausforderungen. Diese sind zum Teil, siehe Islamismus, Schuldenkrise, Terrorgefahr und Zuwanderung, miteinander verknüpft. Hinzu kommen komplizierte Beziehungen zu zwei großen Nachbarn, zu Russland und zur Türkei. Die Neuordnung dieser Beziehungen sind das Leitthema dieses Buches.

    Außenpolitisch haben gegenseitige Fehlwahrnehmungen, blinde Flecken in der Wahrnehmung des anderen, überhöhte Erwartungen sowie von EU-Seite das Primat einer werte-geleiteten anstatt einer maßvollen interessengeleiteten Außenpolitik zu dieser Situation beigetragen. Eine Politik klarer Abgrenzung und des gegenseitigen „In-Ruhe-Lassens" kann künftig zur Beruhigung und Befriedung der Situation beitragen.

    Der äußeren Form nach erfolgt diese Neuordnung auf dem Wege eines Grundsatzabkommens, welches die Erfahrungen des Abkommens von Jalta und seiner Folgen nutzbringend berücksichtigt. Dies inkludiert politische Spielräume punktueller Zusammenarbeit, bei der keine der beiden Seiten sich zu etwas gedrängt fühlen muss. Ein solches Abkommen hätte gerade für die EU stabilisierende und legitimierende Wirkung nach innen.

    1.1. Allegorischer Anfang einer Reise

    Meine Damen und Herren, liebe Mitlesenden, wir begrüßen Sie recht herzlich an Bord dieses Buches und hoffen, dass Sie mit uns eine angenehme und aufschlussreiche Reise haben werden. Sie befinden sich derzeit auf der zweiten Textseite und bewegen sich auf der Zeitachse vorwärts. Wir bedauern aufrichtig die beiden Einstiegshürden die Ihnen bis hier hin das Einschiffen erschwert haben, können die Begründung dafür aber in Kürze nachliefern.

    Die Reise wird ungefähr 14 Kapitel lang werden, die genaue Seitenzahl kann anhand der jeweiligen Windgeschwindigkeit beim Schreiben noch um etwa 10-15% variieren, genauso die Zeitdauer anhand der jeweiligen Unterströmungsgeschwindigkeit beim Lesen. Unterwegs werden wir Sehenswürdigkeiten passieren, die Ihnen hinlänglich vertraut sind, nicht jedoch die Perspektive, aus der Sie sie nun zu sehen bekommen.

    Am Ende dieser Reise werden sie genau dort ankommen, wo sie eingestiegen sind, aber die Welt um sie herum wird komplett anders aussehen. Falls Sie das beunruhigend finden, können wir Ihnen sagen, dass das Aussehen dieser Welt nach Ihrem Ausstieg von Ihrem Erkenntnisgewinn während dieser Reise mitgestaltet worden ist, Sie es also selber in der Hand haben, ob Ihnen diese Welt nach dem Ausstieg gefallen wird oder nicht. Die Haftungsverzichtserklärungen finden Sie im Kleingedruckten Ihrer Bordkarte.

    Berücksichtigen sie bitte auch, ob diese Welt dann auch Ihren Kindern gefallen wird. Überhaupt haben wir hier an Bord große Probleme mit vorwitzigen Kindern, die sich selbst und andere in große Gefahr bringen. Zwei Beispiele dazu werden gleich folgen, eines teuer, eines schmerzhaft. Halten Sie Ihre Kinder also bitte im Blick und verhindern Sie im Vorfeld unbedachte Handlungen. Vielen Dank dafür.

    Bereits direkt nach dem Start dürfen wir Sie auf die ersten vier Sehenswürdigkeiten aufmerksam machen. Zu Ihrer Linken sehen Sie eine Windhose, die einen 450 Millionen Bruttoregistertonnen schweren Ozeandampfer aus dem Meer gehoben hat und ihn in mehreren hundert Metern Höhe immer schneller um sich selber drehen lässt, bis die ersten Passagiere, aufgrund der Fliehkräfte über Bord geschleudert werden. Die 28 Mann starke Besatzung auf der Brücke der MS Europa tut alles, um ein Auseinanderbrechen des Rumpfs, in dem Sie bereits die ersten Haarrisse erkennen können, zu vermeiden. Und da, ja ist es denn zu fassen, verliert einer der Brückenoffiziere den Halt und wird mitsamt Schirm, Charme und Melone elegant und formvollendet über Bord aufs offene Meer geschleudert. Dabei bleibt er mit seinem Kilt an der Reling hängen und verliert ihn. Die anderen bergen das Schottenröckchen und bringen es auf die Brücke. Wenigstens der Kilt darf an Bord bleiben. Ob es der verbleibenden Mannschaft gelungen ist, den Dampfer auf Kurs zu halten, können Sie überprüfen, wenn sie die Reise mit diesem Buch in der kommenden Saison erneut buchen.

    Wir möchten Sie bitten, angeschnallt zu bleiben, bis wir diese Windhose passiert haben. Bitte lassen Sie solange auch die Fenster geschlossen und strecken Sie nicht die Hände raus. Vor drei Jahren hat der kleine Kyprios genau das gemacht. Er versuchte, seine Hand in die Windhose zu stecken und verlor dabei innerhalb einer Sekunde seine leckere, 17 Milliarden Euro teure, Eistüte.

    Direkt dahinter, aber bereits in etlichen Seemeilen Entfernung – aber was ist das? Ist das denn zu glauben, die USS Great-again fährt tatsächlich davon? Ja, so ist das, weil der neue Kapitän, eine Landratte mit wilder Frisur und noch wilderer Ausdrucksweise, so kleinmütig ist, dass ihm nichts besseres einfällt, als auf möglichst großen Abstand zur Windhose zu gehen. Bald ist sie nur noch ein kleiner Punkt am Horizont, nur den Kapitän hört man immer noch genau so laut fluchen.

    Zur Ihrer Rechten sehen sie den pechschwarzen, blitzblank polierten und bis an die Zähne bewaffneten Panzerkreuzer Putjomkin. Es ist nicht oft möglich, ein so modernes Stück Militärtechnik aus so geringer Entfernung zu betrachten. Sie dürfen so viele Fotos machen, wie Sie wollen, aber bitte, kein Blitzlicht! Das Schiff hat extrem empfindliche Sensoren und einen besonnenen, aber sehr nervösen Kapitän, und wir wollen doch nicht versehentlich einen Torpedo auslösen, oder? Vor zwei Jahren ist das dem kleinen Arsenij passiert, er hat seinen Schulkameraden, den kleinen Wiktor, von Bord geschubst, damit sogar zwei Torpedos ausgelöst und seitdem läuft die kleine Arsenija hinten ohne Donbass und vorne ohne Krimmelchen herum.

    Direkt dahinter, und in ihrem Zustand überhaupt nicht mit der Putjomkin vergleichbar, dümpelt die kleine TCG Anadolu, ein zum Zerstörer umgerüsteter Fischkutter, der in der letzten Saison noch ein rostiger Seelenverkäufer war, nun aber mit einer nagelneuen Goldlackierung, die etwa 6 Milliarden Euro, gekostet haben soll, funkelt und glänzt. Wenn allerdings an den technischen Komponenten nichts gemacht worden ist, dann kann es sein, dass dieses lackierte Wrack bereits in der kommenden Saison sang und klanglos abgesoffen ist.

    Meine Damen und Herren, liebe Mitlesenden, wir haben die Windhose nun passiert, Sie dürfen die Gurte nun lösen, die Fenster öffnen und einen kleinen Snack zu sich nehmen, sowie sich im gesamten Buch frei bewegen. Im weiteren Verlauf der Reise, so ungefähr in Kapitel 9.2.1., werden Sie noch die Gelegenheit haben, zollfreie Waren zu erwerben. In den Auslagen führen wir zwar noch Waren aus Saudi-Arabien mit, aber wir müssen Ihnen dringend davon abraten, diese zu kaufen. Sie werden wirklich keine Freude daran haben. Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit sowie für das Vertrauen, was Sie in uns gesetzt haben und wünschen Ihnen eine angenehme und aufschlussreiche Weiterreise.

    1.2. Der verstörende Buchtitel

    Wer von den älteren Lesern während dem Kalten Krieg in einem geteilten Europa aufwuchs, für den assoziiert der Buchtitel nichts gutes. Die Konferenz von Jalta Anfang 1945 schuf die Grundlagen für eine 44jährige Teilung des Kontinents, in deren einen Hälfte die zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Fortentwicklung für die Dauer mehr als einer Generation komplett eingefroren wurde, von der Abschaffung bürgerlicher Freiheiten ganz zu schweigen.

    Der damalige Konferenzschauplatz liegt darüber hinaus derzeit in einem Gebiet (der Halbinsel Krim), welches heute ein völkerrechtswidrig besetztes Gebiet ist, dessen zukünftiger Status einer abschließenden Klärung bedarf. Insgesamt steht der Begriff für den Beginn einer Periode der gegenseitigen Beschuldigungen, eines ständig drohenden Atomkriegs, weltweiter gegenseitiger Obstruktion, Stellvertreterkriegen in der Dritten Welt, geteilten Ländern (Deutschland, Korea, Vietnam), Wettrüsten zu Lasten der Entwicklungshilfe, sowie ausgeprägten Feindbildern auf beiden Seiten.

    Doch diese Zeit hatte nicht nur ihr Schlechtes. Der Wettlauf ins All kann in dem Sinne als durchaus produktiv betrachtet werden, dass er auf beiden Seiten die größten wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Tugenden und Fortschritte hervor brachte, die in der damaligen Zeit möglich gewesen sind. Viele Errungenschaften aus diesem Bereich haben auch sehr schnell ihren Weg in die Zivile Nutzung gefunden. Gleiches kann in eingeschränktem Maße auch für die Waffentechnik gesagt werde, deren ziviler Sekundärnutzen zum Beispiel in Atomkraftwerken und Strahltriebwerken für Passagierflugzeugen bestand.

    Darüber hinaus waren diese 44 Jahre, bei aller Unsicherheit, letztlich eine Periode des Friedens und der Stabilität, in der es zumindest in Westeuropa und den USA keine zerreißenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüche gab. Der Ost-West-Dualismus zwang die Länder Westeuropas, die einzeln zu schwach gewesen wären, um nach dem Verlust der meisten Kolonien noch eine relevante Rolle zu spielen, zu einer immer engeren und immer weiter gehenden Kooperation, deren Ergebnis die Europäische Union ist, wie wir sie heute kennen.

    Über allem steht die Erkenntnis, dass, bei weniger zementierten Verhältnissen, ein Atomkrieg, dessen Ausbruch nicht hätte verhindert werden können, alles, aber auch wirklich alles hinweggefegt hätte, worüber es sich noch zu schreiben gelohnt hätte. Wir müssen also feststellen, dass die Konferenz von Jalta die hässliche Großmutter der Europäischen Union ist. Und wie das bei Enkeln so oft der Fall ist, werden sie meist genau in dem Moment erwachsen, in dem die Großeltern sterben.

    Was bedeutet das für die Zukunft? Ein neues Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren östlichen Nachbarn, namentlich Russland und der Türkei, wird ebenfalls wieder die Großmutter weiterer Veränderungen innerhalb der Europäischen Union werden. Ein solches Abkommen bietet die Chancen, nicht nur Fehlentwicklungen im Verhältnis zu Russland und der Türkei zu korrigieren, sondern auch Fehlentwicklungen innerhalb der Europäischen Union und möglicherweise auch im Verhältnis zu den USA, insbesondere nach der Wahl von Donald Trump im Jahre 2016.

    Wir leben im postideologischen Zeitalter. Im Gegensatz zur damaligen Sowjetunion ist eine Verständigung mit Russland heute insofern einfacher, als dass Moskau heute nicht mehr versucht, eine ganz bestimmte Gesellschaftsform und Ideologie weltweit zu etablieren, sondern jetzt eher darauf bedacht ist,

    1. International als gleichberechtigte Großmacht wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden.

    2. In der eigenen „Sicherheitszone" nicht von anderen Mächten bedrängt zu werden.

    Diese machtbewusste, aber undogmatische, pragmatische Herangehensweise, gepaart mit einer nüchternen Kosten-Nutzen-Abwägung eröffnet Spielräume für Vereinbarungen, die es mit einem hoch dogmatischen Gegenspieler in der Hochphase des kalten Krieges mangels der nötigen Flexibilität nicht geben konnte. Im Gegensatz dazu kann man beobachten, wie die Türkei unter Erdogan seit seinem Wechsel ins Präsidentenamt immer ideologisierter und dogmatischer wird. Hier werden die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und der Türkei eher immer schwieriger als immer leichter werden.

    Jalta – dort, wo alles begann, wird es auch wieder enden und von neuem beginnen. Mit einem Zuwachs an Erfahrung, mit einem Zuwachs an Rationalität und mit erheblich mehr politischem Gestaltungsspielraum als damals nach einem verheerenden Weltkrieg.

    1.3. Das fehlerhafte Titelbild

    Wer sich das Titelbild dieses Buches nur flüchtig anguckt, dem wird es vertraut vorkommen. Europa, Afrika, Russland, der Nahe Osten. Wer jedoch genauer hingesehen hat, der wird, teilweise erst nach mehrfacher Überprüfung und unter Zuhilfenahme eines Atlas, insgesamt zehn Abweichungen entdecken. Es folgt eine Auflistung der Abweichungen, zusammen mit den Gliederungspunkten, in denen diese Abweichungen jeweils begründet und erklärt sind:

    7.3.12. Warum ist die Ukraine geteilt und zweifarbig?

    7.4.1. Wo ist Moldawien geblieben?

    7.4.3. Warum ist die Türkei zweifarbig?

    7.4.3. Soll das da etwa ein Staat namens Kurdistan sein?

    7.4.5. Warum ist Ägypten zweifarbig?

    9.1.2. Der kleine Knubbel südlich von Ex-Moldawien, ist das noch Ukraine oder kann das weg?

    9.1.3. Warum ist Zypern zweifarbig?

    11. Wo ist der Kosovo geblieben?

    13.2.1. Wo ist Belgien geblieben?

    13.2.6. Warum liegt der Sitz der Europäischen Union plötzlich in Bratislava?

    Eine gemeinsame Antwort auf die Frage nach diesen Abweichungen kann jedoch bereits vorab gegeben werden. Die Konferenz von Jalta 1945 hat die Landkarte Europas tiefgreifend und nachhaltig verändert. Zudem bewirkte sie, und das geht aus Landkarten selten hervor, die Vertreibung und Umsiedlung von fast 20 Millionen Menschen, wohlgemerkt, nach dem Zweiten Weltkrieg. Die damit verbundenen menschlichen Schicksale und Traumata prägen das Denken und Fühlen auch nachfolgender Generationen in weiten Teilen dieses Kontinents auch heute noch. Die hier diskutierten Grenzveränderungen haben den Zweck, weiteren Traumata vorzubeugen.

    Wer das Buch zu Ende gelesen hat und sich dann das Titelbild erneut anschaut, dem wird auffallen, dass sämtliche in 13.2.1. skizzierten Veränderungen, namentlich Neugründungen sezessionistischer Staaten auf dem Gebiet der Europäischen Union grafisch ignoriert wurden. Die Gründe dafür sind:

    a) Die politische Innenwirkung auf den jeweiligen Rest der Europäischen Union ist gering

    b) Die politische Außenwirkung außerhalb der Europäischen Union ist ebenfalls gering

    c) Aufgrund der proportionalen Repräsentanz in den meisten Gremien der EU wird sich das Machtgefüge innerhalb der EU durch jede einzelne Abspaltung nur marginal verändern.

    d) Die in 13.2.1. diskutierte Transformation in ein Europa der 80 Regionen würde alle diese Abspaltungen in ein modifiziertes Gesamtkonzept einbinden, welches mit der jetzigen Landkarte im Titelbild überhaupt nichts mehr zu tun hätte

    e) Das Titelbild ist auch so schon verwirrend genug

    f) Noch mehr Änderungen zum Status Quo hätten die beabsichtigte grafische Unterstützung der Kernthesen dieses Buches in ihr Gegenteil verkehrt

    g) Dem Autor war es nachvollziehbarer weise irgendwann nicht mehr möglich, die Landkarte nach der Fertigstellung jedes weiteren Kapitels zum wiederholten Male neu zu zeichnen (Dieser Punkt wurde hinzugefügt, nachdem bereits 10 von 14 Kapiteln fertiggestellt waren)

    1.4. Die Methodik des Buches

    Wer die Gliederung dieses Buches gelesen hat, erwartet einen riesigen dicken Wälzer und ist möglicherweise darüber enttäuscht, dass das Buch in seinen Abmessungen doch einigermaßen moderat ausgefallen ist. Die Gliederung dieses Buches ist bewusst bis ins feinste aufgefächert, um den Kerngedankengang bereits beim ausschließlichen Lesen der Gliederung begreiflich zu machen. Den gleichen Zweck verfolgt im übrigen auch die Landkarte auf dem Titelbild.

    Diese Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern es ist ein politisches Buch. Da es eine mögliche Zukunft beschreibt, entzieht es sich in diesem Punkt empirischer Nachprüfbarkeit. Aus diesen beiden Gründen wird es hier auch keine Wüste von Zitaten und keine Quellenliste geben. Darüber hinaus soll das Buch als Denkanstoß dienen und nicht einen dogmatisch zu befolgenden Fahrplan vorgeben.

    Im Umkehrschluss davon auszugehen, dass im Vorfeld überhaupt keine Fakten recherchiert worden sind, ist allerdings genau so irreführend. Wer bis hier her gelesen hat, wird bereits bemerkt haben, dass hier etliche Begriffe bei ihrer ersten Nennung kursiv gesetzt worden sind. Die kursiv gesetzten Begriffe (in ihrer Nominativ-Flexion) sind alle in der deutschsprachigen Wikipedia abrufbar. Insbesondere bei geografischen, historischen und politischen Fakten ist es oft hilfreich, sich die Kenntnis derselben immer wieder mal ein wenig aufzufrischen.

    Im übrigen hat dieses Buch auch den Mut, subjektiv zu postulieren, Dinge als wünschenswert in den Raum zu stellen, ohne vorher die Mehrheitsfähigkeit dieser Wünsche demoskopisch zu erfassen. Politik, und das wird in den Zeiten der Alternativlosigkeit gerne vergessen, ist eine Sache des Willens, nicht der Fakten. Ein kurzes Beispiel dazu:

    Der Himmel ist blau. Ist dieses Blau alternativlos? Nein. Nachts ist er schwarz, abends und morgens ist er rot und an Regentagen ist er grau. Können wir die Farbe des Himmels selber ändern? Nein. Können wir uns der Farbe des Himmels entziehen? Ja, indem wir ein Gebäude betreten oder unter eine Bettdecke schlüpfen. Ein Zelt oder ein Wohnwagen sind auch nette Alternativen.

    Wir müssen uns mit nichts abfinden, wenn wir den Mut haben, über Alternativen nachzudenken, wie wir verschiedene Probleme so miteinander verknüpfen, dass sie gemeinsam eine Lösung ergeben. Dieses Buch soll jeden einzelnen dazu ermutigen, Lösungen zu entwickeln, auch wenn sie im ersten Schritt einer Überprüfung durch den TÜV oder eines wissenschaftlichen Gremiums nicht stand halten würden.

    Im übrigen erleben wir auch in der Politik immer wieder das Phänomen, dass sie sich im Dunkeln tastend fortbewegt, ohne das Ende überhaupt zu kennen. Wenn von Politikern, insbesondere, wenn sie aus den Naturwissenschaft kommen, behauptet wird, dass sie „Dinge vom Ende her denken" und so ihre politischen Lösungswege entwickeln, so muss festgestellt werden, dass der politische Raum an sich in keiner Weise ein deterministisches System darstellt.

    Auch, und das an die Neoliberalen, der Homo oeconomicus wäre in diesem Zusammenhang ein unvollständiges Modell und im Vergleich zur Realität zu deterministisch. Politik und Wirtschaft sind keine Naturwissenschaften, sondern Geisteswissenschaften, weil ihre Versuchsanordnungen mit Menschen bestückt sind. Menschen sind keine Laborratten und schätzen es überhaupt nicht, wenn sich im Vorfeld jemand anders darüber Gedanken macht, was gut für sie sein könnte, ohne sie selbst je gefragt zu haben. Sie rauchen, sie fahren zu schnell, sie lassen sich scheiden, sie sind nicht perfekt.

    Auch dieses Buch wird keine perfekte, sondern lediglich eine anwendbare Lösung anbieten. Dies, zumal Politik grundsätzlich nicht unter Laborbedingungen stattfindet. Bereits während des Schreibens dieses Buches traten politische Entwicklungen ein, die es immer wieder erforderlich machten, bereits fertiggestellte Kapitel in Teilen zu überarbeiten oder gar komplett neu zu strukturieren.

    1.5. Der Zweck dieses Buches

    Dieses Buch erweckt den Anschein, neutral zu sein, weil es sowohl europäische, als auch russische und türkische Sichtweisen zum jeweils gleichen Problemfeld diskutiert und einander gegenüber stellt.

    Der Schein trügt!

    Dieses Buch ist ein Weckruf für die politische Klasse in der Europäischen Union und ein flammendes Plädoyer für einen geeinten Europäischen Patriotismus. Das hier beschriebene Vorhaben wird die Europäische Union tiefgreifend verändern, was in 13.2 noch genauer diskutiert wird.

    Oft ist es leider so, dass erst eine Bedrohung von außen eine wirklich Kooperation in einer Gemeinschaft vormaliger Rivalen bewirkt. Was muss noch alles passieren, ehe die europäischen Völker merken, dass die Wirtschaftsmigration an ihrer Südflanke, die ungelösten geopolitischen Probleme an ihrer Ostflanke sowie die ungelösten Schuldenprobleme, die nicht erfolgte Einbindung von Zugewanderten sowie im Gefolge dessen das Erstarken von Rechtsparteien Ausmaße annehmen, die in ihrer Summe für den Fortbestand eines gemeinsamen Europas existenzbedrohend sind?

    2. Gelebte Nachbarschaft

    Nachbarn gibt es, seit es Menschen gibt. Als Menschen noch nicht sesshaft waren, begegneten sich die Nomadenstämme relativ selten, einige Male pro Jahr. Entscheidend dafür, ob eine solche Begegnung der Anlass für ein Gemetzel oder ein Fest wurde, war die Frage, ob diese Stämme zuvor bereits Schwiegertöchter ausgetauscht hatten, welche oft auch vermittelnde Funktionen einnahmen.

    Mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht wurden die Menschen sesshaft. Die Sippen hatten ihre Parzellen, auf denen sie Feldfrüchte anbauten, ihr Vieh (die ersten Formen von Besitz und Eigentum) weideten und auch wohnten und schliefen. Fortan hatten sie auch dauerhaft die immer gleichen Parzellen-Nachbarn. Die häufigsten Konfliktursachen waren entlaufenes oder zugelaufenes Vieh, der Zugang zu frischem Wasser und beim Umpflügen verschobene Grenzsteine.

    Bereits hier kristallisierte sich heraus, dass man diese nachbarschaftlichen Konflikte entweder konfrontativ oder kollaborativ lösen konnte. Durch Heirat konnten Parzellen zusammengelegt, durch Erbteilung konnten sie zerlegt werden. Nicht selten kam es vor, das blutige Erbstreitigkeiten mit der kompletten Auslöschung einer von mehreren Abkömmlingen sowie seiner Familie endeten. Geschah dies wechselseitig, entspann sich ein oft viele Generationen dauernder Gewaltkreislauf der Blutrache. Eine übergeordnete Gerichtsbarkeit, die solchen Auswüchsen Einhalt gebieten konnte, entstand erst mit dem Aufkommen der ersten Hochkulturen, die noch erheblich erweiterte Formen der Zusammenarbeit erforderten.

    Ein gängiges Mittel, streitende Nachbarn dauerhaft auseinander zu bringen, war das Mittel der Verbannung. Im Gegensatz zur modernen Justiz wurden Delinquenten also nicht eingesperrt, sondern ausgesperrt. Auch in der Sowjetunion gab es im 20. Jahrhundert noch Verbannungen nach Sibirien. Nach 1990 sind weltweit keine weiteren Verbannungen bekannt geworden. Im Zeitalter von Internet und Smartphones sind sie auch weitgehend sinnlos geworden.

    2.1. Nachbarn und Verwandte kann man sich nicht aussuchen

    Der Gedanke der Zugehörigkeit zu einer Familie setzt sich mit steigendem Abstraktionsgrad fort über die Sippe, den Stamm, das Dorf, die Kommune, die Landsmannschaft, das Volk, die Nation bis hin zu einer transnationalen Wertegemeinschaft, je nachdem was oder wen man gerade als den oder die „anderen" wahrnimmt oder benennt.

    Die Europäische Union hat mit Russland und der Türkei zwei Nachbarn, die bisweilen ziemlich anstrengend und nervig sind, aber (und das werden die Gliederungspunkte 2.4.2. und 2.4.3. zeigen) in den Augen beider sind wir Europäer nicht minder anstrengend und nervig.

    Insbesondere Russland hätte man nicht nur als Nachbarn sondern (aufgrund des gemeinsamen christlichen Glaubens, der gemeinsamen Zugehörigkeit zur Kaukasischen Rasse) gleichsam als Verwandte zu betrachten. Auch Verwandte können anstrengend

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