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Die Deutsche Welle und die Politik: Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013
Die Deutsche Welle und die Politik: Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013
Die Deutsche Welle und die Politik: Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013
eBook1.009 Seiten11 Stunden

Die Deutsche Welle und die Politik: Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013

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Über dieses E-Book

Anke Hagedorn analysiert die Entstehung und Entwicklung der Deutschen Welle (DW) von der Gründung bis in die Gegenwart und schließt damit eine Forschungslücke in der deutschen Rundfunk- und Mediengeschichte. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem deutschen Auslandsrundfunk und der Politik, die mit Hilfe zahlreicher, bislang unerforschter Quellen beleuchtet wird.

Der erste Teil geht auf die Anfänge des Auslandsrundfunks in Europa Ende der 1920er-Jahre sowie auf seine Rolle während des Zweiten Weltkriegs ein. Vor diesem Hintergrund wird anschließend die komplexe Gründungsgeschichte der DW nach 1945 dargestellt. Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Selbstverständnis und der Außenwahrnehmung der Rolle des Senders im Kalten Krieg. Und im dritten Teil geht es um die Neuorientierung der DW nach der Wende: Der Sender übernahm den ehemaligen Auslandsrundfunk der DDR, die Fernsehsparte sowie zahlreiche Mitarbeiter von RIAS und auch die Fremdsprachendredaktionen des Deutschlandfunks. Doch weder der technische und personelle Ausbau noch das neue DW-Gesetz konnten die Frage nach einer neuen Rollenbestimmung des deutschen Auslandsrundfunks befriedigend beantworten.

60 Jahre nach seiner Gründung ist die Existenz des Senders immer noch nicht selbstverständlich und wird stets aufs Neue debattiert. Durch das Aufbrechen alter Ost-West-Konfliktlinien und durch die Entstehung globaler kultureller Konflikte in den vergangenen Jahren ist die Frage nach der Funktion und der Bedeutung des Auslandsrundfunks wieder sehr aktuell.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Jan. 2016
ISBN9783864968389
Die Deutsche Welle und die Politik: Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013
Autor

Anke Hagedorn

Anke Hagedorn ist Dozentin für Journalismus in Zürich und freie Autorin für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Von 2000 bis 2008 hat sie als Redakteurin für die Deutsche Welle gearbeitet, zuletzt als Korrespondentin des Senders in Brüssel. Mit dieser Arbeit wurde sie 2015 an der Universität Konstanz promoviert.

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    Buchvorschau

    Die Deutsche Welle und die Politik - Anke Hagedorn

    Dieses Buch wurde gefördert mit Mitteln des im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder eingerichteten Exzellenzclusters der Universität Konstanz „Kulturelle Grundlagen von Integration".

    Inhalt

    Abkürzungen

    Vorwort

    Einleitung

    1.1 Die Forschungslage

    1.2 Der Forschungsansatz

    1.3 Begriffsklärung

    1.4 Die Quellen

    1.5 Fragestellungen und Aufbau

    Die schwere Geburt der Deutschen Welle

    2.1 Die Anfänge des Auslandsrundfunks

    2.2 Auslandsfunk als Propagandawerkzeug

    2.2.1 Aufrüstung: 1933–1938

    2.2.2 Propagandakrieg 1939–1945

    2.3 Die Neustrukturierung der deutschen Rundfunklandschaft

    2.3.1 Die Entstehung der Landesrundfunkanstalten

    2.3.2 Erste Pläne für ein Bundesrundfunkgesetz

    2.4 Der Wunsch nach Außenrepräsentation

    2.5 Von innenpolitischen Macht- und innermedialen Konkurrenzkämpfen

    2.5.1 Der Wettlauf beginnt

    2.5.2 Das Ende des Streits

    2.6 Die Deutsche Welle geht auf Sendung

    2.6.1 Personalfragen

    2.6.2 Ein nicht ganz reibungsloser Sendebeginn

    2.6.3 Für wen senden?

    2.6.4 Werbung für die im In- und Ausland

    2.7 Auf dem Weg zur eigenständigen Anstalt

    2.7.1 Der Kampf um die Rundfunkhoheit geht weiter

    2.7.2 Die Bund-Länder-Kommission für Rundfunkfragen

    2.7.3 Auf dem Weg zu einem Rundfunkgesetz

    2.7.4 Die Kirchen melden ihre Ansprüche an

    2.7.5 Die Gründung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts

    2.7.6 Wahl der Entscheidungsträger bei der Deutschen Welle

    2.8 Eine Sendergründung mit Widerhaken

    2.8.1 Finanzielle Abhängigkeiten und strukturelle Unzulänglichkeiten

    2.8.2 Altlasten: Der Mythos der Stunde Null

    2.9 Fazit

    Ein Kind des Kalten Krieges

    3.1 Die Rolle des deutschen Programms

    3.1.1 Berichterstattung über die Bundesrepublik und die DDR

    3.1.2 Die Deutsche Welle und die Deutsche Frage

    3.1.3 Werbung für das Erfolgsmodell Bundesrepublik

    3.1.4 Werbung für die deutsche Sprache und Kultur

    3.2 Fremdsprachensendungen im Dienst der Außenpolitik?

    3.2.1 Das Nahost-Programm

    3.2.2 Sendungen für Südeuropa

    3.2.3 Das Afrika-Programm

    3.2.4 Das Asien-Programm

    3.2.5 Das Nordamerika-Programm

    3.2.6 Programm für Lateinamerika

    3.2.7 Der schwierige Start der Osteuropa-Programme

    3.2.8 Informationsbeschaffung: Horchposten Monitordienst

    3.3 Die Deutsche Welle als Dolmetscher der Bundesrepublik?

    3.4 Konflikte und Krisen

    3.4.1 Debatten um Ausbau und Finanzierung der DW

    3.4.2 Die Errichtung von Relaisstationen

    3.4.3 Offene Wunde Ost- und Südosteuropa-Programm

    3.4.4 Debatten um die griechischen Sendungen der DW

    3.4.5 Die DW und die Entführung von Dr. Staewen im Tschad

    3.4.6 Die Krise um das amharische Programm der DW

    3.4.7 Die DW im Visier der DDR-Führung und der Stasi

    3.5 Fazit: Regierungsfunk oder Kampfsender?

    3.5.1 Die DW als verlängerter Arm der Bundesregierung?

    3.5.2 Wer ist für die Deutsche Welle zuständig?

    3.5.3 Parteipolitische Ämterbesetzungen

    3.5.4 Das Selbstverständnis der DW

    Die Wende als Wendepunkt

    4.1 Die Neuordnung der ostdeutschen Medienlandschaft

    4.2 Die DW übernimmt RBI

    4.3 Ein neues Ostberliner Studio

    4.4 Wohin mit RIAS und dem Deutschlandfunk?

    4.5 Die DW übernimmt die Fremdsprachensendungen des DLF

    4.6 Eine neue gesetzliche Grundlage muss her

    4.6.1 Der lange Weg zum Deutsche-Welle-Gesetz

    4.6.2 Die Deutsche Welle und das Grundgesetz

    4.7 Kulturstaatsminister Naumann setzt den Rotstift an

    4.8 Inhaltliche und räumliche Neuorientierungen

    4.8.1 Vermittlung eines neuen Deutschlandbildes

    4.8.2 Die Deutsche Welle als Demokratiehelfer und als Krisenradio

    4.8.3 Umzug in den Schürmann-Bau nach Bonn

    Zusammenfassung und Ausblick: Hat die DW eine Zukunft?

    Anhang

    Zeittafel

    Literatur- und Quellenverzeichnis

    Bücher und Aufsätze

    Presseartikel

    Gedruckte Quellen

    Ungedruckte Quellen

    Abkürzungen

    AA Auswärtiges Amt

    AHK Alliierte Hohe Kommission

    ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland

    AAPD Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland

    BArch Bundesarchiv

    BBC British Broadcasting Corporation

    BKA Bundeskanzleramt

    BPA Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Bundespresseamt)

    BMF Bundesministerium der Finanzen

    BMI Bundesministerium des Inneren

    BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

    BMWi Bundesministerium für Wirtschaft

    BR Bayerischer Rundfunk

    BRfG Bundesrundfunkgesetz

    CIA Central Intelligence Agency

    DLF Deutschlandfunk

    DLR Deutschlandradio

    DNG Deutsche Nachrichten aus Griechenland

    DUD Deutschland-Union-Dienst

    DW Deutsche Welle

    DW-TV Deutsche Welle Fernsehen

    CIA Central Intelligence Agency

    FBIS Foreign Broadcast Information Service

    FDJ Freie Deutsche Jugend

    HR Hessischer Rundfunk

    Khz Kilohertz

    KW Kurzwelle

    kW Kilowatt

    KWS Kurzwellensender

    MfS Ministerium für Staatssicherheit

    NDR Norddeutscher Rundfunk

    NSDAP Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands

    NWDR Nordwestdeutscher Rundfunk

    PA AA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes

    RB Radio Bremen

    RDF Radiodiffusion Française

    RFI Radio France Internationale

    RFE/RL Radio Free Europe/Radio Liberty

    RGBl Reichsgesetzblatt

    RIAS Radio im Amerikanischen Sektor

    RN Radiodiffusion Nationale

    SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv

    SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS

    SDR Süddeutscher Rundfunk

    SFB Sender Freies Berlin

    SR Saarländischer Rundfunk

    SWF Südwestfunk

    SWR Südwestrundfunk

    ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

    UKW Ultrakurzwelle

    VAR Vereinigte Arabische Emirate

    VOA Voice of America

    VRC Volksrepublik China

    Vorwort

    Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren 2011 bis 2014 im Rahmen des Exzellenzclusters »Kulturelle Grundlagen von Integration« der Universität Konstanz.

    Mein besonderer Dank gilt meinem viel zu früh verstorbenen Doktorvater Prof. Dr. Rainer Wirtz, der mich mit seiner Begeisterung für das Thema immer wieder motiviert hat. Leider hat er die Fertigstellung dieser Arbeit nicht erlebt. An seiner Stelle hat Prof. Dr. Clemens Wischermann die finale Betreuung übernommen. Ihm bin ich sehr dankbar für seine großzügige Bereitschaft, so kurzfristig in ein fast abgeschlossenes Projekt einzusteigen. Zu großem Dank bin ich auch Prof. Dr. Klaus Arnold (Trier) verpflichtet, der, ebenfalls sehr kurzfristig, bereit war, seine medienhistorische Kompetenz einzubringen und das Zweitgutachten zu erstellen. Das Exzellenzcluster der Universität Konstanz hat in generöser Manier die finanziellen Mittel zur Durchführung meiner Forschung und für den Druck dieses Buchs bewilligt.

    Sehr geholfen hat mir der damalige Archivar der Deutschen Welle, Wolfram von Juterczenka (†), der mir einen umfassenden Zugang zu den Archiven des Senders ermöglicht hat, sowie seine Nachfolgerin, Dr. Cordia Baumann. Gedankt sei auch den ehemaligen und aktiven Mitarbeitern der Deutschen Welle, mit denen ich Interviews führen konnte: Klaus Schütz (†), Dr. Dieter Weirich, Botho Kirsch, Werner Bader (†), Hans-Jürgen Pickert, Hendrik Böhme, Manfred Böhm und Verica Spasovska. Botho Kirsch hat mir darüberhinaus sein umfangreiches Privatarchiv zur Verfügung gestellt. Stets hilfsbereit waren auch die Mitarbeiter des Bundesarchivs in Koblenz und in Berlin-Lichterfelde, des Politischen Archivs im Auswärtigen Amt, der Archive der Stasi-Unterlagen-Behörde und des Deutschen Rundfunkarchivs in Frankfurt und Potsdam.

    Ohne die anregenden Gespräche mit meinem Mann Ulrich Gotter und seine stete Bereitschaft, konstruktive Kritik am entstehenden Text zu üben, wäre diese Arbeit nie in dieser Form fertig geworden. Ihm kann ich für seine Hilfe und seinen Rückhalt gar nicht genug danken. Ein ganz besonderer Dank gilt auch meinen Eltern, Annelie und Dieter Hagedorn, die mich in jeglicher Hinsicht unterstützt haben und stets bereit waren, sich ihren beiden Enkelkindern zu widmen, um mir den nötigen Freiraum zu verschaffen. Und nicht zuletzt gilt der Dank auch meinen beiden Kindern Felix und Clara selbst, die mich durch ihre positive Energie motiviert und mir durch ihren legitimen Wunsch, möglichst viel Zeit mit mir zu verbringen, zu großer Arbeitsdisziplin verholfen haben. Dieses Buch ist daher meiner Familie gewidmet.

    Thoiry, im Januar 2016 Anke Hagedorn

    1 Einleitung

    Am 3. Mai 1953 ging der deutsche Auslandssender DEUTSCHE WELLE (DW) erstmals auf Sendung. Seine Hauptaufgabe, so Bundespräsident Lübke zum 10-jährigen Bestehen der DW 1963 sei es, »in der Welt wieder um Vertrauen und Freundschaft zu werben. Dazu bedurfte es einer besonders sorgfältigen und überlegten Interpretation des deutschen Standpunkts nach draußen. […] Allein die sachliche Information über die Wirklichkeit in unserem Land konnte dazu beitragen, daß im Bewußtsein anderer Völker nach und nach ein von Verzerrungen freies Bild der Bundesrepublik und ihrer Zielsetzungen entstand.«¹ Der Auszug aus der Rede Lübkes zeigt das Spannungsfeld, in dem sich die DW von Anfang an befand: Sie sollte sowohl dem ethischen Grundsatz eines unabhängigen sachlichen Journalismus genügen als auch der Forderung nach positiver Werbung für die junge Bundesrepublik nachkommen.

    Damit nahm die DW von Anfang an eine funktionale Zwitterstellung ein. Erklärbar ist diese nur durch die besonderen historischen Kontexte, denen sie ihre Entstehung verdankt: Die Abgrenzung zum Propagandafunk der NS-Zeit, die Teilung Deutschlands und der Kalte Krieg bilden den Rahmen, in dem sich der Sender entwickelte. So ist die DW das Ergebnis mehrerer Konfliktlinien: Sie war einerseits das Produkt eines Machtkampfes um die Rundfunkhoheit zwischen der Bundesregierung und den Landesrundfunkanstalten, die unterschiedliche Konzepte einer neuen Medienlandschaft in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vertraten. Gleichzeitig war die DW ein Kind des Kalten Krieges: Sie entstand in einer Phase massiver Abgrenzungsbemühungen der jungen Bundesrepublik gegenüber der DDR sowie dem übrigen Ostblock und hat ihre Rolle dementsprechend definiert. Der Kampf um die Lufthoheit mit anderen ausländischen Medien im Ostblock führte zu einer raschen Ausweitung des Programms, der Sendekapazität und der Sendesprachen: 1964 sendete die DW bereits in 23 Sprachen; 1966 wurden die osteuropäischen Programme nochmals ausgeweitet. Dieser Einsatz zeigte ganz offensichtlich Wirkung: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges waren die Sendungen der DW vor allem der russischen Führung ein Dorn im Auge. Sie ging mit Störsendern gegen die »imperialistische Propaganda« vor.²

    Die Gradwanderung der DW zwischen den Ansprüchen und Erwartungen der Bundesregierung an den Auslandsfunk sowie dem allgemeinem Verständnis von journalistischer Eigenständigkeit spiegelt sich auch in der rechtlichen Stellung und der institutionellen Anbindung des Senders: Kennzeichnend für die Struktur der DEUTSCHEN WELLE ist die ungenaue Definition ihrer Aufgaben und ihrer Rechte im Verhältnis zur Bundesregierung. Erst 1960, mit der Verabschiedung des Bundesrundfunkgesetzes (BrfG) wurde die DW gleichzeitig mit dem deutschen Langwellensender DEUTSCHLANDFUNK (DLF) zu einer eigenständigen Institution. Aufgabe der DW war laut BrfG »den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland« zu vermitteln und ihnen die »deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen« darzustellen und zu erläutern«³; der DLF sollte »Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland« veranstalten. Es war also von Anfang an klar, dass beide Sender im europäischen Sendegebiet in Konkurrenz zueinander treten würden. Das wurde besonders deutlich, als die DW erste Vorbereitungen zur Ausstrahlung eines Osteuropa-Programms in den entsprechenden Sprachen traf. Erst 1975 wurden die osteuropäischen Sendungen zwischen beiden Sendern so aufgeteilt, dass es keine Doppelungen mehr gab. Eine endgültige Lösung des Problems wurde nach dem Mauerfall erreicht, als die DW 1993 als nunmehr einziger Sender nach Bundesrecht die Fremdsprachen-Programme des DLF übernahm ebenso wie den DDR-Auslandssender RADIO BERLIN INTERNATIONAL (RBI) und das Fernsehprogramm des US-Senders RIAS, das sie ab 1992 als DW-TV weiterführte.

    Nach außen hin zählte die DW zu den Gewinnern der Wende: Sie stand nun auf zwei Standbeinen. Wenig später kam mit dem Online-Angebot ein weiteres hinzu. Damit ergab sich auch die Notwendigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung. Doch erst 1997 wurde nach kontroversen Debatten zu Fragen des Programmauftrags, der Finanzierung und der Regierungsnähe bzw. -ferne der DW das »Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts Deutsche Welle« (DWG) verabschiedet. Doch weder der technische und personelle Ausbau noch das neue DW-Gesetz konnten die Frage nach der Rollenbestimmung des Senders befriedigend beantworten. Kennzeichnend für die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist ein konstanter Sparzwang, der nicht nur zur Einstellung mehrerer Fremdsprachenprogramme, sondern auch praktisch der gesamten Radiosparte inklusive des deutschen Programms als eines der wichtigsten Standbeine des Senders führte. Sechzig Jahre nach ihrer Gründung sind die Auswirkungen der strukturellen Konstruktionsfehler sowie der unklaren Rollendefinition noch immer zu spüren.

    Die Frage, ob die DEUTSCHE WELLE im 21. Jhdt. überhaupt noch gebraucht wird, hat durch das Aufbrechen alter Ost-West Konfliktlinien sowie durch die Entstehung neuer weiträumiger kultureller Konflikte in den vergangenen Jahren allerdings eine erneute Aktualität bekommen. So sieht es der derzeitige Intendant Peter Limbourg als eine wesentliche Aufgabe der DW an, der Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die vor allem über den mehrsprachigen Fernsehkanal RUSSIA TODAY in Europa verbreitet wird, künftig stärker Paroli zu bieten.⁴ Dabei setzt der Sender vor allem auf das Internet, nachdem das russische Radioprogramm 2011 eingestellt wurde.⁵ Im November 2014 wurde ein DW-Korrespondentenbüro in Kiew eröffnet, das Beiträge auf Deutsch, Englisch, Russisch und Ukrainisch für DW-TV und das Internet liefert.

    Dies hat dazu geführt, daß sich offenbar auch die Bundesregierung ihrer Rolle als Krisen- und Kompensationsfunk auch und gerade gegenüber der einseitigen russischen Berichterstattung im mehrsprachigen Fernseh-und Onlineprogramm von RUSSIA TODAY über die Krise in der Ukraine bewusst geworden ist: Im Dezember 2015 fasste der Bundestag einen Entschluss, der dem Sender erstmals eine langfristige Finanzierungsgarantie sowie eine weitere Aufstockung des Etats zusichert. Nachdem die DW jahrzehntelang mit Budgetkürzungen kämpfen musste, steht nun offenbar wieder die Grundsatzfrage im Raum, »wie konkurrenzfähig Deutschlands Auslandsrundfunk sein soll – gerade in Zeiten, in denen viele andere Staaten massiv in ihre Auslandsmedien investieren«.

    1.1 Die Forschungslage

    Zur Entstehung und Entwicklung des Rundfunks in Deutschland sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Arbeiten aus historischer, medienwissenschaftlicher und soziologischer Perspektive erschienen.⁷ Neben grundlegenden Werken, die die Gesamtentwicklung in Deutschland beleuchten⁸, befassen sich andere Publikationen je nach Ausrichtung schwerpunktmäßig mit der technischen Entwicklung des Mediums Radio/Fernsehen⁹ oder mit seiner historischen und gesellschaftspolitischen Bedeutung.¹⁰ Außerdem haben sich in den letzten Jahren auch immer mehr Forschungsprojekte mit der Entwicklung einzelner Rundfunkanstalten befasst.¹¹ Über die DEUTSCHE WELLE gibt es keine Arbeit, die sowohl die Gründungsgeschichte als auch die weitere Entwicklung bis in die heutige Zeit unter Berücksichtigung der jeweiligen politischen Kontexte analysiert. Der Forschungsstand zur DW bietet ein recht disparates Bild: In allgemeinen Werken zur Mediengeschichte wird die DEUTSCHE WELLE wenn überhaupt nur in wenigen Zeilen erwähnt.¹² Ausführlicher behandelt wurde bislang nur die Gründungsgeschichte des Senders durch Rolf Steininger in seiner Dissertation aus dem Jahr 1971.¹³ Einen längeren Bericht über diese Zeit liefert ebenfalls der ehemalige DW-Mitarbeiter Hanns Werner, der sich allerdings in weiten Teilen auf Steininger stützt.¹⁴ Einen Überblick über die Entstehung der DW gibt auch der ehemalige Intendant Walter Steigner.¹⁵ Einige Hinweise über die Einrichtung von Sendungen für Südeuropa bei der DW finden sich in Roberto Salas Studie über die Entstehung der Gastarbeitersendungen in der ARD. Sein eigentlicher Fokus liegt allerdings auf den Landesrundfunkanstalten.¹⁶ Mit der weiteren Geschichte des Senders befassen sich einige kürzere Publikationen zu diversen Jubiläen der DW.¹⁷

    Die Rolle der DEUTSCHEN WELLE während des Kalten Krieges ist ebenfalls nicht umfassend untersucht:¹⁸ Mit Inhalt und Funktion der osteuropäischen Sendungen der DW befassen sich Dirk Klapperich (2006) und der ehemalige Redaktionsleiter, Botho Kirsch (2007).¹⁹ Klapperichs Untersuchung beschränkt sich allerdings auf die Zeit von 1975 bis 1990, und so bleiben wichtige Phasen der DW-Geschichte unterbelichtet. Botho Kirschs Werk »Ein Fass Honig und ein Löffel Gift« ist eine aus der persönlichen Erfahrung des Autors heraus geschriebene Sammlung von Begebenheiten aus seiner Zeit bei der DW. Das Verhältnis zwischen DW und anderen Ostblocksendern wie RADIO BERLIN INTERNATIONAL (RBI) und RADIO MOSKAU ist bisher nur kurz angerissen worden.²⁰ Mit der Entwicklung des Senders nach 1989 beschäftigt sich Inga Hoff im Rahmen ihrer 2011 veröffentlichten Diplomarbeit über die Integration Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung durch das ZDF, das DEUTSCHLANDRADIO und die DW.²¹ Die Folgen der Wiedervereinigung für die DEUTSCHE WELLE schildert sie dabei auf lediglich elf Seiten, die Übernahme des ehemaligen DDR-Auslandssenders RADIO BERLIN INTERNATIONAL auf nur zwei Seiten.²² Mit der Rolle der DW nach der Wende hat sich auch der damals amtierende Intendant Dieter Weirich in zwei Aufsätzen befasst.²³

    Während es zahlreiche Arbeiten zum Thema Medien und Politik im Allgemeinen gibt²⁴, hat die Beziehung zwischen Auslandsrundfunk und Politik in Deutschland bislang in der Forschung keine größere Rolle gespielt.²⁵ In den Werken, die sich mit der politischen Funktion des Auslandsfunks im Allgemeinen befassen, wird die DW neben zahlreichen anderen Sendern betrachtet und daher nicht sehr eingehend untersucht. So betrachtet Willi Boelcke in seiner umfangreichen Monographie über Weltpolitik und Auslandsfunk von 1977 sämtliche größere Auslandssender weltweit und bezieht neben dem Kalten Krieg auch die Zeit des Nationalsozialismus ein, so dass die Rolle der DW keinen größeren Raum einnehmen kann.²⁶ In einer Studie von Anita Mallinckrodt aus dem Jahr 1980, die sich mit der Selbstdarstellung der beiden deutschen Staaten im Ausland beschäftigt und das Konzept der »Image-Bildung« als Instrument der Außenpolitik analysiert, wird auch die Rolle internationaler Medien (darunter die DW) untersucht.²⁷ Aufgrund der Fülle der Bereiche, mit denen sich die Autorin befasst, ist ihre Analyse der DEUTSCHEN WELLE allerdings ebenfalls sehr oberflächlich geraten. Die politische Funktion von Auslandsfunk steht auch im Mittelpunkt der Arbeit von Bernd Köhler (1988).²⁸ Die DW wird aber auch hier als ein Sender unter vielen behandelt und nur an einzelnen Punkten als Beispiel herangezogen. Die Dissertation beginnt mit einem kurzen historischen Abriss über die Geschichte des Auslandsrundfunks, stellt jedoch keine empirische Untersuchung seiner Funktion im Wandel der Zeit dar. Vielmehr versucht der Autor dessen Rolle zu definieren, indem er verschiedene Aspekte isoliert, wie etwa das Hörerverhalten oder die kommunikativen und interaktiven Aspekte zwischen den am Auslandsrundfunk Beteiligten. Im Anschluss daran werden die Funktionen des Auslandsrundfunks in diverse Kategorien unterteilt und einzelne politische Aspekte des Programminhalts untersucht.

    Das Verhältnis zwischen DEUTSCHER WELLE und DEUTSCHLANDFUNK wird in der Monographie des DLF-Redakteurs Frank Capellan über die Entstehung und Entwicklung des Senders ausführlicher behandelt. Im Vordergrund steht allerdings stark die Perspektive des DEUTSCHLANDFUNKS. Daher beruht diese Arbeit im Wesentlichen auf den Archivbeständen des DLF sowie auf einzelnen den DLF betreffenden Quellen aus dem Bundesarchiv sowie aus dem Archiv des Bundestages und des Bundesrates. Andere Quellen zum Verhältnis DW/DLF, etwa aus dem Politischen Archiv des AA, die für diese Frage sehr aufschlussreich sind, wurden nicht berücksichtigt.

    Die Rolle und die Entwicklung von DW-TV beleuchten zwei neuere Studien aus den Jahren 2000 und 2008.²⁹ Die Zukunft der DEUTSCHEN WELLE im Allgemeinen wird in einer vergleichenden Studie aus dem Jahr 2000 thematisiert, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hat.³⁰ Darin wird allerdings eher summarisch die Rolle des Auslandsrundfunks in Großbritannien, den USA, Frankreich und den Niederlanden und Deutschland nebeneinandergestellt, eine tiefergehende Analyse liefert die rund 80-seitige Publikation nicht.

    Mehr Beachtung als ihre historische Entwicklung hat in der bisherigen Forschung die Frage nach der rechtlichen Stellung der DW gefunden. Mit der Selbstdarstellung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland durch den Rundfunk als Problem des Staats- und Völkerrechts hat sich Wolf Dieter Remmele befasst.³¹ Dem Problem der verfassungsrechtlichen Verortung der DW widmen sich zwei juristische Dissertationen neueren Datums sowie ein Rechtsgutachten, das von der DW in Auftrag gegeben wurde.³²

    1.2 Der Forschungsansatz

    Betrachtet man die Forschungslage zur DW insgesamt, so fällt auf, dass sich kaum genuin historische Arbeiten finden, die die Geschichte der DEUTSCHEN WELLE und ihre politischen Kontexte in einem zeitübergreifenden Längsschnitt verbinden. Die vorliegende Arbeit geht von der Prämisse aus, dass die Betrachtung diachroner Zusammenhänge einerseits das Wesen und die Eigenheiten der DW deutlicher beleuchten kann, und anderseits die weitaus leistungsfähigere Möglichkeit darstellt, den Ist-Zustand des Senders zu erklären. So lässt sich die Besonderheit der DEUTSCHEN WELLE im nationalen und internationalen Rahmen weder aus der synchronen Einordnung in die Medienlandschaft noch durch Sendervergleiche mit anderen Auslandssendern herleiten. In diesem Sinne versteht sich die vorgelegte Arbeit als durchaus traditionelle Institutionengeschichte, die den Rundfunksender aufs Engste an seine spezifischen politischen Rahmenbedingungen zurückbindet.

    Ziel der Arbeit ist es, einen Beitrag zur diachronen Mediengeschichte der Bundesrepublik zu leisten. Dabei sollen einerseits die Gründungsgeschichte und die Veränderungen des Senders im Kontext der Föderalismusdebatte in der Bundesrepublik und vor dem Hintergrund des Kalten Krieges sowie andererseits die Entwicklung der DW nach der Wende analysiert werden. Auf diese Weise soll präziser bestimmt werden, wie und auf welchen Ebenen Politik und deutscher Auslandsrundfunk interagierten.

    Methodisch reiht sich diese Untersuchung in den Bereich mediengeschichtlicher Forschungsarbeiten ein, deren Zahl in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.³³ Dieses Gebiet wird von verschiedenen Disziplinen bearbeitet: Neben der Geschichtswissenschaft wird die Mediengeschichte vor allem von der Kommunikationswissenschaft und der Medienwissenschaft untersucht sowie darüber hinaus von der Soziologie und der Politikwissenschaft. Dabei differieren die Forschungsansätze bei allen Disziplinen stark, was erklärt, dass es – zumindest im deutschsprachigen Raum – nach wie vor nur wenige interdisziplinäre Arbeiten in diesem Bereich gibt.³⁴ Knut Hickethier unterscheidet bei der mediengeschichtlichen Forschung grundsätzlich vier verschiedene Schwerpunkte:³⁵

    Die Technikgeschichte des Rundfunks, die sich mit der technologischen Entwicklung des Mediums beschäftigt.

    Die Institutions- und Organisationsgeschichte, die die politischen, institutionellen, ökonomischen und medienrechtlichen Rahmenbedingungen analysiert und sich mit den Veränderungen in den Rundfunkanstalten als gesellschaftliche Institutionen und in der Medienpolitik befasst.³⁶

    Die Programmgeschichte, die Inhalte, Konzepte, Strukturen und Ziele von Radioprogrammen untersucht.

    Die Rezeptionsgeschichte, die die Wirkung des Radios auf seine Zuhörer und die Wechselwirkungen zwischen dem Zielpublikum und dem Radioprogramm betrachtet.³⁷

    Charakteristisch für den hier gewählten Ansatz einer Institutionengeschichte ist die diachrone Vorgehensweise, die im Bereich Medien – wie schon der Forschungsüberblick gezeigt hat – nicht selbstverständlich ist.³⁸ Neuere Arbeiten berücksichtigen auch zunehmend den politischen und gesellschaftlichen Kontext. So hatte Norbert Frei 1989 in seinem Plädoyer für ein interdisziplinäres Forschungsfeld im Rahmen der Presse-, Medien- und Kommunikationsgeschichte gefordert, die bis dato verbreitete »Historiophobie« in der Kommunikationswissenschaft zu überwinden und »die jeweilige politische und gesellschaftliche Situation als entscheidende Rahmenbedingungen von Massenkommunikation« zu begreifen, um so »erhebliche Beiträge nicht nur zur Kommunikations-, sondern auch zur Geschichtswissenschaft [zu] leisten«.³⁹ Ein weiterer Aspekt, dem sich die jüngere Forschung zugewandt hat, ist die wirkungsgeschichtliche Analyse, d. h. die Einbeziehung der Außenwahrnehmung der Rolle der Medien und ihrer Rezeption.⁴⁰

    Meine Leitfrage nach dem Verhältnis zwischen Politik und Rundfunk für den Fall der DEUTSCHEN WELLE stellt sich daher auf zwei Ebenen: Zum einen geht es um die Politizität der Institution selbst, zum anderen um die Politizität der öffentlichen Debatte über die DW und deren Selbstbeschreibung.⁴¹ So konzentriert sich die Arbeit einerseits auf die Rahmenbedingungen für die Entstehung und Entwicklung der DEUTSCHEN WELLE und fragt nach den politischen Einwirkungen auf diesen Prozess. Diesen Aspekt kann man unter dem Begriff ›Medienpolitik‹ subsumieren, den Hans-Jürgen Kleinsteuber als »politisch motiviertes und intendiertes Handeln« definiert, das sich auf die Organisation, die Funktionsweise, die Ausgestaltung und die materielle wie personelle Seite der Massenmedien bezieht.⁴² Auf der zweiten Ebene beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der politischen/öffentlichen Auseinandersetzung mit diesen Rahmenbedingungen. Immer wieder gab es Diskussionen um das Verhältnis der DW zur Regierung: Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Auslandsrundfunks als Staatssender bzw. als Propagandainstrument während der Weimarer Republik und der NS-Zeit war ein solches Konzept im Nachkriegsdeutschland nicht mehr denkbar.

    Wenn die Frage im Zentrum steht, inwieweit die Rollenbestimmung der DW vom jeweiligen gesellschaftspolitischen bzw. außenpolitischen Kontext abhängig war, liegt es nahe, die Geschichte der DW entlang den großpolitischen Sinneinheiten zu organisieren. Eine herausgehobene Rolle spielt dabei naturgemäß der Kalte Krieg. Die zweite Zäsur stellen der Fall der Mauer und die Entstehung einer neuen gesamtdeutschen Medienlandschaft in den 1990er Jahren dar. Eine umfassende Wirkungsanalyse, die auch Hörerforschungsergebnisse mit einbezieht, ist nicht beabsichtigt, da sie für die zentrale Fragestellung dieser Arbeit nicht relevant ist und aufgrund der besonderen Situation des Auslandsfunks ohnehin kaum belastbar wäre. Die Frage nach der Rezeption des Senders wird daher nur auf der Ebene von offiziellen Reaktionen auf die DW behandelt. In diesem Sinne sind die Reaktionen anderer Auslandssender und insbesondere derjenigen von Sendern aus den Ostblockstaaten für die Frage nach der Außenwahrnehmung der Rolle des Senders einschlägig und werden in der Analyse berücksichtigt. Insofern leistet diese Arbeit auch einen Beitrag zur transnationalen Rundfunkgeschichte, da gerade die Entwicklung des Auslandsrundfunks wie es auch Potter formuliert, »not as a begnin story of the flow of ideas and influences from country to country and their integration into an egalitarian new order, but as a field of geopolitical contest« anzusehen ist.⁴³

    1.3 Begriffsklärung

    In dieser Arbeit wird von einem engen Medienbegriff ausgegangen. Die DW wird dabei als Medieninstitution im Sinne von Ulrich Saxers Definition von Medien als »komplexe[n] institutionalisierte[n] Systeme[n] um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« verstanden.⁴⁴ Institutionalisierung versteht Saxer dabei in dem Sinne, dass Medien als »relativ dauernde gesellschaftliche Regelungsmuster, die auf Sinndeutungen basierend und vielfach mit materiellem Substrat ausgestattet, durch Begründung korrespondierender Erwartungen und Verhaltungsweisen die Befriedigung wichtiger menschlicher Bedürfnisse sicherstellen«.⁴⁵ Auch Patrick Donges begreift Medien in Anlehnung an Saxer »als Institutionen im Sinne dauerhafter Regelsysteme […], die a) normative Erwartungen schaffen, b) Mechanismen für ihre Durchsetzung beinhalten, c) Akteure konstituieren und d) bei bestehenden Organisationen Wahrnehmung, Präferenzbildung und Strukturen beeinflussen«.⁴⁶ Donges geht es jedoch primär um die Wirkung von Medien als Institutionen auf Organisationen: »Medienkommunikation konstituiert und transformiert das Handeln von Akteuren ebenso wie ganzer Teilsysteme durch die Allokation von Sinn. Sie strukturiert die Wahrnehmung von Akteuren ebenso wie ihre Präferenzen.«⁴⁷ In dieser Arbeit geht es allerdings um die andere Seite der Medaille: nicht um den Einfluss der Medien auf die Politik im Rahmen einer Wirkungsanalyse, sondern um die Politisierung des Mediums selbst, also um das Medium als politisches Subsystem.⁴⁸ Mit dieser Frage haben sich in jüngster Zeit Daniel C. Hallin und Paolo Mancini beschäftigt und argumentiert, dass das Mediensystem eines Landes eng mit dessen politischer Kultur und dem politischen System zusammenhängt.⁴⁹ So unterscheiden sie drei Modelle: ein »mediterranes« oder polarisiert pluralistisches Modell, in dem politische Konfliktlinien sich im Sinne eines »political parallelism« im Mediensystem spiegeln; ein »nordeuropäisches« oder demokratisch korporatives Modell, bei dem sich die Presse von den Parteien gelöst hat und der öffentliche Rundfunk eine tragende Rolle spielt; und ein »nordatlantisches« bzw. liberales Modell, bei dem die Medien vorwiegend kommerzialisiert und politisch neutraler als in den anderen Ländern sind.⁵⁰ Die DEUTSCHE WELLE wäre zwar grundsätzlich, und dies ist nicht sehr verwunderlich, dem nordeuropäischen Modell zuzuordnen – allerdings zeigt sich an ihr zugleich der Grenznutzen dieser Grobkategorisierung. Denn gerade für die DW stellt sich die Frage, inwieweit, innerhalb des Modells, der Einfluss von gesellschaftlichen Pressuregroups bzw. von administrativen Institutionen reichen konnte. Daher steht die Frage nach der Einwirkung von Politik auf die Institution DEUTSCHE WELLE sowie die nach ihrem Selbstverständnis vor dem Hintergrund bestimmter gesellschaftspolitischer Konstellationen im Zentrum dieses Buches. Dabei werden mehrere Analyseebenen verknüpft. Es geht zum einen um die strukturelle Entwicklung des Senders: Wie hat sich die Institution DEUTSCHE WELLE konstituiert? Welche Prämissen haben dabei eine Rolle gespielt? Welche politischen Diskussionen haben die Entwicklung des Programms geprägt? In einem zweiten Schritt wird die Außen- sowie die Selbstwahrnehmung des Senders vor dem jeweiligen außen- wie innenpolitischen Kontext analysiert. Die Programminhalte spielen dabei nur insofern eine Rolle, als sie exemplarisch als Ausdruck des Selbstverständnisses des Senders herangezogen werden können. Technische Fragen wie der Ausbau der Sendestärke und der Sendereichweite insbesondere durch die Errichtung von Relaisstationen werden ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkt ihrer politischen Bedeutung analysiert.

    Die Frage der Außenperspektive auf die DW hängt eng mit der Frage zusammen, inwiefern diese als Propagandainstrument verstanden wurde. Der Begriff ›Propaganda‹ ist für die Grundproblematik dieser Arbeit insofern ein interessantes Werkzeug, als er sowohl Aussagen über Kommunikationstechniken als auch über das Verhältnis zwischen Medien und dem Staat ermöglicht. Erschwert wird die Debatte allerdings dadurch, dass ›Propaganda‹ für die politischen Akteure stets ein normativer Begriff war. In den westlichen Staaten war diese Bezeichnung grundsätzlich negativ konnotiert, weil sie mit faschistischer bzw. kommunistischer Meinungsmache, »mit Lüge, Verführung, Manipulation«⁵¹ assoziiert wurde. Auch wenn Bundeskanzler Konrad Adenauer die Darstellung der Regierungspolitik durchaus gelegentlich als ›Propaganda‹ bezeichnete⁵², wurde für die eigene politische Werbung in Analogie zu unternehmerischer Werbung generell lieber von Öffentlichkeitsarbeit oder ›Public Relations‹ bzw. in jüngerer Zeit von ›Public Diplomacy‹ gesprochen.⁵³ In sozialistischen Staaten hingegen wurde Propaganda als positive Verbreitung der eigenen politischen Ideologie verstanden und mit »Aufklärung und politischer Schulung« gleichgesetzt.⁵⁴ Der Propaganda-Begriff wurde also ganz unterschiedlich verwendet: Aus westlicher Perspektive diente er vor allem der Abgrenzung zum Medienverständnis der Staaten des Ostblocks und der Sowjetunion: ›Die machen Propaganda, wir betreiben freie Berichterstattung‹.⁵⁵

    Will man den Begriff dennoch analytisch verwenden, ist eine klare Definition unabdingbar. Doch diese hat ihre Tücken: So ist meines Erachtens die klassisch gewordene Begriffsbestimmung von Gerhard Maletzke aus dem Jahr 1972, der Propaganda als »geplante Versuche, durch Kommunikation die Meinungen, Attitüden, Verhaltensweisen von Zielgruppen unter politischer Zielsetzung zu beeinflussen« verstehen will, zu amorph.⁵⁶ Denn damit müsste man gerade in einer Konstellation wie dem Kalten Krieg praktisch jede Form der Massenkommunikation unter den Begriff ›Propaganda‹ subsumieren. Daher greift auch Christian Michaleks Abgrenzung zwischen ›Propaganda‹ und ›Public Diplomacy‹ zu kurz: Michalek geht allein von den Inhalten aus: So basiere Propaganda meist auf falschen Tatsachen oder Verzerrungen der Realität, während ›Public Diplomacy‹ den »aufrichtigen Umgang mit Nachrichten« pflege und darauf achte, nicht ins Unwahre abzugleiten, da »nur der geringste Verdacht von Propaganda« die über Jahre aufgebaute Reputation nachhaltig schädige.⁵⁷ Die Annahme einer rein auf wahren Tatsachen aufgebauten ›Public Diplomacy‹ wirkt doch etwas naiv. Entscheidender für eine Abgrenzung der beiden Begriffe erscheint mir die Frage nach den Durchsetzungsmechanismen. So hat Klaus Arnold zu Recht darauf hingewiesen, dass der Versuch, ›Propaganda‹ nur nach ihren Zielen zu definieren, nicht ausreichend ist: »Zu viele verschiedene Kommunikationsformen können dann Propaganda sein oder auch nicht.«⁵⁸ Er verweist auf den französischen Soziologen Jacques Ellul, der den exklusiven und totalitären Charakter von ›Propaganda‹ betont habe: »Propaganda kreiert einen Mythos, der jede Abweichung ausschließt und in seinen Ansprüchen und Auswirkungen letztendlich totalitär ist.«⁵⁹ ›Propaganda‹ in diesem Sinne meint also nicht nur die Generierung von politischen Positionen in der Berichterstattung durch Anstöße aus der nicht-journalistischen Sphäre, sondern die Erzeugung und gegebenenfalls Durchsetzung von Kohärenz. Dergleichen ist eng mit dem politischen System verbunden und lässt sich nur mit entsprechenden Institutionen durchsetzen. Daher müssen meines Erachtens noch als weitere differenzierende Kriterien die institutionell verankerte staatliche Lenkung, die regelhafte und direkte Einflussnahme auf die vermittelten Inhalte sowie die Zensur als wesentliche Merkmale von Propaganda miteinbezogen werden.⁶⁰ Dies bedeutet eine Medienkontrolle, die abweichende Stimmen nach Möglichkeit verhindert und auch Sanktionen im Falle eines nicht-konformen Verhaltens verhängt.⁶¹ Diese Merkmale treffen aber so auf die Medienrealität in den westlichen Ländern nicht zu, obgleich diese Werbung für ihre eigene Position gemacht haben. Roberto Salas Forderung, man müsse im Kontext des Kalten Krieges den Begriff ›Propaganda‹ für beide Seiten gelten lassen, erscheint mir daher nicht sehr sinnvoll zu sein.⁶² Und auch Frank Schumachers Definition des Kalten Krieges als ›Propagandakrieg‹ führt zu weit. Er geht davon aus, dass nachdem ein militärischer Konflikt durch die gewaltige Aufrüstung beider Lager als realistische Möglichkeit ausgeschieden war, »die Kontrahenten die Auseinandersetzung fast völlig auf die symbolische, d. h. die propagandistische Ebene« verlagert hätten.⁶³ Dem muss entgegengehalten werden, dass nicht jede politische Auseinandersetzung zwischen verschiedenen ideologischen Positionen ein ununterscheidbarer Propagandakrieg ist.

    Wenn auch der Begriff der ›Propaganda‹ im Hinblick auf eine Analyse der Rolle der DEUTSCHEN WELLE also auf den ersten Blick nicht sehr zielführend zu sein scheint, so kann er durchaus dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf den Grad von Vielstimmigkeit bzw. Nicht-Vielstimmigkeit in den für den Sender zuständigen staatlichen Institutionen bzw. den DW-Gremien selbst lenken – und damit auch auf die Voraussetzungen, durch die diese Vielstimmigkeit erzeugt wird. Aus dieser Perspektive lässt sich die Geschichte der DW als Abfolge von Perioden unterschiedlicher normativer Kohärenz bzw. Differenz beschreiben. Die inhaltliche Übereinstimmung der vertretenen Positionen mit denjenigen der Bundesregierung bzw. deren Widersprüchlichkeit reflektiert dann auf die jeweils spezifischen diskursiven Rahmenbedingungen, die offensichtlich phasenweise erfolgreicher Kohärenz erzeugten als zu anderen Zeiten. Legt man den Grad der Kohärenz bzw. Inkongruenz als Analyseparameter an, ergibt sich eine Binnendifferenzierung in diachroner oder thematischer Hinsicht für das Meinungsspektrum innerhalb der DW.

    Das angloamerikanische Konzept von ›Public Diplomacy‹ hat Christian Michalek in seiner Studie von 2009 versucht, auf die DEUTSCHE WELLE zu übertragen.⁶⁴ Michalek untersucht das »Spannungsverhältnis zwischen dem journalistischen Anspruch der bei der Deutschen Welle tätigen Journalisten und der Rolle, die dem Auslandssender als Public Diplomacy‹ –Instrument von der politischen Arena – zugeschrieben wird.«⁶⁵ ›Public Diplomacy‹ begreift er dabei im Sinne der Definition von Hans N. Tuch als »governments process of communicating with foreign publics in an attempt to bring about understanding for its nation’s ideas and ideals, its institutions and culture, as well as national goals and current policies«.⁶⁶ Es geht also um die Außendarstellung eines Staates, mit dem Ziel die Bevölkerung/Regierungen in anderen Ländern im Sinne der eigenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Prioritäten zu beeinflussen. Die Akteure können laut Michalek sowohl Mitglieder der Regierung bzw. regierungsnaher Institutionen als auch von unabhängigen und privaten Organisationen sein, wobei sich bei letzteren die Frage stellt, inwieweit diese sich tatsächlich im Sinne der Regierung äußern. Zur Beschreibung der Art und Weise, wie die Kommunikation erfolgt, gibt es zwei Ansätze: Der eine geht von einer einseitigen Verbreitung von Informationen ohne Rücksichtnahme auf mögliche Rückkopplungen aus (›Top-Down‹- oder ›One-Way-Strategie‹); der andere von einer wechselseitigen Kommunikation, bei der auch Rückmeldungen von Adressaten miteinbezogen werden (›Two-Way-Modell‹⁶⁷). Michalek folgt dem zweiten Ansatz. Als Kommunikationskanäle dienen dabei sowohl die Massenmedien als auch persönliche Kontakte. Der Autor geht allerdings kaum auf die Entwicklung der DW impolitischen Kontext ein, sondern prüft vor allem die Anwendbarkeit des Konzepts der ›Public Diplomacy‹ auf die jetzige Situation und das jetzige Selbstverständnis des Senders. Dabei stützt er sich auf das Deutsche-Welle-Gesetz von 2004, die Aufgabenplanung des Senders von 2007 bis 2010 sowie die dazu abgegebenen Stellungnahmen von Bundesregierung und Bundestag sowie Interviews mit Vertretern des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) und des Auswärtigen Amtes sowie mit zwei Mitarbeitern der DW. Michalek kommt auf dieser Basis zu dem Ergebnis, dass die DEUTSCHE WELLE selber sich heute vor allem als Informationsvermittlerin im Sinne einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung und weniger als Repräsentantin des Staates versteht, während die Bundesregierung eine konträre Auffassung vertritt und in der DW in erster Linie ein Werbeinstrument in eigener Sache sieht.⁶⁸

    Das Konzept der ›Public Diplomacy‹ ließe sich durchaus an der historischen Entwicklung der DEUTSCHEN WELLE durchspielen, wobei im Unterschied zum Ansatz von Michalek, der sich nur auf wenige offizielle Quellen bzw. Aussagen beruft und auch nur die jüngste Vergangenheit des Senders berücksichtigt, deutlich mehr Quellen mit einbezogen und mit den jeweiligen außenpolitischen Prioritäten der Bundesregierung von der Gründung bis heute abgeglichen werden müssten. Dabei stehen zwei Grundsatzfragen im Vordergrund:

    Wie sah es mit dem Selbstverständnis der DW in den Anfängen des Senders aus?

    Hat dieses Selbstverständnis sich vor dem Hintergrund bestimmter politischer Konstellationen wie der Zeit des Kalten Krieges verändert?

    Nur so kann bestimmt werden, inwieweit die DW sich tatsächlich als Instrument der ›Public Diplomacy‹ verstanden hat, und in wieweit die Regierung versucht hat, sie in diese Rolle zu drängen. Interessant ist dabei vor allem die Frage, wo es zu Brüchen/Spannungen in dieser Hinsicht kam.

    1.4 Die Quellen

    Basis für diese Arbeit sind in erster Linie Primärquellen aus den Sender- bzw. Landes- und Bundesarchiven. Einbezogen wurden darüber hinaus Äußerungen über den Sender in wichtigen in- und ausländischen Medien sowie Hörerreaktionen. Informationen aus erster Hand konnten durch die Befragung ehemaliger Mitarbeiter des Senders gewonnen werden.

    Diese Interviews erheben nicht den Anspruch, eine repräsentative Sicht auf die Entstehung und Entwicklung der DEUTSCHEN WELLE zu erlauben. Sie dienen vielmehr einer punktuellen Erhellung einzelner neuralgischer Punkte der Sendergeschichte, insbesondere in Bereichen, wo es keine oder kaum andere Quellen gibt. So wurden die Akten zu RADIO BERLIN INTERNATIONAL (RBI) weitgehend vernichtet bzw. nicht systematisch archiviert, so dass die Befragung ehemaliger Mitarbeiter von RBI und des zur Zeit der Wende amtierenden Intendanten Dieter Weirich wertvolle Einblicke auf die Umstände und die besonderen Herausforderungen der Übernahme von RBI durch die DW ermöglichten. Die Interviews mit dem ehemaligen Intendanten des Senders, Klaus Schütz, dem ersten Leiter des deutschen Programms, Werner Bader, dem ehemaligen Leiter des Westberliner DW-Studios, Hans-Jürgen Pickert sowie mit dem ehemaligen Leiter des Osteuropa-Programms, Botho Kirsch, dienten dazu, das Selbstverständnis von leitenden Mitarbeitern des Senders in Bezug auf die Rolle der DW in der besonderen Situation des Kalten Krieges zu erhellen. Der bis September 2013 amtierende Intendant der DW, Erik Bettermann, war leider zu keinem Interview bereit. Die Perspektive der Bundesregierung hat Dr. Matthias Buth erläutert, der bis März 2012 beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien das Referat »Deutsche Welle, Mediales, Deutschlandbild, und kulturelle Förderung von Migranten« geleitet hat.⁶⁹

    Als Interview-Form wurde diejenige des qualitativen Interviews gewählt, das sich durch Offenheit und eine weitgehende Nicht-Standardisierung der Befragungssituation auszeichnet:⁷⁰ Das Interview verfolgt ein bestimmtes Thema, ist aber weder in seinen Fragen noch im Ablauf festgelegt, so dass die Antworten der Befragten weder eingeengt noch präjudiziert werden. Dadurch können subjektnahe Einblicke in die Erlebniswelt der Befragten ermöglicht und auch neue, nicht vorhersehbare Erkenntnisse gewonnen werden. Da es sich um unterschiedliche Aspekte desselben Grundproblems, nämlich des Verhältnisses der DEUTSCHEN WELLE zur Bundesregierung bzw. zu deren außenpolitischen Prioritäten handelte, wurde die besondere Form des problemorientierten (qualitativen) Interviews gewählt, das dazu dienen soll, das betreffende Problem aus Sicht und Erleben der befragten Person zu erfassen.⁷¹ Dabei wurden für jedes Interview individuelle Fragen entwickelt, die sich eng an das jeweilige Verhältnis des Interviewpartners zur DW anlehnten. Diese wurden im Verlauf des Interviews im Sinne einer prozessorientieren Vorgehensweise teilweise modifiziert oder ergänzt, beispielsweise durch Verständnisfragen, bei denen ausweichende, verbergende, stereotypisierende oder oberflächliche Antworten aufgebrochen und hinterfragt werden konnten. Alle Interviews wurden direkt mit den Gesprächspartnern geführt und mittels MP3-Rekorder aufgezeichnet. Diese Aufnahmen wurden anschließend verschriftlicht, und die für die Fragestellung der Arbeit relevanten Informationen bzw. Einschätzungen herausgefiltert, so dass in der Arbeit nur kurze Ausschnitte der Interviews in Form von Zitaten auftauchen.

    Was die schriftlichen Quellen betrifft, so besitzt die DEUTSCHE WELLE anders als andere große deutsche Sender wie der WDR, der BR oder der DLF im Prinzip kein eigenes historisches Archiv. Nur vereinzelte Texte sowie Publikationen zu den Jubiläen des Senders, Programmzeitschriften und hausinterne Publikationen sind im Bonner Funkhaus einsehbar. Die DW selber bewahrt nach eigenen Aussagen den Sender betreffendes Material nur zehn Jahre lang auf, danach werden alle Unterlagen, die für den laufenden Geschäftsbetrieb nicht mehr benötigt werden, an das Bundesarchiv (BArch) in Koblenz weitergeleitet.⁷² Die Personalakten ehemaliger Mitarbeiter sind allerdings nicht darunter. Erst nach längeren Diskussionen erklärte sich die DW bereit, Einsicht in Akten zu gewähren, die nicht mehr dem Datenschutz unterliegen. Allerdings erwies sich der Bestand als recht dünn. Die Erforschung einer möglichen Vorbelastung einzelner leitender DW-Mitarbeiter oder von Mitgliedern der DW-Gremien war daher nur bruchstückhaft möglich. Dennoch konnten durch biographische Angaben aus Universitätsarchiven, dem Document Center in Berlin (heute Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde)⁷³ sowie im Jahr 2007 freigegebene CIA-Akten aus dem Nationalarchiv in Washington neue Erkenntnisse zu den Vorwürfen einer Gestapo-Mitarbeit des ersten Intendanten der DW, Hans Otto Wesemann, sowie zu den Ermittlungen der Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen gegen den ersten Leiter der Osteuropa-Programme der DW, Edmund Iwan Kirchner, und zur NS-Vergangenheit von DW-Gremienmitgliedern gewonnen werden.

    Die meisten schriftlichen Quellen, die die Entstehung und weitere Entwicklung des Senders betreffen, liegen im Bundesarchiv in Koblenz und bilden eine wichtige Grundlage für den ersten Teil dieser Arbeit.⁷⁴ Nachdem die DW einen uneingeschränkten Zugang zu ihren Aktenbeständen genehmigt hat, konnte ich auch Material neuesten Datums einsehen. So kann im Rahmen dieser Arbeit erstmals eine Analyse relevanter Quellen für die Zeit zwischen 1960 und 1999 vorgelegt werden. Ähnliches gilt für die die DW betreffenden Quellen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA): Dieses Material gibt zum einen Anhaltspunkte für einen möglichen Zusammenhang zwischen den außenpolitischen Prioritäten der Bundesregierung und der Entwicklung der Fremdsprachenprogramme der DW. Zum anderen zeigt es, wie konträr sich die Position der Bundesregierung, speziell des AA, in bestimmten außenpolitischen Konfliktsituationen gegenüber der DW dargestellt hat und welche Auffassung sich jeweils am Ende durchgesetzt hat. Bei der Auswahl der Fallbeispiele, die im Folgenden ausführlicher behandelt werden, habe ich mich folgerichtig am Auftreten bzw. der Dynamik der Konflikte zwischen AA und DW orientiert.

    Eine spannende subjektive Sicht auf die Gründungsphase der DW bietet das Tagebuch des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Dr. Otto Lenz (CDU), der sich sehr intensiv mit Rundfunkfragen und insbesondere mit der Errichtung eines Auslandssenders befasst hat. Dieses Tagebuch ist 1989 im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung in einer kommentierten Fassung herausgegeben worden. Zahlreiche Quellen, die die osteuropäischen Programme der DW betreffen, befinden sich im Privatarchiv des ehemaligen langjährigen Leiters der russischen Abteilung der DW, Botho Kirsch, der diese Materialien freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

    Daneben stützt sich die Arbeit auf eine Reihe von gedruckten bzw. online verfügbaren Quellen: Dazu gehören die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, die online für die Jahre 1949 bis 1965 zugänglich sind, die stenographischen Berichte der Verhandlungen des Deutschen Bundestags und des Bundesrates sowie die Drucksachen dieser beiden Institutionen, das BULLETIN der Bundesregierung, der BUNDESANZEIGER⁷⁵ und die Parteipublikationen wie der Informationsdienst der CDU/CSU, der DEUTSCHLAND-UNION DIENST (DUD) bzw. sein Nachfolger UNION IN DEUTSCHLAND (UID)⁷⁶ und der SOZIALDEMOKRATISCHE PRESSEDIENST. Aufschlussreiche Angaben zu den Prioritäten der deutschen Außenpolitik lassen sich den »Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland« (AAPD) entnehmen, die in gedruckter Form bislang für die Jahre 1949 bis 1953 sowie 1963 bis 1972 vorliegen.

    Des Weiteren wurden zahlreiche Presseartikel über die DW sowie Manuskripte öffentlicher Reden von leitenden DW-Mitarbeitern und Politikern ausgewertet. Zusätzlich wurden Audio-Materialien genutzt. Im Vergleich zum sehr bescheidenen Print-Archiv ist das Audio-Archiv der DW deutlich umfangreicher: DW-Sendungen aus der Anfangsphase des Senders sowie zu historisch relevanten Anlässen wurden im Sender selber archiviert, zum Teil auch digitalisiert, weiteres Material befindet sich im Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt.

    1.5 Fragestellungen und Aufbau

    Im Mittelpunkt der Arbeit steht das zentrale Problem der Verschränkung von Auslandsfunk als außenpolitischem Instrument und der eigenen bzw. öffentlichen Erwartungshaltung an Journalisten und Journalismus. Für die DEUTSCHE WELLE war diese doppelte Erwartungshaltung von Anfang an ein Balanceakt: Bereits in der Gründungsphase des Senders hatte die Bundesregierung an ihrem Anspruch, auf den Sender und mittels des Senders auf die Öffentlichkeit Einfluss auszuüben, keinen Zweifel gelassen. Die Idee eines reinen Staatsfunks erwies sich aber gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen der NS-Zeit als unmöglich, entsprechend reklamierte die DW für sich einen unabhängigen Status analog der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten. Diese Forderung wurde von der Opposition und der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unterstützt. Gleichzeitig verwies insbesondere die Regierung immer wieder auf den Sonderstatus des Auslandsfunks. Aus dieser Zwitterstellung ergibt sich die zentrale Frage dieser Arbeit: Wie organisiert sich das Verhältnis zwischen Auslandssender und Regierung in einer langfristigen Perspektive?

    Die Beziehung der DEUTSCHEN WELLE zur Politik lässt sich dabei im Wesentlichen auf drei Ebenen analysieren: zunächst auf der Ebene des Einflusses politischer Ereignisse auf die Struktur des Senders und dessen Sendeverhalten; sodann auf der Ebene der Personalentscheidungen und deren organisatorischem Hintergrund; schließlich auf der Ebene der normativen Differenzbildung entlang (partei)politischer Trennlinien. Diese Fragestellungen werden diachron vor dem Hintergrund bestimmter außenpolitischer Krisensituationen durchgespielt: So befasst sich Kapitel 2 mit dem Gründungsgeschehen der DEUTSCHEN WELLE. Gemäß dem Bekunden der maßgeblich Beteiligten ging es nach 1945 darum, der jungen Bundesrepublik eine Stimme im Ausland zu verleihen, mit dem Bild der Kriegstreibernation zu brechen und Werbung für ein neues, friedliches Deutschland zu machen. Für diese Selbstdarstellung war die Fiktion einer Stunde Null geradezu essentiell. Zu überprüfen ist allerdings, ob und inwieweit die Abgrenzung zum Auslandsfunk während der NS-Zeit auch tatsächlich vollzogen und wie mit personellen Altlasten umgegangen wurde.

    Auf einer zweiten Ebene soll die Bedeutung der innenpolitischen Diskussionen für die Ausgestaltung der DW analysiert werden: Vordergründig argumentierte die Regierung Adenauer mit dem Bedürfnis, sich in der westlichen Welt wieder allmählich als gleichberechtigter Gesprächspartner zu etablieren und der anti-westdeutschen Propaganda der Ostblock-Sender entgegenzuwirken. Angesichts des raschen Auf- und Ausbaus der Rundfunklandschaft im Ostblock konnte diese Perspektive in der Tat einige Plausibilität beanspruchen. Doch drängt sich zugleich die Frage auf, ob die außenpolitischen Herausforderungen von der Regierung Adenauer nicht auch als willkommenes Argument genutzt wurden, um über eine Art Regierungssender die Verfügungsmacht über den Rundfunk zurückzugewinnen, die einerseits die Alliierten innehatten und andererseits nun auch die Landesrundfunkanstalten für sich reklamierten.

    Eine entscheidende Rolle für die weitere Entwicklung und auch für die Wahrnehmung der Funktion der DEUTSCHEN WELLE spielte zweifelsohne der besondere Kontext des Kalten Krieges, dessen Auswirkungen auf die DW in Kapitel 3 betrachtet werden: Inwieweit hat sich der Ost-West-Konflikt auf das Selbstverständnis der DW und auf das Verständnis der Bundesregierung von ihrer Funktion ausgewirkt? Wie ist ihre Rolle in den Sendegebieten wahrgenommen worden? Gleichwohl ist auf der konkreten Ebene fraglich, inwieweit die DW in die ideologische Auseinandersetzung des Ost-West-Konflikts eingebunden worden ist, bzw. sich als »Apparat des Kalten Krieges in der Bundesrepublik« hat instrumentalisieren lassen.⁷⁷ Ernst Nolte zufolge hat der gesamte Apparat der Bundesregierung und der Länderregierungen im Dienst des Kalten Krieges gestanden. Nolte unterscheidet, je nachdem wie direkt der Bezug und die Wirkungsmacht im Rahmen des Kalten Krieges ist, zwischen fünf Ringen, wobei die staatlichen Regierungsinstitutionen zum ersten gehören. Medien wie RADIO FREE EUROPE oder RADIO LIBERTY rechnet er zum zweiten Ring, während er die »normalen, nicht subventionierten Presseorgane« im vierten Ring ansiedelt.⁷⁸ Die DEUTSCHE WELLE erwähnt Nolte dabei interessanterweise nicht.

    Hier muss man also zum einen der Frage nachgehen, ob die DW von Seiten der Bundesregierung als eine ihrer Institutionen angesehen und etwa als verlängerter Arm des Auswärtigen Amtes eingesetzt worden ist, also eine Position zwischen dem ersten und dem zweiten Ring nach Noltes Definition eingenommen hat. Dabei soll zunächst die Motivation für die Einrichtung der einzelnen Fremdsprachenprogramme mit den außenpolitischen Prioritäten der Bundesregierung zu dieser Zeit abgeglichen werden: Inwieweit gab es Überschneidungen bzw. gar direkte Aufforderungen von Seiten des Auswärtigen Amtes an die DW, in einer bestimmten Region tätig zu werden? Zum anderen gilt es herauszuarbeiten, wie die DW ihre Rolle vor dem Kontext des Kalten Krieges selber verstanden hat. Sah sie sich als Instrument der Gegenpropaganda? Wie haben die Fremdsprachenprogramme ihre Aufgabe definiert? Besonders aufschlussreich ist in dem Zusammenhang das Selbstverständnis der Osteuropa-Redaktionen.

    Die Frage nach dem Selbst- und dem Fremdverständnis ist für die DW schwerer zu beantworten als für die BBC, die bis April 2014 vom Foreign Office finanziert wurde und aufgrund des kolonialen Hintergrunds auch eine recht klar umrissene Zuhörerschaft hat. Das Zielpublikum der DW hingegen war von Anfang an sehr heterogen und ist daher viel schwerer fassbar. Hinzu kommt ihre unklare institutionelle Zuordnung und Finanzierung, so dass ihre Aufgabe letztlich immer eine Aushandlungssache zwischen verschiedenen Akteuren blieb: dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium sowie den verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Vertretern in den DW-Gremien. Damit ist der Sender auch ein eindrucksvolles Beispiel für das besondere Verständnis von der politischen Bedeutung einer medialen Institution wie der DW, die immer wieder als ›Wurmfortsatz‹ momentaner Politikübung erscheint.

    Die Staatsnähe der DW ist auch jenseits des Kalten-Krieg-Szenarios ein Schlüsselthema der Arbeit. In Kapitel 3.4 werden die Selbst- wie die Außenwahrnehmung der DW vor dem Hintergrund einzelner politischer ›Krisensituationen‹ wie dem Militärputsch in Griechenland 1967, der Entführung eines deutschen Arztes im Tschad 1974 oder massiven Drohungen von Seiten der amharischen Regierung gegenüber den in Äthiopien ansässigen Deutschen 1975 analysiert. Die Frage, was von der DW in solchen Situationen erwartet wurde, und wie sie sich verhalten hat, lässt Rückschlüsse auf ihre Handlungsspielräume bei der Zunahme von außen- wie innenpolitischem Druck zu. Gleichzeitig wird damit das Problem einer möglichen Instrumentalisierung von innen zum Thema. So wurde nicht nur einzelnen Osteuropa-Programme vorgeworfen, sie würden im Dienste einer bestimmten politischen Gruppierung stehen: Während des Obristenputsches in Griechenland wie bei der Krise in Äthiopien hieß es, der Sender habe die Rolle einer Stimme der Opposition eingenommen. Im Fall der Entführung im Tschad hat sie sich sogar zum Sprachrohr der Entführer machen lassen. Der Sender selber hat jedoch eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes stets weit von sich gewiesen. Inwieweit es bei der DW selber Widersprüche bei der Definition der eigenen Rolle gab, gilt es daher ebenfalls zu analysieren.

    Dass der Hintergrund des Kalten Krieges zweifelsohne eine essentielle Rolle für die Definition der Rolle der DW gespielt hat, ist unbestreitbar. Daher entstand mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der deutschen Wiedervereinigung für die DW – weitaus stärker als für andere Medieninstitutionen – ein geradezu existenzieller Druck, sich neu positionieren. In diesem Sinne geht Kapitel 5 der Frage nach, wie diese Neuorientierung konkret stattgefunden und wie stabil die neue Selbstbeschreibung war. Ob und inwieweit es der DW gelungen ist, ein stringentes Konzept zu entwickeln, das ihr langfristig einen ähnlichen Stellenwert zusichert wie etwa der BBC, oder ob der ›große Wurf‹ ausgeblieben ist, ist Gegenstand des abschließenden Ausblicks.


    ¹ DEUTSCHE WELLE (1963), Vorwort von Bundespräsident Heinrich Lübke, ohne Seitenabgaben.

    ² Burmester (1983), 44f.

    ³ §1 Abs. 1 und 2 »Gesetz über die Einrichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts«.

    ⁴ RT ist seit November 2014 mit einem deutschen Webportal vertreten, auf dem Nachrichten aus russischer Perspektive in deutscher Sprache verbreitet werden. Dabei möchte man nach eigenen Angaben ganz bewusst eine andere Sichtweise als westliche Medien bieten. Vgl. Neuerer, Dietmar: Pläne des Intendanten. Deutsche Welle soll Anti-Putin-Sender werden. In: HANDELSBLATT v. 24. 09. 2014;

    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/plaene-des-intendanten-deutsche-welle-soll-anti-putin-sender-werden/10749874.html, (Stand 28. 8. 2015)

    ⁵ Neben dem russischen und ukrainischen Online-Angebot der DW gibt es ein russisches Fernsehmagazin, daß über Youtube verbreitet wird sowie seit 01/2014 ein ukrainisches TV-Magazin, das ein Mal pro Woche über zwei ukrainische Privat-Sender ausgestrahlt wird.

    ⁶ So der aktuelle DW-Intendant Peter Limbourg in einem Interview mit der FAZ vom 20. 12. 2014. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/deutsche-welle-intendant-peter-limbourg-im-interview-13329723-2.html, (Stand: 28. 8. 2015)

    ⁷ Eine umfassende – allerdings zuletzt im Februar 2010 aktualisierte – Online-Bibliographie zum Thema Radio findet sich bei Frank Schätzlein (Red.): www.frank-schaetzlein.de.

    ⁸ Dussel (2004); Krug (2010).

    ⁹ So z. B. Rindfleisch1985; Hagen (2005); Riegler (2007).

    ¹⁰ Vgl. Leonhard (1997); Donges (2002); Marchal (2004) und Koch/Glaser (2005).

    ¹¹ Vgl. u. a. Steininger (1972); die weitere Entwicklung stellt Frank Capellan 1993 dar. Zur Geschichte des NDR vgl. v. Rüden/Wagner 2005 sowie Wagner (2008); zur Geschichte des SWF/ SWR siehe Friedrich (1991) sowie Fritze 1992; zur Geschichte des ZDF siehe Weinheimer (1979); Prüsse (1997); Kain (2007). Die BBC als Faktor der nationalen Identität in Großbritannien von 1922 bis 1953 hat Hajkowski (2010) behandelt; die Rolle der BBC im Empire von 1922 bis 1970 hat Potter (2012) analysiert.

    ¹² Lerg/Steininger (1975); Witte (1999), 1102–1139; Wilke (1999); Meyn (2004); Dussel (2004); ausführlicher zu den Anfängen des Senders Bausch (1980), der aber vor allem Steininger (1972)

    ¹³ referiert. Steininger (1972).

    ¹⁴ Werner (1976).

    ¹⁵ Steigner (1970).

    ¹⁶ Die Untersuchung erschien zunächst in einer kürzeren Fassung nur online: Sala, Roberto: »Gastarbeitersendungen« und »Gastarbeiterzeitschriften« in der Bundesrepublik (1960–1975) – ein Spiegel internationaler Spannungen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 2/3 (2005), URL: www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Sala-3-2005, und 2011 dann als umfassende Studie: Sala (2011).

    ¹⁷ Diese wurden zum Teil vom Sender selber herausgegeben: »Deutsche Welle 1953–1963«; »25 Jahre Deutsche Wele«; »30 Jahre Deutsche Welle«, »50 Jahre Deutsche Welle«.

    ¹⁸ Einige Bemerkungen dazu gibt es bei Burmester (1983).

    ¹⁹ Kirsch (2007).

    ²⁰ Vgl. Burmester (1983) sowie Mallinckrodt (1980). Ausführlicher wird auf das Verhältnis DW/RBI in der unveröffentlichten Magisterarbeit von Michael Prempert zur Übernahme von Radio Berlin Intenrational durch die DW (1992) sowie in der ebenfalls unveröffentlichten Magisterarbeit von Claus Röck Radio Berlin International (1996) eingegangen.

    ²¹ Hoff (2011).

    ²² Dabei findet weder eine Auswertung des umfangreichen Aktenmaterials aus dem Bundesarchiv über diesen Vorgang noch über dessen Bedeutung innerhalb des gesamten Wiedervereinigungsprozesses statt. Ähnliches gilt für die Übernahme der Fremdsprachensendungen des DLF durch die DW die nur auf einer Seite kurz angerissen wird. Über die weitere Entwicklung der DEUTSCHEN WELLE nach der Wiedervereinigung gibt Inga Hoff ebenfalls nur einen groben Überblick.

    ²³ Weirich (1993) und Weirich (1997).

    ²⁴ Vgl. u. a. Lerg (1975); Schulz (1997); Rössler/Schatz/Nieland (2002); Arnold (2010).

    ²⁵ Eine Ausnahme bildet Michalek (2009), der sich mit der Anwendbarkeit des angloamerikanischen Konzepts der ›Public Diplomacy‹ auf die DW befasst hat.

    ²⁶ Boelcke (1977).

    ²⁷ Mallinckrodt (1980).

    ²⁸ Köhler (1988).

    ²⁹ Baschang (2000) und Kleinsteuber (2008), 451–478, speziell zur Wahrnehmung von DW-TV in den USA.

    ³⁰ Groebel (2000).

    ³¹ Remmele (1979).

    ³² Pieper (2000); Schmidt-Husson (2006); Dörr (1998), (2000a) und (2000b).

    ³³ Einen Überblick über Qualifikationsarbeiten im Bereich Mediengeschichte gibt Crivellari (2004), 10.

    ³⁴ Zum Verhältnis von historischer Medienwissenschaft und Medien untersuchender Geschichtswissenschaft vgl. ebd., 9–45.

    ³⁵ Hickethier (2002), 179ff.

    ³⁶ Vgl. Lerg (1970); Bausch (1980).

    ³⁷ Marßolek/v. Saldern (1998); Falkenberg (2005).

    ³⁸ Als methodische Parallele zur Medieninstitutionengeschichte wird neuerdings auch auf die Unternehmensgeschichte verwiesen: Wagner (2006), 39–59; Hickethier (2002), 171–188.

    ³⁹ Frei (1989), 102.

    ⁴⁰ Vgl. Frei (1986); Schmitz (1988); Potter (2012).

    ⁴¹ Zum Begriff der Politizität vgl. Busshoff (1993), 108f.

    ⁴² Kleinsteuber (2005), 93–116.

    ⁴³ Potter (2012), 2.

    ⁴⁴ Saxer (1980), 532.

    ⁴⁵ Ebd.

    ⁴⁶ Donges (2006), 563. In der amerikanischen Literatur ist die Charakterisierung von Medien als Institutionen gebräuchlicher. Vgl. Sparrow (1999) sowie Cook (2006), 159–171.

    ⁴⁷ Donges (2006), 568.

    ⁴⁸ Zum Verhältnis von Medien und Politik vgl. auch Arnold/Classen (2010).

    ⁴⁹ Hallin/Mancini (2006).

    ⁵⁰ Hier zu vgl. auch Donges (2006), 569.

    ⁵¹ Ebd., 155.

    ⁵² Vgl. Hoffmann (1995), 1f.

    ⁵³ Nach Maletzke unterscheiden sich PR und Propaganda zum einen dadurch, dass Propaganda nur unter politischer Zielsetzung erfolge, Public Relations hingegen in ihren Zielen breiter zu fassen seien. Zum anderen liege bei Public Relations der Akzent mehr auf der Image-Pflege sowie auf dem Schaffen und Erhalten von Goodwill, als dies bei Propaganda der Fall sei. Maletzke (1974), 159.

    ⁵⁴ Bussemer (2005), 26.

    ⁵⁵ Vgl. dazu auch Arnold (2003), 63.

    ⁵⁶ Maletzke (1972), 156.

    ⁵⁷ Michalek (2010), 155.

    ⁵⁸ Ebd., 67.

    ⁵⁹ Ebd.

    ⁶⁰ So hatte bereits Carl Friedrich 1957 auf das Nachrichtenmonopol und die Ideologie als wichtige Faktoren von Propaganda hingewiesen. Vgl. Friedrich 1957, 15. Niklas Luhmann hat Ideologien als Teil des politischen Systems definiert. Vgl. Luhmann (1970), 192. Klaus Arnold hat diese beiden Ansätze auf den Begriff der Propaganda übertragen: »Propaganda schränkt als eine Steuerungsstrategie des Politiksystems das Öffentlichkeitssystem oder bestimmte Organisationen in diesem System in ihrer Autonomie durch strikte strukturelle Kopplungen stark ein, bzw. hebt die Autonomie auf. Strukturelle Kopplungen zwischen Politik und Wissenschaftssystem in der Form von Ideologien beeinflussen wiederum die Kopplung zwischen Politik und Öffentlichkeitssystem und schränken dieses noch weiter ein.« Arnold (2003), 79.

    ⁶¹ So betont auch Arnold: »Mit der Propaganda hebelt die Politik die Unabhängigkeit des Journalismus aus. Nun bestimmt nicht mehr der Journalist, was eine Nachricht wert und wie diese zu kommentieren ist, sondern die Politik.« Arnold (2004), 15.

    ⁶² »Gemeint ist Propaganda nach außen (in fremden Staaten) sowie nach innen (im eigenen Gebiet), von westlicher sowie östlicher Seite. Es lässt sich in vielerlei Hinsicht eine Symmetrie von Propaganda im Kalten Krieg feststellen, denn beide verfeindeten Seiten folgten einer ähnlichen Logik«. Sala (2011), 31. Ähnlich hat zuvor schon Mertens argumentiert, der Propaganda rein aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive analysiert und als einen auf Machtbildung orientierten Kommunikationsprozess definiert hat. Merten (2000), 161.

    ⁶³ Schumacher (2000), 11.

    ⁶⁴ Michalek (2009).

    ⁶⁵ Michalek (2010), 149.

    ⁶⁶ Tuch (1990), 3.

    ⁶⁷ Vgl. Zöllner (2006), 13.

    ⁶⁸ Michalek (2010), 162.

    ⁶⁹ Zuständig für die DW ist mittlerweile das Referat K31: »Internationale Zusammenarbeit im Medienbereich Deutsche Welle; Rundfunk«.

    ⁷⁰ Vgl. Witzel (1982).

    ⁷¹ Witzel (1989), 227-256.

    ⁷² Vgl. Interview mit dem DW-Archivar Wolfram v. Juterczenka im Juli 2010.

    ⁷³ Das BDC war unmittelbar nach Kriegsende von der US-Armee in Berlin als Sammellager von beschlagnahmten Dokumenten aus der NS-Zeit zur Vorbereitung der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse und der Entnazifizierung errichtet worden. Erst nach langjährigen Verhandlungen konnte das Bundesarchiv 1994 das BDC aus US-amerikanischer Verwaltung als Außenstelle Berlin-Zehlendorf übernehmen. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Berlin 1995 wurde dieses Material in den Bestand des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde integriert, das mit den Abteilungen R (Deutsches Reich), DDR (Deutsche Demokratische Republik) und SAPMO (Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR) die Quellen über die jüngere Vergangenheit Deutschlands verwaltet.

    ⁷⁴ BArch Koblenz, Bestand B 187 »Deutsche Welle« sowie die Bestände des BKA in B 136 und des BPA in B 145. Größere Teile dieser Quellen wurden bis zum Jahr 1960 von Steininger für seine Dissertation aus dem Jahr 1971 gesichtet und verwendet. Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Berlin 1995 mit den Abteilungen R (Deutsches Reich), DDR (Deutsche Demokratische Republik) und SAPMO (Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der

    ⁷⁵ DDR). Der BUNDESANZEIGER ist ein vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenes Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan. Neben amtlichen Veröffentlichungen (Verkündungen und Bekanntmachungen) des Bundes und vor allem der Bundesministerien und weiteren Bundesbehörden ist der Bundesanzeiger Pflichtorgan für gerichtliche, gesellschaftsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Bekanntmachungen sowie für die gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichung der Rechnungslegungsunterlagen aller offenlegungspflichtigen Unternehmen.

    ⁷⁶ UNION IN DEUTSCHLAND (UID) ist ein aus dem DEUTSCHLAND-UNION-DIENST (DUD) hervorgegangener Informationsdienst für aktive Parteimitglieder, der seit 1949 von der CDU-Bundesgeschäftsstelle herausgegeben wurde und über die politische Arbeit in den verschiedenen Parteigremien berichtete. Der UID diente bis 1998 primär zur Hintergrundinformation für Mandats- und Funktionsträger der Partei, zielte dann aber verstärkt auf die Information aller Parteimitglieder. Die letzte gedruckte Fassung erschien als Nummer 3 am 17. 11. 2009.

    ⁷⁷ Nolte (1974), 402ff.

    ⁷⁸ Ebd., 409ff.

    2 Die schwere Geburt der Deutschen Welle

    2.1 Die Anfänge des Auslandsrundfunks

    Die Funktion des Auslandsfunks war von Anfang an eine eminent politische.⁷⁹ Anders als beim Inlandsfunk stand nicht die Unterhaltungsfunktion im Vordergrund, sondern die Idee eines identitätsstiftenden Mediums, das die kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten pflegte und so eine Brücke zu den Landsleuten in aller Welt darstellte.

    Bei den europäischen Kolonialmächten war der Auslandsrundfunk zunächst ein Kolonialfunk: Es ging darum, per Funk eine Verbindung zwischen dem Mutterland und den Kolonien herzustellen. Daher wurden die Sendungen nur in der jeweiligen Vaterlandessprache ausgestrahlt. Der erste reguläre Auslandsdienst entstand 1927 in den Niederlanden, die Firma Philips begann in Eindhoven mit Kurzwellen-Versuchssendungen. Noch im gleichen Jahr wurde der 35 kW-Sender nach Hilversum verlegt, wo schließlich das Zentrum des Niederländischen Rundfunks entstand. 1929 begann in Huizen die PHILIPS OMROEP HOLLAND-INDIE mit ihren Sendungen, wobei der Name schon die Zielsetzung der Sendungen nannte, nämlich eine Radioverbindung zur damaligen Kolonie Niederländisch-Ostindien herzustellen. Die Entfernung von rund 16.000 km stellte damals eine außerordentliche Herausforderung an die neue Technik dar. Es standen dafür zwei Sender mit je 24 kW und ein Sender mit 10 kW zur Verfügung.⁸⁰

    Die BRITISH BROADCASTING COMPANY (BBC) erhielt im Mai 1926 die Erlaubnis zur Aufstellung eines Kurzwellen-Versuchssenders mit maximal 20 kW Leistung auf dem Borough Hill bei Daventry. Aus Geldmangel begannen die Kurzwellensendungen aber erst im November 1927, und dann unter Nutzung eines 7 kW-Senders in Chelmsford/Essex. Die technische Qualität dieser Sendungen war zunächst nicht sehr überzeugend. Vor allem in den Zielgebieten Indien und Australien konnten die Programme nur zeitweise empfangen werden.

    Am 19. Dezember 1932 nahm der BBC EMPIRE SERVICE über zwei neue Sender mit je 15 kW Leistung seinen regulären Sendebetrieb auf. Das Programm richtete sich ausschließlich in englischer Sprache an Hörer in den britischen Kolonien, Protektoraten und Mitgliedsländern des Commonwealth, the »men and women, so cut off by the snow, the desert, or the sea, that only voices out of the air can reach them«⁸¹, wie es König Georg V. in seiner ersten königlichen Weihnachtsansprache formulierte. Britische Auswanderer und Anhänger der Krone sollten mit Hilfe des Auslandsrundfunks in einem ständigen Kontakt mit dem Mutterland gehalten werden: »It sought to promote enthusiams at home for Britain’s imperial role, and to link Britons in these islands with a wider British diaspora in the ›white settler dominions‹ of Canada, Australia, New Zealand, and South Africa.«⁸² Es gab kein Sonderprogramm, das speziell auf Hörer im Ausland zugeschnitten war; die rein englischsprachigen Sendungen bestanden zu einem Großteil aus Übernahmen aus dem Inlandsdienst.

    Der POSTE COLONIAL ging 1931 im Rahmen der Pariser Weltausstellung erstmals auf Sendung. Zielpublikum waren die Landsleute in den französischen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika. Erste Kurzwellensendungen aus Italien wurden von Prato Smeraldo in der Nähe von Rom ab 1930 ausgestrahlt. Hauptempfänger waren die Kolonialgebiete in Afrika.⁸³

    Abb. 1: Postkarte Poste Colonial

    (RFI)

    In Deutschland gab es bereits Mitte der zwanziger Jahre die ersten Ansätze für ein Rundfunkprogramm für Hörer im Ausland. Das Deutsche Reich hatte laut den Bestimmungen des Versailler Vertrags alle seine Kolonien verloren; dennoch oder gerade deswegen schien es umso wichtiger zu sein, den Kontakt zu den Landsleuten in diesen Gebieten, aber auch in anderen Ländern aufrecht zu erhalten und deren Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland zu stärken. Theodor Gustav Wanner, Gründer des Deutschen Ausland-Instituts entwickelte nach einer Reise durch die USA die Idee, dafür den Rundfunk zu nutzen.⁸⁴ Im März 1924 wurde auf seine Anregung hin die SÜDDEUTSCHE RUNDFUNK AG (SÜRAG) gegründet, dessen Aufsichtsratsvorsitzender er wurde.⁸⁵ Ab Herbst 1924 wurden über die SÜRAG erste wöchentliche Halbstundensendungen für das Ausland via Mittelwelle ausgestrahlt, ab Anfang Dezember gab es regelmäßige Nachrichtensendungen mit Meldungen aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten. Die Reichweite dieser Sendungen war aufgrund der Ausstrahlung über Mittelwelle allerdings recht begrenzt. Daher entwickelte Wanner die Idee einer Ausstrahlung von Programmen für Auslandsdeutsche über einen ›Weltsender‹ auf Kurzwelle vom neuen Stuttgarter ›Haus des Deutschtums‹ aus.⁸⁶ Allerdings wurden zunächst noch keine eigenen Sender für diese Programme gebaut, das ›Auslandsdeutschtum‹ aber blieb vorrangiges Argument für die Forderungen nach einem deutschsprachigen grenzüberschreitenden Kurzwellenprogramm.⁸⁷

    Erste Rundfunksendungen auf Kurzwelle wurden ab September 1926 von der als DEUTSCHLANDSENDER I bezeichneten Sendeanlage in Königs Wusterhausen bei Berlin ausgestrahlt. Diese Sendeanlage gehörte zu dem im August 1924 von Ernst Ludwig Voss gegründeten Hörfunksender DEUTSCHE WELLE GMBH. Eigentümer waren zunächst zu 70 % die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und zu 30 % das Land Preußen.

    Diese Funksendestelle war aber zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr erweiterungsfähig. So erteilte die Reichspost 1928 der

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