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Der Regent
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eBook347 Seiten4 Stunden

Der Regent

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Über dieses E-Book

Obwohl Ralf Berger zu einem der mächtigsten und reichsten Unternehmer der Welt aufgestiegen ist, hatte er es dennoch geschafft, unerkannt im Hintergrund zu bleiben. Bei seinem Versuch, zusammen mit einem mysteriösen Partner, eine friedliche und soziale Welt aufzubauen, stößt er auf heftigen Widerstand. Durch ihre Gier nach Profit und Macht bringen Konzernbosse und Politiker die Welt an den Abgrund eines Atomkrieges. Berger und seine Freunde kämpfen verzweifelt darum, die Katastrophe zu verhindern.
Korruption, pervertierter Lobbyismus, Profitgier, rücksichtslose Ausbeutung, das sind nur ein paar der negativen Schlagworte, die unsere heutige Welt prägen. In erschreckender Weise erlangen immer mehr Despoten und Größenwahnsinnige politische Macht. Selbst die letzten Präsidentschaftswahlen in den USA stellten doch nur eine abgefahrene Show von Milliardären dar. Unter den Wahlergebnissen hat die gesamte Weltbevölkerung zu leiden.
Im Rahmen der spannenden Geschichte des Protagonisten Ralf Berger beschreibt der Autor eine Welt, in der soziale Gerechtigkeit an erster Stelle steht.
Eine Welt, in der selbst Diktatoren gerechter regieren, als einige "demokratische" Regierungen in der heutigen Zeit.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Dez. 2019
ISBN9783750262287
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    Buchvorschau

    Der Regent - Roland Bochynek

    Prolog

    Im Südwesten Deutschlands, an der Südspitze der oberrheinischen Tiefebene gab es einen von der Sonne verwöhnten Landstrich, die Südpfalz. In mediterranem Klima eingebettet lag die Stadt Landau. Nicht weit entfernt führte ein schmales Sträßchen von der idyllischen Weinstraße Richtung Haardt, dem bis zu 670 Meter hohen Gebirgszug, der die Rheinebene im Westen begrenzte. Nur hin und wieder fuhr auf der Straße ein Fahrzeug. Es hatte den Anschein, dass dieser Weg hinter der nächsten Kurve in einem Weinberg endete. In Wirklichkeit führte er kurvenreich auf eine den Bergen vorgelagerte Anhöhe. Ein paradiesischer Fleck. Bei günstigem Wetter hatte man eine fantastische Aussicht. Sie reichte im Südosten bis zum Schwarzwald. Weiter nördlich erkannte man sogar im Hintergrund von Ludwigshafen den Odenwald.

    Das Plateau selbst bildete eine gepflegte, von Kastanienbäumen umgebene Parklandschaft. Unterhalb der Kastanien erstreckten sich Weinberge, die bis weit in die Ebene reichten. Ein herrlicher Ausblick. Mitten in der Anlage stand eine stattliche Villa. Ihr Äußeres schmiegte sich harmonisch in die Landschaft. Sogar die Nebengebäude passten sich optimal an die Umgebung an. Man konnte das Anwesen mit einem verstecken Raubvogelhorst vergleichen. Aus der Entfernung erkannte man die Villa kaum. Einer der vielen Sicherheitsfaktoren. „Protze nicht mit deinem Reichtum, dann kommt keiner auf die Idee, ihn dir wegzunehmen."

    Das Anwesen bildete im Großen und Ganzen den einzigen Luxus, den sich Berger gönnte. Dabei hätte er in jeder Provinz eine solche Residenz haben können ...

    In der Villa brannte nur in einem Zimmer Licht. Es war sechs Uhr morgens, das Personal würde erst in zwei Stunden den Dienst antreten. Berger, ein Frühaufsteher, nutzte gerne diese Zeit, um anstehende Arbeiten ungestört zu verrichten. Weder im Haus noch von außerhalb störte ihn jetzt jemand. Aber heute blieben einige Dinge liegen. Auf die üblichen Routinearbeiten konnte er sich nicht konzentrieren. Zu groß war seine Enttäuschung. In tiefer Nachdenklichkeit versunken saß er im Arbeitszimmer. Er betrachtete den einhundert Millimeter großen Würfel aus reinstem Silizium auf seinem Schreibtisch. Noch immer klangen ihm diese Worte in den Ohren: „Das Projekt ist gescheitert."

    Diese Worte hörte er gestern im Besprechungsraum der Firma Chip-Design in Dresden. Das gesamte Projektteam fand sich zur Besprechung ein. Die Leitung hatte Entwicklungsingenieur Eberhard Klein, einer der größten Kapazitäten auf dem Gebiet der Halbleitertechnik europaweit. Krisensitzung! Das Projekt trat auf der Stelle. Entsprechend deprimierend fiel Klein's Bericht aus. Bericht? Es klang eher wie ein Offenbarungseid. Auch sein Schlussvortrag hörte sich nicht besser an:

    „...Fassen wir zusammen: Die letzte Testserie ist abgeschlossen. Einen Monat lang haben wir das Objekt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln getestet, weitere Alternativen haben wir nicht. Es fällt mir schwer, es auszusprechen, aber das Projekt ist gescheitert. Nach unserem Kenntnisstand benötigen wir mindestens weitere zwanzig Jahre Grundlagenforschung. Vorher wird es nicht gelingen, einen Computer zu bauen, der auf Basis von Quantenverschränkungen funktioniert. Echte künstliche Intelligenz gibt es vorerst nicht. Den Blick auf Berger gerichtet fuhr er fort: „Ich weiß wie sehr Sie an dem Projekt hängen. Deshalb wird es nur ein schwacher Trost für Sie sein, dass wir aus dieser Forschung viele Erkenntnisse für die laufende Produktion erzielten. Die Investition, immerhin über eine Milliarde Euro, war somit nicht umsonst. Dank der großzügigen Forschungsgelder, die Sie uns bereitgestellt haben, ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nach wie vor bestens gesichert. Wenn Sie damit einverstanden sind, erkläre ich das Projekt für beendet. Ich werde die Teammitglieder den entsprechenden Abteilungen zuteilen, damit die hier gewonnenen Erkenntnisse in die Produktion einfließen. Berger blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Hier weiter zu forschen wäre Zeit- und Geldverschwendung. Immerhin konnte die Produktion der Halbleiter-Chips in der laufenden Fertigung erheblich optimiert werden. Das verschafft der Chip-Design einen gewaltigen Vorsprung vor der Konkurrenz. Trotzdem sah ihm jeder seine Enttäuschung an.

    Nach der Besprechung saßen Berger und Klein beisammen, um das weitere Vorgehen im Unternehmen abzustimmen. Er bat Klein darum, den letzten Siliziumquader zum Andenken mitnehmen zu dürfen. Er mag ja aussehen wie ein Briefbeschwerer, sicher einer der teuersten der Welt. Aber für Berger bedeutete er ein Mahnmal dafür, dass seine Fähigkeiten Grenzen hatten.

    Das endgültige Aus dieser Idee schmerzte ihn. Der Versuch, die Computerwelt zu revolutionieren war gescheitert. Er hätte das wissen müssen. Schon zu Beginn des Projektes stellte sich heraus, dass alle Informationen über Forschungserfolge in Sachen Quantencomputer, die seit Jahren immer wieder in den Medien erschienen, nicht das hielten, was sie versprachen.

    „Alle Forschungen im Quantenschaum waren Seifenblasen." Dieser Wortwitz machte schnell die Runde in seinem Forschungsteam. Hier zeigte sich das Dilemma der heutigen Forschungen. Weil die Wissenschaftler zu sehr am Tropf von Gönnern oder Investoren hingen, mussten auf Biegen und Brechen positive Ergebnisse vorgelegt werden. Die Angst vor gekürzten oder gar gestrichenen Forschungsgeldern verlieh vielen Forschern Flügel. Zumindest bei der Ausarbeitung ihrer Veröffentlichungen.

    Oft steckte nicht mal Absicht hinter solchen Pseudoerfolgen. Durch Erfolgszwang getrieben, wurden viele Forscher Opfer ihrer eigenen, allzu menschlichen Denkweise. Sie erkannten nicht, dass sie unbewusst ihre ganze Forschung nur darauf ausrichteten, ihre eigenen, vorgeformten Ideen zu bestätigen. Solches Scheuklappendenken führte dann häufig zu folgenschweren Fehlinterpretationen bei den Testergebnissen.

    Bestenfalls konnten die meisten 'sensationellen Forschungsergebnisse' dazu verwendet werden, um festzulegen, in welche Richtung man erst gar nicht mehr zu forschen brauchte. Letztendlich musste aber auch Bergers Team feststellen, dass sie die Grenzen der heutigen Technologie erreicht hatten. Man war zwar in der Lage, in den Makro-, und in den Nano-Kosmos einzugreifen, jedoch der subatomare Bereich bleibt uns noch auf Jahrzehnte verschlossen.

    Glücklicherweise stellte Berger die Chip-Design in Sachen Forschung anders auf. Hier akzeptierte man sogar solche Misserfolge. So wie bei allen Forschungsprojekten in Bergers Unternehmen, wurden auch die Ergebnisse dieses Projektes mit anderen Fachbereichen abgeglichen. Oft stellten sich dabei Fortschritte auf Gebieten heraus, an die man vorher gar nicht dachte. Das Projekt 'Quantencomputer' war wegen der Nebenergebnisse für das Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht erfolgreich. Aber für Berger bedeutete es aus Gründen eine Niederlage, die keiner im Forschungsteam ahnte.

    Ziemlich deprimiert begab er sich auf den Heimweg, wohl wissend, dass er die kommende Nacht nicht gut schlafen würde…

    Er nahm den Siliziumquader in die Hand, ein makelloser Kubus mit einer Kantenlänge von exakt einhundert Millimeter. Keine Kante wich mehr als zwei Nanometer von diesem Maß ab. Schon sein Äußeres glich einem Kunstwerk, dessen Herstellung ein Vermögen kostete. Die polierte Oberfläche strahlte in einem perfekten Glanz. Sie hätte es mit jedem astronomischen Teleskopspiegel aufnehmen können. Man sah dem Würfel nicht an, welche Anstrengungen unternommen wurden, um in seinem Inneren subatomare Vorgänge in vorgegebene Bahnen zu lenken. Es gab keine bekannte Technik oder Energieform, die man nicht dafür einsetzte. Alles war umsonst!

    War alles umsonst? War das das Ende? Hatte er die Spitze seiner 20-jährigen, ununterbrochenen Erfolgspyramide erreicht? Hatte er diesen speziellen Instinkt verloren? Die 'Begabung'? Seine Fähigkeit, die Entwicklung von wirtschaftlichen und finanziellen Ereignissen zu erahnen, ja nahezu vorherzusagen. Seit er sie vor über zwanzig Jahren bei sich entdeckte, hatte sie ihn nicht ein Mal im Stich gelassen. Es war ihm schon oft unheimlich, wie präzise diese 'Begabung' bei ihm funktionierte.

    Ein Konzernimperium hatte er damit aufgebaut, das die Welt noch nicht sah. Kaum ein Wirtschaftszweig, in dem nicht seine Unternehmen führend waren. Ohne Übertreibung durfte er sich DER Mega-Milliardär nennen, der reichste Mann der Welt. Aber von Anfang an hatte er die Fäden nur aus dem Hintergrund heraus gezogen. Kaum jemand kannte ihn, nur einer Handvoll ausgesuchter Menschen war Bergers Identität bekannt. In seinen Unternehmen spielte er immer nur den ständigen Unternehmensberater. Nur ein kleiner handverlesener Mitarbeiterkreis wusste, dass die Aktien des riesigen Unternehmens zu 100% ihm selbst gehörten. So hielt er sich die Medien vom Hals, außerdem ließ er damit direkte Angriffe von Gegnern und Konkurrenten ins Leere laufen.

    Rückblick

    Während er den Quader spielerisch in den Händen drehte, wanderten die Gedanken zurück zu den Anfängen. Er arbeitete als kleiner Sachbearbeiter in einem großen Konzern. Seine Aufgabe bestand darin, sich mit säumigen Kunden auseinanderzusetzen, um offene Forderungen zum Ausgleich zu bringen. Er war sehr erfolgreich bei dieser Arbeit. Keiner schaffte es so effizient wie er, sowohl Schulden einzutreiben, als auch zu erkennen, dass man nichts holen konnte, wo jeder Aufwand bzw. Rechtsstreit nur noch mehr Kosten produzieren würde. Damals war er von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugt, mehr nicht.

    Aber so oder so half ihm der Erfolg nicht weiter. Die Leistungen des ganzen Teams fanden keine Anerkennung beim Management. Es war total frustrierend, diese Ignoranz hinnehmen zu müssen. Typisch Konzernmanager! Niemand interessierte, wie viel Geld das Unternehmen tatsächlich einnahm. Es genügte, die Forderungen zu verbuchen. Der Betrag erschien damit in den Büchern. Unabhängig davon ob er eingenommen wurde oder nicht. Somit tauchte er in der Bilanz und letztendlich in den Prämien der Manager auf. Kontrolle durch Aufsichtsrat oder Aktionäre? Lachhaft! Solange der Vorstand den Aufsichtsgremien Riesenumsätze vorgaukelte und die Anteilseigner mit satten Dividenden verwöhnte, notfalls aus imaginären Rücklagen, war die Unternehmenswelt in Ordnung, was dann die Vorstandsprämie sicherte, selbst wenn die Pleite schon vor der Tür stand.

    „Bei objektiver Betrachtung ist eine Aktiengesellschaft doch nur ein Selbstbedienungsladen für Manager!", schimpfte Berger oft. Man konnte ihn zwar nicht als Kommunisten bezeichnen, aber er hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Es ging ihm gegen den Strich, wie rücksichtslos ausschließlich Profite zählten, selbst wenn diese nur auf dem Papier standen und kaum etwas mit den tatsächlichen Einnahmen zu tun hatten. Nicht von ungefähr platzten in regelmäßigen Abständen Finanzblasen, oft mit globalen Auswirkungen.

    Profitgier auf der einen, Menschenverachtung auf der anderen Seite. Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden wurden rücksichtslos ausgebeutet. Um sich nicht an diesen Umständen aufzureiben, kapselte Berger sich von seinem betrieblichen Umfeld ab. Er konzentrierte sich mit einer nahezu autistischen Fixiertheit auf die eigene Arbeit. Jedoch hielt seine Ehe dieser Belastung nicht stand. Die Scheidung war unumgänglich. Fast hätte er damals den Boden unter den Füßen verloren. Es erforderte ein hartes Training, bis es ihm gelang, seinen Lebensrhythmus neu zu finden, um in der Freizeit den Frust der Arbeit vollkommen auszuklammern. Mittlerweile beherrschte er diese Methode wie ein Roboter. Es kam ihm vor, als könnte er in seinem Kopf einen Schalter umlegen. Klick, Arbeit – klick privat. Lange Zeit lebte er so nach dem Prinzip Jekyll and Hyde, wie er es nannte.

    Alles änderte sich mit dem Besuch bei seinem alten Freund Heinz in Baden-Baden. Sie hatten gemeinsam ihre Ausbildung absolviert. Seit damals trafen sie sich regelmäßig zwei bis dreimal im Jahr. Dieses Mal sollte es ein ganz besonderes Wochenende werden. Heinz wollte sein neu erworbenes Single-Dasein feiern. Er hatte bei der Einladung schon so etwas angedeutet und bat darum, Anzug und Krawatte mitzubringen. Berger ahnte, was da auf ihn zukommen würde. Schon immer hatte Heinz davon geträumt, einmal im Casino Roulette zu spielen. Glücksspiel faszinierte ihn. Vor längerer Zeit zeigte er Berger Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die er erstellt hatte. Nur die panische Angst seiner Frau, dass Heinz dem Spieltrieb verfallen würde, hielt ihn bisher ab, sein System auszuprobieren. Aber jetzt, wo diese 'Bremse' auf und davon war, die Scheidung lief gerade, hielt ihn nichts mehr von seinem Vorhaben ab. Den ganzen Tag zitterte Heinz dem Ereignis entgegen. Stundenlang studierte er seine Berechnungen. Mit Berger diskutierte er immer wieder die Vorgehensweise. Er war davon überzeugt, dass er dem Zufall mathematisch Paroli bieten konnte. Sein halbes Leben und seine Ehe hatte er dieser Idee geopfert. Heute Abend würde er die Ernte einfahren. Nichts konnte seine Überzeugung erschüttern. Berger hatte es auch schon längst aufgegeben, ihn von dem Vorhaben abzubringen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

    Da standen sie in den altehrwürdigen Gemäuern des Casinos. Trotz des Anzuges fühlte Berger sich etwas deplatziert, während Heinz aufgeregt wie ein kleiner Junge, nur die Roulette-Tische fixierte. Bevor er vorstürmen konnte, hielt Berger ihn am Arm zurück. „Mach mal langsam, der Abend ist lang. Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, welchen Betrag du einsetzen willst? „Ich hab fünfhundert Euro dabei, heute riskiere ich alles!Also doch spielsüchtig, das kann ja heiter werden." Heinz wechselte gleich sein gesamtes Geld ein. Zähneknirschend holte sich Berger für fünfzig Euro Chips. Das hätte ein prima Essen gegeben, aber weniger Einsatz sähe peinlich aus. Während Heinz sich nur für den Lauf der Kugel interessierte, die Gewinnzahlen im Geiste mit seiner Statistik verglich, achtete Berger darauf, wie sich die anderen Spieler verhielten. Schließlich besuchte er zum ersten Mal eine Spielbank. Da wollte er nicht gleich als Stoffel vom Land auffallen. Dann machte ihn Heinz ungeduldig auf einen Spieltisch aufmerksam, an dem zwei Plätze frei wurden. Sie setzten sich und jeder stapelte seinen Chip-Vorrat vor sich auf.

    Heinz legte sofort mit seinem Einsatz los. Je zwanzig Euro auf die Sieben, die Sechzehn, sowie die Dreißig. „Das sind die falschen Zahlen, die fallen doch gar nicht!", dachte Berger, um sich gleichzeitig über den Gedanken zu wundern. „Woher weiß ich das denn?" Er setzte erst mal vorsichtig fünf Euro auf Rot. Er fühlte sich auf irgendeine Art nahezu sicher, dass diese Farbe als Nächstes gezogen würde.

    „Achtzehn, rot, pair, gab der Croupier bekannt. Während man Heinz die Enttäuschung ansah, hielt es Berger für eine Selbstverständlichkeit. Ein seltsames Gefühl ließ ihn sicher und entspannt werden. Es war die Erkenntnis, dass er nicht verlieren konnte! Er fühlte regelrecht, wo die Kugel als nächstes hinrollte. Das versuchte er jetzt auszunutzen. Auf die Zahl Einundzwanzig setzte er dreißig Euro und hörte fast schon im Voraus die Stimme des Croupiers „Einundzwanzig, rot impair. Er hatte recht! Eintausendfünfzig Euro gewonnen, mit einem Spiel! Es war nicht sein letzter Gewinn an diesem Tag.

    Am Ende des Abends hatte er mehr als die Hälfte der Zahlen richtig geraten. Heinz dagegen wurde von Pech verfolgt. Mit über einhunderttausend Euro in der Tasche verließ Berger das Casino, einen deprimierten Heinz im Schlepptau.

    „Wie viel hast du verloren? „Alles, antwortete Heinz. „Die ganzen fünfhundert sind weg! Auf der Rückfahrt tastete Berger nach seiner Brieftasche. Er hatte Probleme, sie einzustecken. Sie war so dick, dass sie kaum in die Innentasche der Jacke passte. „Hör zu Heinz, ich weiß nicht, was mit mir heute Abend los war, möglicherweise leerte sich mein Glückskonto fürs ganze Leben in den letzten vier Stunden auf einmal aus. Dass so etwas nicht die Regel ist, das ist mir klar, ich kann es nicht erklären. Aber dein Schicksal ist das normalste der Welt! Grundsätzlich gewinnt nur die Bank. Lass dir das eine Lektion sein. Ich ersetze dir den Verlust, wenn du mir versprichst, nie wieder an ein Glücksspiel auch nur zu denken. „Da kannst du Gift drauf nehmen! Ich habe meine Lehre aus diesem Abend gezogen. In den Gemäuern wirst du mich nicht mehr finden. Zu Hause werde ich als Erstes alle meine Berechnungen löschen. Sämtliche Unterlagen darüber landen im Ofen." Heinz konnte seine Eifersucht auf Bergers Erfolg nicht vollkommen unterdrücken.

    Als sich Berger am nächsten Tag von Heinz verabschiedete, steckte er ihm im letzten Moment einen Umschlag zu. „Hier, ich habe es dir versprochen und eine Kleinigkeit dazugelegt. Denk an dein Versprechen. Keine Glücksspiele mehr!" „Fünftausend Euro sind angemessen dafür, was Heinz gestern durchgemacht hat", dachte er für sich, „außerdem tut es mir nicht weh."

    Auf der Heimfahrt grübelte Berger über die Ereignisse. „War das jetzt ein einmaliger Zufall? Falls nicht, woher kommt dieses Wissen dann?" Wenn er so recht überlegte, hatte er ja schon immer ein Gespür für Zahlen. „Beruht darauf auch der Erfolg im Job?" Irgendwie wusste er doch in den meisten Fällen, wo sich der Einsatz lohnte, und wo nicht. Zahlen und ihre Zusammenhänge hatten ihn ja schon immer fasziniert. Ähnlich erging es ihm im Casino. Kein absolutes Wissen, nein, nur so eine Art Gefühl, was richtig ist. „Ich muss das herausfinden!" Er nahm sein Smartphone, um in der Firma anzurufen. Er brauchte ein paar Tage Urlaub mehr. Schließlich musste er austesten, wie weit seine neu entdeckten Fähigkeiten reichten.

    Casino Karlsruhe, Spielbank Bad Dürkheim, Koblenz, Saarbrücken ... Einen Spiel-Marathon hatte er hinter sich. Dafür verließ er alle Casinos jeweils um mehr als hunderttausend Euro reicher. Es stand fest: Diese Begabung war von Dauer, zumindest mittelfristig. Das würde erhebliche Änderungen in seinem Alltag verursachen. „Den Job an den Nagel hängen, möglichst sofort, den habe ich sowieso gehasst. Ich werde Geldanlagen suchen müssen." Dann plante er sein Leben neu. „Auf jeden Fall baue ich mir ein Haus. Eine Traumvilla, in einer Traumlage, vielleicht irgendwo bei Landau, die Gegend und das Klima dort gefielen mir schon immer. Von so einer Möglichkeit habe ich mein Leben lang geträumt. Willkommen Luxus!"

    Berger wachte in einem Hotelbett auf.

    „Wo bin ich?"

    „Welches Hotel ist das?"

    „Verdammt, in welcher Stadt bin ich denn???"

    Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder orientieren konnte. Solche Zustände hatte er öfter in letzter Zeit. „So geht das nicht weiter!" Über ein Jahr zog er schon kreuz und quer durch Deutschland, sogar ein Stück darüber hinaus, von einem Casino zum anderen. Dieses Zigeunerleben, selbst auf höchstem Niveau, war nichts für ihn. Dafür war er zu bodenständig. So langsam bekam er einen Hotelkoller. Da halfen nicht mal die komfortabelsten, teuersten Unterkünfte. Er hatte jetzt zwar einige Millionen auf seinem Konto, aber zu welchem Preis?

    Seinen Freundeskreis musste er aufgeben, hohes Ansehen hatte er trotz des vielen Geldes auch nirgends. Einige Casinos erteilten ihm sogar schon Hausverbot, dort hatte er die Gewinne etwas übertrieben. Wenn sich jetzt nichts änderte, würde er womöglich offiziell als Spiel-Junky abgestempelt. Spontan packte er seine Sachen, zahlte das Zimmer und fuhr auf direktem Weg nach Hause.

    Er brauchte einen festen Bezugspunkt, vor allem: ein sinnvolles Lebensziel. „Wie geht es jetzt weiter? Die Zockerei hat ein Ende." Mit seinem Vermögen ließe sich etwas anderes anfangen. Es war ja geradezu lächerlich, eine solche Summe nur auf einem Konto liegen zu lassen. Außerdem meldete sich sein Gerechtigkeitssinn wieder. Er hatte sowohl Geld als auch eine Begabung. Hatte er da nicht die Pflicht, zumindest einen Teil von beidem zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen? Aber wie konnte er das möglichst effektiv umsetzen, ohne dass er dabei von jemanden über den Tisch gezogen wurde?

    Die Idee kam ihm beim Durchblättern der Zeitung. Im Wirtschaftsteil fielen ihm die Börsennachrichten auf. Jetzt erkannte er sein Ziel. Ein Unternehmen aufbauen, alles anders machen als diese Profit-Junkies in den Konzernen. Dazu benötigte er aber wesentlich mehr Kapital. Seine 'paar Millionen' aus den Roulette-Gewinnen reichten da nicht aus. Das erforderliche Geld nahm er am besten denen ab, die er bekämpfen wollte. Ob seine Fähigkeiten auf dem Börsenparkett ebenso funktionierten? Er schaltete den Laptop ein, um mit einer umfangreichen Recherche zu beginnen. Schnell merkte er, dass dies kein Kinderspiel werden würde. Zu vieles war ihm in dem Metier unbekannt. Allein die ganzen Fachbegriffe. Er musste noch mal kräftig die Schulbank drücken. Aber er hatte ein Ziel. Um dies zu erreichen, nahm er den Aufwand gerne in Kauf.

    Er arbeitete eine Vielzahl von Fachbüchern durch und besuchte Kurse. Tagelang suchte er das Internet nach Informationen ab. Dann endlich fühlte er sich bereit. Er eröffnete ein Aktiendepot. Zuvor hatte er auf dem Laptop, nachdem er die entsprechenden Webseiten gefunden hatte, seine Begabung am Börsengeschehen ausprobiert. Es schien zu klappen, zumindest in der Theorie! Wenn er sich einen Aktienkurs aussuchte und darauf konzentrierte, dazu einige Hintergrundinformationen zu dem Unternehmen im Internet nachschlug, dann ahnte er in vielen Fällen schon, wie sich die wirtschaftliche Lage der Firma entwickelte. „So funktioniert das also! Alles Weitere wird der praktische Versuch zeigen."

    Jetzt kam das Mühselige an dieser Aktion. Er suchte den Markt nach den Aktien ab, die seinem Gespür entsprechend die größten Renditen in kürzester Zeit versprachen. „Na ja, Roulette spielen ging einfacher." Aber schließlich hatte er passende 'Opfer' gefunden. Er identifizierte ein paar kleinere Unternehmen, welche sich nach seiner Vorahnung kurz vor einem technologischen Durchbruch befanden. Ein sicheres Zeichen dafür stellte ein sehr niedriger Aktienkurs dar, der in keinem Verhältnis zum wahren Wert des Unternehmens stand. Der wurde dadurch ausgelöst, dass viel Geld in Forschung und Entwicklung floss, wodurch nicht genug übrig blieb, um den Geiern an der Börse möglichst schnelle Profite zu bescheren.

    Fünf Millionen Euro riskierte er gleich bei der ersten Hausse, beinahe die Hälfte seines Vermögens. Dann kam das bange Warten. Hatte er recht mit den Prognosen? Wie hoch würde die Rendite, wenn sie denn überhaupt existierte? Nervenaufreibend war, dass die Kurse erst einmal noch tiefer sanken. Jetzt hieß es Ruhe und Nerven bewahren!

    Nach einem viertel Jahr hatte sein Aktienpaket nur noch einen Wert von drei Millionen Euro. Er wurde unsicher. Zwei Wochen später hatte er wieder eine halbe Million verloren. Allmählich zweifelte er an sich und an seiner Begabung. Aktienhandel ist eben kein Roulettespiel. Berger überlegte, wie er die Aktien loswerden konnte, ohne noch mehr zu verlieren. Das Einzige, was ihm sinnvoll erschien, war sie in kleinen Paketen anzubieten, damit der Kurs nicht völlig zusammen brach.

    Noch einmal kontrollierte er in den Börsennachrichten den aktuellen Stand des Kurses, bevor er der Bank die Order zum Verkaufen erteilen wollte. Sein Blick fiel auf eine Schlagzeile. Ein Bericht über die Firma Schroll Kunststoff Recycling AG. Er hatte 45% Anteile an dem kleinen Unternehmen, welchem der Durchbruch bei der Wiederverwertung von Kunststoffabfällen gelang, die bisher nicht als recycelbar galten. Ihr Aktienkurs explodierte. „Gewonnen!" Er hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Einhundertfünfzig Prozent Gewinn in sechs Monaten. „Das soll mir mal einer nachmachen." Die erste Etappe zum großen Ziel war erreicht. Nach und nach kamen seine anderen Aktienpakete ebenfalls in die Gewinnzone. Jetzt hielt ihn nichts mehr davon ab, nahezu sein gesamtes

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