Erkenntnisse eines Neugierigen: Was ich gern wissen wollte
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Buchvorschau
Erkenntnisse eines Neugierigen - Wolfgang Weller, Prof. Dr.
Wolfgang Weller
Erkenntnisse eines Neugierigen
Was ich gern wissen wollte
Essays
Impressum:
Erkenntnisse eines Neugierigen
Wolfgang Weller
Copyright: © 2020 Wolfgang Weller
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978 – 3 – 752 – 972 – 64-1
Prolog
Es gibt Personen, die ein Leben lang von erheblicher Neugier geprägt sind. Dazu gehört wohl auch der Autor. Nicht dass er den Leuten etwa in die Kochtöpfe schauen wollte - nein, ihm ging es darum zu erfahren, wie die Dinge funktionieren, worin das Wesen einer beobachteten Sachlage liegt, welche Prinzipien dahinter stehen, wie die Dinge funktionieren die Besonderheiten oder warum etwas so ist und nicht anders.
Diese Neigung zeigte sich schon im Kindesalter. Da mochte er wohl manchmal seiner Mutter mit seinen vielen Fragen ganz schön auf die Nerven gefallen sein. Auch später bestand sein Streben darin, Dinge, die ihn interessieren, näher kennenzulernen oder sich in ihrem Gebrauch auszuprobieren. Dazu gehörte, dass er viel zeichnete, mit Freude musizierte, die verschiedensten Dinge bastelte, schnitzte, drechselte oder sich auch im Fotografieren übte. Auch technischen Errungenschaften ging er durch den Nachbau, zumeist in Form von Modellen, nach. Hingegen zeigte er wenig Interesse an den üblichen Gesellschaftsspielen, dem Ball hinterher zu laufen, am Golfen oder auch Angeln. Diese Tätigkeiten waren für ihn Zeitverschwendung. Dafür liebte er, selbst als er später eine Familie gegründet hatte, sehr das Reisen. Er wollte sehen, welche Gegenden es woanders gibt, wie die Menschen dort lebten, welche Gewohnheiten, Speisen und Getränke dort in Gebrauch waren. Manchmal ging er in seiner Wohnumgebung auch einfach nur durch einen Hauseingang, um zu sehen, wie es dahinter aussah.
Die Möglichkeiten, solchen Untersuchungen nachzugehen, erweiterten sich natürlich beträchtlich, nachdem er in den sog. Ruhestand gegangen war. Seither sind in loser Folge eine größere Anzahl von Ausarbeitungen entstanden, in denen die gewonnenen Erkenntnisse niedergelegt wurden. Diese schlummerten bisher in Dateien und sind zumeist unveröffentlicht geblieben.
Irgendwann wurde empfunden, dass es sinnvoll wäre, auch andere Menschen an den gewonnenen Einsichten und Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Daraus entstand die Idee, eine gewisse Auswahl unter diesen Beiträgen zu treffen, in denen unterschiedliche Themen behandelt wurden, und diese geschlossen in Buchform zu veröffentlichen. Dieses liegt nunmehr vor, und zu seiner Lektüre wünscht er den Interessierten viel Freude
1. Wodurch unterscheidet sich die Menschheit vom Tierreich?
–– Die Besonderheiten des Menschen –
Einführung und Problemstellung
Menschen sind – so könnte man zunächst sagen – natürliche Wesen biologischer Herkunft, deren Lebensfunktionen, wie bei anderen Tierarten auch, biologisch determiniert sind. Was also sind dann wohl die Besonderheiten, die den Menschen über seine Mitgeschöpfe im Tierreich hinaus erheben?
Die Beantwortung dieser Frage verlangt trennscharfe Kriterien, die eine derart grundsätzliche Unterscheidung ermöglichen. Diesem Problem müssen wir uns also zunächst widmen, und es ist zu vermuten, dass die Fahndung danach nicht gerade einfach sein wird.
Gewiss hat es in der Vergangenheit nicht an Bemühungen gefehlt, eine Abgrenzung der Gattung Mensch vom „Rest" der Lebewesen auf unserer Erde zu bestimmen. Schauen wir also zunächst auf das, was dazu bisher vorliegt, und unterziehen diese Vorschläge einer kritischen Analyse. Anschließend werden wir weitere, vom Autor vorgeschlagene Kriterien in Betracht ziehen.
Tauglichkeit bisher verwendeter Kriterien
Da der Mensch, wie die Wesen der gesamten Tierwelt, gleichermaßen evolutionsbiologischen Prozessen entstammen, kann man zunächst untersuchen, ob sich aus der gemeinschaftlichen biologischen Herkunft Merkmale finden lassen, welche die besondere Rolle des Menschen erklären können.
In der zurückliegenden Zeit hat man aufeinanderfolgend verschiedene Merkmale herangezogen, um den Unterschied zwischen den Gattungen der Menschen und der Fülle der Wesen des Tierreiches zu verdeutlichen, wie die folgende Aufstellung zeigt:
aufrechter Gang
Diesen teilen die Menschen aber auch mit verschiedenen Affenarten, Pinguinen und anderen Zweibeinern . Dieses aufrechte Gehen führte jedoch beim Menschen zu einer Reihe gentechnischer Veränderungen, die im auf seinem Weg als „Krone der Schöpfung" zugutekamen. Als Unterscheidungskriterium taugt der aufrechte Gang indessen nicht.
Physisches Leistungsvermögen
Hier wird schnell klar, dass der Mensch hinsichtlich der Geschwindigkeit gegenüber Pferden, Gazellen und Raubtieren, insbesondere Geparden, schlecht abschneidet. Auch bei der gewichtsbezogenen Kraft hapert es, wenn man beispielsweise das Vermögen der Blattschneiderameise denkt, ein Mehrfaches an Körpergewicht über beachtliche Strecken ohne Hilfsmittel zu transportieren. Wären da noch die Sinnesleistungen. Aber auch hier gibt es Fehlanzeige. Weder die Empfindlichkeit der Augen, noch der akustischen Sensorik oder des Geruchssinns der Menschen kann es mit den Leistungen der entsprechenden Organe etwa von Greifvögeln, Eulen, Hunden und einigen anderen Tiergattungen aufnehmen. Hinzu kommt, dass einige Gattungen im Tierreich darüber hinaus über Sinnesorgane verfügen, von denen der Mensch nur träumen kann. Beispiele dafür sind die Sensoren für Magnetfelder bei Tauben oder die Wahrnehmung extrem schwacher Wärmequellen bei Reptilien, um nur ganz wenige zu nennen. Die Liste überlegener Leistungen im Tierreich lässt sich beliebig fortsetzen. Menschen sind manchen Tiergattungen auch deshalb hoffnungslos unterlegen, weil sie, wie Vögel oder Insekten, ohne Hilfsmittel weder fliegen oder den Lachsen oder Walen gleich, riesige Entfernungen schwimmend überwinden oder in große Tiefe abtauchen können.
Man muss dann wohl zur Kenntnis nehmen, dass der Mensch, biologisch betrachtet, nicht besonders gut ausgestattet ist und bestenfalls durchschnittlich abschneidet. Dennoch muss im Moment noch offen bleiben, über welche biologische Mitgift das Menschengeschlecht offenbar verfügt, die es befähigt, von sich heraus Leistungen zu entwickeln, die es aus dem Tierreich weit heraushebt.
Arbeit
Diese u. a. von Karl Marx unterstützte These ist ebenfalls nicht generell aufrechtzuerhalten, wenn man beispielsweise den Nestbau der Vögel oder die Errichtung von Wasserburgen der Biber denkt. Viele Arbeiten können allerdings nur vom Menschen ausgeführt werden. Man denke allein an das Entfachen und Unterhalten von Feuer.
Gebrauch von Werkzeugen
Der Umgang mit Werkzeugen ist ebenfalls nicht auf den Menschen beschränkt. So finden wir den Gebrauch von Werkzeugen etwa bei bestimmten Vogelarten, welche Steine verwenden, um Eier- oder Muschelschalen aufzuknacken, um auf diese Weise an das leckere Innere zu gelangen. Das Werkzeug selbst wurde in diesem Fall vorgefunden. Andere Beispiele zeigen, dass auch die Herstellung von Werkzeugen von manchen Tieren beherrscht wird. So lässt sich beobachten, dass Schimpansen zuerst kleine Stöckchen zuspitzen, um anschließend damit in Baumhöhlen nach versteckten Termiten oder Ameisen zu angeln. In anderen Fällen werden Werkzeuge dadurch hergestellt, dass aus Palmblättern schmale Streifen abgespalten werden, um mit deren Hilfe an verborgene Insekten oder Weichtiere zu gelangen. Somit ist auch die Verwendung der Kategorien Arbeit und Werkzeuge als Unterscheidungsmerkmal nicht aufrecht zu erhalten.
Vorhandensein einer Seele bzw. eines Bewusstseins
Zeitweise wurde auch versucht, den Tieren eine eigene abzusprechen. Eine solche Unterstellung erleichtert sicherlich den Abschuss von Jagdtieren und entlastet wohl auch das Gewissen bei der Tötung der zur Fleischversorgung gehaltenen Haustiere. Diese Betrachtungsweise wurde sogar auf die Sklaven übertragen, um diese möglichst unbedenklich ausbeuten zu können. Anklänge an eine solche Auffassung finden sich auch bei rassistisch gefärbten Ideologien, welche immer mal wieder versuchen, bestimmte Menschengruppen als minderwertig einzustufen. Heutzutage gilt die These als widerlegt, nach der versucht wird, selbst den höheren Tierformen ein Bewusstsein abzusprechen. Auch rassistischen Vorurteilen hat die zivilisierte Welt eine Absage erteilt.
Führen von Kriegen unter Einsatz von Waffen
Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Gruppen der gleichen Spezies werden ebenfalls als typisch menschliche Verhaltensweisen gesehen. Dabei werden bewusst die Einzelkämpfe ausgeklammert, die ja bei vielen Tierarten als Kampfrituale zur Bestimmung der Rangordnung, Revierverteidigung oder auch während der Brunftzeit üblich sind. Auch das Führen von Kriegen im Sinne kollektiver Handlungen unter Gewaltanwendung gegenüber Mitgliedern gleicher Art findet sich nicht nur beim Menschen. Wie Beobachtungen von Schimpansen zeigen, können in bestimmten Situationen mit Knüppeln bewaffnete Horden aufeinander losgehen, wobei auch das Töten von Artgenossen billigend in Kauf genommen wird. Da unterscheidet sich menschliches Kriegsgeschehen nur in quantitativer Hinsicht. Die Menschen sind inzwischen in der Lage, 40 Mio. Menschen in einem einzigen Krieg (hier: dem 2. Weltkrieg) zu töten. Auch bezüglich der Waffen haben sie sich mittlerweile ein Vernichtungspotenzial geschaffen, das zur mehrfachen Vernichtung ihrer Art (sog. overkill) ausreicht.
Mitgefühl, Empathie und soziales Engagement
Fähigkeiten dieser eher sanften Art wurden vielfach nur dem Menschen zugeschriebenen. Wenn schon nicht immer aus eigenem Erleben, so dokumentieren doch beispielsweise die Tierfilme und entsprechenden Fernsehsendungen das bei vielen Tierarten ein genetisch verwurzeltes Verhalten einer liebevollen Brutpflege, eines Umsorgens des Nachwuchses und Schutzes vor Verlusten Auch findet man auch spontanes echtes Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. So zeigen Beobachtungen, dass gewisse Säugetiere in Not geratenen Artgenossen helfend zur Seite stehen. Haben diese aber dann ihren Normalzustand erreicht, so werden sie dann wieder als Konkurrenten wahrgenommen. Ein besonders Beispiel für das Auftreten von Mitgefühl im Tierreich liefern Elefanten, die um verstorbene Mitglieder ihrer Herde auf eindrucksvolle Weise trauern.
Somit erweist sich auch dieses Kriterium wiederum als wenig trennscharf, da es zu keiner klaren Abgrenzung gegenüber dem Tierreich führt. Wenn es den zuvor geschilderten Kriterien an Trennschärfe fehlt, dann versuchen wir es diesmal mit den folgenden Merkmalen:
Kommunikation
Dabei kann es sich hier nicht um die Kommunikation mittels Gesten der Körpersprache oder durch Bewegungsäußerungen handeln, die zur Übermittlung einer bestimmten Botschaft eingesetzt werden, denn diese sind auch im Tierreich weit verbreitet. Denken wir nur an das Ducken von Raubtieren als Zeichen der Unterwürfigkeit, das Lausen bei den Affen zwecks Einschmeicheln, das Setzen von Duftmarken zur Markierung des Reviers oder von Pfaden oder den Ringeltanz der Bienen zur Signalisierung einer ergiebigen Nektarquelle. Vielmehr beziehen wir uns hier auf die Kommunikation durch Lautäußerungen. Doch auch hier werden wir im Tierreich fündig. So gibt es beispielsweise den „Gesang" der Wale und Delfine oder den Informationsaustausch per Infraschall bei den Elefanten.
Die Grenze der lautbasierten Kommunikation zwischen dem Menschengeschlecht und dem Tierreich liegt dann wohl nicht auf Laut- sondern auf Sprachebene. Aber solange die Lautäußerungen gewisser Säugetiere noch nicht entziffert sind, bietet auch dieses Kriterium keine verlässliche Grundlage.
Intelligenz
Doch auch hier scheint Vorsicht geboten. Versuche mit Meeressäugern – allen voran Delfinen – haben gezeigt, dass diese zu beachtlichen Geistesleistungen fähig sind und sogar abstraktes Denken vermuten lassen. Spektakulär sind auch die auf Gedankenleistungen beruhenden Verhaltensweisen insbesondere von Krähen und neuseeländischen Keas. Diese können nicht nur das Gefahrenpotenzial einer Situation sicher abschätzen, etwa ob ein Jäger ein Gewehr bei sich trägt oder nicht. In Tierexperimenten wurde nachgewiesen, dass diese Vögel auch in der Lage sind, mehrstufige Denkprozesse zu absolvieren und dabei Schlussfolgerungen zu ziehen. In unserer „Ahnengalerie" noch weiter zurück schreitend haben auch Versuche mit speziellen Weichtieren (Molusken), insbesondere den Tintenfischen, gezeigt, dass diese anscheinend abstrakt denken können, obwohl sie nicht einmal über ein ausgeprägtes Denkorgan, wie das Gehirn, verfügen.
Lernfähigkeit
Hier ist nicht das Training gemeint, das beispielsweise Hunde, Pferde und allerlei Zirkustiere zu oftmals erstaunlichen Leistungen befähigt. Training ist bestenfalls als eine Vorstufe des Lernens zu akzeptieren. Echtes Lernen hingegen ermöglicht eine flexible Anwendung des Gelernten, selbst wenn die betreffende Anwendungssituation während des Lernprozesses so nie vorgekommen ist. Nicht alles, was in der Tierwelt als vermeintliches Lernen erscheint, ist allerdings auch als solches einzustufen. Wenn beispielsweise Elefanten mit ihrem Nachwuchs zu bestimmten Zeiten zu weiten Reisen aufbrechen und dabei gleichen Routen folgen, dann ist das eigentlich nichts weiter als Merken (Einspeichern) und späteres Erinnern (Abrufen). Diese lebenswichtigen Informationen erwerben bereits die Jungtiere von den erfahrenen Leittieren. Ähnliches gilt auch bei den Raubtieren hinsichtlich des erfolgreichen Jagens, der Bewahrung der besten Wanderwege oder auch der Lage der Wasserstellen u.a.m. Das Besondere besteht darin, dass diese Fähigkeiten nicht vererbt, sondern stets nach Durchlaufen eines Lernprozesses von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Dabei finden als Lernformen des Lernens durch Nachahmung und das Erfolgslernen (trial and error learning) Anwendung. Als „Lehrer" fungieren vorwiegend die Mütter, bei den Elefanten die erfahrenen Leitkühe (meist Tanten).
Also auch hier erhalten wir kein trennscharfes Unterscheidungskriterium zwischen Mensch und Tier. Somit gelangen wir gesamtheitlich zu dem Resultat, dass keines der traditionellen Unterscheidungskriterien hinreichend trennscharf ist.
Vorschlag alternativer Kriterien
Wenn selbst die bisher ausschließlich dem Menschen zugebilligte Intelligenz als Unterscheidungskriterium keine hinreichende Trennschärfe besitzt, dann werden wir uns bei der weiteren Suche auf eine oberhalb der biologischen Existenz angesiedelte Ebene begeben müssen, die Überbau genannt wird. Dort lassen sich nach vorab geführten vorsichtigen Erkundungen durchaus Ansatzpunkte finden, die weiterhelfen können.
Da die Urahnen des Menschen dem Tierreich entstammen, hat sich der gesellschaftliche Überbau nicht spontan, sondern erst im Verlauf des langfristigen Prozesses der Menschwerdung entwickelt. Dafür erhielt das Menschengeschlecht eine von der Evolution herrührende besondere biologische Mitgift in Form des aufrechten Gangs, der erheblichen Verfeinerung der Hände einschließlich Motorik und vor allem das gegenüber allen Wesen des Tierreiches wesentlich vergrößerte Gehirn, das ihn zu erheblichen Leistungen mentaler Art befähigt. Dazu werden wir im Folgenden der Herausbildung unterschiedlicher Phänomene nachgehen und dabei im Groben der geschichtlichen Entwicklung folgen.
Glaube und Religion
Beginnen wir mit den Erscheinungen von, deren Anfänge möglicherweise bereits auf der Entwicklungsstufe des homo sapiens (verständiger Mensch) entstanden und ab etwa 160.000 Jahren anzusetzen sind. Die frühzeitlichen Menschen sahen sich damals einer übermächtigen Natur mit vielerlei Gefahren ausgesetzt, deren Erscheinungen und Zusammenhänge ihnen ungeheuerlich erschienen. Sie fühlten sich in ihrer Existenz bedroht, waren von wechselhaften Wetterlagen abhängig und hatten auch unterschiedlichen Jagderfolg, um nur wenige der Unwägbarkeiten zu nennen. Hinter all dem Wechselhaften und Unbekannten sahen sie übernatürliche Kräfte walten, denen irgendwann Götter zugeordnet wurden. Dabei entstand eine immer zahlreicher werdende Götterwelt. Auf die geschilderte Weise mögen die vielerlei Naturreligionen entstanden sein. In ihrer Ohnmacht versuchten die Menschen ihre Götter gnädig zu stimmen, indem man diese anbetete und ihnen Opfer (manchmal sogar Menschenopfer) darbrachte. Später wurden – die oft einzigen – Bauwerke errichtet, welche ausschließlich der Religionsausübung dienten. Die ersten dieser religiösen Zentren entstanden bereits im Neolithikum (5.000 – 2.000 Jahre v. Chr.), also auf der Menschheitsstufe der Jäger und Sammler. Manche dieser religiösen Anlagen orientierten sich an kosmischen Erscheinungen (bspw. Stonehenge im heutigen England). Mit dem Übergang von Jäger- und Sammlergesellschaften (aneignendes Verhalten) zur Hirten – und Ackerbauerkultur (produzierendes Verhalten) im Neolithikum entwickelten sich nicht nur komplexere gesellschaftliche Organisationsformen, sondern es erweiterte sich auch der Wunschkatalog der Menschen an die Götterwelt. Dabei begünstigte die Sesshaftwerdung den Bau von Tempeln für die Götter.
Ein religiöser Umsturz erfolgte zuerst im antiken Ägypten, als der Pharao Echnaton (vormals Amenhotep IV und Gemahl der schönen Nofretete) um 1350 v. Chr., die vielfältige ägyptische Götterwelt mit einem Schlag beseitigte und den Sonnengott Aton zum alleinigen Gott für seine Untertanen erhob. Dieser erste monotheistische Aufbruch wurde allerdings zwei Generationen später zugunsten der alten Götterwelt wieder getilgt. Später entstanden im sog. Nahen Osten wiederum monotheistische Religionen. Diese hatten ihre Wurzeln in der jüdischen Religion. Die Juden nannten ihren zentralen Gott Jahwe. Später verzweigte sich der jüdische Glaube in mehrere Richtungen. So entstand mit dem Auftreten von Jesus vor 2.000 Jahren auf jüdischer Grundlage (Altes Testament) die christliche Religion. Etwa 600 Jahre später begründete der Prophet Mohammed den Islam, dessen einziger Gott Allah genannt wurde. Unabhängig davon entstanden in Indien sowie im alten China mit dem Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus weitere große Religionen. Diese Religionen breiteten sich mit unterschiedlicher Verteilung auf der gesamten Welt aus und wurden so zu Weltreligionen.
In den Religionen finden viele Menschen auch heute noch ihre Zuflucht, schöpfen dort Kraft, neue Hoffnung, fühlen sich geborgen und mit ihren Sorgen nicht alleingelassen. Die zugehörigen Institutionen leisten auch eine beachtliche humanitäre Lebenshilfe, die den wirtschaftlich Bedürftigen sowie den Opfern von Naturereignissen und Gewalt zugutekommt.
Diktatorische Regimes haben immer wieder den Versuch unternommen, den religiösen Glauben der Menschen zu tilgen, indem sie den Atheismus zur Staatsdoktrin ausriefen. In Wahrheit ging es wohl darum, die vorhandene Glaubensfähigkeit der Menschen auf ihre Ideologie umzulenken. Wie bekannt, ist die mit staatlicher Macht versuchte Durchsetzung des Atheismus jedoch ausnahmslos gescheitert, wenngleich die Nachwirkungen mancherorts (bspw. in Tschechien) noch zu spüren sind.
Sorgen bereitet inzwischen die freiwillige Abkehr vieler Menschen von Glaube und Religion, wie an der nicht geringen Zahl von Kirchenaustritten speziell in den christlichen Kirchen zu erkennen ist. Dies signalisiert einen schleichenden Bedeutungsverlust der Religion. Dafür wird neben der nicht immer zeitgemäßen Haltung der etablierten Kirchen zu drängenden Fragen, oft mangelnden Angeboten und der dem wissenschaftlichen Fortschritt zu verdankende Erkenntnisgewinn verantwortlich gemacht. Allerdings räumt die Wissenschaft wiederum selbst ein, auf die echten metaphysischen Fragen nach der Herkunft und dem Sinn des Universums und seiner Geschöpfe keine schlüssige Antwort geben zu können. Dem von manchen Landesteilen zu beobachtenden Niedergang der Religionen steht andernorts aber auch eine Belebung der Frömmigkeit gegenüber. Fakt ist jedenfalls, dass in den meisten Menschen ein immanentes Bedürfnis nach Religiosität besteht, unabhängig davon, ob und wo es in einer Glaubensrichtung seine Heimat gefunden hat. Auch beobachtet man, dass selbst sehr nüchterne Menschen, wie gestresste Manager und Banker, ein zunehmendes spirituelles Bedürfnis erkennen lassen, das sie auf verschiedene Weise zu befriedigen suchen. Somit können Glaube und Religion durchaus als Unterscheidungskriterium herangezogen werden.
Dem bei den christlichen Kirchen erkennbaren Trend der Bedeutungsverminderung steht andererseits eine Welle der Islamisierung besonders in den Kernländern dieses Glaubens gegenüber.
Das Ergebnis der vorstehenden Betrachtung führt somit zu der Feststellung, dass Glaube und Religiosität nur in der menschlichen Gesellschaft tiefverwurzelte Erscheinungen sind, die mehr oder weniger deren Leben bestimmt. Tiere haben in den modernen Religionen – wenn überhaupt – höchstens als schmückendes Beiwerk oder schlimmstenfalls als Opfer ihren Platz (Ausnahme: Naturreligionen).
Kultur und Kunst
Auch diese gesellschaftlichen Kategorien entwickelten sich aus bescheidenen Anfängen über lange Zeiträume hinweg und führten in den verschiedenen Regionen der Welt zu tlw. ganz unterschiedlichen Ausprägungen.
Die Kultur ist ein komplexes Phänomen des gesellschaftlichen Überbaus. Zur Kultur zählen die Mythen, Rituale, Gebräuche und Traditionen, die vom Menschen geschaffenen Bauwerke und (Kultur-)Landschaften sowie technische Produkte, aber auch die Mode, Ess- und Trinkgewohnheiten und vieles andere. Besonders herausragende Zeugnisse der Kultur sind heute in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO erfasst.
Ein besonderer Bestandteil der Kultur ist die Kunst. Anhand der Kunst lassen sich die Entwicklungsgeschichte der Kultur und ihr Einfluss auf die Menschheit gut verfolgen, weshalb wir dieser Komponente hier speziell nachgehen werden.
Das Bedürfnis nach künstlerischer Tätigkeit war beim Menschen bereits frühzeitig ausgeprägt. Die ersten bildhaften Werke entstanden in prähistorischer Zeit auf der Grundlage der neuen biologischen und soziologischen Ausprägung des Menschgeschlechts. Einige der frühen, aus dem Neolithikum (5.000 – 2.000 v. Chr.) stammenden Zeugnisse haben in Höhlen oder auf Felsplateaus in Trockengebieten die Zeiten überdauert. Die älteste und bedeutendste Bilderhöhle findet sich in der Grotte Chauvel, deren künstlerische Gestaltung auf 31.500 Jahre zurückdatiert wird. Weitere eindrucksvolle bildhafte Darstellungen aus paläolithischer Zeit sind in den Höhlen von Lascaux (Frankreich, Dordogne) sowie bei Tassili-u-Ajjer und Ennedi (marokkanische bzw. lybische Sahara) zu bewundern. In den mit Naturmitteln hergestellten Malereien und Gravuren finden sich vorzugsweise figurale Darstellungen aus der umgebenden Natur in teilweise abstrahierter Form. Auch die ersten plastischen Darstellungen von Figuren, die vorwiegend Grabbeigaben entstammen, wurden bereits vor über 30.000 Jahren (Paläolithikum) hergestellt. Besonders reichhaltig waren auch die Funde an Keramiken, welche von den Archäologen verschiedenen Kulturen zugeordnet wurden. Die frühen Artefakte stammen aus dem Meso- und Neolithikum (8.000 – 5.000 bzw.6.000 – 1.8000 v. Chr.) und zeigen eine im Laufe der Zeit immer aufwändigere künstlerische Gestaltung. Aus dieser Zeit sind uns auch die ersten Zeugnisse einer piktografischen Schrift überliefert, deren Zeichen aus konkreten Bildelementen bestanden. Aus dieser Urform gingen später die verschiedenen Buchstaben-Laut-Schriften hervor.
Die entstandene Möglichkeit der Ausübung von Kunst bedeutete für den Menschen eine neue und nicht mehr rein produktbezogene Form bewusster Tätigkeit. Die Arbeit wird nun zur schöpferischen Tätigkeit. Damit verbunden prägte sich eine Sinnlichkeit aus, bildete sich das „musikalische Ohr", das Schönheit und Harmonie empfindende Auge und entwickelte sich ein ästhetisches Empfinden. Es entstanden neue geistige Bedürfnisse. Die mit der Erstellung von Abbildern erhaltenen Zeitdokumente führten bei den Menschen zu einem neuen Umgang mit der Zeit und damit zu einer höheren Form des Seins. Die mit der Entwicklung von Schriften gegebene Möglichkeit der Beschreibung der Besonderheit realer Sachverhalte förderte weiterhin das abstrakte Denken und war ebenfalls den sozialen Beziehungen zuträglich. Mit der Kunst trat somit ein neues Element auf den Plan, das sich als von herausragender Bedeutung für die Entstehung und Entwicklung der Menschengattung erwies, indem sie diese auf eine qualitativ höhere Stufe erhebt. Sie leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Herausbildung des modernen Vernunftmenschen.
Da Kultur und speziell Kunst den Geschöpfen des Tierreichs nicht anzutreffen sind, handelt es sich hier um Alleinstellungsmerkmale des Menschen. Somit sind diese Kategorien als weiteres Unterscheidungskriterium tauglich. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass die Basis aller bisherigen