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Der Himmel Von Nadira
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eBook618 Seiten8 Stunden

Der Himmel Von Nadira

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Über dieses E-Book

Sizilien, elftes Jahrhundert. Nadira ist ein unschuldiges Mädchen berberischer Herkunft, das mit Unterwerfung den Befehlen ihres Vormunds folgt; auch als ihr gesagt wird, dass sie eine der Frauen des Emirs ihrer Stadt werden muss. Ihre Augen sind jedoch so seltsam und tief greifend, dass sie die Aufmerksamkeit von mehr als nur einem Verehrer auf sich lenkt. Bald verbreitet sich die Kunde eines Fluches: Männer, die ihren Blick kreuzen, können nicht widerstehen und fühlen sich gezwungen sie zu begehren und zu versuchen, sie zu besitzen. Genau die Augen von Nadira und dieser grenzenlose Himmel, an den sie erinnern, werden die Ursache für den Ausbruch des letzten Krieges sein, den das muslimische Sizilien erleben wird. Unterdessen warten die Brüder de Hauteville, fürchterliche normannische Krieger, darauf, jeden Vorwand zu nutzen, um das Meer passieren zu können und einen Kreuzzug gegen die Mauren zu beginnen.

Kann es wirklich etwas so außergewöhnlich Unwiderstehliches und Verfluchtes geben, dass es die Wünsche dessen, der sie betrachtet, unwiederbringlich erschüttern kann?” Die ungewöhnlichen blauen Augen von Nadira scheinen zu beweisen, dass es genauso ist. Sizilien, elftes Jahrhundert. Wir stehen vor den letzten Taten der arabischen Herrschaft: Die Emire der großen Städte der Insel befinden sich im Krieg miteinander, und die christlichen Kräfte warten auf einen Vorwand, um einzugreifen und ihren heiligen Krieg gegen den muslimischen Feind zu führen. Nadira ist ein unschuldiges Mädchen berberischer Herkunft, das mit Unterwerfung den Befehlen ihres Vormunds folgt; wie als ihr gesagt wird, dass sie eine der Frauen des Emirs ihrer Stadt werden muss. Ihre Augen sind jedoch so seltsam und tief greifend, dass sie die Aufmerksamkeit von mehr als nur einem Verehrer auf sich lenkt. Bald verbreitet sich die Kunde eines Fluches: Männer, die ihren Blick kreuzen, können nicht widerstehen und fühlen sich gezwungen sie zu begehren und zu versuchen, sie zu besitzen. Genau die Augen von Nadira und dieser grenzenlose Himmel, an den sie erinnern, werden die Ursache für den Ausbruch des letzten Krieges sein, den das muslimisches Sizilien erleben wird. Unterdessen warten die Brüder de Hauteville, fürchterliche normannische Krieger, darauf, jeden Vorwand zu nutzen, um das Meer passieren zu können und einen Kreuzzug gegen die Mauren zu beginnen. In all dem bewegt sich Conrad, auch er Normanne, aber unter den sizilianischen Christen aufgewachsen. Sein Ehrgeiz ist grenzenlos und seine Rachegefühle gegenüber den muslimischen Herrschern ist stärker als der gesunde Menschenverstand. Conrads Schicksal wird sich mit dem “Himmel von Nadira” und dem Geheimnis, das sich hinter diesen Augen verbirgt, kreuzen. Aber nur wenn er weiß zu enthüllen, was das Herz eines Mannes mit der Begierde des Bösen verbindet, kann er die Gefahr, die die Schönheit Nadiras darstellt, überwinden. Es tobt noch der Krieg, der inzwischen zu einem Konflikt zwischen Kulturen und Religionen geworden ist, als aus dem Grund des Hasses die zerbrechliche Knospe der Toleranz zu sprießen beginnt… Hoffnung, die gerade von jenen gepflegt wird, die die Sorgen ihrer eigenen Seele in Ordnung gebracht haben. Eine multikulturelle Umgebung, eine Geschichte, die aus allen Perspektiven erzählt wird, eine objektive Geschichte und mit dem aktuellen Geschmack – ein Roman, den die Liebhaber der historischen Abenteuerromane nicht ignorieren können.
SpracheDeutsch
HerausgeberTektime
Erscheinungsdatum30. Okt. 2021
ISBN9788835430575
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    Buchvorschau

    Der Himmel Von Nadira - Giovanni Mongiovì

    TEIL I – DER AM PFAHL GEFESSELTE FREMDE

    Kapitel 1

    Winter 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna

    Dort in diesem Tal, in dem die Norien¹ nie in ihrer Bewegung still stehen… dort wo der Berg von Qasr Yanna auf seinen Wurzeln ruht… dort auf dem Plateau, wo sich der Rabad² befindet…

    Das Tal am Fuße des antiken Enna verlief in Richtung Osten; Jahrhunderte arabischen Einfallsreichtums hatten es fruchtbarer gemacht als das, was es sonst gewesen wäre. Beim Blick nach Westen, lag hoch auf dem Berg Qasr Yanna³, der Nabel Siziliens. Beim Blick nach Osten, unten am Plateau, verlor sich das Auge in Dutzenden von Hügeln, Wäldern, Wiesen, Weiden und Bächen…, aber auch in den hohen hydraulischen Rädern, die das Wasser aus dem Tal heben konnten, … und in den Kanälen, die ausgegraben wurden, um es zu den Gemüsegärten zu transportieren. Das Dorf hatte nicht viele Häuser, vielleicht dreißig, und nur eine kleine Moschee, als Zeuge der geringen Bedeutung des Ortes.

    Die Mittagszeit war gerade beendet und zwei Männer zogen einen fast dreißigjährigen jungen Mann über den Boden, der für den Anbau von Flaschenkürbissen bestimmt war. Es schien, als ob er mit den Füßen die Furchen ziehen wollte, für die normalerweise der Pflug sorgte, so sehr stemmte er seine nackten Füße in den Boden, um sich seiner Gefangenschaft zu entziehen. Er hielt den Blick niedrig, und diejenigen, die die Szene beobachteten, sahen nur den Kopf und sein kurzes Haar. Es war Winter, und jetzt sanken die Knöchel in den kalten Schlamm, der durch den Morgenregen entstanden war.

    Der junge Mann trug eine Hose und eine zerrissene Tunika. Die anderen waren in edlere Kleider gekleidet: mit einer breiten, bunten Foggia. Einer der beiden hatte eine Art Turban auf und beide trugen einen Bart und langes Haar.

    Als sie mit dem unglücklichen Gefangenen die Straßen des Rabad erreichten, wurden alle neugierig. Alle kannten sich im Dorf und alle kannten die Bewohner des letzten Hauses am Ende der Straße vor den Gemüsegärten, das Haus der einzigen Christen im Rabad.

    Man arbeitete sehr hart im gesamten Gebiet, um das Land ertragreicher zu machen. Das gesamte Gebiet war landwirtschaftlich geprägt, und die Familien verteilten sich in den Dörfern, die zwischen den Hügeln verstreut lagen. Es gab keinen Adligen und keinen Krieger, sondern nur Bauern, die im eigenen Namen und im Namen des Schuldeintreibers des Qā’id⁴ von Qasr Yanna arbeiteten.

    Gerade das Haus des letzteren befand sich genau gegenüber dem Haus der Christen, am höchsten Punkt. Ein großer Innenhof, teilweise eingezäunt, öffnete sich vor dem großen Haus, und hier kamen die drei an, nachdem sie die labyrinthartigen Gassen und Innenhöfe, die typisch für die Zentren arabischer Anlagen waren, hinter sich gelassen hatten. Genau an dem Punkt, an dem der Markt aufgebaut wurde, und genau in der Mitte dieses Ortes, fesselten sie den misshandelten jungen Mann. Sie fesselten ihm die Hände an einen Pfahl. Dann zogen sie das Seil an und blockierten es an einer natürlichen Gabelung des Pfahlholzes, über dem Kopf des Verurteilten, damit sich dieser weder setzen noch verbiegen konnte.

    Nun betrat ein Mann der Qā’id, der für seine Aufgabe zu jung war, ein gewisser Umar, die Bühne. Er war ein gutaussehender Mann: Von Berber-Herkunft hatte er einen leicht olivfarbenen Teint, schöne tiefe schwarze Augen und eine gerade gut proportionierte Nase. Der Bart versteckte sein Alter und ließ ihn mehr seinem Vater Fuad ähneln. Auch er war ein Schuldeintreiber des Qā’id und wurde seit fast zwei Jahren vermisst.

    Aus der Abgabenstube kommend, die neben dem Haus lag, zog Umar den Kopf des Gefangenen an den kupferblonden Haaren hoch und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. So wie das Gesicht des letzteren geschwollen war, mussten sich die beiden beim Verprügeln richtig ausgelassen haben.

    Sie schauten sich also gerade an, und nichts lenkte diese stolzen schwarzen Augen davon ab, in die noch stolzeren grünen Augen des Gefangenen zu starren.

    „Und so hast du geglaubt, dass du mich beleidigen und damit davon kommen kannst…", sagte Umar.

    Aber der andere antwortete nicht; nicht, weil er die arabische Sprache nicht verstand, sondern weil jedes Wort vergebens gewesen wäre.

    „Es lohnt sich nicht unsere Zeit zu verschwenden." ergänzte der Schuldeintreiber.

    Dann nickte er mit dem Kopf in die Richtung von einem der beiden, die ihn gefesselt zurückgebracht hatten. Dieser riss dem Gefangenen die Tunika vom Leib und peitschte ihn daraufhin mit einem nassen Seil.

    Die Dorfbewohner waren alle da, und doch hatte niemand den Mut, einen Fuß über die Abgrenzung des Hofes zu setzen. Das Stöhnen, das aus der Kehle dieses Mannes kam, machte nicht mehr Eindruck als die blutroten Striemen, die sich auf seinem Rücken bildeten.

    Sie bestätigten sich untereinander, dass so etwas im Rabad noch nie geschehen war. Die Angehörigen des jungen Mannes versteckten sich indessen in der Menge und waren auf ihr eigenes Leben bedacht, klug genug, nichts zu sagen. Die einzigen abwesenden waren die aus dem Hause des Schuldeintreibers, die Mutter, die Frau und die Schwester, die es vorzogen, sich nicht in die Angelegenheiten des Familienoberhaupts einzumischen.

    Als dann der Folterknecht seinen Dienst beendet hatte und den jungen Mann, der an den Mast gebunden war, zurückließ, kehrte die Menge zu seinen Aufgaben zurück. Sie ließen ihn dort, der Kälte des Abends und dem Nachtfrost ausgeliefert.

    Erst gegen Mitternacht hatte jemand Mitleid und die Erlaubnis, ihm eine Decke zu bringen. Die Männer von Umar ließen es zu, da sie verstanden, dass es zu viel für jeden gewesen wäre, die Nacht im tiefsten Winter im Freien zwischen den Bergen von Qasr Yanna verbringen zu müssen.

    Viele sahen den jungen Mann zittern und hüpfen, um sich über einen großen Teil der Nacht in Bewegung zu halten. Dann am Morgen, als sie den Markt um den Hof herum aufbauten, sahen sie ihn schlafend an den Handgelenken hängen; er sah aus wie ein Sack, der an einen Baumstamm gebunden war. Einige glaubten auch, dass er gar tot war, und wollten ihm eine Ohrfeige geben, um sicher zu gehen.

    Es wurde wieder Nachmittag; jetzt hatte der Verurteilte seit einem ganzen Tag nichts gegessen und getrunken. Eine Herde kahler Ziegen hielt sich im Hof auf, blökte und kaute an Grashalmen. Dieser Gesang der Weidetiere und die Furcht, dass sie ihm seine Knie brechen und seine Handgelenke abreißen würden, ließen den Mann, der an dem Pfahl gefesselt war, wieder erwachen…. Dann, an einem bestimmten Punkt, als er eine Art Präsenz spürte, öffnete er die Augen; tatsächlich beobachtete ihn jemand schon seit einer ganzen Weile. Drei Schritte entfernt starrte ihn ein Mädchen mit weit geöffneten Augen an. Wunderschöne, wunderbar geformte Augen, die von den meisten Menschen nie gesehen wurden, die aber der Verurteilte und alle anderen im Rabad kannten. Türkisblaue Augen, so intensiv, dass man sich in ihnen verlieren und nie wieder finden konnte. Eine merkwürdige Farbe, die die Iris in einem dunklen Blau wie in den Tiefen des Meeres nach außen verwischte. Augen, die dazu führen können, den Verstand zu verlieren und die Herzen zu verdammen.

    Das Mädchen trug ein schönes, grünes Kleid mit gelben und blauen Verzierungen, das typisch für die Menschen aus Nordafrika war. Um ihr Angesicht zu verbergen, hielt sie den Saum ihres Schleiers fest. Der physische Aspekt mit exotischem Charakter, der sich so sehr von dem der Eingeborenen der Insel unterschied, war die Grundlage für den unermesslichen Ausdruck ihrer Augen, die völlig unverwechselbar hervorstachen. Eine rebellische Locke entkam dem Zwang des roten Schleiers, und enthüllte somit den braunen Farbton des Haares.

    Als der Gefangene sie sah, senkte er wieder seinen Blick, schaute sie jedoch kurz danach wieder an und sprach langsam:

    „Kennst du, oh mein Herr, den Himmel von Nadira, die Grenzen ihrer Augen?"

    Sie sah ihn verloren an und fragte:

    „Woher kennst du diese Worte?"

    „Seit dem Besuch der Qā’id haben sich die Verse dieses Gedichts über das ganze Dorf und darüber hinaus verbreitet."

    Dann flehte er sie mit besorgtem Blick an:

    „Befreie mich, Nadira, meine Herrin, ich bitte dich!

    Aber sie schien unbeeindruckt, verloren in dieser Bitte, die sie nicht erfüllen konnte.

    „Ich kenne die Grenzen deiner Augen nicht, Nadira…, aber ich kann dir die Ursprünge erklären, wenn du es wünschst… gib mir doch wenigstens ein bisschen Wasser…"

    Daraufhin ging Nadira ohne sich umzudrehen und ohne dieser Bitte Gehör zu schenken in das Haus zurück; das Klimpern Ihrer Fußkettchen hallte über den ganzen Hof, während sie, wegen der zu leichten und für das Freie ungeeigneten Kleidung, frierend zum Eingang lief.

    Das Wasser erreichte den Verurteilten nie, aber als Nadira das Haus betrat und Umar, ihren Bruder, sah, wie er Geld auf einem Tisch zählte, fragte sie ihn:

    „Was hat der Christ getan, dass du ihm solch eine Behandlung zukommen lässt?"

    Jetzt bedeckte sie nicht mehr das Gesicht und man konnte sehen, wie ihre vollen Lippen und ihre perfekte Nase ihre Augen harmonisch unterstrichen.

    „Wer?"

    „Der Mann, der dort draußen am Pfahl gefesselt ist."

    „Seine Familie hat sich geweigert, die Jizya⁵ zu bezahlen."

    Umar zählte sein Geld am Tisch weiter und glaubte, dass er sie mit einem einzigen Satz liquidiert habe.

    „Er wird erfrieren! Er ist jetzt schon seit zwei Tagen an diesen Pfahl gefesselt."

    „Seit wann liegt dir das Schicksal der Ungläubigen am Herzen?"

    „Heute Morgen habe ich seine Kinder gesehen, wie sie um den Mann herumspielten. Du hättest sehen müssen, wie ihn die Kleine ansah!»

    „Ich werde ihn befreien, beruhige dich… aber eine weitere Nacht im Freien wird ihm nicht schaden."

    „Komm schon, Umar, heute Nacht könnte es noch kälter werden."

    „Sie werden ihm eine weitere Decke bringen. Hast du nicht gesehen, dass ich nicht verhindert habe, dass seine Schwester ihm Hilfe gewährte?"

    „Umar der Großmütige! Sie fragte sarkastisch: „Wie denkst du über diesen Namen?"

    Woraufhin er stöhnte und mit einer Geste einem Stapel Silberdirham⁶, die er mit Steuern und Handel verdient hatte, einen Schlag mit dem Arm gab.

    Mit wütender Stimme fragte er: „Sollte ich mich von diesen Leuten beleidigen lassen?"

    „Du hast gesagt, dass sie sich geweigert haben zu zahlen; weißt du, ob sie es vielleicht nicht konnten? Diese Familie ist die ärmste im ganzen Rabad. Ich erinnere mich daran, wie unser Vater oft auf eine Abgabe oder einen Tribut verzichtete, um die armen Menschen nicht zu unterdrücken."

    „Die Dhimmi⁷ haben immer bezahlt, auch bei unserem Vater."

    „Besser so! Wenn die Beschützten immer bezahlt haben, was bedeutet dann ein einziges Mal?»

    „Dieser Corrado, dieser rothaarige….. Ohne die Abgabe zum Schutz der Ungläubigen mit sich zu bringen, trat sein Vater hervor, sah mich herausfordernd an und sagte zu mir:

    „Wir arbeiten seit zwanzig Jahren für Ihre Familie… Wenn die Jizya fällig wird, werden wir sie dir bezahlen, ansonsten begnüge dich mit der einfachen Tatsache, dass wir für dich arbeiten."

    Dann ging er zu seinen Gemüsegärten, als ob nichts gewesen wäre. Wie hätte ich ihn behandeln sollen?»

    „Aber das, nachdem du seinem Vater auf die Wange geschlagen hast!" mischte sich Jala, ihre Mutter, ein, nachdem sie die Geräusche aus dem anderen Raum gehört hatte und sich sorgte, dass die Diskussion zwischen Bruder und Schwester ausarten könnte.

    Nadira sah Jala sehr ähnlich, mit Ausnahme der unüblichen azurblauen Augen und der Haut mit einem klareren Farbton. Darüber hinaus war Nadira viel größer als Jala, die gerne mit Stolz sagte, dass ihre Tochter wegen ihrer Statur und des schlanken Körpers einer Frauenhand glich.

    Umar stand auf und antwortete, da er sich angegriffen fühlte:

    „Du kannst diese Dinge nicht verstehen, Mutter! Wie stellt man fest, ob jemand nicht zahlen kann oder nicht zahlen will? Die Strafe dient dazu, die Lügner abzuhalten."

    „Unsere Gemeinschaft war immer eine geeinte Gemeinschaft, weit entfernt von Intrigen und Eifersucht zwischen verschiedenen Rassen und Religionen… und sogar von Kriegen. Das Haus der Christen am Ende der Straße, das einzige des Rabad, wurde immer mit Würde behandelt. Dein Vater wusste, was in dieser Hinsicht richtig war. Vielleicht hast du Recht… aber in Qasr Yanna’s Rabad haben wir uns immer gegenseitig geholfen. Gestern sahen die Leute entsetzt zu, wie du diesen Jungen behandelt hast. Unser Handwerk ist bereits verhasst… doch es ist wichtig, dass sie dich respektieren und nicht, dass sie dich fürchten.»

    „Der Qā’id wird von seinem ‘āmil⁸ Rechenschaft fordern, wenn die Kisten leer sind. Und seit wann ist es eine Straftat, einen Ungläubigen zu schlagen? Wir haben ihnen erlaubt in der Gegenwart eines Bruders sitzen zu bleiben, wir haben ihnen erlaubt das Maultier zu satteln, wir haben ihren Frauen erlaubt die Bäder zusammen mit unseren Frauen zu benutzen…, wenn das anderswo nicht geschieht, könnten sie uns fragen warum wir ihnen gegenüber so großzügig sind.»

    „Aber dieser Christ, den du geschlagen hast, hat das Schwert in die Hand genommen, als die Soldaten von Jirjis Maniakis das Dorf ausplünderten, obwohl die Dhimmi vom Krieg befreit sind und keine Waffen tragen dürfen."

    „Dann wisse, dass ich das für falsch halte, und es meine Pflicht ist, die Ordnung der Dinge wiederherzustellen. Auch Sie werden sich dem Islam unterwerfen, ebenso wie viele der Christen vor ihnen, die diese Länder bewohnten, wenn sie nicht anders behandelt werden wollen."

    Nadira antwortete nun:

    „Und seit wann denkst du auf diese Weise? Seit du der Schwager des Qā’id geworden bist?"

    „Und du, Kind, wann hast du gelernt, dich deinem Walī⁹, Beschützer und Garanten, entgegenzustellen? Seit der Qā’id seine Augen auf dich gerichtet hat und du ihm als Braut versprochen wurdest? Überlege mal, wenn ich ihm erzählen würde, dass du dich mit einem Christen unterhalten hast, der an einem Pfahl gefesselt ist."

    „Mein Herr Ali hätte Mitgefühl mit diesem Mann."

    „Nun, soll er es mir vorwerfen, wenn du es ihm erzählst…, wenn ich dir nicht vorher die Zunge herausreiße, weil du diese Vertrautheiten mit einem Fremden pflegst."

    Nadira ging enttäuscht und wütend und rannte in ihr Zimmer. Beim Vorbeigehen des Mädchens wendete sich die neugierige Dienerschaft schnell ab. Sie warf sich auf ihr Bett, umarmte die vielen Kissen, die es bedeckten und begann zu weinen.

    „Nadira, mein Mädchen." rief Jala.

    Sie hob ihren Kopf, jetzt mit den unbedeckten großen, unbändigen Locken und hörte zu.

    „Nadira, Tochter, es kann grausam sein, zu erkennen, dass du zu jemandem gehören wirst, den du nicht genug kennst; und du bist erst neunzehn Jahre alt… vielleicht scheint dir das viel, aber du bist in allem unerfahren!

    „Könnte er mir wirklich die Zunge herausreißen?"

    „Denk nicht an deinen Bruder. Aber eines ist klar: Niemals und nie wieder möchte ich dich mit diesem Mann sprechen sehen!»

    „Ich habe nicht mit ihm gesprochen! Er war es, der mich um Wasser bat."

    „Und was hat er dir sonst noch gesagt?"

    „Nichts!"

    „Gut, du musst wissen, dass dies ein gefährlicher Mann der schlimmsten Art ist, Nadira. Und dein Bruder hat Recht, wenn er ihn bestrafen will."

    „Vorhin hast du das Gegenteil gesagt…"

    „Ich habe Umar gesagt, wie sich sein Vater verhalten hätte… zu dir sage ich, was ich denke. Jetzt geh nachsehen, ob deine Schwägerin Hilfe braucht. Deshalb bist du noch nicht die Frau vom Qā’id…, um sie bei ihrer Schwangerschaft zu unterstützen."

    So vergingen die Stunden des zweiten Tages dieses Winters im Jahr 1060 - dem 452 nach dem Hegirae -¹⁰ , in dem Corrado der Christ wie ein dickköpfiges Tier gefesselt und gedemütigt worden war.

    Kapitel 2

    Herbst 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna

    Es war noch Anfang Oktober, also noch ein paar Monate hin, bevor Umar sich wegen der Unverschämtheit des Sohnes der Christen rächt, indem er ihn an den Hofpfosten fesselt und Nadira mit ihrem Bruder streiten würde.

    Unter der Sonne des Nachmittags rannte Khalid, ein zwölfjähriger Junge, der Umar so nahestand, dass der Schuldeintreiber des Qā’id ihm seine persönlichen Herden anvertraute, schnell in das Dorf. Bald erreichte er Umars Haus und lief so schnell, dass er einem Windstoß im November glich. Noch außer Atem, so dass er sich auf die Knie und den Stock stützen musste, rief er:

    „Umar!"

    Es dauerte nicht lange, dass einige der Diener aus dem Haus kamen, da sie um diese Uhrzeit mit den Hausarbeiten beschäftigt waren. Sobald er gerufen wurde, kam der Hausherr, der in der lauwarmen Geborgenheit des Frühherbstes geschlafen hatte, verschlafen zum Eingang.

    „Was willst du? Was schreist du zu dieser Stunde? Ich und meine Kinder haben geschlafen… und jetzt hast du uns alle aufgeweckt!»

    „Umar, verzeih mir! Die Ziegen…» und unterbrach sich, um wieder Luft zu schnappen.

    „Was ist mit meinen Ziegen passiert? Haben Sie sie dir gestohlen?» fragte er den Jungen voller Sorgen.

    „Nein, ich habe sie im Stall eingeschlossen."

    „Du hast sie unbeaufsichtigt zurückgelassen?"

    „Ich hätte gern eine Fartasa-Ziege¹¹ schicken wollen, aber du hättest ihr Meckern nicht verstanden."

    Khalid lachte; es war klar, dass der Junge seinen Meister auf den Arm nahm.

    Umar packte ihn am Ohr und stieß ihn mit einem gezielten Fußtritt in den Hintern zu Boden.

    „Ich hoffe, dass du mir etwas Wichtiges mitzuteilen hast, oder ich sperr dich im Stall ein!"

    Der Junge stand auf und erwiderte:

    „Der Qā’id, Herr… der Qā’id kommt in den Rabad und fragt nach dir."

    „Ali Ibn¹² al-Ḥawwās kommt in mein Haus?" fragte Umar überrascht, und ordnete mit einer Hand sein Haar, als ob der Fürst von Gergent¹³ und Qasr Yanna bereits vor ihm stünde.

    „Er wird von seinen Getreuen begleitet und hat mir gesagt, dass er mit guten Absichten kommt."

    Umar schweifte mit seinen Augen und bemerkte die Karawane, die durch die gewundenen Kurven des Berges Qasr Yanna hinabstieg.

    „Geh zurück zu deinen Ziegen!" befahl er dem Jungen, bevor er schnell im Inneren des Hauses verschwand.

    Im Haus entstand viel Verwirrung, und mit großer Leidenschaft versuchte man, alles so vorzubereiten, dass es für den Besuch des Qā’id würdig wäre. Auch im ganzen Dorf entstand nun Unruhe und Geschäftigkeit: Die Frauen rannten zum Eingang des Rabad, und einige der Männer, die davon informiert wurden, kehrten aus den näher gelegenen Gemüsegärten zurück.

    Michele und Apollonia, Bruder und Schwester von Corrado, kamen heran, um die Szene mit Neugier zu beobachten. Sie würden dem Qā’id ebenso Tribut zollen wie alle anderen; es war nicht wichtig, wer sie befehligte, er war ebenfalls ihr Herr. Ginge es nicht um die Fetzen, die Michele trug und sein rasiertes Haar, Zeichen, die seinem christlichen Wesen auferlegt wurden, würde niemand sie als Ungläubige der Worte des Propheten bezeichnen. Mit Ausnahme der markanteren Gesichtszüge gab es keinen Unterschied zwischen Apollonia und den Sarazenischen Frauen14 des Dorfes. Der Rabad wurde schon in der frühen Zeit ausschließlich von Berbern besiedelt. Anderswo jedoch überwogen die Islamisten mit dem europäischeren Aussehen - weil sie von unterschiedlicher Herkunft waren oder weil sie konvertierte Ureinwohner waren – und so gab es keine körperlichen Unterschiede zu den Christen. Darüber hinaus haben sich seit zweihundert Jahren die Berber-, die Arabische und die indigene Abstammung regelmäßig vermischt um sich zu einem Volk mit homogeneren Merkmalen zu vereinen.

    In all dem war der Rabad eine Ausnahme.

    Es gab nur einen Begriff, um die Bewohner der nicht-arabischen, nicht-berberischen, nicht-indigenen Bewohner der Insel zu identifizieren… Sizilianer. Sarazenische und sizilianische Griechen, also Christen - sowie es auch jüdische Sizilianer gab - die aber dennoch alle als Sizilianer bezeichnet wurden. Aus dem Konzept der Sizilianer wurden diejenigen ausgenommen, die aus Afrika zu Zeiten der Invasion der Ziriden-Dynastie nach Sizilien kamen. Dies, bis Abd-Allah von dem anderen Teil des Mittelmeerraumes zurückkehrte. Diese, wie andere Anhänger des Islams, von berberischer Volkszugehörigkeit, wurden als Afrikaner bezeichnet, gerade weil sie aus dieser Region stammten, die die arabische Welt als Ifrīqiya bezeichnete¹⁵. Die letzten Afrikaner waren nur ein paar Jahre zuvor angekommen. Sie flohen vor den Verwüstungen, die in ihrem Heimatland wüteten. Die Schaffung eines Volkes zwischen Sizilianern und Afrikanern, obwohl alle an Allah glaubten, war ein viel komplizierteres Unterfangen - und in der Vergangenheit hatte das auch zu Unruhen geführt -, als Christen und Juden in die Gewebe der islamischen Gesellschaft zu integrieren¹⁶ . Die Gesetzgebung der Scharia¹⁷ über letztere war in der Tat klar, und wenig oder nichts konnte interpretiert werden; sie waren die Dhimmen, die Vasallen, die gezwungen waren, die Jizya, die Steuern zu bezahlen, hatten aber dennoch das Recht, ihrem eigenen Glauben nachzugehen. Die Afrikaner hingegen waren die wahren Antagonisten, diejenigen, mit denen die sizilianischen Sarazenen um die Vorherrschaft der Dominatoren wetteifern mussten.

    Im Rabad jedoch, hatte man Afrikaner noch nie gesehen. Das wahre Problem des Tages schien, eine schöne Figur vor dem Qā’id Ibn al-Ḥawwās, dem Emir von Qasr Yanna, zu machen, der unerklärlicher Weise einen seiner Schuldeintreiber besuchte.

    „Wenn nur Corrado da gewesen wäre!" rief Apollonia aus, sobald sie die Karawane sah, die jetzt in den Weiler einbog.

    Apollonia war eine schön aussehende, etwas mehr als 20-jährige Frau mit gewelltem, kastanienbraunem Haar und Haselnuss-Augen. Der reine Teint ihrer Haut machte sie nur noch attraktiver, da die Araber Mädchen mit europäischem Einschlag vorzogen. Wenn es nicht wegen ihrer Religion gewesen wäre, hätten sie sie schon umworben, und wenn es nicht um die Kleinheit des Rabad und seine familiäre Atmosphäre gegangen wäre, hätte sie sicher jemand, mit dem Versprechen, eine vorteilhafte Ehe zu erlangen, dazu veranlasst, sich zu bekehren.

    Michele war etwas kleiner als Corrado und war seinem Vater sehr ähnlich. Der Junge schien zur Arbeit geboren zu sein, und obwohl er nicht sehr groß war, war er robust und unermüdlich. Es fehlten ihm auch ein paar Zähne, die abgebrochen waren, als er im Alter von zehn Jahren versuchte, einen großen Nagel aus einem Balken zu ziehen.

    „Corrado hat die Nachricht sicher schon gehört und wird mit unserem Vater aus dem Gemüsegarten kommen." antwortete Michele.

    „Was für ein Mann ist wohl der Qā’id?" fragte Apollonia mehr sich selbst als ihren Bruder.

    Michele sah sie verwirrt an und antwortete eifersüchtig:

    „Vielleicht solltest du im Haus bleiben, wie es viele Mohammedanische Frauen tun.

    „Ich kenne niemanden hier im Rabad, der seine Schwester einsperrt."

    „Die Schwester von Umar sieht man schon eine Weile nicht mehr und wenn, dann ist ihr Gesicht bedeckt."

    „Das bedeutet, dass es einen Bruder gibt, der eifersüchtiger ist als du. Und dann reichen ja schon Nadiras Augen aus, um die Männer anzuziehen."

    Die letzten Worte von Apollonia waren der Dreh- und Angelpunkt vieler Dinge, die von da an passieren würden, …

    Der Qā’id schlängelte sich durch die engen Gassen zwischen dem allgemeinen Jubel der Menschenmenge. Ali Ibn Ni’ma, im Allgemeinen bekannt als Ibn al-Ḥawwās, war sehr beliebt bei den Menschen. Sein Name bedeutete „der Demagoge", der die Gefälligkeiten des Volkes auf sich zieht. Andererseits hatte sein eigener Aufstieg nur dank der Unterstützung des Volkes und seiner charismatischen Gaben stattfinden können; ein befreiter Berber-Sklave, der schließlich zum Qā’id des gesamten mittleren Siziliens aufgestiegen war.

    Ibn al-Ḥawwās ritt auf einem wunderschönen braunen Pferd, gespannt mit gelbem und grünem Geschirr. Apollonia war enttäuscht als sie bemerkte, dass Qasr Yanna nicht so jung und ansehnlich war, wie sie es sich vorgestellt hatte, sondern mittleren Alters, mit grauem Haar und leicht übergewichtig. Allerdings kann man nicht sagen, dass sein Aussehen unangenehm war; sicher würden viele jener Mädchen, die ihm zujubelten, alles tun, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken.

    Neben den zwanzig bewaffneten Männern, die den Qā’id eskortierten, erregte eine Frau in einem schwarzen Kleid die Aufmerksamkeit. Diese ritt wie eine Amazone auf dem Pferd hinter Ihrem Herrn und wurde von einigen Dienstmädchen begleitet. Darüber hinaus gab es einen gut gekleideten Fremden, der nach Ibn al-Ḥawwās im Luxus an zweiter Stelle stand.

    Umar stand am Eingang, machte ihm seine Aufwartung und lud seinen Herrn ein, seine „unwürdige Wohnung" zu betreten; so nannte er sein Haus. Und Ali, der Qā’id, stellte auch gleich, nachdem er vom Pferd gestiegen war, sein Gefolge vor.

    „Meine Schwester Maimuna und Bashir, mein Wesir¹⁸."

    Umar machte daraufhin mit der Hand ein Zeichen, um seiner Familie, die sie von der Tür aus beobachteten, anzudeuten, näher zu kommen.

    „Meine Mutter, Jala… meine Frau Ghadda, meine Kinder Rashid und Fatima und das ist meine Schwester, Nadira."

    Jede dieser Frauen verneigte sich mit gefalteten Händen vor dem Qā’id und dieser antwortete:

    „Ich werde Geschenke schicken, um die Schönheit dieses Hauses zu belohnen." wobei er mehr als mit nur einem Blick auf den Augen von Nadira verweilte.

    Die schönsten Teppiche und die feinsten Kissen waren schnell auf dem Boden des größten Raumes vorbereitet worden, damit sich die Männer hinsetzen konnten, um sich miteinander zu unterhalten. In den Küchen war sogar der tannūr¹⁹ zum Backen von Focaccia wieder entzündet worden, während die jungen Leute zur nächsten Quelle rannten, um den Gästen frisches Quellwasser zu bringen. Sie setzten sich alle in die Mitte des Raumes, während die Hausfrauen Maimuna einluden sich auf der anderen Seite, der Rückseite, unter einer Art Vordach das durch eine Rosenhecke abgegrenzt wurde, zu ihnen zu gesellen.

    Eine Reihe von weiblichen Dienstboten begann, Nahrung, Früchte, aber auch Honigsüßwaren, Brot, frisch geerntete Datteln und Granatapfelsaft zu bringen. An diesem Punkt begann der Wesir, der sich den merkwürdig spitz geformten Bart glättete, mit seinen Überlegungen und technischen Fragen über die Dorfverwaltung:

    „Der Ort ist schön und die Menschen sind ihrem Qā’id treu; ist das dein Verdienst?"

    „Er geht an jeden Einwohner des Rabad und an das angenehme Joch, das ihnen von unserem geliebten Qā’id vorbehalten wurde."

    „Welche ist die Anzahl des Giund²⁰?"

    „Einundvierzig Männer, die bereits bewaffnet sind."

    „Sind dir die Dhimmi untergeben?"

    „Es gibt nur eine Familie von Christen… sanftmütige Bauern."

    „Nur eine? Anderswo im iqlīm²¹ von Mazara werden Christen in Gemeinschaften zusammengefasst, wenn auch oft bescheiden."

    „Die Plünderer… habt ihr Angriffe erlitten?" fragte an diesem Punkt Ali Ibn al-Ḥawwās.

    „Wir haben seit den Zeiten meines Vaters keine Angriffe erlitten. Der letzte war, als Jirjis Maniakis vor mehr als zwanzig Jahren an der Ostküste wütete. Warum fragst du mich, mein Herr?"

    „Die Untertanen von Mohammed Ibn al-Thumna, meinem Schwager, sind nicht so sanft wie die Bewohner dieses Dorfes… und der Rabad ist ein zerbrechlicher Ort am Fuße von Qasr Yanna, wo ich wohne."

    „Müssen wir uns auf etwas vorbereiten, mein Qā’id?"

    „Ich sage dir nur, dass du die Wachen und ein Signalfeuer organisieren solltest, um unsere Späher alarmieren zu können."

    Unter dem Vordach unterhielt Jala unterdessen ihren berühmten Gast mit derselben Behandlung, die ihrem Bruder vorbehalten war. Auf Hockern sitzend, sprachen sie über Frivolitäten und Banalitäten.

    „Wann ist die Geburt?" fragte Maimuna und schaute auf den Bauch von Ghadda.

    „In drei Monaten… Inshallah²²!"

    „Und du… Nadira… es ist wirklich ungewöhnlich, dich noch immer im Haus deiner Mutter anzutreffen. Ist vielleicht die Kleinheit dieses Dorfes die Ursache dafür, dass du keine Verehrer hast?»

    „Ehrlich gesagt, meine Herrin, gab es viele Verehrer…, aber Umar war der Meinung, dass sie meiner nicht würdig waren."

    „Wegen deiner Schönheit? Dein Bruder hat Recht."

    „Ich habe nichts, was die Hälfte von dir nicht hat."

    Dann entblößte Maimuna ihre Handgelenke, indem sie die Ärmel aufschlug; Narben erschienen, kaum geheilt und immer noch voller Rötungen.

    „Du hast diese nicht, die ich habe…"

    Nadira und die anderen sahen sie verwirrt an, sie dachten sofort, dass die Schwester des Qā’id ihre Adern aufgeschnitten hatte. Aber Maimuna erklärte:

    „Denkt nicht, dass ich eine Sünderin bin; es war jemand anderes, der mir die Handgelenke zeichnen ließ."

    „Wer, meine Herrin?" fragte Nadira, die an jenem Tag ein kleines palmenförmiges Gemälde auf dem Kinn trug, eine minutiöse Arbeit, die mit Henna²³ gemacht wurde, fast mit Tränen in den Augen.

    „Mein Mann, Mohammed Ibn Al-Thumna, Qā’id von Catania und Syrakus."

    „Warum meine Herrin? Was hast du ihm getan?» fragte Nadira, beugte sich nach vorne und packte sie an den Händen.

    „Gibt es etwas, für das eine Frau so behandelt werden muss?"

    Nadira löste ihren Griff und fühlte die Antwort fast wie einen Vorwurf.

    „Ich gehörte zu Ibn Meklāti, Herr von Catania, mit dem ich verheiratet war, aber Mohammed nahm ihm sein Leben und stahl ihm die Stadt und die Frau. Und als ob es nicht genug wäre, dass ich mit dem Mörder meines ersten Mannes verheiratet wurde, wollte Mohammed mir dieses Geschenk machen, indem er mir die Handgelenke zum Zweck der Ausblutung aufschneiden ließ. Darüber hinaus wisst ihr, wie mein Bruder aus eigener Kraft vom Sklaven zum Qā’id aufstieg… und Mohammed hatte nichts Besseres zu tun, als mich immer wieder an meinen plebejischen Status zu erinnern."

    „Gehörst du noch immer dem Qā’id von Catania, meine Herrin?" fragte Ghadda.

    „Er bat mich um Verzeihung, als der Rausch des Weins vom Vorabend verging… Mohammed gehört zu denen, die trinken und sich Exzessen hingeben, welche sie am nächsten Tag bereuen und die ihnen dann leidtun. Ich habe ihn jedenfalls gefragt, ob ich zu meinem Bruder gehen könnte, und er erlaubte es… aber wenn der junge Mann aus der Dienerschaft nicht gewesen wäre, der mich retten wollte, dann wäre ich heute nicht hier, um mich mit Euch, liebe Schwestern, zu unterhalten.»

    „Hast du keine Angst, zu ihm zurückzukehren?"

    „Ich werde nicht zurückkehren, mit der Gewissheit, meine Kinder nicht mehr sehen zu können… aber ich kehre nicht zurück!"

    „Du bist mutig!" rief Ghadda aus.

    „Ich bin nicht mutig, ich bin nur die Schwester des Qā’id von Qasr Yanna. Wenn ich eine der Frauen in diesem Dorf gewesen wäre, wäre ich sicher als gute Ehefrau zurückgekehrt."

    „Und dein Bruder wird dich nicht zurückschicken?" sagte Jala, erstaunt darüber, dass Maimuna hoffte, dass ihr Bruder sie in ihrem Verhalten unterstützen könnte, das ihrer Meinung nach unanständig war.

    „Ali hat es mir geschworen."

    Es gab einen Moment der Stille, als ob die Luft mit Sorge um die Worte der Frau aufgeladen wäre.

    „Nadira, Schwester, euer Bruder tut gut daran, Euch nicht irgendjemandem zu gewähren. Habt ihr meine Handgelenke gesehen? Habt ihr das Ende gesehen, dem man entgegen geht, wenn man in den Armen des falschen Mannes endet? Und ja, du verdienst mehr… viel mehr als das, was du hier im Rabad erhalten könnest. Gewöhnliche Männer verdienen dich nicht, meine Tochter.»

    „Wer könnte sich für ein Mädchen des Volkes interessieren?"

    „Sogar ein berühmter Qā’id!" sagte Maimuna ungewöhnlich schnell, als hätte sie von Anfang an darauf gewartet, diese Antwort zu geben.

    Nadira lachte bescheiden und sagte dann:

    „Es gibt nicht viele wichtige Qā’id in Sizilien, außer deinem Mann, deinem Bruder und…"

    Sie hatte noch nicht aufgehört zu reden, als sie von einem seltsamen Bewusstsein übermannt wurde: Maimuna war für sie und im Auftrag ihres Bruders hier. Sie wurde von Angst, Besorgnis und einer Spannung überfallen, die ihr die Sprache verschlug.

    „Nadira, Liebste, was verwirrt dich?" fragte Maimuna, wobei sie ihre Wange streichelte.

    Im Gegensatz dazu war Jala, die die Anspielung schon vor ihrer Tochter verstanden hatte, außer sich.

    „Nadira, es scheint, als ob Maimuna’s Komplimente dich stören.", schalt die Mutter.

    „Warum bist du hier?" fragte stattdessen das Mädchen ernst und schluckte.

    „Um herauszufinden, ob das, was über Nadira aus dem Rabad gesagt wird, wahr ist. Tut es dir leid?"

    „Nein!" antwortete die junge Frau und lächelte nervös.

    Es war zwischen Maimuna und ihrem Bruder vereinbart worden, wenn das Urteil über das Mädchen positiv ausfallen würde, dass Nadira dann die Männer im anderen Raum und vor allem den Qā’id selbst von eigener Hand bedienen sollte.

    „Glaubst du, dass der Qā’id von Qasr Yanna ohne Grund zum Rabad kommt? Nadira, Ali wäre sehr glücklich, wenn du ihm das Essen persönlich servieren würdest.»

    Nicht nur zögerlich in sich selbst, nicht weil sie mit dem Vorschlag nicht einverstanden war, sondern weil die Geste ernst war, bedeckte sich Nadira das Gesicht, nahm von einer Magd die Süßigkeiten aus Mus, die mit Honig und Senf vermischt waren, entgegen und brachte sie in den Raum, in dem die Männer diskutierten.

    Der Qā’id unterbrach die Rede, sobald er Nadira zu sich kommen sah; es war das Signal, dass das Mädchen Maimuna’s Prüfung bestanden hatte.

    Umar war verwirrt, doch jetzt verstand er sofort den Grund für den Besuch seines Herrn.

    Als Nadira im Angesicht des Qā’id kniete und ihre Hand mit dem Essen seinem Mund näherte, umfasste er leicht ihr Handgelenk – so sehr, dass sie befürchtete, etwas falsch gemacht zu haben – und starrte intensiv in ihre weit geöffneten Augen und begann zu rezitieren:

    „Kennst du diese Quellen von lebendigem, reinem und Saphir-farbigem Wasser?

    In dem man sich spiegeln, seine eigene Seele finden kann.

    Wo die Reiher landen und die Jungfrauen ihre Haare entblößen.

    Kennst du, oh mein Herr, die Grenzen seines Reiches?

    Kennst du das schockierend wunderbare Meer?

    So tief und reich an Fischen mit geschuppten Flossen.

    So türkis und blau und hellblau, wo sich die Netze vereinen.

    Kennst du, Favorit des Höchsten, die Grenzen Siziliens?

    Kennst du diesen Himmel von unvergleichlicher Schönheit und Unschuld?

    Aus dem der Regen in der Jahreszeit der frühen Feigen und der Melonen fällt.

    Durch den sich der Hibiskus, die Orangeblüte und die Rosen erfrischen.

    „Kennst du, oh mein Herr, den Himmel von Nadira, die Grenzen ihrer Augen?"

    Auf dem Gesicht von Nadira erschienen schnell zwei Tränen, die sich hinter dem Schleier des Niqab²⁴ versteckten. Sie konnte sich nicht erklären, wie es möglich war, dass der Ruhm ihrer Augen die Grenzen des Rabad überschritten und sogar die Ohren des Qā’id erreicht hatten.

    „Hast du diese Worte jemals gehört, meine Liebe?" fragte Ali, obwohl er bereits wusste, dass die Antwort negativ war.

    „Nein, mein Herr. Aber die Nadira, der du sie gewidmet hast, muss sehr glücklich sein."

    Die Qā’id lächelte und war von der Bescheidenheit des Mädchens positiv beeindruckt.

    „In diesem Sommer gab ich einem Wanderpoeten, der nach einem Hof suchte, mit dem Namen Mus’ab, eine Audienz, und dieser erfreute mich zwei Monate lang mit seinem poetischen Geschick. Eines Tages pries er eine Blume solch unermesslicher Schönheit, dass ich damit endete, ihn anzuflehen mir zu sagen, um wen es sich handelte. Diese Blume hatte einen Namen: Nadira; sie lebt im Rabad und ist die Schwester des‘āmil. Die Verse, die ich rezitiert habe, meine Liebe, habe ich nur auswendig gelernt… der Genie-Preis geht allein an den Dichter Mus’ab, aber der Preis für die Schönheit dieser Worte geht an dich. Wenn ich jedoch deine Augen gesehen hätte, bevor ich diese Worte hörte, hätte ich vielleicht Mus’ab für seine Eitelkeit bestraft, das unbeschreibliche beschreiben zu wollen. Allah hat euch zum unerreichbaren und unerklärlichen gemacht, meine Liebe! Ich habe einen Monat gewartet, die ganze Dauer des Ramadans²⁵, bevor ich kam, um „den Himmel von Nadira, die Grenze ihrer Augen kennenzulernen, auch wenn ich jetzt weiß, dass diese Grenze nicht existiert.

    Jetzt sah Ali Umar an und sagte zu ihm:

    „Bruder, ich bitte Euch um die Hand von Nadira, um jeden Preis, den ihr mir auferlegt."

    Umar verstummte und Nadira verließ den Raum, da sie verstand, dass die Angelegenheit von den Männern besprochen werden musste.

    Umar stimmte in seinem Herzen sofort zu, und er hätte ihm Nadira auch ohne Preis gewährt, da er zum Schwager des Qā’id werden würde, doch er versteckte seine Gefühle und seine Zustimmung, auf dass der andere sein Angebot erhöhen würde. Ali versicherte, dass er Nadira zu einer seiner Frauen machen wolle und dass er sie nicht wegen ihrer niedrigen Herkunft wie eine Konkubine behandeln würde. Er versprach auch Geschenke und Vorteile für die gesamte Familie. Umar sah Rashid an, seinen ältesten Sohn von nur acht Jahren, und er konnte nicht umhin zu überlegen, wie sich dank der blauen Augen seiner Schwester sein Leben ändern würde.

    Unterdessen rannte Nadira an den Ort, wo sie als kleines Mädchen unter den Zweigen eines großen Maulbeerbaums auf dem Grundstück des Hauses Zuflucht gesucht hatte. Sie verstand nicht, warum gerade ihr so etwas wichtiges passieren sollte. Sie fühlte sich nicht dazu bereit, da sie glaubte, dass sie nichts getan habe, um die Aufmerksamkeit des Qā’id und einen solchen Antrag zu verdienen. Sie weinte und zitterte… Dann lehnte sie ihren Rücken an den Baumstamm und erinnerte sich mit geschlossenen Augen an die Ursachen der Ereignisse des heutigen Tages.

    Kapitel 3

    Sommer 1060 (452 seit Hegirae) Rabaḍ von Qasr Yanna

    Es war ein Freitag und unter der Mittagssonne ging Nadira zum Brunnen südlich des Rabad, um einen Eimer Wasser zu schöpfen; Ihre Nichte Fatima begleitete sie. Diese, rot gekleidet, trug ein dekoriertes Halsband, das mit verschiedenartigen geometrischen Fantasien und vielen hängenden Ornamenten verziert war und das an der Kopfbedeckung angebracht war, so wie es bei den Berbern für die Schmückung der Mädchen Brauch war. Es gab auch andere Frauen, die zum Brunnen gingen. Sie lachten und scherzten sorglos trotz der heißen Stunde.

    Nachdem sie ihre Aufgaben erfüllt hatten, gingen sie den Weg zurück nach Hause und andere übernahmen ihre Eimer. Nur Nadira und Fatima blieben zurück.

    Ich habe gehört, dass dieser Brunnen ein Wunder ist. sagte eine männliche Stimme.

    Nadira, ließ überrascht das Seil los und der Eimer fiel zum Boden des Brunnens.

    Dieser Kerl, ein junger Mann, der einen seltsamen gelben Kefiah²⁶ um den Kopf gewickelt trug, kam heran, indem er seine Hände schüttelte und sie anflehte ihm für den Schreck zu vergeben.

    Ich hatte dich nicht gesehen, guter Mann. antwortete Nadira, während sie ihr Gesicht bedeckte und die kleine Fatima an sich zog.

    „Ich sagte, dass dieser Brunnen ein Wunder ist… und nun, da ich dir näher bin, überzeugt er mich noch mehr."

    Und lächelnd fuhr er fort:

    Denn wenn du kein Engel bist, dann erkläre mir welche Kreatur des Paradieses vor mir steht.

    Nur die Schwester des Dorfleiters, ein Mann, der dem Qā’id sehr nahesteht. erklärte Nadira, um ihn von eventuellen bösen Absichten abzubringen.

    Du musst dich nicht vor mir fürchten.

    Als er dann eine Verneigung mit den Händen auf dem Rücken andeutete, stellte er sich vor:

    „Mus’ab, Dichter und Arzt."

    „Lass mich mit meinem Bruder sprechen, und dann werde ich dir die Gastfreundschaft entgegenbringen, die du verdienst, Mus’ab."

    „Du bist freundlich, aber ich glaube, dass ich alles was ich brauche, bereits gefunden habe."

    „Brauchst du Wasser? Mein Bruder wird sich nicht davon abbringen lassen, dir einen Eimer zuzugestehen." fragte Nadira unschuldig, da sie dachte, er meine den Brunnen.

    Doch der andere lächelte und erklärte:

    „Ich bin trotz meines jungen Alters viel gereist: Von Bagdad nach Grenada. Ich muss sagen, dass ich viele Male türkis- und smaragdfarbene Augen gesehen habe, die den 72 Jungfrauen würdig sind, die Allah den Märtyrern versprochen hat. In Andalusien fand ich Mädchen von visigoter Abstammung mit Augen, die deinen… ähnlich sind, und zwischen den Bergen der Kabilia habe ich Frauen mit fast identischen Eigenschaften getroffen. Aber nie… nie… habe ich ein so intensives hellblau in einem Gesicht wie in deinem gefunden. Dein Aussehen verrät deine sicher berberische Abstammung, die ich von den Kleidern des kleinen Mädchens erahne… Und sogar unter den sizilianischen Ureinwohnern sah ich jemanden, der helle Augen hatte, aber nie wie die deinen. Vielleicht ist dein Vater ein Einheimischer? Oder vielleicht deine Mutter? Von wem hast du dieses Glück geerbt?»

    Du irrst dich… du warst sicher zu lange Zeit fort von dieser Erde und erliegst leicht der Täuschung. Es gibt keine Berber, Einheimische oder Araber hier, sondern nur Sizilianer, die das Wort des Propheten achten. Es stimmt, unter meinen Großeltern und unter deren Müttern gab es eingeborene Frauen, die zu den Diktaten des Korans konvertiert haben, wie es in jeder anderen Familie von Gläubigen auf dieser Insel der Fall ist. Aber das ist normal, wenn man bedenkt, dass in Sizilien in der ersten Zeit überwiegend Männer ankamen, und erst danach kamen die Familien, die vor der Verfolgung der Kalifen und der Emire von Ifrīqiya geflüchtet waren. Aber was meine Augen betrifft, warum sollte jemand jemals eine unergründliche Gabe Allahs beurteilen?

    In diesem Moment rief der Muezzin²⁷ die Gläubigen zum Mittagsgebet auf. Nadira wandte sich dem Rabad und seinem Minarett zu und beeilte sich, um zurückzukehren.

    „Meine Mutter wartet schon zu lange auf dieses Wasser."

    „Sag mir nur deinen Namen."

    „Nadira."

    „Nadira, ich werde über deine Augen schreiben!" rief der Fremde.

    Bereits auf dem Weg nach Hause, Fatima an der Hand nach sich ziehend, stieg bei Nadira die Gewissheit, dass Mus’ab bei Umar vorsprechen würde, um um ihre Hand zu bitten. Doch die Tage vergingen, und die Gewissheit verschwand, bis Anfang Oktober klar wurde, welche weit wichtigeren Auswirkungen diese Begegnung bei der Entwicklung ihres Schicksals hatte.

    Kapitel 4

    Winter 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna

    Das Gesicht von Corrado strahlte im Rot des Sonnenuntergangs, das sich mit den sehr ähnlichen Farben seines Haares vereinte. Nadira war schon seit Stunden in das Haus zurückgekommen und verweigerte die Hilfe, um die er sie gebeten hatte; von diesem Moment an war niemand mehr aufgetaucht.

    Dann, direkt bei Sonnenuntergang, begann Corrado im Delirium zu Schreien:

    „Umar, komm raus! Komm raus und nehme es mit mir auf!»

    Aber eine Stimme hinter ihm, die vom Eingang zum Hof kam, flehte ihn an:

    Bitte, hör auf!

    Und er:

    Nadira, Feigling… ist das dein Mitleid?

    Diese Stimme hinter ihm gab sich zu erkennen, als sie sich dem Pfosten näherte. Auch ein Mann des Schuldeintreibers, der für die Wache eingeteilt war, kam näher, aber dieser zeigte sich bedrohlich und wollte ihn für die Beleidigung seiner Herrin bestrafen.

    „Nein, bitte! Er fiebert… er weiß nicht, was er sagt. Er glaubt sogar, dass ich dem Qā’id versprochen bin.»

    Trotz der Bitten von Apollonia drohte die Wache:

    „Noch ein weiteres Wort und ich hacke ihm den Kopf ab!"

    Apollonia weinte, als sie ihn nur wenige Schritte entfernt besorgt anstarrte.

    "Ich bin deine Schwester. Sieh mich an, Corrado, sieh mich an!»

    Aber er drehte seinen Kopf krampfhaft weg und gab dann ein undefiniertes Geräusch von sich.

    Apollonia warf sich ihm entgegen und umarmte ihn mitfühlend. Corrado war der größte Mann im Rabad und sie war eines der kleinsten Mädchen, daher verlor sich der Kopf der Schwester an seiner Brust, die von der zerrissenen Tunica und der Decke auf den Schultern entblößt war.

    „Mut… Mut… es wird nicht so lange dauern."

    Schwester… antwortete er mit sehr leiser Stimme.

    Endlich erkennst du mich!

    „Wie lange bist du schon hier?"

    „Seit jeher… seit jeher, mein Bruder. Ich wäre auch geblieben, nachdem ich dir letzte Nacht diese Decke gebracht habe, aber unsere Mutter zwang mich, wieder nach Hause zu gehen."

    Und wo sind sie?

    Unser Vater und unsere Mutter fürchten den Mann des Qā’id und hindern auch Michele daran hierher zu kommen.

    Und du, Schwester?

    „Ich bin nichts, die Konsistenz eines Tautropfens… wer interessiert sich schon für mich?"

    Corrado schloss seine Augen. Er hatte eine Art Spasmus im Gesicht und sagte dann zu ihr:

    „Geh nach Hause. Merkst du denn nicht, wie stark die Sonne zu dieser Stunde ist?»

    Die Wache hatte sich inzwischen wieder angenähert, um das Mädchen daran zu hindern, ihm Hilfe zu leisten.

    „Bleib ihm fern!"

    Apollonia löste sich aus der Umarmung und antwortete:

    Aber siehst du nicht, dass er deliriert ist? War die Lektion nicht genug?

    „Geh und rede mit Umar… Ich hätte ihn schon freigelassen, und ich wäre nach Hause, in die Wärme gegangen."

    Apollonia lief daraufhin zum Eingang des Haupthauses.

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