Die drei Freier
Von Levin Schücking
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Die drei Freier - Levin Schücking
Die drei Freier
Die drei Freier
Anmerkungen zu dieser Ausgabe
Impressum
Die drei Freier
In der hochbelobten und uralten, des heiligen römischen Reiches freien Stadt Augsburg liegt noch heute am Weinmarkt und dicht neben dem Wohnhaus der weltberühmten Fugger ein Gasthof, der seit undenklichen Zeiten die beste Herberge geboten hat für alle Wegfahrer zwischen Alpen und Main- oder Rheinland. Er ist ursprünglich vor vielen Jahren, zu Caroli Quinti Zeiten, vom reichen Anton Fugger zu seinem Wohnhause erbaut, auch ist darin noch heute der Saal mit der überaus kunstreich getäfelten Decke aus geschnitztem Holzwerk zu sehen, in welchem der reiche Anton die römisch-kaiserliche Majestät bewirtete und mit des Kaisers Schuldverschreibung über viele Tausend Dukaten das Kaminfeuer entzündete. Nach des Fuggers Heimgang, nun auch schon, wie gesagt, seit vielen Jahren, ist das Gebäude ein Wirtshaus geworden, ansehnlich und groß, mit stattlichen Räumen und breiten steinernen Stiegen, und dazu versehen mit einem Keller voll der ausgesuchtesten und köstlichsten Weine aus Ungarland, Hispanien und Italien, so daß niemand, und reiste er auch durch das ganze weite Land der Deutschen, sich besser unterzustellen vermöchte, als bei den „Drei Mohren" in Augsburg.
Es war im Jahre als man schrieb 1700, um die Zeit jedoch, als schon das alte vor dem jungen Jahre, so da 1771 heißen sollte, zu weichen sich anschickte, in der Zeit zwischen der heiligen Weihnacht und dem Fest der drei Könige, was man gemeiniglich „in den Zwölften" nennt, es ist das die Zeit besondrer Andächtigkeit und der frommen Einkehr in sich selbst für die lebenden Menschen, aber auch die Zeit der Unrast und Unruh für alle die, so im Grabe noch keine Ruhe fanden und absonderlich die Art Unseliger, die nicht gern da vorübergeht, wo ein Kreuz errichtet ist, oder das geweihte Glöcklein einer Kapelle läutet.
Es hatte mehrere Tage geschneit, jetzt aber schien das Wetter sich allgemach umsetzen zu wollen, denn der Schnee begann sich unter den Füßen der ehrsamen Bürgersleute zu ballen, die über den Weinmarkt, nach St. Ulrich und Afras hoch in den Abenddunst aufragendem Münster in die Abendandacht schritten. Auch war die Luft plötzlich wärmer und feucht geworden, und ein grauer Nebel legte sich leis über die Dächer und quoll sacht in die Gassen nieder, daß die hohen Giebel der Häuser mit ihren Zacken und Zieraten durch den doppelten Schleier der Dämmerung und des Nebels wie hochaufgerichtete Lebewesen mit wüsten versteinerten Gesichtern aussahen, die nur noch das volle Nachtdunkel erwarteten, um sich aus der dichtgedrängten Reihe, in der sie zusammengeschoben standen, mit den Schultern loszuschütteln und, Gott der Herr weiß was, zu beginnen. Und jetzt sah man auch die Spitzen der Türme von Sankt Afra schon gar nicht mehr, so neblich und dunkel war es bereits.
Unter dem geöffneten Einfahrtstore der „Drei Mohren" stand Herr Winhold Eusebius Flachs, der Gastwirt, und überblickte den Weinmarkt, ob vielleicht noch irgend eine fremde Herrschaft zu Roß oder gar zu Wagen sich nahe, um Aufnahme unter sein gastliches Dach zu begehren, denn die Stunde war da, um die Torflügel schließen zu lassen.
Als er nun so dastehend den vorüberziehenden Kirchengängern, die von der Seite des Weberhauses herkamen, entgegen sah, blieb sein Auge auf einer fremdartigen Gestalt haften, welche sich von den anderen, so die Gasse belebten, sehr auffallend unterschied. Es war ein Mann in einem langen dunklen Talare, der sich langsam an einem hohen Wanderstabe weiter bewegte und so ermüdet schien, daß er einmal die rechte Hand ausstreckte, um sich an den Mauern des Hauses zu stützen, endlich, als er gerade dem schönen Herkulesbrunnen gegenüber gekommen war, blieb er ganz stehen, lehnte sich mit der Schulter an die nächste Mauer, krampfte seine beiden Hände um seinen Stock, ließ das Haupt auf die Brust sinken und schien es ganz und gar aufzugeben, sich noch weiter zu schleppen.
Die Menschen auf der Gasse