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Das Buch-Buch: Buchobjekte - Bücherbilder - Egon Plüsch und der entschlüpfte Roman
Das Buch-Buch: Buchobjekte - Bücherbilder - Egon Plüsch und der entschlüpfte Roman
Das Buch-Buch: Buchobjekte - Bücherbilder - Egon Plüsch und der entschlüpfte Roman
eBook360 Seiten3 Stunden

Das Buch-Buch: Buchobjekte - Bücherbilder - Egon Plüsch und der entschlüpfte Roman

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Über dieses E-Book

Knapp 200 Buchkunstwerke und ein «Roman» (Textzusammenfügungs-Experiment nennt es der Autor) fügen sich zu einem einmaligen Buch. Eine Augenweide und ein Lesevergnügen in einem.
Das Buch-Buch enthält einerseits knapp 200 Werke von Martin Schwarz rund um das Buch und anderseits einen Text, den man Roman nennen könnte oder in den Worten des Autors «Textzusammenfügungs-Experiment». Im fortlaufenden Text finden sich Gedanken und Zitate von Denkern, die zum Weiterspinnen ermuntern.
SpracheDeutsch
HerausgeberConzett Verlag
Erscheinungsdatum24. März 2015
ISBN9783037600375
Das Buch-Buch: Buchobjekte - Bücherbilder - Egon Plüsch und der entschlüpfte Roman

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    Buchvorschau

    Das Buch-Buch - Martin Schwarz

    Beim Formen meiner Buchobjekte lugte öfters eine Idee zwischen den geschichteten Seiten hervor. Wie man sich diesen Sachverhalt vorstellen soll? Sie gehören vielleicht zu den Lesern, die ein offenes Buch etwas weiter von sich weg halten müssen, um die Zeilen lesen zu können. Sie brauchen eine Brille! Jedoch wenn die Idee immer noch nicht zu sehen ist, liegt es nicht an Ihrer reduzierten Wahrnehmungsfähigkeit – die Ideen lugen, gucken oder drängen sich natürlicherweise ausschliesslich in der Imagination aus den schmalen Zwischenräumen der Seiten. Wesentlich entdeckungsfreudiger müssten wir sein, wenn eine Idee nicht zwischen den Seiten erscheint, wenn ein geplanter Buchanfang, z.B. ein Notizblatt eines Entwurfes ein unsichtbarer Bestandteil des Objektes geworden ist – unsichtbar zwischen den anderen, bereits bemalten, zerknüllten oder verleimten Seiten und darum nicht mehr zu erkennen ist oder sogar zu Papiermaché geknetet wurde. Es ist meine Gewohnheit, entwurfsmässig bekritzeltes Papier auf diese Weise zu verarbeiten. Bevor ich die um mich liegenden Blätter vermantsche, schreibe ich die Entwürfe für einen Buchanfang noch schnell auf dieses Papier. Nichts endet, bevor es beginnt — so wollte ich beginnen. Es wäre doch bestimmt kein schlechter Anfang gewesen. Das Wort Nichts als erstes. Jedoch ist es nun zu spät und mir ist bereits der Fehler passiert, so unspektakulär wie oben begonnen zu haben. Sie als Leser werden mich noch öfters ertappen, wie ich mich entlang der Wörter verirre und ich werde von mannigfaltigen Dichtern, sich widersprechenden Philosophen und vertieft-forschenden Wissenschaftlern mit dem Nichts konfrontiert. Ärgern Sie sich bitte nicht. Begleiten Sie mich eher mit nachsichtigem Bedauern auf die oft verhängnisvolle Reise über den Wörtersee, wo sich ein Sturm auftürmt und mir im heulenden Getöse ein Mann aus dem Volk zusätzlich noch eine Last von Worten übergibt – ja nun – eben nochmals zurück zum Anfang. Ein Buch zu schreiben ist eine grenzenlose Freude – ja, nein – so ist es nicht. Erfüllend wäre ein gern gehörtes Prädikat. Ich möchte behaupten, es ist ein Gedankengeknutsche, begleitet von einem beglückenden Ächzen in einer Plackerei mit stummem, wohltuendem Stöhnen. Worte finden, Worte wegdrängen, Worte suchen. Dann wiederum erreichen mich die Sätze und ich empfange alles wie eine hochsteigende und sich ausbreitende Flut in einem Land ohne Wehr. Hin und wieder – mehr oder weniger häufig – werde ich Zitate von bekannten und weniger bekannten Wortkünstlern in meinen Text einstreuen und die Leserin oder der Leser wird bemerken, dass diese Wort-Edelsteine durch meinen grauen Wörtergrund so richtig brillant erleuchtet werden. Denn ausschliesslich Edelsteine wären nur ein unüberblickbares Blendwerk. So bin ich in einem gewissen Sinne den grossen Geistern zu Dienste – eine mir selbsterschaffene Ehre. Aber eben, welch ein Mühen. Bereits jetzt müsste ich wieder nach einem Buch suchen und nach einer darin enthaltenen Textstelle, lasse dies jedoch bleiben und gebe darum ein Zitat von Friedrich Nietzsche – dem vielbewunderten, der doch kein Vorbild zu meiner Orientierung ist – nur sinngemäss wieder und daher mit weniger Wörterglanz: ‚Die Dichter gebären mit Schmerzen, denn warum soll dies auch anders sein als bei den Weibern?‘ Allzu sehr will ich die Geburt meines Textes nicht zu einem masochistischen Unternehmen werden lassen und ich mache meinen hartnäckigen Willen nachgiebig und weich und strapaziere mein Können nicht grossmeisterlich, denn es gibt wohl sowieso keine unvergängliche Poesie, die aus mir herauszuzwingen wäre. Jedoch, da ich es nicht lassen kann – denn es gehört zum Künstler, sich zu formulieren und zu fabulieren, ist ein forcierter Poesieversuch entstanden: ‚ab fliesst nur, in Dichtung und Wahrheit – durch die Abflussdichtung, so nass war es.‘ Der Versuch ist mir mäßig gelungen.

    In der erhellten Nacht ein Buch zu schreiben, bringt ungeahnte Entdeckungen. Überraschende Schwierigkeiten sagen wiederholt guten Tag. Letzteres beginnt auch schon damit, dass sich die schreibende Fürstin Marie-Gabrielle Hohenlohe zu mir einmal folgendermaßen äusserte: „Der Erfolg von einem Buch entscheidet sich bereits mit dem ersten Satz. Und da ich mir einen völligen Misserfolg nicht erschreiben wollte, hatte ich verhängnisvollerweise unnötig viele Versuche damit verbracht, einen ersten guten Satz zu finden. Der erste Satz in ihrem Buch ‚Alison liebt einen Franzosen‘ lautet: George Henely faltete die Times zusammen. Bei mir fehlt ein solcher einfach nachzuvollziehender Vorgang, so werde ich vielleicht mein Versäumnis wieder gut machen und auf einen guten Schlusssatz hinarbeiten – sofern ich meinen mahnenden Vorsatz nicht bereits einige Sätze weiter vergesse. Ein Buch selbst zu machen, ist manchmal auch eine Form von Eigensinn. Künstler, die Bücher oder Ausstellungskataloge machen wollen, begeben sich bald auf einen Weg voller Demut: Wer unterstützt mich? – Wer hilft mir bei der so genannten Druckvorstufe? Dann begibt man sich in einen ‚Dschungel‘ von Ratschlägen, Meinungen und Finanzberechnungen und ist dann noch abhängig, dass das Buch richtig angeboten wird und überlegt um die Weihnachtszeit, ob der Verlagsvertreter ein Geschenk bekommen soll, obwohl er vielleicht ein Atheist ist. So versuche ich, die Schwierigkeiten zu meistern und vieles selbst zu machen und verschwende Zeit und Kräfte an Buchmessen und ernte Freuden. Gleichzeitig kann ich jedoch sagen, dass es für mich jeweils vieleicht die phantastischsten beruflichen Erlebnisse im Jahr sind. Es ist einfach überwältigend, wenn man (damit meine ich immer auch ‚Frau‘) durch das Angebot der verschiedenen Verlage geht: Dieses riesige Angebot von Fantasie und Wissen steigert sich bei mir zeitweise zu einem philosophisch-religiösen Erlebnis. Es ist unfassbar, wie vielfältig der Mensch seine Existenz reflektiert und zu ergründen versucht. Die Leipziger Buchmesse, angegliedert und innerhalb der grandiosen, lichtdurchfluteten Glashalle, bestehend aus tausenden von Gestellen und Tischen, in und auf denen die Bücher mit ihrem noch lockenden und unerschlossenen Geheimnis ruhen, belebt von noch mehr zumeist schreitenden Menschen. Und wie die Menschen doch so unterschiedlich schreiten! Die eine Person setzt einen Fuss vor sich hin und scheint dann den ganzen Körper nachzuziehen. Eine andere Person schwingt ihren Körper tänzerisch durch den Raum inmitten von Büchern und elegant ergänzen sich die Glieder in ihrer Bewegung. Geschwind zappeln die Beine eines Studenten, und wie schwebend läuft er gezielt zu einem präsentierten Buch. Eine junge, schwarz gekleidete Frau setzt ihren umlederten Fuss mit den massiven Schuhsohlen energisch auf das vorgesehene Bodenstück vor sich und dann ebenso den andern Fuss in unüberhörbarem Takt – welches gewünschte und gesuchte Buch lenkt ihren Schritt? Mit einem Büchlein in der Hand kommt eine voluminöse Frau daher, und unter ihrem langen Rock ist die Bewegung der Beine kaum zu sehen – wie geschoben von einer unsichtbaren Person zieht sie vor meinen Augen wie auf Rollen vorbei. Ich, in der Buchmesse als Verkäufer und Kontaktperson stehend, mache zwischenzeitlich meine Ausflüge zu andern Verlagen und in die Buch-Antiquariatsmesse und ich komme dann wieder zurück zu meinen angebotenen Produkten. Käme Friedrich Nietzsche an meinen EigenArt-Verlagsstand, würde er mir aufmunternd zuflüstern: „Wir gehören nicht zu denen, die erst zwischen Büchern, auf den Anstoss von Büchern zu Gedanken kommen – unsere Gewohnheit ist, im Freien zu denken, gehend, springend, steigend, tanzend, am liebsten auf einsamen Bergen oder dicht am Meere, da wo selbst die Wege nachdenklich werden. Unsere ersten Wertfragen in Bezug auf Buch, Mensch und Musik lauten: kann er gehen? Mehr noch, kann er tanzen?

    Ich würde ihm erklärend antworten: Wir sind doch nicht in einer Tanzveranstaltung und ich bedaure dies etwas, dass ich nicht gleichzeitig ein Werk schaffen kann und ich empfinde es sowieso als ein Ungehorsam gegenüber dem Kunst- und Literaturbetrieb, dass ich mich soweit selbst zu verwirklichen suche. Wenn dies jeder Kunstschaffende machen würde, wäre die Folge ein heilloses Durcheinander in der undurchschaubaren Hierarchie des ganzen Betriebes. Anderseits hatte ich mich zu viele Jahre dieser Lebendigkeit verweigert, im Glauben, alleine im Atelier den Versuch machen zu müssen ‚Grosses zu erschaffen. So machte ich mir an der Buchmesse wenigstens impressionistische Notizen wie die Menschen schreiten für den damals noch unbestimmten Buchinhalt. Schreitend: Zögernd-ängstlich, wiselig-fröhlich, schüttelnd – wie wenn Regentropfen vom Schuh in die Luft befördert werden sollen, oder im geraden Gehschritt ohne bewegliche Kniegelenke, ein Anderer wankendschwankend und doch wie in panischer Eile, mit Schuhen wie Tierchen, die den munteren Menschen sorglos weitertragen oder unstet – vor- und zurückwippend von süchtig suchenden Augen getrieben – ein Bibliophiler, forsch und nichts beachtend, wie von einer Mechanik angetrieben, im Gegensatz zum anderen Besucher: langsam, wie wenn die Bewegungen gleich versiegen würden. Jemand wollte mit seinen schönen Schuhen richtig auftreten und gleich wieder hüpfend abtreten – wie er das macht, ist mir unerklärlich."

    Mir bedeuten Bücher sehr viel – müsste ich mich jedoch entscheiden, was ich auf die viel beschworene, einsame Insel mitnehmen dürfte: eine Bibliothek oder eine Frau, so würde ich mich doch für das Zweite entscheiden. Dies könnte bereits ein Thema sein zur psychologischen Ergründung in einem ganzen Buch. Jedoch, bei genauerem Nachdenken bin ich mir über meine Wahlentscheidung doch nicht mehr so sicher – wäre es doch möglich – die erwählte Frau macht mir rechthaberische Vorwürfe, dass ich ohne körperliche Ertüchtigungsübungen eine Kokosnuss vom Baum zu pflücken versuchte und ich nun, nach dem unheldenhaften Absturz, für gar nichts mehr zu gebrauchen wäre. Bald träumte ich dann, im säuselnden Wind liegend, von einer Palme mit raschelnd-flatternden Bücherfrüchten anstatt von harten Nüssen unter dem Blätterdach und ich würde mich an Angelus Silesius erinnern: Ein Buch wäre der bequemste Freund. Man kann sich mit ihm unterhalten, so lange und so oft man will, man ist ganz ein Empfangender, kann in jeder Stimmung die rechte Kost wählen und ist nie enttäuscht.

    Und mit einem Gedanken an Stefan Zweig würde das Verlangen nach Büchern noch größer: Eng und einsam wird ein Leben, das nicht mehr als sich enthält: Lernst du erst dich hinzugeben, wird Dir jedes Buch zur Welt! Nun auf dieser grünen Insel in einsamer Zweisamkeit mahnt mich ein wiederkehrender Gedanke von JeanClaude Wolf an meine Buchobjekt-Kreationen, und ich werde wenigstens einmal aus pflanzlichen Blättern ein Objekt formen: ‚Leidenschaft für Bücher kann sich in der relativ harmlosen Sammelwut manifestieren; relativ harmlos ist sie deshalb, weil sie gewöhnlich nur dem Sammelnden selber schaden kann, insbesondere seinen Finanzen. Wer von der Sammelleidenschaft besessen ist, zieht es vor, in den meisten anderen Lebensbereichen geizig zu sein. Wenn der Sammelwütige nicht schäbig gekleidet ist, so trifft man ihn doch im Verein der Billigesser, die an den einschlägigen Orten speisen oder sich heimlich vier Tage lang von einem Kohlkopf ernähren. In Buchhandlungen und Antiquariaten kennt man ihn als süchtigen Stammkunden. Harmlos ist der Sammler vielleicht auch deshalb, weil es ihm um eine Meidung der Bücher als Lese-Objekte geht; als BücherFetischist wird er die meisten erworbenen Bücher nie lesen, sondern sie wandern ins Regal, Trophäen eines privaten Prestiges. Der wahre Bücherhamster liebt den Einband, das Druckbild, das Vorsatzblatt, die Gestalt, die Farbe und den Geruch seiner Bücherchen, kurz: er hat ein irrationales, zärtliches Verhältnis zu ihnen. Das Buch wird zum Ersatzpartner, zum stummen und doch beredten Begleiter. Das Buckobjekt als sinnlicher Gegenstand wurde auch zum Kunst- und Ausstellungsobjekt erhoben. Damit hat es sich immer mehr von einem Medium der Mitteilung in ein fast naturwüchsiges Produkt verwandelt, das von Staub und Stockflecken, Würmern und Pilzen befallen werden kann und schließlich wie ein objet trouvé von der Strasse oder aus dem Wald dahinmodert.‘

    Zu meinem ersten Versuch, einen begleitenden Text zu meinen Buchobjekten zu verfassen, kann ich mir kein Lob aussprechen und nicht mal anerkennend wenigstens auf die eine meiner Schultern klopfen. Ich brauche Hilfe und ich erschaffe mir eine Romanfigur: ‚Plüsch‘ wird sie genannt und mit Vorname ‚Egon‘. Zweiter kaum erwähnter Vorname wäre ‚Albert‘, also Egon Albert Plüsch. Er hat sein Vorwort zu meinem geplanten Buch nach unserm ersten Zusammentreffen wieder mitgenommen und er will dieses nun wesentlich andern und zu einem Nachwort umschreiben. Deshalb schreibe ich hier in Erinnerung das Wesentliche noch einmal. Egon Plüsch war anfänglich zuvorkommend, einfühlsam, hilfreich, praktisch und kooperativ, und so hatte er mich gleich persönlich besucht, um sein bereits geschriebenes Vorwort zu meinem Romanentwurf vorzulesen, in der Absicht, den Inhalt zu diskutieren und eventuell zu verbessern, zu ergänzen oder zu kürzen. Ziemlich übermüdet erschien Egon im Büro meiner Verlagsräume in Oberwinterthur und erwähnte, dass er bald seinen Wohnort wechsle, völlig überarbeitet sei und darum gleich zur Sache kommen wolle. Nach einer knappen Stunde anstrengender und beglückender Arbeit mit seinem Vorwort, dem Vorwort zu den gefundenen Schriftstücken aus einem grossen, sperrigen Koffer, verabschiedete er sich und nahm den Text mit wenigen, angefügten Korrekturen wieder mit. Nach drei Wochen, erhielt ich den Text immer noch nicht, nach etlichen weiteren Wochen desgleichen und ich begann mich nach dem Verbleiben von Herrn Plüsch zu erkundigen. Ich konnte auch mit all meinen einfallsreichen und detektivischen und bereits etwas besorgten Bemühungen seinen neuen Aufenthaltsort nicht in Erfahrung bringen, auch nach etlichen Monaten erhielt ich keine Nachricht von ihm und so logischerweise ebenso wenig vom vermutlich weiterbearbeiteten Vorwort.

    So müsste ich versuchen, das Vorwort aus der Erinnerung wieder auferstehen zu lassen. Ich mache dies jedoch morgen, übermorgen und auch später nicht. Viele andere Schriftstücke stehen bereits einige Wochen unsichtbar und unerkannt in einem verschlossenen Koffer, ohne befestigte Adresse vor meiner Haustüre. „Ist dieser Koffer für Sie oder ist er für Herrn Plüsch bestimmt?", so wurde ich von einer Nachbarin gefragt und da ich keinen so grossen Koffer erwartete, sah ich mich selbst auch nicht als Empfänger; dies umso weniger, als es ein alter Uberseekoffer war – eigentlich fast schon eher eine Kiste. Ausserdem fühle ich mich in Europa heimisch und habe gar keine Abenteuerlust nach Ubersee. Dann, nach wenigen Stunden kam überraschend der mir damals noch ziemlich unbekannte Egon Plüsch vorbei und nahm den schweren, ungeöffneten Koffer an sich und transportierte ihn mit Hilfe eines Transporteurs ab. Vor der Haustür erschall ein Ächzen, Rumpeln und Motorengeratter, bis die Geräusche des sich entfernenden Transportautos allmählich abklangen.

    Heute nun ist Herr Plüsch bereits wieder hier in meinem kleinen Verlagsraum und erzählt vom Kofferinhalt, den gesammelten Papieren zu meiner Arbeit und allerlei Dazugehörigem als Material für das neue Buch. Ein zusammengeschnürter Stapel Papiere – relativ wenig aus dem Kofferinhalt, trägt er unter dem Arm. „Ist dies alles für mich bestimmt – so quasi zu meiner Selbsterkenntnis? – frage ich ihn. Doch warum soll ich eine korrekte Antwort erwarten, zumal mir ja Etliches als unglaubhaft, unmöglich, fabulierend erscheint, wie bereits sein Name „Egon Plüsch mich befremdete, beim ersten Mal, als ich ihn hörte. Jedoch, was kann der Mann für seinen Namen, da darf ich ihn doch nicht bereits anfänglich mit etwas Negativem belasten. Er ist ja wahrlich nicht der Einzige, welcher einen nicht wohlklingenden Namen trägt. Auch soll schicksalhaft sein Geburts- und zeitweiliger Wohnort „Kissenburg bei Ulm sein, so dass einige Personen, welche seinen Namen und die Ortschaftsbezeichnung vernehmen, eher in der aktivierten Fantasie eine gemütliche Sitzgruppe vor sich sehen oder etwas Ähnliches wie ein organisches Möbel. So soll sich am vergangenen Montag eine ihm flüchtig bekannte Frau grundlos auf seine Oberschenkel gesetzt haben, als er auf der Parkbank den Sonnenuntergang genoss – anlehnend fühlte sie sich eingepolstert im feinsten, anschmiegsamen Plüsch. Dabei soll sie, die sich schrankenlos Annähernde, Egon ins Ohr geflüstert haben: „Bei allen Plüschbindungen ist darauf zu achten, dass der Polfaden immer zu seinem Grundfaden – dem Stützfaden – richtig einbindet, damit alle Polnoppen den gleichen Stand haben. Es ist nun so: ändert man also die Lage des seitlich vom Polfaden stehenden Grundfadens, so wird die Polnoppe eine andere Lage erhalten. Egon war das Eingeflüsterte unverständlich und er vermutete es handle sich vielleicht um einen außergewöhnlichen erotischen Wunsch. Doch als sie mit ihrem Getuschel fortfuhr merkte er, dass es sich um ein vorgetragenes ästhetisches Fachwissen handelt: „Sind in demselben Plüschgewebe die Polnoppen verschieden gestützt, so sehen wir durch den Lichtreflex zwei verschiedene Farbtöne. Diesen Sachverhalt hat sich meine Firma der Brüder Carl und Adolf Vorwerk aus Wuppertal-Barmen ausgenutzt und sich ein Verfahren zur Herstellung von im Stück gefärbten Plüsch patentieren lassen, bei dem die Musterung je nach Einfall des Lichts in hell und dunkel erscheint, wodurch ein besonders schöner Effekt erzielt wird."

    Er erzählte weiter von seinen Erlebnissen, auch detailgetreu wie bei dem Beispiel der hier wiedergegebenen Expertise, allerdings nicht zu einer mit Plüsch überzogenen Parkbank, vielmehr zu einem Tischproblem. Ich begehrte noch kurz auf und erklärte, dass in dem zu konzipierenden Bücherbuch logischerweise der Gegenstand der Erörterung das Buch sei und nicht der Tisch. Als Erwiderung äusserte er ein wenig spöttisch die Idee: „…so fertigen Sie doch ein kleines Buchobjekt an mit vier Puppenbeinen in Schuhen unten am aufgeklappten Buch befestigt, als Buchtisch." Ohne in seinem Geplapper innezuhalten, tischte er mir seinen Bericht von einer Tischlerprüfung auf und friedfertig gestimmt, liess ich es zu. Nun haben wir den folgenden Salat als Kuckucksei:

    "Verlangt wurde ein künstlerisches Gesellenstück: halb Tisch – halb

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