Polizei.Wissen: Polizei und Tod
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Über dieses E-Book
auf sich zulassen. Das können z.B. die juristische, soziologische und die polizeipraktische Sichtweisen sein. Die
Zeitschrift macht sich nun zur Aufgabe,
a) eine Mannigfaltigkeit an Sichtweisen
b) in kurzen Texten
zusammenzuführen. Dadurch soll eine Diskussion möglich werden, die ansonsten nur schwer zu organisieren wäre und die
sehr lange dauern könnte.
Grundsätzlich wird in den Themenheften, ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtetet.
Dabei wird jeweils besonders der polizeilichen Lehre als auch der polizeilichen Praxis Raum zur Aussprache eingeräumt.
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Buchvorschau
Polizei.Wissen - Verlag für Polizeiwissenschaft
Zum aktuellen Themenheft: Polizei und Tod
Vom Herausgeberteam Matthias Frey und Jonas Grutzpalk*
Die Begegnung mit dem Tod gehört zum polizeilichen Alltag. Sei es bei einem Unfall, als Folge einer schweren Verletzung oder Krankheit, nach einem Suizid oder gar durch Mord oder Totschlag – häufig ist die Polizei als erste vor Ort, die als erste dem ungeschönten Bild des Todes gegenübersteht. Dabei zeigen sich Herausforderungen, die bereits in der polizeilichen Ausbildung beginnen: Wie gut sind die Beamtinnen und Beamten auf die Begegnung mit dem Tod vorbereitet? Wie lernen Sie, damit umzugehen und psychisch unversehrt zu bleiben? Wie gelingt es ihnen, kulturelle und soziale Unterschiede im Umgang mit dem Tod zu verstehen und in ihrer Arbeit umzusetzen? Und wie können Sie den taktischen, technischen, dienst-kundlichen und forensischen Anforderungen an den Tod gerecht werden? Dieses Themenheft greift die polizeiliche Begegnung mit dem Tod aus verschiedenen Blickwinkeln auf und versucht dabei, die Mannigfaltigkeit dieser Begegnung so gut wie möglich zu spiegeln.
Über ein ganzes berufliches „Leben mit dem Tod" bei der Polizei schreibt Holger Wiersich in einem persönlichen Rückblick. Tobias Trappe und Reinhard Voigt gehen in ihren Beiträgen der Frage nach dem toten Polizeibeamten nach – sei es, dass der Dienst das Opfer des eigenen Lebens fordert, sei es, dass Polizisten nicht mehr leben möchten und sich töten.
Christian Friedrich Matzdorf zeigt anhand von Beispielen, wie der Einsatz kriminaltechnischer Mittel die Todesermittlung erleichtert, während Vincenz Leuschner mit dem besonderen Thema Nekrophilie einen Bereich erschließt, der vielen – auch emotional – unbekannt sein dürfte. Matthias Frey geht der Frage nach, wie rechtzeitig dem Verlust von Spuren entgegengewirkt werden kann, wenn ein Tötungsdelikt erst auf dem Obduktionstisch erkannt wird.
Aus juristischer Sicht fragt sich Sabrina Schönrock, wie sich das Töten eigentlich strafrechtlich beschreiben lässt – eine Frage, die sich mit der Reformbestrebung des §211 StGB darin einig weiß, dass die aktuelle Fassung des Strafrechtes überholungsbedürftig ist.
Anna Temirow hat in der polizeilichen Praxis beobachtet, dass kulturelle Hürden bestehen, die für die Polizei im Kontakt mit muslimischen Hinterbliebenen sehr hoch sein können. Deswegen geht sie der Frage nach, was Polizisten über den Tod im Islam wissen sollten.
Neben der Feuerwehr, Ärzten und Polizei finden sich schließlich auch meist die Bestatter dort ein, wo ein Verstorbener gefunden wird. Auch sie haben ihre eigene Perspektive auf das Thema. Jonas Grutzpalk hat mit einem Bestatter darüber gesprochen.
Tanja Hollmann und Birgit Thinnes beschäftigen sich in ihren Beiträgen schließlich mit der Ausbildung zur Polizistin und zum Polizisten. Sie beschreiben, wie sowohl der Umgang mit Leichen wie auch das Überbringen von Todesnachrichten trainiert werden muss.
*Matthias Frey, M.A., ist Kriminaloberrat und Lehrbeauftragter für Kriminalistik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Jonas Grutzpalk ist Professor für Soziologie und Politikwissenschaft am Studienort Bielefeld der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.
Die erste Leiche vergisst man nicht
von Holger Wiersich*
Einführung
Jede Polizistin und jeder Polizist auf der Welt blickt auf Erfahrungen mit dem Tod während ihrer und seiner Dienstausübung zurück. Viele nehmen das hin, weil es ja schließlich der Job verlangt, anderen gelingt es wahrscheinlich, eine gesunde Distanz aufzubauen. Und längst nicht alle machen sich Gedanken darüber.
Aber wie ist das, wenn man sein Dienstleben lang immer wieder per fachlicher Zuständigkeit mit dem Tod und entsprechenden Ermittlungen als Kriminalbeamter zu tun hat? Wenn man bis zum Anschlag in Familientragödien eintaucht, eng mit trauernden Angehörigen verwächst, grausam zugerichtete Tote sehen und untersuchen muss und überlebenden Opfern als Ansprechpartner und Beistand dient, immer und immer wieder. Verändert es uns? Schleicht es sich ein in unser Denken oder erzeugt sogar Probleme? Zunächst unbemerkt, später merklich, und irgendwann nicht mehr ignorierbar? Und können wir es überhaupt zulassen, über solche Prozesse nachzudenken und sie innerlich anzunehmen?
Lebenslauf mit Toten
Ich habe 1986 mein Studium für den gehobenen Dienst der Berliner Kriminalpolizei aufgenommen. Schon während meiner Probezeit war ich mit der Bearbeitung von Todesermittlungsverfahren beschäftigt. Danach zehn Jahre lang als Sachbearbeiter und Teamführer beim Kriminaldauerdienst (KDD), nach vierjähriger Unterbrechung wieder beim KDD als stellvertretender Schichtleiter, dann als Schichtleiter und schließlich als Kommissariatsleiter im Fachkommissariat für Todesermittlungen und als Leiter einer Mordkommission. Nahezu jeden Tag ist mir der Tod in meinem Dienst begegnet. Und ich bin dankbar dafür, dass dieses Thema aufgegriffen wird, weil es wichtig ist. Weil es endlich etablierte Strukturen geben muss, damit umzugehen, die wir ausbauen müssen. Weil es an Verständnis fehlt bei vielen Mitarbeitenden und sogar Vorgesetzen, wenn deswegen einmal soziale oder psychische Probleme bei Kollegen auftreten.
„Wie ist das, wenn man bis zum Anschlag in Familientragödien eintaucht, eng mit trauernden Angehörigen verwächst, grausam zugerichtete Tote sehen und untersuchen muss und überlebenden Opfern als Ansprechpartner und Beistand dient, immer und immer wieder."
Eine gute Nachricht vorweg: Selbst wenn wir die ewigen und unumkehrbar Gestrigen dabei außer Betracht lassen müssen – es hat sich da schon viel verändert und das ist großartig.
Die erste Leiche vergisst man nicht
Der erste tote Mensch, den ich in meinem Leben zu Gesicht bekam, befand sich im Obduktionssaal des gerichtsmedizinischen Instituts der Freien Universität zu Berlin. Ich, 19-jährig, war frisch gebackener und stolzer Student. Aus Furcht vor einer plötzlichen Ohnmacht hatte ich mich sorgfältig vorbreitet: Meine damalige Medizin studierende Freundin empfahl mir, vorsorglich meine Muskelpumpe zu aktivieren, nämlich im Stehen am Sektionstisch meine Oberschenkelmuskeln rhythmisch zu kontrahieren, um meinen mit Absacken drohenden Kreislauf auszutricksen. Das hat geklappt, ich fiel nicht um - im Gegensatz zu einigen meiner bedauernswerten Kommilitonen.
Offensichtlich hat die Muskelpumpe meine ganze Aufmerksamkeit konsumiert. Sonstige Erinnerungen an die für mich wahrscheinlich spektakuläre Schauobduktion, die das fachliche Fundament für jahrzehntelange Todesermittlungen legen sollte, habe ich nicht behalten Bei vielen nachfolgenden Obduktionen, die ich bislang begleitet habe, musste ich oft an meine gelungene Strategie denken, die ich vielen Berufsanfängern zur praktischen Anwendung weiterempfehle. Alle anderen fallen halt um.
„Selbst wenn wir die ewigen Gestrigen außer Betracht lassen müssen – es hat sich schon viel verändert und das ist großartig."
Danach ging es ganz gut mit der Bearbeitung von Leichensachen. Während meiner Probezeit war ich ein Jahr lang beim KDD im Berliner Norden eingesetzt, danach weitere zehn Jahre in sachbearbeitender Tätigkeit. Einsatz um Einsatz hatte ich Todesermittlungen im Ersten Angriff zu führen. Die anfängliche etwas beklemmende Furcht löste sich rasch. Ich entwickelte früh ein kriminalistisches Interesse und verlor Berührungsängste. Bloß der Umgang mit trauernden Angehörigen wurde nicht leichter erträglich und machte mir zu schaffen. Das hat sich bis heute kaum verändert.
Neidisch auf den Funkwagen