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Mein Lebensglück finden: Mehr selbst leben als gelebt werden
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eBook407 Seiten5 Stunden

Mein Lebensglück finden: Mehr selbst leben als gelebt werden

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Über dieses E-Book

Alle Menschen wollen glücklich sein. Kann aber das Leben auch bei Menschen glücken, die in schwierigen Lebenssituationen sind und die existenzielle Probleme haben?

Karl Frielingsdorf ist überzeugt, dass sich immer dann Wege zu einem geglückten Leben auftun, wenn Menschen sich mit ihrem Leben bewusst auseinandersetzen und positiv in die Zukunft schauen können. Diese Erfahrung beruht auf den vielen Lebensgeschichten, die ihm Menschen in therapeutischen Einzelgesprächen, Gruppen und Kursen anvertraut haben. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns die in der Kindheit unbewusst entwickelten Lebensmuster und Überlebensstrategien anschauen, weil sie unbemerkt unser Leben oft bis heute prägen.

Diese Erkenntnisse sowie die neueren Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und Hirnforschung können helfen, neue Wege zu einem geglückten Leben zu finden: Schritt für Schritt das Leben selbst in die Hand nehmen und kreativ gestalten.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Apr. 2017
ISBN9783429063320
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    Buchvorschau

    Mein Lebensglück finden - Karl Frielingsdorf

    „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung"

    (Erich Fromm)

    Was ist ein glückliches

    und erfülltes Leben?

    1. Was heißt „Glück und „Glücklichsein

    Was verstehen wir unter Glücklich- und Unglücklichsein? Was heißt es, glücklich zu leben?

    Das Wort „Glück stammt vom mittelhochdeutschen „gelücke ab, was in etwa „Geschick, günstiger Ausgang, guter Lebensunterhalt (Duden) bedeutet. Wir verstehen hier Glück nicht im Sinne von „Glück haben (englisch: luck), sondern in der Bedeutung von „Glücklichsein (englisch: happiness). Wenn jemand sagt „Ich habe Glück gehabt, dann ist damit meist etwas Zufälliges gemeint. Er hat z.B. im Lotto gewonnen oder sie ist einem Autounfall oder einem anderen Unglück entkommen. Menschen, die dieses zufällige Glück haben, können durchaus unglücklich sein. Umgekehrt sind Menschen, die dieses Glück nicht haben, d. h. die Pech haben, nicht notwendig unglücklich in ihrem Leben. „Glück haben – ein Geschenk des Zufalls, glücklich sein – eine Gabe des Herzens" (Carl P. Fröhling).

    Man kann drei glücksstiftende Lebensstile unterscheiden:

    1. Hedonistisches Leben: Glück als Genuss angenehmer, lustbetonter Dinge bei gleichzeitiger Vermeidung von lustfeindlichen Faktoren.

    2. Aktives Leben: Glück als Vervollkommnung der eigenen Fähigkeiten, Zielerreichung und Erfolg.

    3. Sinnerfülltes Leben: Glück als Streben nach einem Lebenssinn; danach streben, seine Fähigkeiten in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, sich zu engagieren und in Beziehung leben.

    Die meisten antiken Philosophenschulen gehen von der Verbindlichkeit menschlicher Glückssuche aus. Für sie ist Glück „dasjenige, worin alles Handeln und Begehren zum Stillstand kommt; denn niemand könne glücklich sein, wenn er etwas Begehrtes nicht habe. Das Glück ist notwendigerweise das höchste Ziel menschlichen Handelns. Glück ergibt sich aus dem Besitz von etwas Gutem. „Will man von wirklichem Glück sprechen, muss „das Gute ständig im Besitz dessen sein, den man glücklich nennen kann, und daher muss das Gut, das ein gleichbleibendes Glück sicherstellen soll, ewig und unwandelbar sein (Horn, 24ff.). Augustinus versteht in der Tradition des paganen philosophischen Eudaimonismus das Glücksstreben als ein typisches Merkmal des Menschen: „Wir wollen glücklich sein" (Horn, 24ff.).

    Wir sprechen hier vergleichbar vom Glück als „sinnerfülltem Leben, vom „existentiellen Glück (happiness = Glücklichsein) im Sinne von „Ich bin glücklich bzw. „Ich wünsche mir, glücklich zu sein. Allgemein wird dieses Glück verstanden als eine affektive, positive Erfahrung. „Glück bedeutet in seinem Kern offensichtlich Erfüllt-sein von Freude und Getragen-werden von einer gehobenen Stimmung. Dieses Bestimmtsein von Freude und Hochstimmung gilt sowohl für die erregte Form des Glücklichseins, die sich im Gefühl überschüssiger Energie, in Lachen, Tanzenwollen und Ekstase ausdrückt, als auch für dessen ruhigere Variante, die durch Entspannung, Einssein mit sich selbst und Verbundenheit mit anderen gekennzeichnet ist (Hommes, 167).

    So spricht man von Glückspilzen, denen alles zu gelingen scheint, denen alles in den Schoß fällt. Sie sind schon immer auf der Sonnenseite des Lebens und große Probleme scheinen ihnen fremd zu sein.

    Unglücklichsein wird dementsprechend als Gegensatz verstanden: Der Pechvogel hat eine gedrückte Stimmung und fühlt sich isoliert und verlassen. Er hat das Gefühl, dass ihn seine Umgebung ablehnt und nicht mag. Letztlich ist er ein „Loser-Typ", dem einfach nichts gelingen will. Er lehnt sich selbst ab, hat Minderwertigkeitsgefühle, kann sich von der depressiven Stimmung nicht befreien, fühlt sich im Ganzen schlecht, ohnmächtig und hilflos. Er kann sich selbst nicht leiden.

    Die Skepsis gegenüber einem „glücklichen Leben ist grundgelegt in der Annahme, dass der Mensch von Natur aus unfähig für das Glück ist. So meint z.B. Sigmund Freud, dass der Mensch nicht für das Glück geschaffen ist: „Alle Einrichtungen des Alls widerstreben ihm [dem Glück] (…) man möchte sagen, die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten (Freud, Bd. XIV, 433f.).

    Vielleicht sind die Vorbehalte aber auch darin begründet, dass wir das Glücklichsein zu absolut sehen, es mit der „ewigen Glückseligkeit gleichsetzen, wo es kein Leid und keine Trauer mehr gibt. Nach diesem Verständnis wären wir zum „Unglücklichsein im Diesseits verdammt und könnten nur auf das Glück im „Jenseits hoffen. Doch das „ewige Leben, wo alles Verlangen nach Glück im Jenseits gestillt wird, ist zu unterscheiden von dem hier gemeinten irdischen Glücklichsein. Beide sind allerdings auch nicht zu trennen. Irdisches Glück und ewiges Glück sind nicht unverträglich und gegensätzlich, sondern aufeinander bezogen. So ist das reale irdische Glück etwas, „das wir zwar nicht machen können, das wir dennoch mit gutem Grund in dieser unserer Welt suchen und empfangen wollen, und nicht erst an ihrem Ende oder im Jenseits" (Hommes, 234).

    Wenn mit dem Wort „Glück so unterschiedliche Dinge wie die ewige Glückseligkeit und irdische Glückserfahrungen bezeichnet werden, dann sind sie nur in Beziehung zu verstehen. Diese wichtige Erkenntnis hat Thomas von Aquin wie folgt beschrieben: „Wie das geschaffene Gut ein Gleichnis des ungeschaffenen Gutes, so ist auch die Erlangung eines geschaffenen Gutes eine gleichnishafte Glückseligkeit (Thomas von Aquin nach Pieper, 1976, 42). So hat jede Erfüllung unserer alltäglichen Glückswünsche, jede Erfüllung unseres Glücksverlangens – und mag es noch so unscheinbar sein – etwas mit der letzten und ewigen Glückseligkeit zu tun. Und wäre es nur der Hinweis darauf, dass diese Erfüllung nicht reicht, um unseren Hunger nach Glück zu stillen.

    Es gibt also ein wirkliches irdisches Glück, das nicht so sehr von der Abwesenheit des Negativen („Glück als Fehlen von Unglück"), sondern von der Anwesenheit positiver Erfahrungen und Einstellungen bestimmt wird. Dieses existentielle irdische Glück besteht in einer grundsätzlich bejahenden Einstellung zum eigenen Leben und zur Welt überhaupt mit ihren positiven und negativen Seiten, die letztlich im Glauben verwurzelt ist.

    Die himmlische Glückseligkeit ist in den kleinen irdischen Glücksmomenten schon gleichnishaft auf Erden erfahrbar. M. Lütz schreibt in seinem Buch „Unvermeidlich glücklich, dass die Christen nicht an das unendliche Leben, sondern an das ewige Leben glauben. „Und diese Ewigkeit ereignet sich schon in diesem Leben, zum Beispiel in Momenten des Glücks. Jeder kennt solche dichten Momente, in denen man sich intensiv glücklich fühlt. Unvergänglich sind solche Momente, ewig. Dabei sind diese Momente nicht herstellbar, nicht planbar. Sie ereignen sich, beiläufig manchmal, unerwartet, wenn das Leben ganz leicht wird, fast schwebend (Lütz, 180f.). Das Glück verbirgt sich in den kleinen Dingen.

    Nach Josef Pieper liegt das höchste Glück des Menschen in der liebevollen Kontemplation, im ruhigen oder überwältigenden Schauen, im sinnlichen und geistigen Ergriffensein von der Schönheit und Wahrheit der Welt (J. Pieper, 2012, 39). Solche Momente können tiefe Sinnerfahrung, ja sogar Gotteserfahrung für uns bereithalten, eine Erfahrung von Ewigkeit. „Und das können ganz alltägliche Anlässe sein, das Lächeln eines Kindes, der Anblick einer entzückenden Landschaft, ein ergreifendes Kunstwerk, aber auch die Erfahrung von Liebe, von Güte, von Zuneigung. Und solche Glückserfahrung ist kein Lohn für ein moralisches Leben, diese Glückserfahrung ist ein Geschenk. Man kann sich nicht selber glücklich machen (Pieper, 1976, 39ff.). Das hat Mutter Teresa erfahren, wenn sie sagt: „Sei in diesem Augenblick glücklich, das genügt. Wir brauchen nicht mehr als den Augenblick.

    Zum existentiellen, umfassenden irdischen Glück gehören also die kleinen Glückserfahrungen ebenso wie die Annahme der unglücklichen Erfahrungen im persönlichen Leben und im weltweiten Kontext. Wesentlich ist, dass wir die Licht- und Schattenseiten, die Freuden und Leiden, die Höhen und Tiefen in unser Leben integrieren und letztlich unser Leben, so wie es ist, annehmen und uns damit versöhnen.

    Ein schwedisches Märchen schildert uns unterschiedliche Lebensanschauungen und Antworten auf die Frage nach einem geglückten Leben:

    „An einem schönen Sommertag war um die Mittagszeit eine Stille im Wald eingetreten. Die Vögel steckten die Köpfe unter die Flügel. Alles ruhte.

    Da steckte der Buchfink sein Köpfchen hervor und fragte: ‚Was ist das Leben?‘ Alle waren betroffen über diese schwere Frage.

    Eine Rose entfaltete gerade ihre Knospe und schob behutsam ein Blütenblatt nach dem andern heraus. Sie sprach: ‚Das Leben ist eine Entwicklung.‘

    Weniger tief veranlagt war der Schmetterling. Lustig flog er von einer Blume zur anderen, naschte da und dort und sagte: ‚Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.‘

    Drunten am Boden schleppte sich eine Ameise mit einem Strohhalm, zehnmal länger als sie selbst, und sagte: ‚Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.‘

    Geschäftig kam eine Biene von einer honighaltigen Blume zurück und meinte: ‚Das Leben ist ein Wechsel von Arbeit und Vergnügen.‘ Sie stellte sich vor, wenn sie den Honig aus der Blume holt, das sei Vergnügen, aber wenn sie Waben baut, das sei Arbeit.

    Wo so weise Reden geführt wurden, steckte der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und sagte: ‚Das Leben ist ein Kampf im Dunkel‘. Dann verschwand er.

    Die Elster, die selbst nichts weiß und nur vom Spott der anderen lebt, sagte: ‚Was ihr für weise Reden führt. Man sollte wunder meinen, was ihr für gescheite Leute seid‘.

    Es hätte nun einen großen Streit gegeben, wenn nicht ein feiner Regen eingesetzt hätte, der sagte: ‚Das Leben besteht aus Tränen, nichts als Tränen‘. Dann zog er weiter zum Meer.

    Dort brandeten die Wogen und warfen sich mit aller Gewalt gegen die Felsen, kletterten daran in die Höhe und warfen sich dann wieder mit gebrochener Kraft ins Meer zurück und stöhnten: ‚Das Leben ist ein stets vergebliches Ringen nach Freiheit‘.

    Hoch über ihnen zog majestätisch ein Adler seine Kreise, der frohlockte: ‚Das Leben ist ein Streben nach oben‘.

    Nicht weit davon stand eine Weide, die hatte der Sturm schon zur Seite geneigt. Sie sprach: ‚Das Leben ist ein Sich-Neigen unter eine höhere Macht‘.

    Dann kam die Nacht. – In lautlosem Fluge glitt ein Uhu durch das Geäst des Waldes und krächzte: ‚Das Leben heißt, die Gelegenheit nutzen, wenn die anderen schlafen‘.

    Schließlich wurde es still im Walde.

    In der Schule löschte der Professor, der über den Büchern gesessen hatte, die Lampe aus und dachte: ‚Das Leben ist ein Schule‘.

    Nach einer Weile ging ein junger Mann durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Er kam von einer Lustbarkeit und sagte vor sich hin: ‚Das Leben ist eine fortwährende Jagd nach Vergnügen und eine Kette von Enttäuschungen‘.

    Morgens wehte ein leichter Wind durch die Straßen, der meinte: ‚Das Leben ist ein Rätsel‘.

    Auf einmal flammte die Morgenröte in ihrer vollen Pracht auf und sprach: ‚Wie ich, die Morgenröte, der Beginn des kommenden Tages bin, so ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit‘" (Autor unbekannt).

    Wenn das Glück also nicht so sehr im Fehlen des Negativen liegt, worin besteht es dann konkret? Wir glauben meist glücklich zu sein, wenn wir positive, befreiende und gute Lebenserfahrungen machen, die in uns Freude und Lebensbejahung wecken. Sie gipfeln in dem Grundgefühl: Es ist gut zu leben und einfach da zu sein.

    Im Alltag findet sich ein solches „kleines Glück" oft, wenn sich ein bestimmter Wunsch, eine Sehnsucht erfüllt: Wenn Hungrigen das Essen schmeckt, wenn Durstigen ein kühler Trunk gereicht wird, wenn uns ein geplantes Werk gelingt, wenn wir einen Freund treffen, wenn wir beim Spielen gewinnen usw.

    Das „kleine Glück kann uns zufallen wie ein Geschenk, so z.B. in einer Hochstimmung bei einem Sonnenaufgang. So kann ich von meinem Fenster mit dem Blick auf die Skyline von Frankfurt morgens staunen, wie sich die aufgehende Sonne in den Hochhäusern in bunten und wechselnden Farben spiegelt, wie ein „Bankenglühen. Abends, bei den Sonnenuntergängen, die alle in unterschiedlichen Farben strahlen und leuchten, darf ich es noch einmal erleben. Ähnliche Glücksmomente können wir bei einer Gipfelbesteigung mit dem weiten Blick über Berge und Täler erleben, bei einem Spaziergang am Meer, in einem Konzert, bei der Lösung eines schwierigen Problems, durch ein ermunterndes Wort, durch einen liebevollen Blick oder durch andere positive Erfahrungen, die uns Tag für Tag zufallen, wenn wir sie wahrnehmen.

    Während wir in negativen Stimmungen vor allem das Bedrohliche und Schwierige sehen, öffnen uns die Glücksmomente die Augen für das Schöne, das Positive und Kostbare in unserem Leben. Die beglückenden Erfahrungen schenken uns Freude und Spaß an der Arbeit, an den Menschen und am Leben überhaupt. Hier kann die tägliche Übung des Dankens eine Hilfe sein. Ich mache mir am Abend im Rückblick auf den Tag die Glücksmomente bewusst, die ich erlebt habe, schreibe sie auf und danke Gott für sie und für den ganzen Tag. Dann vertraue ich mich ihm auch in der Nacht an. Ich lege mich ins Bett, symbolisch gesprochen: Ich lege mich bewusst in die Hand Gottes.

    Zwei Menschen empfinden ein tiefes Glück, wenn sie sich nach einer langen Zeit des Streitens, des gegenseitigen Verletzens mit vielen Kränkungen die Hand zum Vergeben und Versöhnen reichen. Dieses Glück gleicht der Freude des Vaters, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt, oder der des guten Hirten, der das verlorene Schaf wiederfindet. Tiefes Glück können zwei liebende Menschen erfahren. Dieses Glück besteht einmal in der Sehnsucht und im Verlangen nach dem oder der Geliebten und drückt sich dann im Genießen und in der Freude und dem Entzücken aus, wenn die Liebenden das Geliebtsein erleben.

    Neben der Philosophie und Psychologie hat in den letzten Jahrzehnten vor allem die Psycho-Neurobiologie mit ihren präzisen Messmethoden wichtige Erkenntnisse zum Thema „Glück" eingebracht. Der Neurobiologe M. Spitzer fasst die Ergebnisse der neurobiologischen Forschung gut und verständlich zusammen: „Sehr tief im Gehirn im sogenannten Mittelhirn, sitzt eine kleine Ansammlung von Neuronen, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren und über zwei Faserverbindungen weiterleiten: zum einen in den Nucleus Accumbens und zum anderen direkt ins Frontalhirn. Was genau machen diese Neuronen? Wie man heute weiß, ‚feuern‘ sie dann, wenn ein Ereignis eintritt, das besser ist als erwartet. Dadurch werden wir aufmerksam und wenden uns dem guten Erlebnis zu. Dies hat zwei Konsequenzen: Neuronen im Nucleus accumbens, die opiumähnliche Eiweißkörper herstellen und als Neurotransmitter im Frontalhirn ausschütten, werden aktiviert. Unser Gehirn produziert also selbst Opium, die Endorphine. Und wenn diese im Frontalhirn ausgeschüttet werden, dann gibt uns das ein freudvolles Erleben und wir haben Spaß!

    Ähnliches geschieht beim Schokolade essen, Musik hören, schnelle Autos fahren, beim Videospiel gewinnen bis hin zu einem netten Blick oder einem aufbauenden Wort. All dies aktiviert die Dopamin-Neuronen, die wiederum bewirken, dass das Frontalhirn und der Arbeitsspeicher besser funktionieren. Wir können also besser denken und verarbeiten die gerade vorliegenden Informationen besser. So lernen wir auch besser. Das beschriebene System löst damit eine ganz wesentliche und zugleich schwierige Aufgabe unseres Gehirns: In jeder Sekunde strömen unglaublich viele Informationen auf uns ein, die wir nicht alle verarbeiten können. Unser Gehirn hat also das Problem der Auswahl: Was von dem vielen soll weiter beachtet und verarbeitet werden und was kann es getrost übergehen? Es braucht daher ein Modul, das bewertet und vergleicht. Solange alles nach Plan läuft… tut das Modul nichts. Geschieht jedoch etwas, das besser ist als erwartet, dann feuert das Modul, so dass wir uns dem Erlebnis zuwenden und die Informationen besser verarbeiten. Das Wichtigste: Wir lernen besser. Auf diese Weise lernen wir langfristig alles, was für uns gut ist …

    Auf andauerndes Glücklich-sein ist das Modul gar nicht angelegt. Vielmehr darauf, dass wir dauernd nach dem streben, was für uns gut ist! Beim Modul unseres Gehirns, das für Glückserlebnisse zuständig ist, geht es also nicht um andauerndes Glück, es geht vielmehr um dauerndes Streben. Dabei kann man eine Menge für sein Glück tun. Man muss nur wissen, was und was nicht. Glück hängt also durchaus mit Wissen zusammen, dem Wissen, was man tun kann, um glücklich zu sein" (Spitzer, 23ff.).

    Glücksgefühle gehen also nach den Forschungen der Neurobiologie auf biochemische und elektrische Impulse zurück. Dopamin wird als das Glückshormon bezeichnet, das in Verbindung mit Noradrenalin und β-Endorphin uns dazu bringt, die Dinge zu tun, die uns glücklich machen (Belohnungssystem). „Dabei wirkt Dopamin wie ein Scheinwerfer, der unsere Aufmerksamkeit auf alles denkbar Angenehme, Erfreuliche und Vergnügliche lenkt, bündelt und uns vorwärts, voran, hin zur Erreichung unserer Ziele treibt. Der Mangel an Dopamin verursacht Antriebs-, Interessen- und Lustlosigkeit und in der Folge kommt es zu depressiven Verstimmungen. So ist Dopamin „der maßgebliche Botenstoff zur Beschaffung aller Arten von Belohnungs- und ‚Glückshappen‘. Ein erhöhter Dopaminspiegel in den Synapsen ist deshalb mit allem Angenehmen, Erfreulichen und Vergnüglichen und ein zu niedriger Dopaminspiegel mit chronisch schlechter Stimmung, mittelschwerer und schwerer Depression untrennbar eng miteinander verbunden (Hornung, 45f.).

    Serotonin ist eine Gewebshormon und Neurotransmitter, das für unsere innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit verantwortlich ist. Es hellt unsere Grundstimmung, unser Lebensgefühl auf und sorgt dafür, dass unser Nervensystem auf alles gelassener reagieren kann. Vor allem vermindert Serotonin unsere Angstgefühle und wird von Neurobiologen als „Well-Being" oder als Botenstoff des Wohlbefindens bezeichnet.

    Noradrenalin wird als Hormon in den Nebennieren produziert und ins Blut abgegeben. Es ist der Neurotransmitter im Zentral- und im sympathischen Nervensystem. Noradrenalin wirkt über alpha- und beta-Rezeptoren auf die Zielzellen ein. Es ist z.B. verantwortlich für die Aktivierung unseres Organismus und motiviert uns, das Erfreuliche und Angenehme in unserem Leben zu sehen und zu besorgen. Noradrenalin ist weiter für die Gedächtnisbildung, die Schlaf-Wach-Regulation und die körpereigene Schmerzhemmung wichtig und wird als Arzneistoff verwandt. „Ein chronisch zu niedriger Noradrenalinspiegel in den Synapsen des Noradrenalinsystems ist dagegen die zweite neurobiologische Ursache der Depression" (Hornung, 60f.).

    Endorphine sind Botenstoffe des Gehirns, können aber auch Hormone sein, die im Hypothalamus produziert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Sie sind eine Sammelbezeichnung für „eine Gruppe selbstproduzierter Neuropeptide, die im Gehirn aufgebaut werden und Rezeptoren für Morphin und andere Opioide kontaktieren und aktivieren (…) Ihre stark schmerzlindernde Wirkung gleicht der des Opiums der Mohnpflanze. Aber auch wenn wir Stress empfinden und leiden, werden Endorphine ausgeschüttet. Schließlich ist eine erhöhte Endorphinausschüttung mit Trance, Dämmerzustand und genießender Glückseligkeit, aber auch mit schmerzfreier Geburt und dem ‚Runner high‘ (dem angeblichen ‚Hoch‘-Gefühl der Jogger) verbunden" (Hornung, 62f.).

    Zu erwähnen ist noch das Hormon Oxytocin, das aus dem Griechischen übersetzt „Schnelle oder leichte Geburt heißt und eine wichtige Bedeutung beim Geburtsprozess hat. Als ein Neuropeptid wird es in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) zwischengespeichert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Es stärkt das zwischenmenschliche Vertrauen und Zusammenleben sowie die partnerschaftliche Risiko- und Kooperationsbereitschaft. „Liebe, Sex und Treue sind eng miteinander verbunden und Oxytocin ist an der Regulierung der mit ihnen deckungsgleich einhergehenden Gefühle beteiligt. Ohne Oxytocin im Gehirn gibt es kein Verliebtsein, keine Zärtlichkeiten und keine Partnertreue. Vor allem aber würde eine der wichtigsten Voraussetzungen für alles menschliche Miteinander fehlen: zwischenmenschliches Vertrauen. Wegen seiner komplexen Auswirkungen auf menschliche Beziehungen wird Oxytocin deshalb manchmal auch das ‚Vertrauens-, Kuschel-, Liebes-, Treue- und Sexhormon‘ genannt (Hornung 64f.).

    Mehr Informationen über die jüngsten Ergebnisse der Psycho-Neurobiologie finden Sie im 2. Kapitel über „Die Bedeutung der Kindheit für ein geglücktes Leben".

    2. Das Schicksal oder ich – wer bestimmt mein Glück?

    Bevor wir die Frage nach dem Glück stellen, wie man glücklich wird und was ein geglücktes Leben ausmacht, müssen wir klären, ob wir überhaupt unser Glück bestimmen können oder ob wir dem Glück bzw. dem Unglück nicht ausgeliefert sind. Kann ich tatsächlich mein Leben selbst bestimmen und in Freiheit Entscheidungen treffen? Bin ich nicht wie alle Menschen den globalen Schicksalsschlägen wie Erdbeben, Tsunamis, Unfällen in Atomkraftwerken, Sturmfluten, Terroranschlägen oder Kriegen mit ihren Folgen ohnmächtig ausgeliefert? Oder muss ich nicht auch im privaten Leben Krankheiten, Unglück, Missbrauch, Hass, Krisen und anderes über mich ergehen lassen? Schlägt das Schicksal nicht einfach willkürlich zu, ohne dass ich etwas dagegen oder dafür tun kann?

    Zunächst stellt sich die Frage, was wir unter „Schicksal und „Freiheit verstehen.

    „Schicksal wird in der Regel als etwas verstanden, das sich einfach ereignet, das uns zugemutet wird, das über uns herfällt. Wir sind ihm ausgesetzt, können nichts dagegen tun. Für den einen ereignet es sich ohne einen bestimmten Grund. Für einen anderen geht es auf den Einfluss einer höheren Macht oder von höheren Mächten zurück, die geheimnisvoll, undurchschaubar auf unser Leben einwirken. Die menschliche Freiheit scheint (…) angesichts des Schicksals wie ausgelöscht, hat keine oder kaum eine Chance, zum Einsatz zu kommen oder muss vor dem Schicksal kapitulieren" (Müller, 10f.).

    Im Altertum wird dieses Schicksal „fatum genannt, ein anonymes Etwas, das willkürlich ohne Gründe auf jedes Leben einwirkt. Dieses Verständnis von „Schicksalsschlägen ist meist mit tragischen Ereignissen verbunden, die unausweichlich und unwiderruflich über uns kommen, Gegebenheiten, in die wir hineingeboren oder -geworfen werden, ohne dass wir eine Möglichkeit der Abwehr oder des Eingreifens hätten. Diese Auffassung vom blinden Schicksal kommt im englischen „Fate" zum Ausdruck.

    In unserer Zeit begegnen wir dieser Weltanschauung u. a. im Determinismus von Sigmund Freud oder bei dem Begründer der existentiellen Psychotherapie Irvin Yalom und seinen Schülern. Für sie sind wir Menschen ein Zufallsprodukt: „Das Leben im Allgemeinen und unser menschliches Leben im Besonderen ist aus Zufallsereignissen entstanden. (…) Wir sind auf uns allein angewiesen, und so hängt es ausschließlich von uns ab, was wir aus unserem Leben machen und wie wir es gestalten (Yalom, 2010, 193f.). „Aus deterministischer Sicht sind die Bewegungen des menschlichen Willens nicht frei im Sinn der Wahlfreiheit, sondern im Voraus zu dieser Freiheit durch von außen einwirkende Motive oder von inneren Ursachen (psychischen Zuständen) eindeutig festgelegt (Vorgrimler, Neues theologisches Wörterbuch, 2000, 127).

    W. Müller weist darauf hin, dass diese deterministische Haltung nicht typisch für die Psychoanalyse ist. Psychoanalytiker wie E. Erikson, C. Rogers, A. Maslow oder F. Perls sind sehr wohl offen für das Geheimnisvolle, für geheimnisvolle Kräfte oder eine höhere Macht in ihrer Betrachtung des Schicksals (Müller, 19ff.).

    Im Denken von C. G. Jung spielen Schicksal und das Geheimnisvolle eine große Rolle. Für ihn haben die Menschen ein Geheimnis „und die Ahnung von etwas Wissbarem. Es erfüllt das Leben mit etwas Unpersönlichem, einem Numinosum … Der Mensch muss spüren, dass er in einer Welt lebt, die in einer gewissen Hinsicht geheimnisvoll ist, dass in ihr Dinge geschehen und erfahren werden können, die unerklärbar bleiben … Das Unerwartete und das Unerhörte gehören in diese Welt" (C. G. Jung, 1990, 358).

    Aber bei all diesen Überlegungen bleibt die Frage: Inwieweit sind wir überhaupt frei in unseren Entscheidungen? Gibt es nicht viele Lebensbereiche, die uns vorgegeben sind? Wir werden in einem Kontinent, in einem Land, in einer Gesellschaft und Kultur, in einer Familie geboren, die wir nicht wählen konnten. Unsere Gene enthalten physische und psychische Anlagen, die zunächst einfach da sind und die sich dann weiterentfalten wie: Gesundheit, Begabungen, Intelligenz, oder Persönlichkeitsprofil. Die pränatalen und perinatalen Elternbotschaften und die Vorstellungen und gesellschaftlichen Normen unserer Umgebung haben uns ebenso geprägt wie die Erwartungen, die z.B. in der Familie, in der Schule und im Beruf an uns gestellt wurden.

    Im Neuen Theologischen Wörterbuch heißt es: „Grundsätzlich ist der Mensch von allem anderen in seiner Umwelt dadurch unterschieden, dass der Naturzusammenhang, in dem er existiert wie alles andere, ihn im Vollzug seines menschlichen Wesens nicht durchgängig und restlos determiniert. Das heißt: Er ist ins ‚Offene‘ gesetzt; es ist ihm aufgegeben, selbst die verschiedenen geschichtlichen Möglichkeiten zu verwirklichen (durch Wahl der Lebensform, des Berufs, durch Arbeit usw.) und darin seine Wesensausprägung zu finden" (Vorgrimler, 197f.). So gibt es viele Bereiche in unserem Leben, die uns vorgegeben sind und in denen wir uns eingeschränkt fühlen. Und doch sind wir von unserem Wesen her frei und grundsätzlich autonom darin, wie wir Begrenzungen und Einschränkungen gestalten. Das beginnt mit unseren kleinen Entscheidungen im Alltag, wenn wir uns entschließen, in die Stadt zu gehen oder nicht, einen Besuch zu machen oder nicht, einen Anruf zu machen oder nicht, den Arzt aufzusuchen oder nicht usw. Das gilt auch für grundsätzliche Entscheidungen.

    Für Romano Guardini ist der Mensch frei und bestimmt selbst sein Schicksal: Denn immer wieder „bestimme ich das scheinbar objektiv an mich Herantretende mit, wähle aus den Möglichkeiten des Geschehens einzelne heraus, rufe und lenke sie. So ist das Schicksal das aus der Fremdheit der Welt über mich Kommende, anderseits wieder das Verwandte, ja Eigene …" (Guardini, 1948, 215).

    Paul Tillich schreibt zu demselben Thema: Ich muss mich entscheiden, ob ich mich dem Schicksal überlasse oder nicht. Mit dieser Entscheidung trage ich zur Verwirklichung meines Schicksals bei, das für mich dann nicht länger „eine Macht ist, die entscheidet, was mir passiert. Dann bin ich es selbst, so wie ich bin, wie ich von der Natur, der Geschichte und mir selbst geformt wurde. Mein Schicksal ist die Basis meiner Freiheit; meine Freiheit trägt dazu bei, mein Schicksal zu formen" (Tillich, 216).

    Uns sind also viele Begabungen vorgegeben, doch was wir aus ihnen machen, das hängt auch von uns ab. Für die Einzelnen kommt es darauf an, auf der Basis der Vorgegebenheiten, des Schicksals oder des bisher So-geworden-Seins, die Entscheidungen zu treffen, die ihnen möglich sind. „Wir entscheiden nicht über die politischen und kulturellen Gegebenheiten, in die wir hinein geboren werden, doch wir sind ihnen nicht einfach nur ausgeliefert, sondern können durch Wahlen, Aktionen usw. auf sie reagieren und damit unsere Freiheit umsetzen" (Müller, 31).

    Darüber hinaus gibt es eine existentielle Freiheit, die im Innern eines jeden Menschen verankert ist. May nennt sie die innere Freiheit, die von den äußeren Einschränkungen nicht tangiert wird und die sich in unserer Einstellung zu vorgegebenen Situationen zeigt. Der Benediktiner Sales Hess schreibt in seinem Buch „Dachau – eine Welt ohne Gott über seine Erfahrungen im KZ Dachau: „Was konnten diese Menschen ohne Gott uns antun? Sie konnten wohl den Leib aushungern und töten, aber der Seele konnten sie nicht schaden (Hess, 124). Dieser innerste Teil des Menschen, die Seele, ist unzerstörbar und für gläubige Menschen eingebettet und aufgehoben in einem tiefen Gottvertrauen. Ohne äußere Freiheit kann ein Mensch leben, aber nicht ohne die innere, existentielle Freiheit. „Bin ich in Berührung mit dem Zentrum meiner absoluten Freiheit, die grenzenlos und unverfügbar ist, erwächst mir daraus eine große Unabhängigkeit. Und das inmitten einer Welt, einer persönlichen und gesellschaftlichen, die mich an tausend Stellen und Orten einschränkt, in Freiheit zu handeln. Doch diese Welt vermag den Bereich meiner existentiellen Freiheit nicht zu berühren, gar zu beeinflussen" (Müller, 143).

    Ebenso wichtig ist, dass ich nicht in der Auflehnung gegen mein Schicksal verharre, sondern dass ich mich mit ihm auseinandersetze, dass ich versuche, einen Sinn darin zu entdecken, und dann gleichsam mit dem Schicksal kooperiere. Denn der „Bestand der jeweiligen Situation wie der Zusammenhang des Lebensganzen sind ja nicht starr. Sie bestehen (…) nicht nur aus Notwendigkeiten, denen der Mensch sich fügen muss, sondern auch aus Tatsachen, an denen die Freiheit des Menschen ansetzen kann: aus Kräften, die er lenken, aus Zuständen, die er formen, aus Fließendem, das er zusammenhalten, aus Hindernissen, die er überwinden kann" (Guardini, 227).

    Wenn wir unserem Schicksal nicht ohnmächtig ausgeliefert sind, sondern eine äußere und innere Freiheit haben, dieses Schicksal mitzugestalten, dann beginnt aber auch unsere Verantwortung für unser Schicksal. Dies bedeutet, dass wir unser vergangenes Leben anschauen, wer und was uns negativ und positiv geprägt und

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