Brabach
Von Heinrich Mann
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Buchvorschau
Brabach - Heinrich Mann
Heinrich Mann
Brabach
Drama in drei Akten
Saga
Brabach
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1917, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726894240
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Personen:
Brabach
Wendlicher
Prinz Reck
Geheimrat von Beer
Esther von Beer
Leni Lipps
Frau Weile
Ein Bankdiener
Erster Akt
Erste Szene
Kassenraum des Bankhauses Beer & Weile. Links rückwärts der Schalter, hinter dem die öffentliche Halle sichtbar ist. Anfangs noch einige Vorübergehende. — Fenster im Hintergrund rechts, auf einen Hof und einen Torbogen. Mit der Seitenwand gegen das Fenster der grosse Schreibtisch Brabachs. Daran gestellt ein kleiner für Wendlicher. Eine Tür links vorn neben dem Schalter; eine zweite, in den Hof hinausführende, rechts, dem Schreibtisch gegenüber; eine dritte rechts vorn, nach dem Innern des Hauses. Neben dieser ein Geldschrank.
Brabach
(untersetzt, fünfzigjährig, das Haar und der buschige Schnurrbart schwarzgrau, die Kleidung ordentlich, Entschiedenheit in Haltung und Stimme )
Wendlicher
(schlank und dunkelblond, dreiundzwanzigjährig, gewandt, sehr elegant und mit klugem Mienenspiel )
Frau Weile
(Dame von fünfundfünfzig Jahren, die sich jünger macht, ohne besonders lächerlich zu werden )
Brabach
(am Schalter Frau Meile abfertigend)
Siebentausend. Wollen Sie sich überzeugen, Frau Weile.
Frau Weile
(hinter dem Schalter, zählt die Banknoten)
Ganz recht, lieber Brabach . . . Herr Wendlicher ist vor Arbeit nicht einmal sichtbar.
Wendlicher
(versteckt hinter dem grossen Buch, in das er schreibt, macht sich lustig ).
Brabach
Wenn gnädige Frau Herrn Wendlicher nach Geschäftsschluss hinausbefehlen wollen.
Wendlicher
(wendet sich widerwillig ab, dem Fenster zu. Draussen im Hof, unter dem Torbogen, erblickt er Leni Lipps. Er grüsst, wirft Kusshände ).
Frau Weile
(nachdem sie vergebens erwartet hat, dass Wendlicher sich melde )
Danke, Brabach. Sagen Sie ihm nur, er soll nicht vergessen, heute Abend, mein kleines Fest.
Brabach
Gewiss, Frau Weile.
Frau Weile
(wollte schon gehen, zögernd, mit Selbstüberwindung )
Fräulein Esther von Beer kommt, sagen Sie ihm auch das, Brabach.
Brabach
Sehr wohl, gnädige Frau, Guten Abend.
Frau Weile
Guten Abend.
(Ab )
Zweite Szene
Brabach. Wendlicher. — Ein Diener des Bankgeschäftes.
Brabach
(zum Schreibtisch, hat gesehen, was vorgeht)
Herr Wendlicher, das Nummernbuch erregt Ihr starkes Interesse?
Wendlicher
Ich darf sagen, Herr Brabach.
Brabach
Sehen Sie nur zu, dass die Namen stimmen hinter den Nummern.
Wendlicher
Wäre es mir sonst etwa gegeben, Vorsehung zu sein und Leute mit Aktien zu beglücken, die ein anderer bezahlt hat?
Brabach
Die Belehrung, die ich Ihnen schulde, erstreckt sich nicht auf Vorstellungen. (Auf dem Tische Wendlichers ein Blatt hervorziehend ): Wie viele von diesen Versen haben Sie heute geschrieben?
Wendlicher
Alle.
Brabach
Viel Leichtigkeit.
Wendlicher
Das ist alles, was Ihr Pflichtgefühl mir zu sagen hat, Herr Kassierer?
Brabach
Sie werden Ihren Weg wissen, Herr Volontär. Sie sind hier Dank persönlichen Beziehungen. Das schafft einen Boden, auf dem ich mich neutral verhalten kann.
Wendlicher
Im Salon der Frau Weile habe ich diese Verse vorgelesen. Sehen Sie? Auch das kann ein Anfang sein.
Brabach
Frau Weile ist die Witwe des von mir verehrten Seniorchefs der Firma. Mithin werden Ihre Verse gut sein. . . . Übrigens habe auch ich in Ihrem Alter welche gemacht. Mir fehlte nur eine Frau Weile.
Wendlicher
Das lag an Ihnen.
Brabach
(sieht ihn scharf an )
Wie tief Sie blicken. Man würde Ihnen nicht zutrauen, dass Sie leichten Herzens in Dinge eingreifen können, die für einen anderen noch etwas schwerer wiegen als Erfolge im Salon.
(Wendet sich ab, dem Fenster zu .)
Wendlicher
(sieht auch hinaus )
Auch ich hole mir Apfelkuchen bei Fräulein Leni Lipps. (Ernst, tröstend .) Sie ist hineingegangen in den Laden, weil von Ihnen, Herr Brabach, durchaus kein Gruss zu erlangen war.
Brabach
(Scham unterdrückend )
Wobei ich mir nicht verhehle, dass der Vorwurf des Leichtsinns nicht weit von mir selbst fällt.
Wendlicher
O! O! Ein gesetzter, redlicher Mann, Herr Brabach. Ein Mädchen von gediegenen Anlagen. Wo hätten die Dinge schon einmal normaler gelegen.
Brabach
Ohne reich zu sein, erfreue ich mich eines günstigen Auskommens. Mit Recht oder Unrecht, bin ich in Sicherheit gewiegt durch eine zwanzigjährige Verbundenheit mit diesem Hause, wie auch durch die augenscheinliche Gewöhnung des Herrn Geheimrat von Beer, mich für unersetzlich zu halten.
Wendlicher
Sie wollen sagen, diesem garantierten Bürgerleben steht gegenüber nichts als ein paar grosser Augen mit Lebenskraft darin. Ein Wesen, das, wie die meisten, einzig auf seine Nerven zu zählen hat. Sie waren doch selbst so, nicht wahr, in Ihrer Jugend? Jetzt befinden Sie sich oben und reichen einem andern die Hand hinab.
Brabach
Aber veranlasse ihn auch, den Rest meines Daseins bei mir vorlieb zu nehmen. Ich befürchte, mich des Missbrauches eines zufällig nicht schlechten Standpunktes im Leben schuldig zu machen. Schwerer Zweifel!
Wendlicher
Für den andern, der hinauf will, existiert kein Zweifel.
Brabach
Dass Sie das sollten einsehen können! Ein offenbar reicher Mensch!
Ein Diener des Bankgeschäftes
(bringt einen Blumenstrauss)
Für den Herrn Wendlicher.
Wendlicher
Legen Sie nur hin . . . Einen Augenblick! (Sucht in den Taschen, steht auf, folgt dem Diener auf die andere Seite. Leise ): Kein Glück, Massmann, Zinsen im Gewande des Trinkgeldes heute nicht zu machen. Geben Sie immerhin noch einmal zwanzig Mark her.
Diener
Zu viel Ehre, Herr Wendlicher. (Zieht diskret das Geld hervor .)
Wendlicher
Weil Sie es sind.
Diener
Danke bestens. (Ab )
Wendlicher
(liest den Brief, der bei den Blumen liegt. Seufzt ).
Brabach
(sieht fragend von seiner Arbeit auf).
Wendlicher
Wenn man die Sache noch etwas besser einsteht als ich, vielleicht existieren doch Zweifel auch für den, der hinauf will. (Pause ) Das da ist von Frau Weile.
Brabach
Nur meine Schuld, wenn mir eine Lebensordnung fremd ist, unter der ältere Damen Blumen versenden an junge Männer.
Wendlicher
(munter )
Herr Brabach, das Bäckermädel ist wieder da. Ich will sagen, Fräulein Leni Lipps. Sie sucht nach Ihnen.
Brabach
(vom Stuhl auf, nahe zum Fenster, grüsst ).
Wendlicher
(hinter ihm, parodiert ihn ).
Brabach
(wendet sich jäh um )
Völlig unzulässig.
Wendlicher
(leicht erschrocken )
Wie meinen Sie?
Brabach
Der Geheimrat brauchte nur die Tür zu öffnen. (Zeigt nach der Tür rechts vorn .) Er würde mich in einer Lage überrascht haben, in der ich die ganzen zwanzig Jahre nicht war.
Wendlicher
(entfernt von dem Blumenstrauss einen Brief und beginnt einen neuen )
Wie kommt das nur?
Brabach
(geht umher )
Ich frage