Dead Man Working: Die schöne neue Welt der toten Arbeit
Von Carl Cederstrom und Peter Fleming
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Buchvorschau
Dead Man Working - Carl Cederstrom
Carl Cederström
Peter Fleming
Dead Man Working
Die schöne neue Welt der toten Arbeit
Aus dem Englischen von Norbert Hofmann
FUEGO
- Über dieses Buch -
Der Kapitalismus wird immer seltsamer. Während das »Zeitalter der Arbeit« zu Ende geht, wird die Arbeit immer präsenter – wir leben in einer »Arbeitsgesellschaft«, der sich niemand entziehen kann. Der Arbeiter heute fühlt sich leer und tot. Dieses Buch erzählt die Geschichte des toten Menschen, von den erniedrigenden »Teambildungsübungen« und den peinlichen Begegnungen mit dem hippen Boss, der vorgibt, den Kapitalismus zu hassen, und seine Untergebenen auffordert, »authentisch« zu sein. In dieser Gesellschaft wird Arbeit als lebendiger Tod erfahren. Wenn die Unternehmen das Leben bis in unsere Träume hinein kolonisiert haben, dann wird die Frage nach dem Entkommen umso drängender.
»Dieses faszinierende und düstere kleine Buch ist eine ausgezeichnete und beunruhigende Einführung in ganz neue Bereiche einer rasant sich verändernden Arbeitswelt.«
Michael Hardt
1Dead Man Working
Selbst seine glühendsten Verfechter geben zu, dass der Kapitalismus irgendwann in den 1970er Jahren starb. Alle Versuche, ihn wiederzubeleben, scheiterten. Doch merkwürdigerweise ist er nun, da er tot ist, das Einzige, was zählt, mächtiger und einflussreicher als je zuvor. Dieses Buch handelt davon, was es bedeutet, in einer toten Welt zu leben und zu arbeiten. Ein guter Ausgangspunkt für unseren Versuch ist Franco »Bifo« Berardis düstere Rede auf YouTube »Waiting for the Tsunami«. In anschaulicher Prosa, die Poesie mit Theorie, scharfe Beobachtung mit Kunst verbindet, zeichnet er ein trostloses Bild unseres gegenwärtigen Zustands. In einem sterbenden Westen, beherrscht von Krieg, mentaler Erschöpfung, finanzieller Auszehrung und einer Manie für sinnlose Arbeit, empfinden wir uns als hilflos, überwältigt von einem Gefühl der Leere … und warten.
Bifo beginnt: »Bevor der Tsunami zuschlägt, weiß man, wie es ist? Das Meer weicht zurück und hinterlässt eine tote Wüste, in der es nur noch Zynismus und Depression gibt.« Wirklich beängstigend ist, dass etwas weitaus Schlimmeres bevorsteht. Aber noch ist es nicht soweit. In der Zwischenzeit irren wir durch diese sterbende soziale Architektur und ersticken langsam in einer Wüste sinnleerer Codes und idiotischer Einsamkeit. Und dann sehen wir sie am Horizont. Die Welle! Auch wenn sie noch ein gutes Stück entfernt ist, ist sie nahe genug, um unsere Alltagssorgen absurd und nichtig aussehen zu lassen. Angesichts der Welle, die mit Sicherheit unsere Existenz auslöschen wird, kann nun die Aufforderung, zu arbeiten, sich fortzupflanzen, zu konsumieren, sich zu entspannen, glücklich zu sein, ethisch zu handeln, zu gehorchen – kurzum das Gebot zu leben – einfach ignoriert werden. Da die Welle näher kommt, fühlt man sich seltsam frei. Keine Anforderungen mehr. Alles, was man tun muss, sagt Bifo abschließend, ist, dafür »zu sorgen, dass man die richtigen Worte parat hat, die man sagen wird, die richtige Kleidung trägt, bevor die Welle einen wegwischt.«
Die düstere Bewusstheit, die durch die heranrollende Welle provoziert wird, vertieft Bifo in seinem Buch »The Soul at Work«:
»Atmen ist schwierig, fast unmöglich geworden: tatsächlich erstickt man. Man erstickt jeden Tag, und die Symptome des Erstickens zeigen sich überall im Alltag … unsere Chancen zu überleben sind gering: Wir wissen es. Es gibt keine Alternative zum Kapitalismus.«
Die hier beschriebene somatische Not gründet auf Hyperhoffnungslosigkeit, eine Existenz, die angemessener durch ihr Gegenteil definiert ist, eine des Nicht-Lebens, ein Leben, das bereits tot ist. Nach Gesprächen mit Arbeitern aus einer Vielzahl von Berufen sowohl an der Spitze als auch am unteren Ende der sozialen Hierarchie argumentieren wir, dass dieses Gefühl des Nicht-Lebens nirgendwo weiter verbreitet ist als unter der Menge der Angestellten, die in modernen Unternehmen eingeschlossen sind. Ob im Büro, dem Callcenter, am Serviceschalter, in der Kreativindustrie, in Verkaufsräumen oder Warenlagern, Leben scheint weit weg zu sein. Wir haben immer gewusst, dass der Kapitalismus numerische Werte durch die Subtraktion sozialer Werte akkumuliert, was als Entfremdung, Desillusionierung und Dehumanisierung erfahren wird. Aber was nun offensichtlich geworden ist, das ist die schiere Sinnlosigkeit unserer täglichen Anstrengungen. Eine Suche ohne Ziel oder Gründe, die langsam fast jeden Aspekt unseres Arbeitslebens vergiftet und auch die Zeit danach, wenn wir glauben, der tägliche Trott sei zu Ende. Aber natürlich ist es nie vorbei. In einer exaltierten und extremen Gesellschaft wie der unseren hat das Arbeiten eine universelle Präsenz gewonnen. Auch die Unbeschäftigten und selbst Kinder können sich der Obsession nicht entziehen. Diese virengleiche Logik des Kapitals hat auch auf unsere intimsten Beschäftigungen übergegriffen und ein neues, unabweisbares Unbehagen erzeugt.
Bifos Charakterisierung der lebendigen Toten, die paralysiert auf die Welle starren, ist eine aufschlussreiche Auslegung dessen, wie wir Kapitalismus heute erfahren. Die meisten verachten ihn für das, was er aus uns gemacht hat; doch wir haben keine fantasievolle Energie mehr, um jenseits davon zu schauen. Aber dieses trostlose Gleichnis verfehlt etwas Wichtiges, wenn wir wirklich die Mentalität des »Dead Man Working« verstehen wollen. In Bifos Interpretation funktioniert die Metapher der heranrollenden Welle nur bis zu dem Moment, da sie schließlich auf das Land trifft und uns wegwischt. Unglücklicherweise ist unsere Zwangslage schlimmer. Was, wenn dieser letzte Moment nie eintritt? Was, wenn die Welle nie ankommt, um unsere Misere zu beenden? Vielleicht ist dies die wirkliche Tragödie der arbeitenden Toten.
Noch die Hoffnung auf Nicht-Existenz ist uns genommen, da wir in eine selbst produzierte Sackgasse eingeschlossen sind. Wir arbeiten, als ob wir im Begriff wären zu sterben, als ob wir kurz davor stünden, vom Totgewicht der Arbeit befreit zu würden, aber es geschieht nicht. Im Gegensatz zu früheren Generationen von Arbeitern, denen gesagt wurde, sie sollten schuften oder verrecken, ist es nicht der Tod, der uns heute Angst einjagt. Wir würden jede Endstation, an der wir von dieser Hölle befreit werden, willkommen heißen. Nein, was uns mehr als das Sterben ängstigt, ist der Gedanke des Nicht-Sterbens, dass wir untrennbar mit einem Leben verbunden sind, das nicht mehr lebenswert ist.
Daher rührt wohl die Schwierigkeit mit so vielen apokalyptischen Darstellungen des westlichen Kapitalismus heute, von Slavoj Žižeks fesselndem Buch »Living in the End Times« bis zu der seltsamen Beliebtheit des »Weltuntergang«-Films Battle LA (der von vielen auch zum schlimmsten Kinofilm des Jahres 2011 gewählt wurde). Die Erwartung irgendeiner Art von Ende mag ungewollt eine verführerische ideologische Verzerrung bestärken: die Fantasie von Flucht und Befreiung.
Eine Fantasie, dass wir all das eines Tages so oder so los sein werden. Die Ideologie des Auswegs verdeckt jedoch eine Stimmung, die inzwischen große Teile unserer Gesellschaft durchdringt. Ja, es ist unerträglich, aber auch und paradoxerweise nie endend. Der Beckett’sche Witz über den immer gleichen Trott …
»Estragon: Ich kann so nicht weitermachen.
Vladimir: Das sagt man so.«
… ist nun eine Lebensweise geworden.
Arbeit im Kapitalismus hat sich zu einer unentrinnbaren Totalität aufgebläht, eine, die weltweit gehasst wird und doch anscheinend ohne Alternative ist. Ein passender Begleittext zu dieser ausweglosen Lage findet sich in einem Gedicht des jungen Michel Houellebecq. Der Dichter erwacht aus einem unruhigen Schlaf und denkt an die triste Pendelstrecke zu dem Geschäftsviertel, der ein weiterer bedeutungsloser Arbeitstag folgen wird. Halbwach sinniert er: