Die Philipps-Universität Marburg und ihre Studentenschaft im Jubiläumsjahr 1927
Von Holger Zinn
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Einen ähnlich schwunghaften Anstieg nahm die Zahl namhafter Wissenschaftler, die in preußischer Zeit an der Philipps-Universität Marburg lehrten oder aus den Reihen ihrer Studenten hervorgingen. So kann der Universität Marburg für die Jahre der Weimarer Republik attestiert werden, dass sie zahlreichen Wissenschaftlern von Weltruf eine Heimat bot.
Das wohl wichtigste Ereignis in der neueren Geschichte der Philipps-Universität stellt das 400. Universitätsjubiläums im Jahr 1927 dar, da es bis dato der Höhepunkt der qualitativen und quantitativen Entwicklung der Marburger Universität war. Zu den Feierlichkeiten waren deshalb nicht nur alle wesentlichen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur in großer Zahl in Marburg zugegen, sondern auch zahlreiche ehemalige Studenten, so dass die im Sommersemester 1927 durchgeführten Feierlichkeiten, bei denen deutlich mehr Besucher als Einwohner in der Stadt waren, weltweit Beachtung gefunden haben.
Wie diese Feierlichkeiten stattgefunden haben, lässt sich in den umfangreich vorliegenden Publikationen offizieller Stellen und aus der überregionalen und lokalen Presse leicht nachvollziehen. Was jedoch regelmäßig vergessen wird, sind die Studenten und die Rahmenbedingungen ihres Lebens und ihres Studiums sowie ihr politisches Engagement in der kleinen Universitätsstadt an der Lahn.
Die vorliegende Publikation beschreibt deshalb die Lebensumstände der Studentinnen und Studenten, hochschulpolitische Auseinandersetzungen, welche die Marburger Studentenschaft um 1927 bewegten, das Engagement der Studierenden während der Festlichkeiten und die Veränderungen der universitären Infrastruktur, die durch den preußischen Staat ermöglicht wurden.
Insgesamt kann das bisher letzte große Universitätsjubiläum im Sommer 1927 für Marburg und seine Universität als ein wesentlicher Meilenstein der städtischen und universitären Entwicklung gesehen werden, denn die Jahre um 1927 waren von einem Wachstum zur Massenuniversität und von der Politisierung des Studentenlebens gekennzeichnet, sowie erinnern noch zahlreiche Bauwerke, Einrichtungen und Institute an die Zeit.
Holger Zinn
Prof. Dr. Holger Zinn hat selbst an der Philipps-Universität in Marburg studiert, ist Diplom-Volkswirt und promovierter Historiker. Sein Interesse galt von Anfang seines Studiums der Geschichtswissenschaften der Wirtschafts-, Bildungs- und der Universitätsgeschichte. In diesem Zusammenhang sind zahlreiche Publikationen entstanden, so zum Beispiel seine Dissertation über die Entwicklungen innerhalb der Marburger Studentenschaft zwischen 1925 und 1945, ein Überblick über das Kameradschaftswesen im Dritten Reich am Beispiel von Marburg und zahlreiche kleinere Schriften oder Beiträge. Im Bereich der Bildungsgeschichte entstand 2017 eine umfassende Geschichte des Fernunterrichts in Deutschland, die mit dem Sonderpreis des Bundesverbandes der Fernstudienanbieter ausgezeichnet wurde. Daneben entstanden zahlreiche Festschriften für Bildungseinrichtungen, Verbände und Unternehmen. Holger Zinn ist seit 2002 selbstständig als Unternehmensberater, Dozent und Sachverständiger auf dem Gebiet des Marketings. Von 2010 an ist er im Bereich der digitalen Lehre tätig und unterrichtet im virtuellen Studium der DIPLOMA Hochschule in Bad Sooden-Allendorf und berät Unternehmen in Fragen der Digitalisierung ihrer Fort- und Weiterbildungsangebote. Mehr unter www.holgerzinn.de
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Buchvorschau
Die Philipps-Universität Marburg und ihre Studentenschaft im Jubiläumsjahr 1927 - Holger Zinn
Inhaltsverzeichnis
Die Philipps-Universität Marburg und ihre Studentenschaft im Jubiläumsjahr 1927
Der Strukturwandel der Studentenschaft Marburg in den 1920er Jahren
Das studentische Leben zur Zeit des 400. Universitätsjubiläums
Der Becker-Kampf und seine Wirkungen auf Marburg
Vierhundert Jahre Universität Marburg
Die Festfolge - eine Skizze
Das Engagement der Studentenschaft
Die sozialen Errungenschaften des Universitätsjubiläums
Bewegte und bewegende Jahre
Verzeichnis der Quellen und Darstellungen
Literatur
Zeitungen
Über den Autor
Hinweise für interessierte Autoren
Die Philipps-Universität Marburg und ihre Studentenschaft im
Jubiläumsjahr 1927
Dir mein Lied, o Marburg, gilt,
treu gedenk ich dein,
nimmer soll dein trautes Bild
mir vergessen sein.
Carl Israël 1927
Das 400. Gründungsjubiläum der Universität Marburg war die wohl wichtigste und größte universitäre Veranstaltung, die Marburg je gesehen hat. Carl Israël (1866 - 1927) hat dieses Jubiläum leider nicht mehr miterlebt, obwohl er schon im Vorfeld Lieder und Gedichte zum Jubiläum seiner alma mater philippina gedichtet hatte. Carl Israël hat ein wahrlich großes Fest nicht mehr mitfeiern dürfen.
Doch neben allen Feierlichkeiten war die zweite Hälfte der 1920er Jahre aber auch durch massive Veränderungen gerade in der Studentenschaft der Universität Marburg – Politisierung und Wandel zur Massenuniversität seien hier als wesentliche Stichworte genannt – gekennzeichnet.
Als Alter Herr des Marburger Wingolf war Carl Israel gerade an den Entwicklungen in der Studentenschaft an seiner Universität Marburg interessiert und verfolgte diese auch sehr genau.
Vorder- und Rückseite einer Postkarte mit zwei Sonderstempeln anlässlich des Marburger Universitätsjubiläums (Quelle: Sammlung H. Zinn)
Der Strukturwandel der Studentenschaft Marburg in den 1920er Jahren
Zu Beginn der Betrachtung über den Wandel in der Studentenschaft in Marburg steht ein Überblick über ihre Struktur und deren Veränderungen insgesamt, sowohl nach Fakultäten als auch nach Geschlechtern gegliedert, um die Universität Marburg in die deutsche Hochschullandschaft einordnen zu können.¹
Um 1925 waren rund 3,3% aller knapp 60.000 Studierenden im Reich an der Universität Marburg immatrikuliert und die Philipps-Universität war mit circa 2.000 Studenten in einer Rangliste der deutschen Universitäten etwa auf Platz 11.² Im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl hatte Marburg die zweitmeisten Studenten im Deutschen Reich: Bei einer Einwohnerzahl von rund 23.000³ Einwohnern war im Jahre 1925 etwa jeder 11. Einwohner Student.⁴
Von den Studierenden an der Universität Marburg waren um 1925 rund 85% männlichen und bereits 15% weiblichen Geschlechts. Im Deutschen Reich betrug der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Studierenden um 1925 11,5%.⁵ Der Anteil der Studentinnen lag seit Ende des Ersten Weltkrieges in Marburg immer zwei bis drei Prozentpunkte über dem Durchschnitt der Universitäten des Deutschen Reichs.⁶
Einen Überblick über die Bedeutung der einzelnen Fakultäten gibt die folgende Tabelle:
Stich mit Ansicht Marburgs anlässlich des Jubiläums
(Quelle: Sammlung H. Zinn)
Von besonderer Bedeutung ist für Marburg eine Betrachtung des Alters der Studierenden, da sich aufgrund dieser Zahlen Rückschlüsse auf die Stellung der Universität Marburg ziehen lassen. Um 1925 waren rund 84% aller Studenten im Jahr 1901 oder später geboren, während dies im Reich für 75% der Studierenden galt. Auch war die Zahl der vor 1894 geborenen Studenten mit 0,89% in Marburg deutlich geringer als im Vergleich zum Reichsdurchschnitt von 3,17%.⁷ Geht man von einer etwa gleich langen Studiendauer an den einzelnen Hochschulen im Deutschen Reich aus, so kann man eine Abwanderungsbewegung weg von Universität Marburg feststellen. Der empirische Beweis für eine junge oder auch Anfängeruniversität ist dadurch erbracht.
Als Ergebnis der Analyse der regionalen Herkunft der Studentenschaft der Universität Marburg ist für den Betrachtungszeitraum eine klare Ausrichtung auf Preußen zu erkennen. 16,1% der Studenten kamen Mitte der zwanziger Jahre aus der Rheinprovinz, 14,7% aus Westfalen, 22,5% aus Hessen-Nassau, 5,6% aus Hannover und 24% aus dem restlichen Preußen, wobei ein Schwerpunkt auf den Großstädten lag. Somit stammten also über 82,9% der Studierenden aus Preußen, obwohl die Philipps-Universität Marburg die am südlichsten gelegene Universität Preußens war. 13,6% der Studierenden kamen aus anderen Ländern des Reichs, und der Ausländeranteil lag mit 3,5% in Marburg deutlich unter dem Reichsdurchschnitt von 5,6%.⁸
Zur sozialen Herkunft der Studenten an der Philipps-Universität gibt eine Befragung der Deutschen Studentenschaft Auskunft: Bei der Frage nach dem Beruf des Vaters fällt für Marburg der mit 33,7% (25,4%) hohe Anteil von Akademikerkindern