Hirn im Glück: Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft
Von Kortizes
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Über dieses E-Book
Dieser Sammelband behandelt sowohl die physiologischen als auch die psychologischen Mechanismen, die zu positiven Empfindungen führen. Von der Evolutionsbiologie über die Neuropsychologie bis in die Sphäre der Kultur spannt sich der Bogen. Experten geben Einblick in den Forschungsstand zum Glück.
Mit Beiträgen von Silke Anders, Eva Beichler & Imke A. Harbig & Judith Glück, Thomas Junker, Stefan Kölsch, Vera Ludwig, Judith Mangelsdorf, Corinna Peifer & Marek Bartzik, Karlheinz Ruckriegel, Henrik Walter & Sarah A. Wellan & Anna Daniels und Franz Josef Wetz.
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Buchvorschau
Hirn im Glück - Kortizes
Zu ähnlichen Themen sind bisher folgende Buchtitel erschienen:
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Freier Wille – frommer Wunsch? Gehirn und Willensfreiheit (mentis 2006)
Stephan Matthiesen/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Von Sinnen. Traum und Trance, Rausch und Rage aus Sicht der Hirnforschung (mentis 2007)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Neuronen im Gespräch. Sprache und Gehirn (mentis 2008)
Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Nicht wahr?! Sinneskanäle, Hirnwindungen und Grenzen der Wahrnehmung (mentis 2009)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Künstliche Sinne, gedoptes Gehirn. Neurotechnik und Neuroethik (mentis 2010)
Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie (mentis 2010)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Mann, Frau, Gehirn. Geschlechterdifferenz und Neurowissenschaft (mentis 2011)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Verantwortung als Illusion? Moral, Schuld, Strafe und das Menschenbild der Hirnforschung (mentis 2012)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Das Tier im Menschen. Triebe, Reize, Reaktionen (mentis 2013)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Bewusstsein – Selbst – Ich. Die Hirnforschung und das Subjektive (mentis 2014)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Das soziale Gehirn. Neurowissenschaft und menschliche Bindung (mentis 2015)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Gehirne zwischen Liebe und Krieg. Menschlichkeit im Zeitalter der Neurowissenschaften (mentis 2016)
Helmut Fink/Rainer Rosenzweig (Hrsg.): Was hält uns jung? Neuronale Perspektiven für den Umgang mit Neuem (Kortizes 2020)
Inhalt
Vorwort
Helmut Fink
Einleitung: Voraussetzungen des Glücks
Thomas Junker
Die Biologie der glücklichen Liebe
Alles Evolution – oder können wir auch ganz anders leben?
Vera Ludwig
Positive Sexualität
Unser Liebesleben aus der Sicht der Wissenschaft
Corinna Peifer und Marek Bartzik
Das Glück im Tun
Wie Flow-Erleben mit Wohlbefinden, Leistung und Stress zusammenhängt
Henrik Walter, Sarah Aline Wellan und Anna Daniels
Glück im Unglück:
(An-)Hedonie aus Sicht der kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie
Silke Anders
Kann erfolgreiche Kommunikation glücklich machen?
Eine biologische Perspektive
Stefan Kölsch
Das Glücks-System – Musik im Gehirn
Karlheinz Ruckriegel
Interdisziplinäre Glücksforschung
Erkenntnisse und Konsequenzen aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften
Judith Mangelsdorf
Posttraumatisches Wachstum
Wie Leid Sinn stiften und zu Lebensglück beitragen kann
Eva Beichler, Imke Alenka Harbig und Judith Glück
Weisheit und Glück
Warum der Weg zum gelingenden Leben steinig ist
Franz Josef Wetz
Vergängliches Glück
Über Körper, Zeit und Grenzen
Glossar
Die Autorinnen und Autoren
Die Herausgeber
Vorwort
Die Beiträge dieses Buches gehen auf ein Symposium zurück, das vom Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes am Wochenende 12.–14. April 2019 im Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg veranstaltet wurde. Zwar war dies erst das zweite Kortizes-Symposium, doch wird damit eine nun schon über 20-jährige Tradition öffentlichkeitswirksamer Bildungswochenenden zur Wahrnehmungs- und Hirnforschung fortgesetzt, die von den Herausgebern konzipiert wurden und deren Inhalt von der auf S. 2 aufgelisteten Buchreihe zum Großteil dokumentiert wird.
Die Hirnforschung wirft ein neues Licht auf viele Aspekte der menschlichen Wahrnehmung und des menschlichen Erlebens und Verhaltens. Kein Wunder – schließlich haben wir unser Gehirn immer dabei, in guten wie in schlechten Tagen. Die lebensweltlichen Phänomene, die dabei erforscht werden, sind jedoch meist schon lange vor dem Aufblühen der Neurowissenschaften Gegenstand psychologischer Untersuchungen gewesen. Es ist daher ein Ziel des vorliegenden Bandes, zum Brückenschlag zwischen »weicher« Psychologie und »harter« Neurowissenschaft beizutragen. Darüber hinaus kommen Evolutionsbiologie, Sozialwissenschaften und Philosophie zu Wort. Das Thema Glück ist vielschichtig und legt ein multiperspektivisches Herangehen nahe.
Dieser Band erscheint im Corona-Jahr 2020. Das Team der gemeinnützigen Kortizes GmbH führt seine Aktivitäten fort und stellt sich den Herausforderungen. Auch ein Symposium wie »Hirn im Glück. Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft« ist nicht ohne die koordinierte Zusammenarbeit aller Beteiligten denkbar. Unser Dank ist den Aktiven gewiss. Weitere Früchte des gemeinsamen Wirkens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind der Homepage kortizes.de zu entnehmen.
Es ist guter Brauch, an dieser Stelle allen Autorinnen und Autoren für die Bereitschaft zur Ausarbeitung ihrer Beiträge zu danken. Dieser edlen Pflicht gebührt das letzte Wort.
Nürnberg im Oktober 2020
Die Herausgeber
Helmut Fink
Einleitung: Voraussetzungen des Glücks
Glück hat Voraussetzungen. Diese sind nicht immer erfüllt. Sowohl einzelne Momente des Glückserlebens als auch ein insgesamt »glückliches«, d. h. ein gelungenes, ein erfülltes, ein »gutes« Leben setzen zunächst einmal die Funktionsfähigkeit der für positive Bewertungen und Glücksempfindungen »zuständigen« Hirnteile und biochemischen Regelkreise voraus. Ihre Erforschung obliegt der (Neuro-) Physiologie.
Glücksentscheidend sind ferner die Erlebnisse, die den Menschen als Individuum prägen, und die als persönliche Erfahrungen fortwirken. Sie führen nicht nur zu spezifischen Erinnerungsinhalten, sondern in der Summe auch zu erlernten Wahrnehmungs- und Verhaltensgewohnheiten. Sie beeinflussen sowohl situativ bedingte Assoziationen als auch langfristige psychische Dispositionen und damit das »Lebensgefühl« der Person. Solche Effekte sind Gegenstand der Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie und – in ernsten Problemfällen – der (Neuro-)Psychiatrie.
Da der Mensch ein soziales Wesen ist, ist für ihn das Verhältnis zu seinen Mitmenschen von besonderer Bedeutung. Auch hiervon hängt sein Glück ab. Vertrauen, Geborgenheit, Nähe, Bindung und Liebe sind Kenngrößen gelingender Beziehungen. Doch nicht jede Beziehung gelingt. Die soziale Umgebung kann ein steter Quell der Freude sein, vor allem wenn man sie sich freiwillig ausgesucht hat. Sie kann aber auch großes Ungemach bereiten, vor allem wenn man ihr nicht entkommen kann. Sozialpsychologie, Verhaltensforschung und soziale Neurowissenschaft enthüllen in diesem Bereich des Lebens die Mechanismen des Glücks.
Darüber hinaus haben gesellschaftliche Verhältnisse und kulturelle Kontexte erheblichen Einfluss auf die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen und die Bildung sozialer Gemeinschaften. Die Spielregeln und Strukturen des Bildungssystems, des Rechtssystems, des Wirtschaftssystems etc. begrenzen die Wahlfreiheit der Lebensweise, erzeugen unterschiedliche Milieus und ordnen das Spektrum der Lebenseinstellungen. Hierbei wirken die herrschenden Ideen einer Epoche, wie sie in politischen Zielvorstellungen, philosophischen Entwürfen und literarischen Fiktionen zum Ausdruck kommen. Die Bedingungen des Glücks vor diesem Hintergrund zu erkunden und zu reflektieren, fällt in den Bereich der Gesellschafts-, Kultur- und Geisteswissenschaften.
Alle genannten Ebenen menschlicher Glücksfähigkeit und die Erkenntnisse der jeweils zuständigen Fachdisziplinen – ergänzt noch um die Perspektive der Evolutionsbiologie, denn der Mensch ist primär ein Naturwesen – tragen zum Gesamtverständnis positiver Lebensumstände bei. Wovon unser Glück abhängt, ist verständlicherweise auch ein wiederkehrendes Thema populärwissenschaftlicher Magazine (siehe z. B. Spektrum Kompakt 2015, Gehirn & Geist 2017, Spektrum Kompakt 2019).
Das vorliegende Buch versammelt Beiträge, in denen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Karrierestufen unmittelbar an ein breiteres Publikum wenden, um aktuelle Einblicke in die Fragestellungen und den Forschungsstand ihres Fachgebiets zu geben. Es ist kein Zufall, dass der von den Herausgebern gewählte Untertitel zwar an den christlichen Dreiklang »Glaube, Liebe, Hoffnung« erinnert, ihn aber an entscheidender Stelle variiert: »Glaube« wird hier weder vorausgesetzt noch untersucht oder gar gefördert. Vielmehr gehört die »Freude« in den betrachteten Phänomenbereich und daher auch in den Untertitel. Sie erscheint zudem fraglos förderungswürdig.
Es ist kaum vermeidbar und verweist im Idealfall eher auf Kohärenz als auf Redundanz, dass in einem Sammelband manche Gedanken mehrfach auftauchen. So wird die Unterscheidung zwischen (Zufalls-)Glück i. S. v. engl. »Luck« und Glück (als Gefühl) i. S. v. engl. »Happiness« sowohl auf S. 127f. als auch auf S.176f. erläutert. Das »PERMA-Modell« der positiven Psychologie kommt sogar in drei Beiträgen vor: auf S. 32f., auf S. 137ff. und (mit Abbildung) auf S. 152f.
Der Terminus »positive Psychologie« hat sich seit etwa 20 Jahren etabliert, sollte jedoch nicht mit der verbreiteten, aber unwissenschaftlichen Ratgeberliteratur des »positiven Denkens« verwechselt werden. Einen sehr lesenswerten Überblick gibt Walter (2014), der für die präzisere Bezeichnung »Psychologie des Positiven« eintritt. Diese ist »eine Spielart deskriptiver wissenschaftlicher Psychologie, die sich der gleichen empirischen Methoden bedient und den gleichen Standards unterwirft wie die sonstige akademische Psychologie auch, sich dabei aber spezifisch positiven Inhalten widmet« mit dem Anspruch, »positive Erfahrungen, Eigenschaften und Institutionen aktiv zu (be-)fördern« (Walter, 2014, S. 287). Kurz gefasst: Statt »Fix, what‘s wrong!« heißt hier die Parole »Build, what‘s strong!«
Auch zu drei weiteren positiven Themen, die in diesem Sammelband angesprochen werden, nämlich Liebe, Musik und Philosophie, seien ergänzende Lesehinweise aus dem publizistischen Nahfeld vorausgeschickt: Liebe hat messbare neuronale Korrelate. Die aktivierten Hirnregionen für romantische und für mütterliche Liebe werden von Bartels (2016) eingehend beschrieben. – Zum Thema Musikgenuss sei darauf hingewiesen, dass die Musikverarbeitung im Gehirn mit den Aspekten musikalischer Syntax und Semantik sowie der Auslösung von Emotionen durch Musik von Koelsch und Fritz (2008) gründlich erläutert wurde. – Und für den Bereich der philosophischen Ideengeschichte seit der Antike sei mit Bezug auf Freude und Lust der kenntnisreiche Beitrag von Kanitscheider (2010) empfohlen. Dies nur zur Abrundung des inhaltlichen Bogens.
Nun aber zur Kurzvorstellung der Beiträge dieses Bandes: Den Auftakt macht der Biologiehistoriker Thomas Junker. Er klopft das Thema Liebe und Sexualität danach ab, welche Voraussetzungen dem Menschen aufgrund seines evolutionären Erbes mitgegeben sind. Anhand von Hodengrößen und Geschlechtsdimorphismen im Tiervergleich kommt er zu dem Schluss, dass der Mensch biologisch zu den »mild polygynen Arten« gehört. Die weitaus größere Sexhäufigkeit, als für die Fortpflanzung erforderlich wäre, betrachtet er ebenfalls als biologisch angelegt und durch die Funktion der Paarbindung innerhalb größerer Gemeinschaften begründet. Die große kulturelle Spannbreite des menschlichen Liebeslebens wird dabei keineswegs bestritten, sondern auf die Vorgaben der Natur rückbezogen.
Der Beitrag der Psychobiologin und Neurowissenschaftlerin Vera Ludwig setzt die Auseinandersetzung mit der menschlichen Sexualität unter anderem Blickwinkel fort. Sie geht im Rahmen der positiven Psychologie der Frage nach, inwiefern und auf welche Weise Sexualität zum menschlichen Wohlbefinden beitragen kann. Studien bestätigen eine positive Korrelation von Sexerleben und Wohlbefinden, zeigen jedoch auch, dass die Häufigkeit alleine nicht entscheidend ist, sondern situative und qualitative Faktoren wie Ungezwungenheit, Authentizität, Kommunikation und Verbundenheit für das Glücksgefühl wesentlich sind. So entsteht eine Kennzeichnung von »großartigem Sex«.
Das grundlegende Thema der Arbeits- und Organisationspsychologin Corinna Peifer und ihres Mitarbeiters Marek Bartzik ist die Psychologie des Flow-Erlebens. Die positive Rückkopplung von Flow und Leistung und die Steigerung des Wohlbefindens durch Flow werden studiengestützt geschildert. Flow kann durch geeignete Bedingungen gezielt gefördert werden, etwa durch Zuschnitt und Relevanz der zu erledigenden Aufgabe, durch Rückhalt im sozialen Umfeld oder durch Passung der Tätigkeit zu den Neigungen und Stärken der Person. Die erhöhte physiologische Aktivierung, die mit Stress einhergeht, fördert das Flow-Erleben zwar zunächst, zu viel Stress schadet jedoch. Entspannung und Erholung sollten daher nicht vernachlässigt werden.
Der nachfolgende Beitrag des Psychiaters und Hirnforschers Henrik Walter und seiner Mitarbeiterinnen Sarah A. Wellan und Anna Daniels behandelt das Thema Freude durch die Negation: Anhedonie bezeichnet den Verlust der Fähigkeit zur Freude. Hedonie (von griech. ἡδονή = Lust, Freude) wird dabei der Eudaimonia (εὐδαιμονία = Glückseligkeit) gegenübergestellt, um verschiedene Ebenen des Wohlbefindens einzuordnen. Gegenstand der berichteten Forschungen ist das Belohnungssystem im menschlichen Gehirn und seine Störungen. Sowohl die Fähigkeit, Freude zu erleben oder Freude zu antizipieren, als auch das Belohnungslernen oder Kosten-Nutzen-Abwägungen können beeinträchtigt sein. Die hedonischen Teilprozesse, Phasen und beteiligten Hirnstrukturen werden am Ende in übersichtliche, aber vereinfachte Modelle zusammengefasst. Somit zeigt sich in der Vielzahl möglicher Fehlfunktionen die Komplexität eines gelingenden Glückserlebens.
Die Neurobiologin Silke Anders untersucht die Glücksgefühle, die bei erfolgreicher Kommunikation mit unseren Mitmenschen entstehen. Sie erläutert zum einen die Funktionsweise des mesolimbischen Belohnungssystems als neuronale Grundlage und zum anderen den evolutionären Vorteil, der im verlässlichen Verstehen emotionalen Ausdrucksverhaltens, speziell des Gesichtsausdrucks eines Gegenübers, liegt. Ferner stellt sie das Studiendesign vor, mittels dessen in kontrollierten Laborsituationen die Anziehung zwischen Individuen mit dem subjektiven Ausdrucksverständnis in Verbindung gebracht werden kann. Die Ergebnisse dieser Forschung werden im Hinblick auf das reale Leben eingeordnet und diskutiert.
Der Beitrag des Musikpsychologen und Neurowissenschaftlers Stefan Kölsch ist ebenfalls einem speziellen Auslöser von Glücksgefühlen gewidmet, nämlich dem Musikerleben. Eine wesentliche Rolle im Gehirn spielt dabei der Hippocampus, der nicht nur für die Bildung von Erinnerungen, sondern auch für bindungsbezogene Emotionen zuständig ist. Fürsorge, Rührung und ein liebevoller Umgang mit anderen werden von demselben neuronalen »Glücks-System« gesteuert, das auch für Musik empfänglich ist. Gewalterfahrungen und Krankheiten können dieses System schädigen, Musikgenuss regt es jedoch an. Das bewegende Glücksgefühl der Zugehörigkeit und Bindung sollte nicht mit kurzlebigem Spaß verwechselt werden, der zum Teil andere Hirnstrukturen beansprucht.
Der Volkswirt Karlheinz Ruckriegel fasst zentrale Erkenntnisse der interdisziplinären Glücksforschung zusammen und wertet sie im Hinblick auf unser Wirtschaftsleben aus. Subjektives Wohlbefinden soll optimiert werden. Es umfasst nicht nur die momentane Gefühlslage, sondern auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Neben materiellem Wohlstand ist die erfüllende Verwendung von Lebenszeit als knapper Ressource zu bedenken. Neben das Bruttoinlandsprodukt treten zunehmend andere Wohlstands- und Glücksindikatoren. Für die Arbeitswelt lassen sich aus der positiven Psychologie Maximen einer wertschätzenden und motivierenden Führungskultur ableiten, die dann auch das Flow-Erleben fördern.
Die Psychologin Judith Mangelsdorf befasst sich mit den Folgen erschütternder Lebensereignisse. Traumatische Erfahrungen wirken individuell und hängen nicht nur von der Schwere des Ereignisses, sondern auch von der Psyche der einzelnen Person ab. Als idealtypische Reaktionsweisen lassen sich Resilienz, langsame Erholung, posttraumatische Belastungsstörung und posttraumatisches Wachstum unterscheiden. Letzteres gelingt keineswegs immer. Es wird befördert durch die Entwicklung positiver Emotionen und sinnstiftender Einordnungen sowie durch gute soziale Beziehungen nach dem einschneidenden Ereignis. Tatsächlich können aber nicht nur die schlimmsten, sondern auch die besten Lebensereignisse psychologische Reifungsprozesse auslösen.
Der anschließende Beitrag der Psychologin Judith Glück und ihrer Mitarbeiterinnen Eva Beichler und Imke A. Harbig widmet sich der Weisheit und ihrem Verhältnis zum Glück. Weisheit speist sich einerseits aus intellektueller Stärke und profundem Wissen, und andererseits aus einer offenen, reflexionsbereiten und emotionsregulierenden Haltung zum Leben. Weise Menschen sind meist glücklicher, aber glückliche Menschen nicht unbedingt weiser als andere. Ob sich Lebenserfahrung in Weisheit verwandelt, hängt von den persönlichen Ressourcen ab, die die Haltung zum Leben bestimmen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Überwindung von Kontrollillusionen. Weisheit ermöglicht einen anspruchsvollen Weg zur Lebenszufriedenheit, auf dem negative Erfahrungen nicht ausgeblendet, sondern bewusst verarbeitet werden.
Zu guter Letzt setzt sich der Philosoph Franz Josef Wetz mit der Vergänglichkeit unseres Glücks auseinander, indem er ebenso schonungslos wie geistreich Bedingungen und Begrenztheiten menschlichen Wohlbefindens benennt. Gestützt auf literarische Schlüsselformulierungen wird Glück als Sorglosigkeit ohne Langeweile beschrieben, jedoch sogleich durch Hinweis auf vielfältige Quellen der Unzufriedenheit relativiert. So führt etwa die objektive Verbesserung der Lebensverhältnisse schnell zu Gewöhnung, Überempfindlichkeit und Anspruchsdenken. Selbst Zielerreichung und Wunscherfüllung können Leere statt Glück zur Folge haben, und die Sehnsucht nach Unerreichbarem ist der Lebenszufriedenheit kaum förderlich. Am Ende steht die Ermunterung, den Unwägbarkeiten des Lebens mit Gelassenheit und ohne extreme Erwartungen zu begegnen.
Dies beschließt den Rundgang durch die Beiträge. Ob die Lektüre eines Buches grundsätzlich geeignet ist, Freude, Liebe und Hoffnung im menschlichen Leben zu mehren, mag dahingestellt bleiben. Dass sie den Lebensvollzug nicht ersetzen kann, versteht sich von selbst. Es kann jedoch hilfreich sein, den Herausforderungen des Lebens mit wissenschaftlich informierten Strategien entgegenzutreten. Die Ergebnisse der Forschung sind anregend, die Ideen der Mitmenschen bereichernd, die eigenen Erfahrungen lehrreich. Der Austausch darüber lohnt. Vielleicht gehört er sogar zu den Voraussetzungen des Glücks.
Literatur
Bartels, Andreas: Hirnareale der Liebe. In: Gehirne zwischen Liebe und Krieg. Menschlichkeit im Zeitalter der Neurowissenschaften, hrsg. von Helmut Fink und Rainer Rosenzweig. Mentis, Münster 2016, S. 57-73.
Gehirn & Geist Dossier 3/2017: Lust, Glück, Sinn.
Kanitscheider, Bernulf: Irdische Freuden. Hedonismus, Naturalismus und die Idee des gelungenen Lebens. In: Der neue Humanismus. Wissenschaftliches Menschenbild und säkulare Ethik, hrsg. von Helmut Fink. Alibri, Aschaffenburg 2010, S. 55-74.
Koelsch [= Kölsch], Stefan und Fritz, Tom: Musik verstehen – Eine neurowissenschaftliche Perspektive. In: Neuronen im Gespräch. Sprache und Gehirn, hrsg. von Helmut Fink und Rainer Rosenzweig. Mentis, Paderborn 2008, S. 69-97.
Spektrum Kompakt: Glück – Was uns wirklich zufrieden macht, Digitalausgabe 2015.
Spektrum Kompakt: Glück und Zufriedenheit, Digitalausgabe 2019.
Walter, Henrik: Psychologie des Positiven. Eine Ressource der Psychotherapie. In: Nervenheilkunde 4/2014, S. 286-294.
Thomas Junker
Die Biologie der glücklichen Liebe
Alles Evolution – oder können wir auch ganz anders leben?
»Was tust du? Was fühlst du? Was bist du?
Doch nur ein Tier, Tier, Tier, Tier«
(Rammstein, 1997)
Ob ein Mensch wirklich nur ein Tier sein kann, wie es im Song der Rockband Rammstein heißt, darüber lässt sich streiten. Aber dass die Menschen auch Tiere sind, daran gibt es keinen vernünftigen Zweifel mehr. Schon im 18. Jahrhundert hatte Carl Linnaeus, der Begründer der biologischen Systematik, die Menschen zu den Säugetieren und hier zu den Affen (Primaten) gestellt. Und seit Charles Darwin kann man nicht nur sagen, dass Menschen Tiere sind, sondern auch, dass sie von einer langen Reihe äffischer und früherer Vorfahren abstammen.
Gerade weil wir unsere Existenz und unsere grundlegenden Eigenschaften einer 3,5 Milliarden Jahre währenden Evolution verdanken, kann man die fast allgegenwärtigen Spuren als scheinbar selbstverständlich leicht übersehen. Und so sei kurz daran erinnert, dass unsere gesamte Anatomie und Physiologie Zeugnis für die Herkunft aus dem Tierreich ablegt. Ähnliches gilt für das Verhalten. Die enge körperliche und emotionale Verbundenheit einer Mutter und ihres Kindes beispielsweise beruht ganz wesentlich auf der Tatsache, dass Menschen eben auch Säugetiere sind. Und nicht zuletzt sind wir von Natur aus nicht