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Wasser als Gemeinsames: Potenziale und Probleme von Commoning bei Konflikten der Wasserbewirtschaftung
Wasser als Gemeinsames: Potenziale und Probleme von Commoning bei Konflikten der Wasserbewirtschaftung
Wasser als Gemeinsames: Potenziale und Probleme von Commoning bei Konflikten der Wasserbewirtschaftung
eBook812 Seiten9 Stunden

Wasser als Gemeinsames: Potenziale und Probleme von Commoning bei Konflikten der Wasserbewirtschaftung

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Über dieses E-Book

Wasserkonflikte sind insbesondere in Zeiten von Klimawandel, Ressourcenübernutzung und sozialen Verwerfungen mitunter folgenschwer. Johannes Euler begibt sich auf die Suche nach den ökonomischen und sozialen Ursachen von Wasserkonflikten sowie nach Möglichkeiten, diesen Ursachen entgegenzuwirken und gleichzeitig konstruktiv mit vorhandenen Konflikten umzugehen. Dabei zeigt er theoretisch und empirisch die Potenziale und Probleme von Commoning als Form der Wasserbewirtschaftung jenseits von Markt und Staat auf. Durch die Verknüpfung von Wirtschafts-, Nachhaltigkeits- und Konfliktforschung liefert er hoffnungsvolle Erkenntnisse für die Wasserwirtschaft und alternativökonomische Praxis.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Dez. 2020
ISBN9783732853762
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    Buchvorschau

    Wasser als Gemeinsames - Johannes Euler

    1.Commons und Wasserkonflikte: Wasser als Gemeinsames?


    »Wasserknappheit und Wasserreichtum sind nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis kulturell bestimmter Umgangsweisen mit Wasser. Kulturen, die Wasser verschwenden oder das zarte Geflecht des Wasserkreislaufs zerstören, schaffen Knappheit auch unter Bedingungen des Überflusses. Wer jedoch mit jedem Tropfen haushaltet, kann Knappheit in Überfluss wenden.« (Shiva 2003: 167)

    1.1Forschungsdrang und Abenteuerlust: Die Motivation

    Die vorliegende Arbeit entspringt dem Zueinanderkommen von drei großen Begriffen. Da ist zunächst das Wasser, Ursprung allen Lebens, reich an Formen und kulturellen Bezügen, schwer zu fassen, in großen Mengen vorhanden und viel zu häufig knapp oder verschmutzt. Hinzu kommen Konflikte, seit jeher Teil des Lebens, mal grausam-zerstörerisch, mal konstruktiv-erlösend ausgetragen, Treiber von Geschichte und Hort vieler Ängste. Zuletzt das Gemeinsame, ein uralter und hochaktueller Begriff, wieder sichtbarer werdende soziale Praktiken des Gemeinsamen, verbindendes Teilen, umweht von der Hoffnung auf eine bessere Welt. Der Dreiklang dieser Elemente liefert das Grundgerüst dieser Arbeit. Das Zusammenspiel formt den Verlauf.

    Die Bedeutsamkeit des Wassers sowie der damit verbundenen Krisen und Konflikte wird im politischen Diskurs und von nationalen und globalen politischen Akteurinnen¹ anerkannt. Am 28. August 2010 sprach die Vollversammlung der Vereinten Nationen (United Nations; kurz: UN) dem Zugang zu sauberem Wasser den Status eines Menschenrechts zu. In den »Millennium Development Goals« der UN (2015a) wurde ein Ausbau des Zugangs zu sicherem Trinkwasser und sanitären Anlagen anvisiert.² Die »Sustainable Development Goals«, auf die sich die UN im September 2015 einigten, beinhalten eine verschärfte Forderung (UN 2015b).³ Auch wenn der »Millennium Development Report« von 2015 (UN 2015a: 58ff.) einige Fortschritte verzeichnet, ist eine kontinuierliche und flächendeckende Erfüllung des Menschenrechts auf sauberes Wasser nicht in Sicht.

    Kurzzeitige wie andauernde Krisen und Konflikte sind im Wasserbereich nicht ungewöhnlich und reichen von extremer Trockenheit über Starkregenereignisse bis hin zu Überschwemmungen und Verschmutzungen (Green et al. 2015; Böhmelt et al. 2014; Rodríguez-Labajos/Martínez-Alier 2015; Yates et al. 2017). Für das Jahr 2015 bezeichnete das World Economic Forum (WEF) im »Global Risks Report« Wasserkrisen als das achtwahrscheinlichste Risiko und als globales Risiko Nummer eins »in terms of impact« (WEF 2015: 9). Seit 2012 sind Wasserkrisen unter den Top Fünf dieser Kategorie zu finden, neben Massenvernichtungswaffen, Extremwetterereignissen, Naturkatastrophen und dem Versagen bei der Anpassung an den Klimawandel (WEF 2019: 8).⁴ Für das WEF gilt das Risiko von Wasserkrisen nicht mehr als vornehmlich umweltbezogenes Risiko, sondern als ein primär gesellschaftliches (WEF 2015: 24). Einer Erfüllung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser steht der häufig konfliktreiche Umgang mit Wasser entgegen. So lassen sich viele, teils gewaltsame Wasserkonflikte ausmachen, die mitunter durch die mit dem Klimawandel einhergehenden Veränderungen angeheizt werden (Welzer 2009: 157ff.). Die Auswirkungen des Klimawandels auf die global verfügbaren Wasserressourcen werden in Summe als negativ eingeschätzt (Grambow et al. 2013: 11). Harald Welzer (2009: 161) spricht von einer »herausragende[n] Rolle, die Konflikte um basale Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft als Gewaltursache spielen«. Regional lokalisierbare Konflikte seien dabei auch durch überregionale Bedingungen beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass sich derartige Bedingungen, beispielsweise durch veränderte Nachfrage- und Angebotsstrukturen, verstärkte Migrationsbewegungen und zunehmende Extremwetterereignisse, auch auf die entsprechenden lokalen Ökonomien auswirkt.

    Eine aufschlussreiche Illustration der Beeinflussung regionaler Wasserverfügbarkeiten durch globale Warenströme ist das sogenannte virtuelle Wasser. Damit wird Wasser bezeichnet, das bei der Erzeugung eines Produktes verwendet und in der Folge virtuell mit diesem Produkt transportiert wird. Mit Blick auf die globalisierten Ökonomien der Gegenwart und das Weltklima liegt die gegenseitige Abhängigkeit der unterschiedlichen geografischen Räume und Ebenen auf der Hand. »Bei der Wasserinanspruchnahme gilt grundsätzlich, dass ihre Auswirkungen stark von der Art der Wassernutzung sowie der Region, in der sie stattfindet, abhängen« (Graaf et al. 2015: 36). Unter Berücksichtigung dieser Wechselwirkungen könnte als Ziel nachhaltigen Wassermanagements die sowohl ökologisch als auch sozial dauerhaft verträgliche Gestaltung der Wasserinanspruchnahme bezeichnet werden.⁵ Bis dato scheint es genügend Wasser auf der Erde zu geben, um dieses Ziel zu erreichen. »The fact is there is enough water available to meet the world’s growing needs, but not without dramatically changing the way water is used, managed and shared. The global water crisis is one of governance, much more than of resource availability« (UN 2015c: 7).⁶ Demnach ist es notwendig, die gegenwärtige Form des Wassermanagements grundsätzlich infrage zu stellen. Dabei geht es letztlich um die Fragen, auf welche Weisen und zu welchen Zwecken Wasser nutzbar gemacht und genutzt wird. Diese Fragen stellen häufig den Ausgangspunkt für Wasserkonflikte dar.⁷

    Viele Lösungsansätze zielen entweder auf staatliche Lenkung (Steuern, Gesetze) oder marktwirtschaftliche Selbstregulation ab – oder auf deren Zwischenbereich (Mischformen wie Subventionen, staatliche Eingriffe bei Marktversagen, gezielte Veränderung der wirtschaftlichen Anreizstrukturen) (vgl. Bauer 2010; Cassel/Rüttgers 2009; Gibbons 1986; Grambow 2013; López Rivera 2015; Scheele 2008). Allerdings sind Elinor Ostrom (1999: 1) zufolge weder der Staat noch der Markt »ein Garant für nachhaltige und produktive Nutzung von Naturressourcen«. Stattdessen wurde Trinkwasser, um das es in der vorliegenden Arbeit vornehmlich gehen wird, in den letzten Jahrzehnten immer weniger als »schützenswertes, überlebensnotwendiges Allgemeingut« (Schermuly 2017: 331) behandelt, sondern wurde immer mehr zur »Ware wie jede andere« (ebd.). Die Kommodifizierung von Trinkwasser erfolgte im Zusammenspiel von Politik und Ökonomie und lässt sich sowohl bei staatlichen als auch bei privatwirtschaftlichen Unternehmen beobachten (López Rivera 2015). Dies hat zur Folge, dass Wasser, wie andere Waren auch, der ökonomischen Ausbeutung preisgegeben wird. Dies steht mitunter den Zielen des nachhaltigen Managements entgegen.

    Elinor Ostrom (1999: 1f.) zeigt eine weitere Form der Governance, die sie als Selbstverwaltung bezeichnet. »[M]anche Gemeinschaften [haben] weder staat- noch marktähnlichen Institutionen vertraut […], um ihre Ressourcensysteme über lange Zeiträume mit vernünftigem Erfolg zu verwalten«. Die selbstorganisierte Wasserbewirtschaftung stellt einen der wichtigsten Bereiche der von ihr beforschten Commons⁸ dar. In jüngerer Zeit werden vermehrt neuartige Phänomene insbesondere aus dem Bereich der Informations- und Telekommunikationsgüter als Commons bezeichnet (zum Beispiel Wikipedia und Freie Software). Weitere Beispiele neuerer Commons lassen sich in sehr unterschiedlichen Bereichen finden: etwa beim Wohnen (Mietshäuser Syndikat), in der Gesundheitsversorgung (ARTABANA), der Lebensmittelproduktion (Solidarische Landwirtschaft), dem Transportwesen (Freie Lastenräder) und dem Maschinenbau (open source ecology).

    Anstelle der Beschaffenheit der stofflichen oder nichtstofflichen Dinge werden für die Bezeichnung als Commons häufig die darunterliegenden sozialen Praktiken in den Vordergrund gerückt: das Commoning (Helfrich 2012b). Mit dem Bezug auf diese Praktiken des Gemeinsamen wird die Aussicht auf einen sozial verwurzelten und ökologisch nachhaltigen Umgang mit Ressourcen wie Wasser mit alternativen Formen des Wirtschaftens verbunden (Barlow 2012; Habermann 2015). Auf diesem Wege könnte möglicherweise nicht nur konstruktiv mit Wasserkonflikten umgegangen werden, sondern könnten auch die gesellschaftlichen Konfliktpotenziale reduziert werden (Sutterlütti/Meretz 2018). Diese Perspektive kann als gedankliche Quelle der argumentativen Richtschnur, die den kommenden Kapiteln zugrunde liegt, gelten. Damit ist die vorliegende Arbeit, an Shivas Eingangszitat angelehnt, eine Auseinandersetzung mit einer besonderen Form kulturell bestimmter Umgangsweisen mit Wasser. Die zu überprüfende Ausgangsthese lautet, dass diese Form das Potenzial in sich trägt, die Wasserkreisläufe nicht zu zerstören sowie Konflikte, Ausgrenzungen und Knappheit nicht künstlich zu erzeugen, sondern stattdessen eine Rückverbindung zum Wasser und zum davon abhängigen Leben zu ermöglichen.

    1.2Die bekannte Welt: Die akademischen Ufer

    In der ökonomischen Literatur wird Wasser in der Regel als Flussressource angesehen (mitunter allerdings auch als Bestandsgröße), es gilt in der Regel als nicht substituierbar, unhandlich und durch sein vergleichsweise hohes Gewicht als kostspielig zu transportieren. Wasser gilt gleichsam als anfällig für Staats- und Marktversagen, und es werden eine Vielzahl unterschiedlicher, teilweise miteinander rivalisierender Nutzungsmöglichkeiten und -ansprüche ausgemacht. Diese Nutzungsvielfalt hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass je unterschiedliche Arten von Wasser in den Blick genommen werden. In der Regel wird in der akademischen Literatur zwischen blauem, grünem und grauem Wasser unterschieden (bspw. Hoekstra/Mekonnen 2012). Als blau gilt sowohl unterirdisches als auch in oberflächennahen Gewässern befindliches Wasser. Als grün wird Regenwasser bezeichnet und bei grauem handelt es sich um verschmutztes Wasser. Diese Wasserarten sind eng miteinander verwoben und bilden zusammen mit dem Salzwasser der Meere die unzähligen lokalen Wasserkreisläufe. Die Wässer dieser Kreisläufe werden gewissermaßen immer geteilt. Das geschieht erstens, weil niemand alleinige Eigentümerin eines solchen Kreislaufs sein kann, und zweitens, weil alle Kreisläufe miteinander verbunden sind.⁹ Das Wasser, das den menschlichen Körper zu großen Teilen ausmacht, gehört ebenso dazu wie Gletscher, Regenwasser, Weltmeere, Grundwasser und so weiter. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie Wasser auf- und zugeteilt wird, welche Prinzipien vorherrschen und wie mit dem Wasser umgegangen wird.

    Als Wasserwirtschaft, Wasserressourcen-Management oder schlicht Wassermanagement kann »[d]ie Kunst des Umgangs mit dem Wasserschatz, seiner ungleichmäßigen örtlichen und zeitlichen Verteilung, seines Schutzes und seiner Nutzbarmachung für den Menschen« (Grambow et al. 2013: 5) bezeichnet werden. In der naturwissenschaftlichen Fachliteratur spielen neben den ökologischen insbesondere technische Aspekte eine große Rolle (vgl. Staben 2008). Vornehmlich technologische Antworten auf ökologische Fragen werden allerdings bisweilen als kulturell und ökologisch unpassend kritisiert. Vandana Shiva (2003: 42) beispielsweise beschreibt technologiebasierte Lösungen als »Irrweg« und betont stattdessen, »dass die Vielfalt an Ökosystemen eine große Vielfalt von Kulturen und Wirtschaftsweisen hervorgebracht hat«. Lösungen, die sich an den lokalen Begebenheiten und Kulturen ausrichten oder sogar aus diesen entstehen, scheinen ihr erfolgversprechender. Dieser Analyse folgend, geht es beim Wassermanagement nicht nur um Ökologie und Technologie, sondern zuvorderst um das Soziale.

    Laut Willems (2017: 15) sind die Fragen der sozialen Organisation der Wasserwirtschaft auch in den Sozialwissenschaften weitgehend vernachlässigt. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive scheint die soziale Frage vornehmlich die von Angebot und Nachfrage zu sein. »The generic problem of water is one of matching demand with supply, of ensuring that there is water of a suitable quality at the right location and the right time, and at a cost that people can afford and are willing to pay« (Hanemann 2005: 87). Die Frage des Zugangs zu Wasser wird als Frage der Wasserqualität und der räumlichen sowie zeitlichen Verfügbarkeit interpretiert. Wer Zugang zu Wasser bekommt, hänge zentral von der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Nutzerinnen ab. Dieser Problembeschreibung sind viele Setzungen eingeschrieben, zum Beispiel die Zentralität einer Marktvermittlung und die damit verbundene Behandlung von Wasser als Ware. Antworten finden die Wirtschaftswissenschaften, wie bereits angedeutet, in der Regel zwischen den Polen Markt und Staat. Die vorliegende Arbeit grenzt sich von dieser Herangehensweise ab, indem diese Setzungen hinterfragt werden und Alternativen sowohl in der Problembeschreibung als auch in der Lösungsformulierung aufgezeigt werden.

    Lange Zeit wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser als eine der Kernaufgaben des Staates angesehen (López Rivera 2015: 28ff.). Auf dieser Grundlage erschien das Wassermanagement als eine primär technische Aufgabe – eine Sichtweise, die nicht zuletzt durch unterschiedliche Formen der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit auch in den Ländern des Globalen Südens verankert wurde. »From the 1950s to the 1970s, many development agencies and states around the world attempted to address water shortages with technical, interventionist, and extremely large-scale solutions« (Marston 2014: 75). In diesem Zuge wurden viele Großprojekte begonnen, wie zum Beispiel der Misicuni-Staudamm in der Nähe des bolivianischen Cochabamba (siehe 8.3). Im Laufe der Zeit wurden kleinere und dezentralisierte Lösungen verstärkt zum Mittel der Wahl (ebd.: 76). Dies ging einher mit dem aufkommenden Neoliberalismus¹⁰ und den darin bevorzugten marktlichen Governanceformen, die unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank auf globaler Ebene verbreiteten (Bakker 2005; Magdahl 2012). Bezogen auf Umweltgüter, zu denen auch Wasser gezählt wird, spricht Karen Bakker (2007: 432) von einem »market environmentalism«, mit dem sie die Hoffnung verbindet, eine gelungene Fusion zwischen Wirtschaftswachstum, Effizienz und Umweltschutz zu sein.

    »[T]hrough establishing private property rights, employing markets as allocation mechanisms, and incorporating environmental externalities through pricing, proponents of market environmentalism assert that environmental goods will be more efficiently allocated if treated as economic goods – thereby simultaneously addressing concerns over environmental degradation and inefficient use of resources« (ebd.).

    Kritikerinnen neoliberaler Reformprojekte problematisieren beispielsweise die tatsächlichen ökologischen Folgen und die Implikationen für die Verteilung der fraglichen Güter, und so entstand eine mitunter erbittert geführte politische und wissenschaftliche Debatte (ebd.; vgl. Himley 2008; Magdahl 2012).¹¹

    Auf der einen Seite wurde, so zeigt Katherine Higuita Alzate (2014: 23), das Abfüllen und Verkaufen von Trinkwasser zu einem der lukrativsten und am stärksten wachsenden Geschäftsbereiche für internationale, nationale und lokale Unternehmen. Sie rechnet vor, dass im kolumbianischen Medellín eine Flasche Trinkwasser ungefähr 2900-mal so viel kostet wie für mittlere Einkommensschichten ein Liter aus der Leitung.¹² Auf der anderen Seite bringt das marktwirtschaftliche Wassermanagement Probleme mit sich. So argumentiert Franklin Obeng-Odoom (2016: 414) beispielsweise: »Water markets have been responsible for much displacement and trouble not only for communities but also nature.« In der jüngeren Vergangenheit beginnt der Staat vielerorts wieder, sich stärker im Wassersektor zu engagieren.¹³ Doch auch jener scheint bislang kaum in der Lage zu sein, für ein langfristig nachhaltiges Wassermanagement zu sorgen, zumal im Zuge des Klimawandels gegenwärtig eine Vielzahl neuer Herausforderungen auf die Wasserwirtschaft zukommt.

    Vor diesem Hintergrund gewinnen alternative Formen der Wasserbewirtschaftung an gesellschaftlicher Relevanz. In diesen Bereich fallen die schon erwähnten Formen des gemeinsamen Wassermanagements, die hier unter dem Begriff Commons subsumiert werden. Als eine Pionierin der Commons-Forschung gilt die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom. Ihre Forschung in diesem Bereich und der Aufbau vom inzwischen nach ihr und ihrem Mann Vincent benannten Workshop in Political Theory and Policy Analysis an der Indiana University im US-amerikanischen Bloomington mündeten im Jahre 2009 in die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises (E. Ostrom 2010).¹⁴ Bereits in den Jahren zuvor wurde das Thema Commons in der Wissenschaft zunehmend behandelt und rezipiert (Van Laerhoven/E. Ostrom 2007). Die Ehrung Elinor Ostroms führte dazu, dass sich dieser Trend fortsetzte und mutmaßlich sogar verstärkte. Auch in gesellschaftspolitischen Debatten findet das Thema seither vermehrt Eingang und gilt inzwischen als eines der Zukunftsthemen bei Fragen nachhaltiger Entwicklungen und sozialökologischer Transformationen (vgl. von Winterfeld et al. 2012; Schmelzer/Vetter 2019).¹⁵

    Elinor Ostrom (1999) forschte über selbstverwaltetes Ressourcenmanagement, und eine der Ressourcen, auf die sich in diesem Forschungsstrang vielfach bezogen wird, ist das Wasser.¹⁶ Die Arbeit Elinor Ostroms und ihrer Kolleginnen basiert maßgeblich auf dem Erstellen und Analysieren von Fallstudien. Für den Wasserbereich bezogen sie vielfältige Fallstudien ein, zum Beispiel über die Bewirtschaftung von Fischgründen, Bewässerungssystemen und unterirdischen Grundwasserbecken. Es wurden insbesondere langfristig erfolgreiche Fälle in den Blick genommen sowie Punkte herausgearbeitet, woran derartige Managementformen scheitern. Schon früh in ihrer Forschungstätigkeit beschäftigte sich Elinor Ostrom beispielsweise mit kalifornischen Grundwasserbecken. Sie schreibt: »Obwohl die Grundwasserpumper nahezu in ganz Südkalifornien ihre Konflikte über die begrenzten Wasservorräte beigelegt und ihre Grundwasserbecken vor quantitativer Übernutzung bewahrt haben, ist dies nicht überall gelungen« (ebd.: 191). Am Beispiel des Grundwasserbeckens im San Bernardino County verdeutlicht sie, dass es keine Garantie dafür gibt, dass Akteurinnen, »selbst wenn sie über ein beträchtliches Potential zur Selbstverwaltung verfügen, mit all ihren Problemen fertig werden« (ebd.: 194). Als Gründe des Scheiterns führt Elinor Ostrom an, dass es weder eine gemeinsame Problemdiagnose noch »Instrumente zur Aufsplittung komplexer Probleme in Teilfragen« (ebd.) gegeben habe sowie dass die Interessen anderer mitunter nicht als legitim anerkannt worden seien.

    Anhand der spanischen Bewässerungsgebiete huertas, wo aufgrund der seit jeher sehr begrenzten Wasservorkommen die Wasserkonflikte »unter der Oberfläche des Alltagsleben« (ebd.: 91) lauern, konstatiert Elinor Ostrom:

    »Trotz dieses hohen Konfliktpotentials – und der tatsächlich von Zeit zu Zeit ausgetragenen Konflikte – hat es sich gezeigt, daß die vor vielen Jahrhunderten geschaffenen Institutionen zur Nutzung des Wassers dieser Flüsse geeignet sind, die Konflikte zu lösen, das Wasser berechenbar zuzuteilen und Stabilität in [der] Region herzustellen« (ebd.: 91).

    Auf welche Weise Konfliktvorbeugung und -lösung vonstattengehen, ist unterschiedlich, aber Sanktionsmechanismen, Überwachung und Konfliktlösungsmechanismen sind in der Regel vorhanden. Weitere sogenannte Designprinzipien (design principles), die das Herzstück von Elinor Ostroms Werk darstellen, sind beispielsweise, dass langlebige Commons-Zusammenhänge einer minimalen Anerkennung vonseiten des Staates bedürfen und dass in großen Systemen die zentralen Aktivitäten idealerweise in ineinander eingebetteten organisatorischen Ebenen arrangiert werden (ebd.: 118ff.; siehe 2.1).

    Unter dem Begriff Commons firmieren auch Phänomene im digitalen Raum, wie beispielsweise Wikipedia (Bruns 2008), und Projekte alternativer stofflicher Produktion, wie zum Beispiel FabLabs (Abkürzung für: fabrication laboratory; Fabrikationslabor) (Walter-Herrmann/Büching 2013). Die Erweiterung des Gegenstandsbereichs (vgl. bspw. Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung 2012; Helfrich et al. 2015) und theoretische Zugänge, die sich von der institutionenökonomischen Herangehensweise der Ostrom-Schule unterscheiden (vgl. bspw. De Angelis 2017; Habermann 2016; Ruivenkamp/Hilton 2017; Sutterlütti/Meretz 2018) begründen einen zweiten Strang der Commons-Forschung. In dieser, teilweise innerhalb der akademischen Welt entstandenen und teilweise aus aktivistischen Kreisen in die Wissenschaft hineinwirkenden Debatte wird sich vielfach positiv, mitunter aber auch sehr kritisch auf die Ostrom-Schule bezogen.¹⁷ Andreas Exner (2015) kritisiert Elinor Ostrom beispielsweise für die von ihr verwendeten institutionenökonomischen theoretischen Grundlagen. Gustavo Esteva (2014a: i147ff.) wirft ihr ein mangelndes historisches Verständnis vor und kritisiert ihren Fokus aufs Administrative. An anderer Stelle wirft Esteva (2014b: Min. 36.28) Elinor Ostrom gar vor, dass sie auf Effizienz und Konkurrenz aus sei und die Commons somit »ökonomisieren« wolle.

    Ein weiterer Kritikpunkt setzt an dem von Elinor Ostrom verwendeten Verständnis von Commons als common-pool resource an (siehe 2.3). Christophe Aguiton (2018: 97) formuliert diesen Punkt folgendermaßen:

    »Eine gewisse Kritik an dem Beitrag von [Elinor] Ostrom bleibt nicht aus, da sie die Natur als ›Ressourcen‹ definierte, die von einer menschlichen Gemeinschaft verwaltet werden können, ohne zu berücksichtigen, dass die Natur Teil des Ökosystems und des Systems der Erde ist, welche jeweils eigene Lebenszyklen haben und nicht anthropozentrisch ›gemanagt‹ werden können, wenn man Nachhaltigkeit dieser Ökosysteme anstrebt.«

    Die Gleichsetzung von Commons mit einer bestimmten Art von Gütern wird darüber hinaus dafür kritisiert, dass damit letztlich die als ausschlaggebend angesehenen sozialen Praktiken aus dem Blick geraten. Commons »sind nicht, sie werden gemacht«, schreibt Silke Helfrich (2012b: 85). In diesem Sinne sind auch die folgenden Worte von Peter Linebaugh (2008: 279) zu verstehen: »To speak of the commons as if it were a natural resource is misleading at best and dangerous at worst – the commons is an activity, if anything, it expresses relationships in society that are inseparable from relationships to nature.« Auf dieser Perspektive baut der zweite Strang der Commons-Forschung maßgeblich auf und misst dabei dem Commoning eine zentrale Bedeutung zu.

    Eine zentrale mit dem Begriff Commoning verbundene Annahme ist, dass es soziale Praktiken gibt, die allen Commons gemein sind oder zumindest Ähnlichkeiten aufweisen. Auf dieser Grundlage werden Commons und Commoning als eigenständige Weltsicht konzipiert. »Bei Commons geht es im Kern um eine andere Art und Weise des Sehens, Wissens, Seins und Handelns«, schreiben Helfrich und Bollier (2015a: 263). Andreas Weber (2015: 368) bezeichnet die Commons als Paradigma, das »unser politisches System heraus[fordert], welches um das Duopol Markt/Staat kreist«. Im Gegensatz dazu betont Patrick Bresnihan (2016), dass Commoning nicht das Resultat von bewusster, kollektiver Gegenwehr zu Markt und Staat sind. Die von ihm untersuchte gemeinsame Fischerei versteht er eher als pragmatische Antwort auf bestimmte Bedürfnisse und Probleme.¹⁸ Nichtsdestotrotz geht es um »Ansätze anderen Wirtschaftens« (Habermann 2015: 46), auf deren Grundlage Visionen alternativer Ökonomien entworfen werden. Commons werden bisweilen sogar als mögliche Grundlage einer postkapitalistischen Gesellschaftsform angesehen (vgl. bspw. Habermann 2016; Siefkes 2009; Sutterlütti/Meretz 2018). Wie hoch dabei der formulierte Anspruch ist, belegt folgendes Zitat von Sutterlütti und Meretz (2018: 88), die eine Commons-Gesellschaft als freie Gesellschaft begreifen, die »auf der herrschaftsfreien, inkludierenden Vermittlung unser aller Bedürfnisse« beruht.

    Unabhängig von dieser utopischen Perspektive existieren gegenwärtig viele Commons als funktionsfähige Relikte alter Zeiten, als gelebte Selbstverständlichkeiten, als Treiber lokaler Transformationen oder als Orte technologischer und sozialer Innovationen. Auch im Wassersektor findet sich eine Vielzahl an Fällen gemeinsamen Managements. Aus Nachhaltigkeitsperspektive werden diese Formen der Wasserwirtschaft mitunter als wünschenswerte Option angesehen. Bakker (2007: 441) nennt drei Gründe¹⁹ dafür:

    »First, water supply is subject to multiple market and state failures; without community involvement, we will not manage water wisely. Second, water has important cultural and spiritual dimensions that are closely articulated with place-based practices; as such, its provision cannot be left up to private companies or the state. Third, water is a local flow resource whose use and health are most deeply impacted at a community level; protection of ecological and public health will only occur if communities are mobilized and enabled to govern their own resources.«

    Laut Maude Barlow (2014: 312) wird Wasserpolitik »viel zu oft von oben gemacht, ohne dass die Betroffenen gefragt werden. Die Verantwortung für Entscheidungen mit den lokalen Gemeinschaften zu teilen führt zu einem besseren Umgang mit dem Wasser«. Barlow verbindet den für die Commons-Forschung typischen grundsätzlich emphatischen Bezug auf Bottom-up-Verfahren mit der gesellschaftlichen Ebene und Fragen nach Wasserkonflikten. »Konflikte können nicht einfach ›gelöst‹ werden; was wir brauchen, ist eine Konflikttransformation, das heißt, die Auseinandersetzung mit den dem Konflikt zugrunde liegenden ungerechten Sozialstrukturen und deren Veränderung« (ebd.: 313). Es reicht demnach nicht, Konflikte nur aus dem lokalen Kontext heraus zu erklären, und ebenso wenig, Lösungsansätze auf diese Ebene zu beschränken.

    Um aufzuzeigen, wie weit verbreitet Wasserkonflikte sind, setzen Wolf et al. (2005) Wassermanagement definitorisch sogar mit Konfliktmanagement gleich. Tatsächlich entspinnen sich um die verfügbaren Wasserressourcen zahlreiche Konflikte: sich gegenseitig ausschließende Nutzungen, räumliche und zeitliche Verteilungskonflikte, Konflikte um Bepreisung, Verwaltung, Verschmutzung und Verschwendung. Auch den wirtschaftlichen und politischen Bedingungen entstammende Veränderungen spielen dabei eine Rolle:

    »Vor dem Hintergrund des globalen Wandels ergeben sich weitreichende Änderungen der zeitlichen und räumlichen Verteilung der verfügbaren Wasserressourcen. Der zunehmende Wasserbedarf, Änderungen im Hinblick auf die verfügbaren Wasserressourcen sowie soziale und ökonomische Disparitäten bergen ein großes Konfliktpotential« (Grambow et al. 2013: 7).

    Wasserkonflikte haben demnach häufig lokale Auswirkungen, ihre Ursachen aber sind mitunter auf einer höheren Ebene zu suchen. Über die Frage, wie häufig Wasserthemen Grundlage internationaler Konflikte sind, herrscht keine Einigkeit. Paul Faeth und Erika Weinthal (2012: 75) schreiben diesbezüglich: »While water has rarely been a source of international conflict, it has nevertheless proven challenging for policymakers to cooperate on water issues in regions ravaged by conflict.«

    Shiva (2003: 15) nimmt eine Gegenposition dazu ein, indem sie argumentiert, dass es tatsächlich viele veritable Kriege um Wasser auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene gibt.

    »Bei einigen dieser Konflikte steht Wasser explizit im Vordergrund, wie etwa im Streit zwischen Syrien und der Türkei oder zwischen Ägypten und Äthiopien. Doch in anderen Fällen wird dieser Konfliktgegenstand nicht beim Namen genannt oder verdrängt, was umso leichter möglich ist, als an ein und demselben Fluss oft unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Sprachen und Gebräuchen leben. So besteht immer die Möglichkeit, Konflikte um Wasser religiös oder ethnisch zu verklären« (ebd.).

    Demzufolge kann das Wasserthema im Hintergrund ausschlaggebend sein, auch wenn es an der Oberfläche nicht von Bedeutung zu sein scheint und andere Aspekte in den Vordergrund gerückt und zur Erklärung der auftretenden Konflikte herangezogen werden.

    Von einer absoluten Steigerung der aufgezeichneten Wasserkonflikte berichten Gleick und Herberger (2014: 159). Den Anstieg führen sie einerseits auf ein besseres Berichtswesen zurück. Andererseits sehen sie die Gründe in erhöhten Spannungen und Auseinandersetzungen bezüglich der Begrenztheit von Wasserressourcen und den damit verbundenen ungelösten Herausforderungen. Diana Gibbons (1986) geht davon aus, dass die physische Menge verfügbaren Wassers in den meisten Fällen nicht das Hauptproblem ist. Sie argumentiert: »Rather, conditions of economic scarcity seem to prevail: there is enough water to meet society’s needs, but there are few incentives for wise and conservative use of the resource or for effecting an efficient allocation among competing demands« (ebd.: 1). Diesem Befund widersprechen Wolf et al. (2005: 81) und machen Wasserkonflikte grundsätzlich an mindestens einem der drei Gegenstände Quantität, Qualität und Timing fest. Wasserknappheit könne beispielsweise Allokationskonflikte nach sich ziehen, schlechte Wasserqualität zu einer Hinterfragung der vorherrschenden Nutzungsarten führen, und die Frage, wer wann wie viel Wasser aus den Wasserkörpern entnimmt oder einspeist, sorge ebenfalls regelmäßig für Konflikte (ebd.).

    Grambow et al. (2013: 7) bezeichnen die friedliche Bewältigung von Wasserkonflikten als »eine der zentralen internationalen Aufgaben auf dem Weg in eine nachhaltige Welt«. In der Literatur zu Wasserkonflikten kursiert eine große Anzahl von Lösungsansätzen. Gibbons (1986: 2ff.) misst mit unterschiedlichen Methoden (zum Beispiel mittels Zahlungsbereitschaftsansatz) und in verschiedenen Sektoren den Wert von Wasser (vgl. Hanemann 2005). Hipel et al. (2015: 18) gehen hingegen davon aus, dass es einer verlässlichen Informationslage bedarf, um zu Lösungen zu gelangen, und dass gefasste Beschlüsse, die als fair wahrgenommen werden, beständiger sind, als wenn dies nicht der Fall ist. Der adaptive governance (Scholz/Stiftel 2005: 4f.), also dem explorativen Ressourcenmanagement bei limitierter Informationslage, wird mitunter eine wichtige Rolle insbesondere bei unvorhergesehenen Veränderungen der Wasserkreisläufe zugemessen. Das von Wolf et al. (2005: 91) befürwortete kooperative Management hingegen basiert darauf, dass alle Stakeholderinnen als Gleiche²⁰ in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Sie erhoffen sich, dass sich hierdurch das Konfliktpotenzial verringert, da ein Verhandlungsforum entstehe, in dem alle Konfliktpunkte einbezogen, unterschiedliche Perspektiven und Interessen beleuchtet, Vertrauen aufgebaut und getroffene Entscheidung von allen Stakeholderinnen akzeptiert würden (ebd.).

    Ähnlich dem von Barlow (2014) formulierten Appell für eine Konflikttransformation bezeichnen Wolf et al. (2005: 82) die dem Wassermanagement zugrunde liegenden Institutionen als Schlüssel, um Wasserkonflikte zu verstehen und zu verhindern.²¹ In der Commons-Forschung gelten Konfliktlösungsmechanismen in Form lokaler und zugänglicher Schlichtungsverfahren als Best Practices und Gelingensbedingung gemeinsamen Managements (E. Ostrom 1999: 118f.). Wird hingegen über den lokalen Kontext hinaus nach institutionellen Gründen für Wasserkonflikte gesucht, so geraten die grundlegenden gesellschaftlichen Bedingungen in den Blick. In diesem Sinne und mit Bezug auf die Komplexität des Wassermanagements konstatieren Grambow et al. (2013: 6): »Man muss das betrachtete System in einen noch größeren Zusammenhang stellen, muss teilweise den Wassersektor förmlich verlassen und einen Blick ›von außen‹ auf das Ganze riskieren.«²²

    In den Sozialwissenschaften wird mitunter auf der Ebene der Gesellschaft argumentiert. Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur wird dabei häufig als dualistisch aufgefasst: Beide stehen einander als Gegensätze gegenüber. Um die Beziehung analysierbar zu machen, wird die Gesellschaft (gleiches gilt für die Ökonomie) auf naturalisierte Weise oder die Natur auf vergesellschaftete Art betrachtet.²³ Zwischenwege werden unter anderem mithilfe der Dialektik (zum Beispiel: gesellschaftliche Naturverhältnisse) und in Systemtheorien (beispielsweise: sozialökologische Systeme) beschritten. Als gesellschaftliche Naturverhältnisse können die »dynamischen Beziehungsmuster zwischen Mensch, Gesellschaft und Natur« bezeichnet werden, die »aus den kulturell spezifischen und historisch variablen Formen und Praktiken hervor[gehen], in und mit denen Individuen, Gruppen und Kulturen ihre Verhältnisse zur Natur gestalten und regulieren« (Becker et al. 2011: 77; vgl. Görg 1999). In sozialökologischen Systemen interagieren Akteurinnen mit Ressourcensystemen gemäß bestimmter Regeln und Prozeduren, die im Rahmen eines übergreifenden Governancesystems aufgestellt werden (McGinnis/E. Ostrom 2014). Dies geschieht im Kontext der jeweils relevanten ökologischen Systeme und sozialer, politischer und ökonomischer Verhältnisse (ebd.).²⁴

    Viele sozialtheoretische Denkschulen bauen grundlegend auf Dualismen auf. Anthony Giddens (Giddens 1997: 215) grenzt seine Strukturationstheorie explizit dagegen ab und arbeitet stattdessen mit Dualitäten. Damit bezeichnet er Verhältnisse, in denen sich die unterschiedlichen Elemente gegenseitig beeinflussen und bedingen. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft, wie in den just beschriebenen Fällen. Besonders wichtig für die Theorie von Giddens ist die Dualität von Handlung und Struktur, die den Dualismus von Individuum und Gesellschaft ersetzt (ebd.; siehe 3.3). An dieser Stelle ist auch der Begriff der Praxis von großer Bedeutung; in diesem Sinne schreibt Matthias Wieser (2004: 98): »Die soziokulturelle Rahmung steht in einem komplexen Wechselverhältnis zu den sozialen Praktiken, in welche die Dinge verwickelt werden. Dadurch werden sowohl die Dinge als auch die Praktiken und letztlich die Rahmen modifiziert und ständig aktualisiert.« Der Begriff der Praxis hat in den vergangenen Jahrzehnten eine wachsende akademische Aufmerksamkeit erfahren und gilt inzwischen als eine der Schlüsselkategorien, um die Ebene der Gesellschaft mit Individuen und Organisationen zu verbinden (Thornton et al. 2012: 128).

    Um diese Verbindung zu begreifen, führen Thornton et al. den Begriff der institutionellen Logiken ein. »[W]hile practices are guided by existing institutional logics, as existing practices are altered or new ones are established, they play a key role as exemplars in creating, reproducing and transforming institutional logics« (ebd.: 129; siehe 3.4). Diese institutionellen Logiken können dazu verwendet werden, die spezifische gesellschaftliche Strukturiertheit der untersuchten Kontexte aufzudecken. Dies ist nicht zuletzt von Bedeutung, um die Alltagspraktiken zu verstehen, die der Anthropologin Diana Bocarejo Suescún (2018) zufolge entscheidend für das Wassermanagement sind, die also den Umgang mit und die Bewertung von Wasser maßgeblich bestimmen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage des Verhältnisses zwischen Wasser und Praktiken zu stellen. Einerseits kann dieses als klares Objekt-Subjekt-Verhältnis aufgefasst werden, bei dem Menschen als Subjekte über das Wasser als Objekt bestimmen (Bonelli et al. 2016). Andererseits betont Jamie Linton (2010: 4f.) die soziale Natur des Wassers: »not that society produces water per se, but that every instance of water that has significance for us is saturated with the ideas, meanings, values, and potentials that we have conferred upon it«. Patrick Bresnihan (2019) und Marcela López (2016) gehen noch einen Schritt weiter und sprechen Wasser agency zu (siehe 2.7).

    1.3Die Etappenziele: Festlegung der Ausgangsfragen

    Ausgehend von diesem knappen Überblick werden nun die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen vorgestellt. Zunächst einmal ist in der Commons-Literatur das Auseinanderklaffen zweier Stränge zu beobachten. Einerseits wird der Begriff Commons an den Eigenschaften der fraglichen Ressource festgemacht und von dort geschaut, welche Nutzungsregime es gibt. Andererseits werden die Umgangsweisen mit Ressourcen in den Fokus genommen und im Falle bestimmter Praktiken – Commoning – von Commons gesprochen. In der Commons-Literatur sind noch weitere Begriffsverständnisse zu finden, insbesondere Commons als Recht oder Eigentumsform (siehe 2.4). Es besteht also eine konzeptuelle Unklarheit hinsichtlich des Hauptbegriffs der Commons-Forschung. Diese betrifft den gesamten Gegenstandsbereich und somit auch das Verständnis von Wasser. Um diese Lücke zu schließen, lautet die erste Forschungsfrage (F):

    (F–1) Wann kann Wasser als Commons gelten?

    Werden die sozialen Praktiken des Commoning zur Klärung des Commons-Begriffs herangezogen, so stellt sich die Frage nach der Konzeptualisierung des Commoning-Begriffs. Auch dieser Begriff wurde bislang kaum ausführlich expliziert und es liegt kein einheitliches Verständnis vor. Hinzu kommt, dass das Verhältnis zwischen den Begriffen Commons und Commoning, also wie diese zueinander in Beziehung stehen, unzureichend geklärt ist. Dies gilt es bei der Beantwortung der Forschungsfrage zu berücksichtigen und gegebenenfalls sind weitere Begriffsbestimmungen vorzunehmen.

    Silke Helfrich (2017: 109) schreibt: »Wie andere Prozesse der Selbstorganisation ist commoning nicht auf starre Strukturen und Procedere festgelegt, ist immer unvollständig und ergebnisoffen und vom jeweiligen Kontext abhängig, insbesondere von den gesellschaftlichen Verhältnissen.« Hier zeigt sich die Schwierigkeit, mit dem Thema Commons und Commoning umzugehen, die in den kommenden Kapiteln immer wieder deutlich werden wird, und ebenso die Bedeutung der gesellschaftlichen Eingebettetheit, um die es in der zweiten Forschungsfrage gehen wird. Soziale Praktiken sind nicht nur ein konstitutives Element von Gesellschaft, sondern werden von eben dieser auch beeinflusst. Der Einbezug der gesellschaftlichen Ebene spielt in weiten Teilen der Commons-Forschung, insbesondere der empirischen, allenfalls eine untergeordnete Rolle. Auch in der Wasserforschung ist die Verknüpfung der Akteurinnen- und der Systemebene die Ausnahme. Dieses Verhältnis gilt es zu klären, und somit lautet die zweite Forschungsfrage:

    (F–2) Wie beeinflusst die Struktur des gesellschaftlichen Kontextes den Umgang mit Wasser im Allgemeinen und mit Wasser-Commoning im Besonderen?

    Die zweite Frage basiert nicht zuletzt auf der Ansicht, dass die Entscheidung darüber, ob Wasser ein Commons ist, nicht unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext und dessen Struktur zu treffen ist. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass sich Konflikte nicht anhand der Ebene der Akteurinnen allein erklären lassen, auch wenn das in der Konfliktforschung mitunter versucht wird. Mit der Kritischen Psychologie von Klaus Holzkamp (1985) kann angenommen werden, dass menschliches Handeln grundsätzlich Gründe hat. Angewandt auf Konflikte ist demnach sowohl deren Aufkommen als auch jegliches Konflikthandeln begründet, sei es auf der individuellen, sei es auf der gesellschaftlichen Ebene. Insbesondere die gesellschaftlichen Gründe, die dem Handeln in Konfliktsituationen zugrunde liegen, werden in der Wasserforschung weitgehend ausgeklammert. Aufbauend auf dieser Lücke und dem Befund, dass in der Wasserwirtschaft regelmäßig Konflikte auftreten, lautet daher die dritte Forschungsfrage:

    (F–3) Welche Rolle spielt die Struktur gegenwärtiger Gesellschaften für das Aufkommen von und den Umgang mit Wasserkonflikten?

    Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich von den gewählten Prämissen ab. So kann beispielsweise auf der Grundlage neoklassischer Annahmen folgendermaßen argumentiert werden: »Given the premise of rational individual behaviour and scarcity of water, competition and conflicts among water users are inevitable« (Ballabh/Singh 1997: 2). Unter derartigen Bedingungen stehen in gewisser Weise fortwährend alle mit allen im Konflikt. Werden diese Annahmen jedoch (teilweise) aufgegeben, lassen sich Alternativen erkennen. Wenn Commons eine potenziell kooperative, langlebige und erfolgreiche Art der Ressourcengovernance darstellen, wie Elinor Ostrom (1999: 1f.) glaubhaft macht, dann können sie potenziell ein Schlüssel zur Lösung aufkommender Wasserkonflikte sein. Ob und inwieweit dies zutrifft, ist ebenso klärungsbedürftig wie die Frage, ob dies nicht nur für den Umgang mit, sondern auch für das Aufkommen von Konflikten gilt. Konflikte treten sowohl innerhalb von Commons-Zusammenhängen auf als auch zwischen diesen und außenstehenden Akteurinnen. Basierend auf der Annahme, dass die Praktiken des Commoning auch das Konflikthandeln beeinflussen, lautet die vierte und letzte Forschungsfrage:

    (F–4) Worin liegen die Potenziale und Hemmnisse von Commoning für das Aufkommen und Austragen von Wasserkonflikten?

    Die vier Fragen sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und erfordern daher unterschiedliche Wege, um sie zu klären. Bei der ersten handelt es sich um eine definitorische Frage, die insbesondere auf theoretischer Ebene zu bearbeiten ist. Die zweite und dritte Forschungsfrage erfordert ein Inbeziehungsetzen der Akteurinnen- und der Systemebene; da es sich hierbei um Beschreibungsfragen handelt, können sie, auf der Grundlage theoretischer Überlegungen, empirisch untersucht werden. Die vierte Frage erfordert eine Bewertung von Potenzialen und Hemmnissen und kann mittels empirisch informierter Theoriearbeit beantwortet werden.

    1.4Kurs setzen und Segel hissen: Das Vorgehen

    Die Beantwortung der vier Fragen erfordert unterschiedliche Herangehensweisen. Die Grundlage bildet jedoch bei allen vier Fragen die theoretische Erörterung und darauf aufbauend die vorläufige Beantwortung (siehe Kapitel 2 bis 5). In einem Zwischenkapitel wird die Theoriearbeit abgeschlossen und mit dem nachfolgenden empirischen Teil in Beziehung gesetzt (siehe Kapitel 6). Daran anschließend werden die Fragestellungen, soweit möglich, mittels empirischer Untersuchungen weiterverfolgt (siehe Kapitel 7 bis 9). Im letzten Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengetragen und auf dieser Grundlage Antworten formuliert (siehe Kapitel 10). Der Aufbau der Arbeit soll im Folgenden erläutert und einzelne Schritte begründet werden.

    Um die erste Forschungsfrage (wann kann Wasser als Commons gelten Commons?) zu beantworten, wird im zweiten Kapitel zunächst der Commons-Begriff in seiner historischen Verwendung dargestellt (siehe 2.2). Der kurze Ausflug in die Begriffsgeschichte soll verhindern, dass der Begriff dekontextualisiert und rein theoretisch betrachtet wird. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Commons-Begriffe vorgestellt und diskutiert. Zunächst wird der in der Volkswirtschaftslehre verbreitete und von Elinor Ostrom (1999) maßgeblich geprägte gütertheoretische Ansatz vorgestellt und an unterschiedlichen Stellen kritisiert (siehe 2.3). Ebenso wird, jedoch in knapperer Manier, mit zwei weiteren Verständnissen verfahren: 1. Commons basiere darauf, dass bestimmte Menschengruppen ein Anrecht auf die fraglichen Ressourcen hätten; 2. Commons sei eine Form des Eigentums (siehe 2.4). Als überzeugender wird der Praxisbegriff von Commons bewertet; darauf aufbauend wird ein eigenes Begriffsverständnis formuliert (siehe 2.5). Dieses basiert maßgeblich auf dem Begriff Commoning, der mithilfe von sieben Dimensionen bestimmt wird (siehe 2.6). Auf dieser Basis wird die Frage nach dem Verhältnis zwischen Menschen und Nichtmenschlichem in Commons-Vereinigungen aufgeworfen und ein Verständnis vorgestellt, das auf dem Einbezug der Bedürfnisse aller Stakeholderinnen aufbaut (siehe 2.7). Anhand des Beispiels Wasser erfolgt zum Abschluss eine kurze Auseinandersetzung mit dem Konzept der Ware, das als Gegenbegriff zu Commons aufgefasst wird. Das Ziel dieses Kapitels ist es, Commons und Commoning in einer Weise begrifflich zu fassen, die sich im Lichte der Empirie bewährt und theoretisch überzeugt.

    Im dritten Kapitel werden zunächst die Begriffe Natur, Gesellschaft und Mensch miteinander in Beziehung gesetzt und Grundüberlegungen zum für die vorliegende Arbeit in besonderem Maße bedeutsamen Gesellschaftsbegriff angestellt (siehe 3.2). Darauf aufbauend wird mit der Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1997) ein Ansatz, die Handlungs- und die Strukturebene sowohl zu unterscheiden als auch in Beziehung zueinander zu setzen, vorgestellt (siehe 3.3). Um der Strukturiertheit heutiger Gesellschaften noch näher zu kommen – was für die Beantwortung der zweiten Forschungsfrage (nach dem Einfluss des gesellschaftlichen Kontextes) nötig ist –, wird die Giddens’sche Theorie um die institutional logics perspective (Perspektive institutioneller Logiken) von Patricia Thornton, William Ocasio und Michael Lounsbury (2012) erweitert (siehe 3.4). Die von ihnen vorgestellten Idealtypen institutioneller Logiken und Ordnungen bilden einen wichtigen Baustein für die Analyse gesellschaftlicher Kontexte im Rahmen der später erfolgenden empirischen Untersuchungen. Die dort aufgeführte Gemeinschaftslogik erweist sich mit Blick auf unterschiedliche Commons-Beispiele jedoch als nicht passgenau, und so wird die Commons-Logik als ein eigener Idealtypus vorgeschlagen und von der Gemeinschaftslogik abgegrenzt (siehe 3.5). Um dem Einfluss der Struktur auf die sozialen Praktiken einen weiteren Schritt näher zu kommen, wird der Analyserahmen für sozialökologische Systeme (McGinnis/E. Ostrom 2014) vorgestellt und werden die institutionellen Logiken darin integriert (siehe 3.6). Abschließend wird die Frage nach der gesellschaftlichen Einbettung von Commoning beantwortet.

    Im vierten Kapitel wird nach Gründen für das Aufkommen von Konflikten gesucht und die jeweilige Einbettung dieser Konflikte in die gegenwärtigen Gesellschaftssysteme reflektiert. Zunächst wird erörtert, was in der vorliegenden Arbeit als Konflikt bezeichnet wird und wie einige der Aspekte, die sich im Hintergrund von Konflikten befinden, aussehen (siehe 4.2). Dabei wird zunächst eine auf Friedrich Glasl (2011) zurückgehende Konfliktdefinition vorgestellt. Davon ausgehend wird der Begriff des strukturellen Widerspruchs als ein der gesellschaftlichen Struktur entspringendes Verhältnis der Gegensätzlichkeit entwickelt. Weiterhin wird, wie bereits angedeutet, angelehnt an Holzkamp (1985) davon ausgegangen, dass Individuen stets begründet (teilweise unbewusst) und auf Grundlage ihrer Bedürfnisse handeln und dass die jeweiligen Gründe auf der Position und Lebenslage der Individuen sowie auf deren Prämissen (etwa Weltsicht) beruhen. Gründe werden als prinzipiell intersubjektiv verständlich angenommen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Konflikte als grundsätzlich lösbar anzusehen. Auf dieser Basis werden unterschiedliche Konflikttypen vorgestellt und mögliche Ursachen von Konflikten sowohl anhand des Beispiels Knappheit als auch in Bezug auf institutionelle Logiken diskutiert (siehe 4.3). Von dort aus werden unterschiedliche Formen der Herrschaft in den Blick genommen und als Konfliktpotenziale aufgefasst (siehe 4.4). In diesem Zuge werden die Rolle von Macht, von personaler und sachlicher Herrschaft sowie die damit verbundenen Widersprüche reflektiert. Das vierte Kapitel zielt auf ein Konfliktverständnis ab, das sowohl über eine gesellschaftstheoretische Untermauerung als auch über eine Subjektfundierung verfügt.

    Das letzte Theoriekapitel befasst sich mit dem Konfliktmanagement sowie den Potenzialen und Hemmnissen, die Commoning in Bezug auf Wasserkonflikte innewohnen. Zunächst wird bei der Bearbeitung von Konflikten zwischen einem inklusionslogischen und einem exklusionslogischen Umgang unterschieden (siehe 5.2). Als exklusionslogisch wird ein Konfliktmanagement dann beschrieben, wenn es auf einem grundlegenden Gegeneinander der Konfliktparteien aufbaut, wenn die Parteien also danach trachten, sich gegeneinander durchzusetzen. Inklusionslogisches Konfliktmanagement ist hingegen gekennzeichnet durch ein grundlegendes Miteinander und den Einbezug der Bedürfnisse möglichst vieler Betroffener. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Frage der Potenziale und Hemmnisse in den Blick genommen. Ausgegangen wird von einer grundsätzlichen Wandelbarkeit gesellschaftlicher Bedingungen. Dies wird anhand der Veränderungen institutioneller Logiken und der Einhegungen von Commons deutlich gemacht (siehe 5.3). Auf dieser Grundlage werden die Potenziale von Commoning erörtert (siehe 5.4). Dabei wird zunächst begründet, warum die inklusionslogische Konfliktbearbeitung dem Commoning entspricht. Dies gilt insbesondere für Konflikte innerhalb von Commons-Zusammenhängen. Bei externen Konflikten in einem exklusionslogischen Umfeld hingegen scheint sich diese Logik, die exklusionslogische, auch beim Konflikthandeln durchzusetzen. Die Potenziale für einen konstruktiven Umgang mit Wasserkonflikten liegen demnach in letzter Konsequenz darin, die gesellschaftlichen Bedingungen inklusionslogisch zu gestalten. Wie dies auf gesellschaftlicher Ebene gedacht werden kann und welche Wege dorthin führen können, wird am Ende des Kapitels thematisiert.

    Das anschließende sechste Kapitel ist dem Übergang vom theoretischen in den empirischen Teil gewidmet. Auf Grundlage der vorangegangenen Kapitel werden zunächst theoriegeleitete Thesen formuliert (siehe 6.2). Diese fungieren als vorläufige Antworten auf die vier genannten Forschungsfragen. Diese Thesen sind sowohl als zugespitzte Zusammenfassungen der Theoriearbeit zu sehen als auch als Leitsätze, die der empirischen Arbeit ihre Ausrichtung geben und zugleich einer kritischen Prüfung unterzogen werden sollen. Im zweiten Teil des sechsten Kapitels werden die Methoden der empirischen Arbeit vorgestellt (siehe 6.3). Zunächst wird das Forschungsdesign erläutert und zu den Thesen in Bezug gesetzt, außerdem werden die verschiedenen Ansätze der Triangulation vorgestellt. Sodann werden die Methoden der empirischen Untersuchungen präsentiert und die wichtigsten Aspekte der Datenerhebung und -auswertung erklärt. Methodisch liegt der Metafallstudienanalyse eine qualitative Metaanalyse zugrunde; die Fallstudien basieren vornehmlich auf der Analyse fallbezogener Literatur sowie auf während der Feldforschung durchgeführten teilnehmenden Beobachtungen und qualitativen Interviews. Die Auswertung erfolgte gemäß der Qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring (2015).

    Im siebten Kapitel wird die Metafallstudienanalyse vorgestellt. Das Ziel dieser Analyse ist es, einen systematischen Überblick über die Commons-Literatur zu erlangen und insbesondere der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Commons und Wasserkonflikten nachzugehen. Zu diesem Zwecke wurde ein Datenkorpus von zwölf Texten mit insgesamt sechzehn Fällen analysiert und zunächst ein Überblick geliefert (siehe 7.2). In einem ersten Analyseschritt werden die Konfliktarten und die Konstellationen der Beteiligten herausgearbeitet sowie die unterschiedlichen Konfliktursachen untersucht (siehe 7.3). Sodann geht es um den Umgang mit Konflikten, und die unterschiedlichen Fälle werden in exklusionslogisch und inklusionslogisch geprägtes Konfliktmanagement sowie Nichtmanagement eingeteilt (siehe 7.4). Im Anschluss werden die Fälle in ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Einbettung und im Lichte der vorherrschenden institutionellen Logiken betrachtet (siehe 7.5). Dabei werden zum einen die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse sowie die dominanten institutionellen Logiken beleuchtet. Zum anderen werden die vorhandenen institutionellen Logiken auf ihre Verhältnisse untereinander und auf mögliche Veränderungstendenzen hin untersucht. Zum Abschluss wird den Begriffen Commons und Commoning, wie sie im zweiten Kapitel erarbeitet wurden, nachgespürt (siehe 7.6). Dies geschieht sowohl mit Blick auf die Verwendung des Commons-Begriffs als auch anhand der Dimensionen des Commoning.

    Die erste eigene Fallstudie im achten Kapitel handelt von der Wasserbewirtschaftung in der bolivianischen Großstadt Cochabamba. Zunächst wird ein kulturhistorischer Ausflug in die Vergangenheit Boliviens unternommen und die tiefe Verankerung von Selbstorganisationspraktiken herausgearbeitet (siehe 8.2). In einem zweiten Schritt werden die generelle Wassersituation in Cochabamba thematisiert (siehe 8.3) und die wichtigsten Organisationen der alternativen Wasserwirtschaft in der Stadt vorgestellt (siehe 8.4). Im Anschluss werden ein geschichtlicher Wendepunkt der Wasserwirtschaft in Cochabamba, der um die Jahrtausendwende ausgetragene sogenannte Wasserkrieg, sowie die neuesten Entwicklungen in den Blick genommen (siehe 8.5). Nachdem somit ein Überblick über das zu untersuchende Feld geschaffen ist, folgt die Analyse der Praktiken des alternativen Wassersektors und insbesondere der darin maßgeblichen selbstverwalteten Nachbarschaftsorganisationen, die als Wasserkomitees (comité de agua) bezeichnet werden. Dies geschieht sowohl mit Blick auf deren andin-indigene Wurzeln als auch auf die sieben Dimensionen des Commoning (siehe 8.6). Als zweiter Analyseschritt folgt die Einbettung der Wasserkomitees – sowohl in soziale, ökonomische und politische Rahmen als auch in die vorherrschenden institutionellen Logiken (siehe 8.7). Letztere werden insbesondere anhand der Staats- und Marktlogik untersucht. Zusätzlich wird eine Differenzierung zwischen der Gemeinschafts- und der Commons-Logik vorgenommen und werden die generellen Veränderungen institutioneller Logiken in Cochabamba untersucht. Den Abschluss des Kapitels liefert der Blick auf die vorfindlichen Wasserkonflikte (siehe 8.8). Dabei wird strukturellen Widersprüchen eine wichtige Rolle zugemessen und der Umgang mit unterschiedlichen Konfliktkonstellationen herausgearbeitet.

    Im neunten Kapitel findet sich die zweite eigene Fallstudie, die Wasserbewirtschaftung im kolumbianischen Medellín. Zunächst wird der historische Hintergrund mit Blick auf die Konfliktgeschichte Kolumbiens und den Wassersektor in Medellín vorgestellt (siehe 9.2). Die Wasserbewirtschaftung im gegenwärtigen Medellín wird nachfolgend thematisiert (siehe 9.3). Dabei wird sowohl auf die generelle Situation und das große Wasserunternehmen der Stadt, EPM, eingegangen als auch die gemeinsame Wasserbewirtschaftung der selbstorganisierten acueductos comunitarios und die Wasserbewegung vorgestellt. Im Anschluss werden die acueductos unter die Lupe genommen und untersucht, inwieweit sie auf Commoning aufbauen (siehe 9.4). Dabei werden erneut die sieben Dimensionen des Commoning zu Hilfe genommen. Im zweiten Analyseschritt wird die Einbettung der acueductos in den Blick genommen und werden die Einflüsse, die das gesellschaftliche Umfeld ausübt, untersucht (siehe 9.5). Im Untersuchungsfokus stehen dabei sowohl das städtische Unternehmen EPM und staatliche Stellen als auch die generellen Veränderungen der Wasserwirtschaft und der institutionellen Logiken, die jene strukturieren. Zum Schluss werden die Konflikte des Wassersektors untersucht (siehe 9.6). Das Hauptaugenmerk liegt zunächst auf dem Herausarbeiten der strukturellen Widersprüche und im Anschluss auf den institutionellen Logiken des Markts, des Staats und der Commons.

    Das zehnte und letzte Kapitel bildet den Abschluss der vorliegenden Arbeit. Dort werden die Erkenntnisse aus den drei Empiriekapiteln zusammengetragen und miteinander in Beziehung gesetzt. Dies geschieht vor dem Hintergrund von und in Auseinandersetzung mit den im sechsten Kapitel formulierten Thesen und der davor erfolgten Theoriearbeit (siehe 10.2 bis 10.5). Abschließend werden die Forschungsfragen beantwortet und eine rückblickende Reflexion der Arbeit vorgenommen (siehe 10.6). Im Resümee wird die Frage der Möglichkeiten der Gegenwart aufgeworfen und damit verbunden eine Einschätzung der heutigen Lage wie auch ein Ausblick in ein mögliches Morgen geliefert. So viel vorweg: Die Lage könnte besser sein, aber sie ist weder aussichtslos noch mangelt es an Handlungsmöglichkeiten.


    1In der vorliegenden Arbeit wird in der Regel die weibliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Damit wird als diskriminierungssensible und zugleich lesefreundliche Variante das Generische Femininum als geschlechtsneutrale Personenbezeichnung vorgeschlagen und verwendet.

    2Die genaue Formulierung des im Jahr 2000 ausgerufenen Planziels 7c der »Millennium Development Goals« lautet: »Halve, by 2015, the proportion of the population without sustainable access to safe drinking water and basic sanitation« (UN 2015a: 58).

    3Die Formulierung des sechsten Ziels lautet: »Ensure availability and sustainable management of water and sanitation for all« (UN 2015b: o. S.). Dieses Ziel beinhaltet vergleichsweise weitreichende Unterziele, so zum Beispiel den Punkte 6.1: »By 2030, achieve universal and equitable access to safe and affordable drinking water for all« sowie 6.b »support and strengthen the participation of local communities in improving water and sanitation management« (ebd.).

    4Seit 2017 wechseln diese fünf Kategorien sich auf den fünf ersten Plätzen ab, wobei die Massenvernichtungswaffen jeweils auf dem ersten Platz zu finden sind (WEF 2019: 8).

    5Ein wichtiger Bezugspunkt sind die Managementregeln der Nachhaltigkeit. Herman Daly (1990: 2) schrieb bezogen auf erneuerbare Ressourcen wie Wasser Folgendes: »For the management of renewable resources there are two obvious principles of sustainable development. First that harvest rates should equal regeneration rates (sustained yield). Second that waste emission rates should equal the natural assimilative capacities of the ecosystems into which the wastes are emitted.«

    6Zur Wassersituation in Deutschland siehe Schermuly (2017: 265ff.).

    7Wobei Wasser auch häufig Gegenstand von Konflikten mit anderen Ursachen ist (Grambow et al. 2013: 18).

    8Die Begriffe Commons und Gemeinsames werden in der vorliegenden Arbeit teilweise synonym verwendet.

    9In Flaschen abgefülltes Wasser im Eigentum einer Person wird häufig nicht geteilt. Ist es allerdings getrunken und verlässt es den menschlichen Körper wieder, ist das Wasser in der Regel ›befreit‹ und geht wieder in die geteilten Wasserkreisläufe ein.

    10Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit wird der Neoliberalismus nicht, wie zum Beispiel bei Linslata (2014) und López Rivera (2015), als zentrale gesellschaftstheoretische Kategorie verwendet, sondern allgemeiner vom Kapitalismus gesprochen. Kapitalismus wird in Anlehnung an Karl Marx (1890) als Gesellschaftsform begriffen, die in zentraler Weise auf der Produktion von Waren aufbaut. Joachim Bischoff (2019: 132) fasst diesen Begriff folgendermaßen zusammen: »Kapitalismus ist ein historisch spezifischer ökonomischer Typus der Gesellschaftsformation. Er ist ein Ausbeutungsverhältnis und umschließt nicht nur Klassenverhältnisse, die auf dem Dasein der Lohnarbeit […] beruhen, sondern die Warenproduktion wird zur dominanten Form. […] Die kapitalistische Gesellschaft ist jedoch kein fester Kristall, sondern ein wandlungsfähiger und beständig im Prozess der Umwandlungen begriffener Organismus, dessen Erscheinungsformen sich verändern, während die ökonomischen Bewegungsgesetze unverändert bleiben.« Wichtige Elemente sind zum Beispiel die gesellschaftliche Vermittlung über miteinander verbundene Warenmärkte via Äquivalententausch, staatliche Steuerung und die Profitorientierung der Wirtschaftsakteurinnen. Dennoch gibt es nicht den einen Kapitalismus, sondern viele (für weitere Ausführungen siehe insbesondere Kapitel 4 und 5).

    11Laut Bakker (2007: 432) argumentiert die eine Seite, dass Wasser zunehmend knapp werde und aus diesem Grunde eine Einpreisung aller ökonomischen und ökologischen Kosten nötig sei, um den größtmöglichen Nutzen zu erlangen. Aus dieser Sichtweise müsse Wasser von privatwirtschaftlichen Unternehmen profitorientiert bewirtschaftet werden, da diese auf direktere und effektivere Art von Shareholderinnen und Kundinnen in die Verantwortung genommen werden könnten, als dies bei der Rechenschaftspflicht politischer Akteurinnen den Bürgerinnen gegenüber der Fall sei. Die andere Seite argumentiert, dass Wasser nicht substituierbar und gleichwohl lebensnotwendig sei (ebd.). Sie plädiert für ein Menschenrecht auf Wasser, für dessen Durchsetzung der Staat verantwortlich gemacht und auf dessen Grundlage privatwirtschaftliches Wassermanagement verhindert werden müsse (ebd.). Mitunter wird der Neoliberalismus für eine Vielzahl gegenwärtiger Übel (auch) im Wassersektor verantwortlich gemacht (Niño Viracachá 2013: 127).

    12Higuita Alzate rechnet mit 1500 kolumbianischen Pesos (ungefähr 0,39 EUR) für einen halben Liter abgefüllten Wassers und mit 1097 Pesos (ungefähr 0,29 EUR) für tausend Liter Leitungswasser. Auf einen Liter gerechnet ist also das abgefüllte Wasser 2735-mal teurer als das Leitungswasser. Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass das Leitungswasser in Medellín weitgehend Trinkwasserqualität aufweist.

    13Im Bereich der Europäischen Union gilt die Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 als bahnbrechender politischer Erfolg (Grambow et al. 2013: 3f.). Sie verpflichtet die Staaten dazu, einen guten Zustand aller Gewässer zu gewährleisten und setzt dabei nicht zuletzt auf Maßnahmen der Bürgerinnenbeteiligung (vgl. Euler/Heldt 2018).

    14Der offizielle Name lautet: »Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften im Andenken an Alfred Nobel« (Wortlaut im Schwedischen: »Sveriges Riksbanks pris i ekonomisk vetenskap till Alfred Nobels minne«).

    15Zur Relevanz von Commons im deutschsprachigen Raum siehe Euler (2018a).

    16Als »big five« der Commons-Forschung bezeichnen Van Laerhoven und Elinor Ostrom (2007: 8) die Themengebiete Fischerei, Forstwesen, Bewässerungssysteme, Wassermanagement und Tierhaltung.

    17Da die Arbeiten von Elinor Ostrom in Kapitel 2 ausführlich vorgestellt werden, sind an dieser Stelle einige Kritikpunkte aufgeführt, ohne die zugrundeliegende Methodik auf nachvollziehbare Weise zu präsentieren.

    18»This situated understanding of use and access in the fisheries is contingent on practical commitments to the production and care of the commons, understood not just as a discrete resource but as a wider collective of people, resources, and place« (Bresnihan 2016: 159).

    19Zur Unterscheidung der Bedeutungen des deutschen Wortes Gemeinschaft einerseits und des englischen Wortes community andererseits siehe Gertenbach et al. (2010: 46f.).

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