Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister: Komplexe Themenfelder in der Praxis meistern
Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister: Komplexe Themenfelder in der Praxis meistern
Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister: Komplexe Themenfelder in der Praxis meistern
eBook433 Seiten4 Stunden

Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister: Komplexe Themenfelder in der Praxis meistern

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stehen am Beginn und auch während ihrer Amtszeit vor vielen Themengebieten, in die sie sich einarbeiten und mit denen sie sich befassen müssen.
Das Buch dient dazu, Informationen zu zehn in der kommunalen Praxis besonders relevanten Themenfeldern (u.a. Vergaberecht, Korruptionsprävention, Bauplanungsrecht, Steuerpflicht, Beihilferecht) zu bieten. Zudem soll es ermuntern, ein auf die jeweilige Situation vor Ort umsetzbares Informations- und Controllingsystem zu implementieren.Die in dem Buch vorgestellten Handreichungen beschränken sich auf Themenfelder, die besonders komplex sind und bei Verstößen schwerwiegende Folgen für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben können.
Hierbei werden grundlegende Informationen anhand von nachvollziehbaren Ausführungen und Beispielen aus der Rechtsprechung und Beratungspraxis vermittelt.
Autoren und Themen:

- Altmann, Hendrik, LL.M,Wirtschaftsrecht und Trittel; Daniela, Dipl.-Finanzwirtin (FH) und Steuerberaterin, bbt-Rechts- und Steuerkanzlei, Hannover: Steuerpflicht der öffentlichen Hand
- Baumert, Wolf-Tilman, OStA bei der StA Wuppertal, Pressesprecher: Korruptionsprävention und richtiger Umgang mit Ermittlungsbehörden und Presse in KrisenzeitenDr. Borchert, Dietrich, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht; Reineke, Daniel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht, bbt-Rechts- und Steuerkanzlei, Hannover: Beihilferecht
- Dr. Breyer, Erich, Architekt, Leitender Baudirektor a.D. Hannover: Bauordnungsrecht
- Franke, Matthias, Rechtsanwalt bei Eick & Partner, Hamburg: Verkehrssicherungspflichten der öffentlichen Hand
- Dr. Geitel, Maria, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht, Kapellmann & Partner, Berlin: Vergaberecht
- von Meding, Conrad, Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ): Pressearbeit, Umgang mit Bürgern und Pressearbeit
- Möhring, Anja, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungs- und Arbeitsrecht, Hannover: Dienstrecht
- Pencereci, Turgut, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Bremen: Städtebaurecht
- Dr. Stiel, Arnd, Rechtsanwalt, Betriebswirt (IWW), Lehrbeauftragter für Rhetorik, Hannover: Interne Kommunikation, Führung und Motivation
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Dez. 2020
ISBN9783829316316
Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister: Komplexe Themenfelder in der Praxis meistern

Ähnlich wie Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister

Ähnliche E-Books

Verwaltungsrecht & Regulierungspraxis für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die zehn wichtigsten Themen für Bürgermeister - Kommunal- und Schul-Verlag

    Hannover

    Kapitel 1:Interne Verwaltungskommunikation

    von Dr. Arnd Stiel

    1.Fall, Ausgangslage und Agenda

    1.1Fall: „Northeim"

    Die Abstimmung soll am 15. Oktober stattfinden. Die Northeimer Bürger können dann parallel zur Landtagswahl auch darüber entscheiden, ob der 57-jährige Verwaltungschef im Amt bleibt oder nicht.

    Es ist bereits das zweite Abwahlverfahren in Northeim. Anfang 2013 hatte der Rat in einem einstimmigen Votum ein Abwahlverfahren gegen Tannhäusers Vorgänger Harald Kühle (SPD) eingeleitet. Dieser hatte daraufhin von sich aus das Handtuch geworfen. Der Sozialpädagoge, der 2006 zum Bürgermeister der 29 000 Einwohner-Stadt gewählt wurde, stand vor allem wegen seiner Amtsführung in der Kritik. Nachdem die Staatsanwaltschaft Göttingen zum zweiten Mal ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet hatte, verlor er auch den Rückhalt seiner Parteifreunde.

    Bei der folgenden Wahl hatte sich der parteilose Tannhäuser gegen einen gemeinsamen Kandidaten von SPD, CDU und Grünen durchgesetzt. Der 57-jährige Ingenieur, der von der FDP und einer unabhängigen Wählerinitiative gestützt wurde, hatte damals als eines seiner Hauptziele eine „wertschätzende und betriebswirtschaftlich geprägte Personalführung" genannt.

    Genau daran scheint es nun zu hapern. Vor einem Jahr hatte der Rat einstimmig beschlossen, dass der Bürgermeister Seminare in Personalführung belegen müsse. Zuvor war bekannt geworden, dass sich zahlreiche Mitarbeiter über seinen „von Mobbing und Einschüchterungsversuchen geprägten Führungsstil beklagt und Hilfe beim Betriebsarzt gesucht hatten …".¹

    An anderer Stelle heißt es:

    „Nachdem sich Beschwerden von Angestellten der Stadtverwaltung über den Umgang Tannhäusers mit seinen Untergebenen gehäuft hatten, knöpfte sich im März dieses Jahres zunächst die CDU den Bürgermeister vor. Neben Schwächen in der Mitarbeiterführung kritisierten die Christdemokraten unter anderem noch, dass der Verwaltungschef mehrere Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt habe. Außerdem habe er den Rat bei der Vorauswahl von Bewerbern für den Posten des städtischen Bauamtsleiters vorsätzlich falsch informiert.

    In seinem jetzt gefassten Beschluss stützt sich der Northeimer Stadtrat auf Stellungnahmen des Personalrats der Stadtverwaltung und des Betriebsarztes. Der Mediziner erklärte, dass seit Mitte 2014 insgesamt 17 Mitarbeiter der Verwaltung wegen des Führungsstils des Bürgermeisters zu betriebsärztlichen Beratungen bei ihm gewesen seien.

    Im Schreiben des Personalrates, aus dem jetzt die Northeimer Neuesten Nachrichten zitierten, heißt es: „Über den sogenannten Flurfunk haben wir erfahren, dass insbesondere der Führungsstil des Bürgermeisters, der dazu neigt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht seiner Meinung sind, lautstark einzuschüchtern, mit ursächlich für die Mitarbeiter-Unzufriedenheit ist."

    Bürgermeister Tannhäuser will sich „wegen des laufenden Verfahrens derzeit nicht äußern, weder zum Ratsbeschluss noch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern. Der Vorsitzende des Stadtrats, der Sozialdemokrat Wolfgang Haendel, betonte unterdessen, dem Kommunalparlament gehe es mit seinen Beschlüssen nicht darum, Tannhäuser aus dem Amt zu drängen. Man hoffe vielmehr, dass künftig ein „gedeihliches Miteinander mit dem Bürgermeister möglich werde²."

    1.2Ausgangslage und Relevanz

    Zugegeben, die Erwartungen an gute Bürgermeister sind gewaltig.

    Sie sollen nicht nur ihre Verwaltung strategisch führen, als ausgleichender Interessenvertreter im Rat stets und überparteilich die Interessen der Bürger eloquent vertreten, nein, sie sollen auch idealerweise eine starke, charismatische und möglichst hochempathische Persönlichkeit sein, die ohne Fehl und Tadel ist. Zudem sollen zumindest Grundkenntnisse in allen kommunalen Themenfeldern vorhanden sein: Vom Abgabenrecht, Beihilferecht, Vergaberecht, Steuerrecht, Baurecht bis hin zum Zivilrecht reicht die beispielhafte Aufzählung.

    An Wochenenden, bei Schützenfesten, Kirmessen, Jubiliaren und Feuerwehrfesten erwartet man zudem den stets gutgelaunten, bodenständigen und für alle vorkommenden kommunalen Angelegenheiten ansprechbaren Bürgervertreter, der sich umgehend um eine alle Seiten zufriedenstellende Problemlösung kümmert.

    Gleichzeitig fehlt den Hauptverwaltungsbeamten häufig das Personal, um der zunehmenden Aufgabendichte Herr zu werden: Jahrelang wurde – auch unter dem Deckmantel des Neuen Steuerungsmodells – Personal abgebaut³ und kein Nachwuchs mehr ausgebildet, trotz des hohen Durchschnittsalters der Beamten und Angestellten⁴. Viele Kommunen schienen den demografischen Wandel unterschätzt oder verdrängt zu haben. Der jahrelangen Unterfinanzierung der Kommunen wurde häufig durch zu starken Personalabbau und vorschnellen Ausgliederungen entgegengetreten. Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen ein Bewerbermarkt gegeben ist, sodass Bürgermeister sich mit anderen Kommunen messen und über moderne Anreizsysteme versuchen müssen, gutes Mitarbeiter zu finden und zu halten.

    Zudem zeigen die Zahlen der Gallup-Studie aus 2018 weiterhin erschreckende Erkenntnisse, die es keinem (Verwaltungs-)Chef leichter machen:

    Hiernach haben bereits 14 Prozent der Mitarbeiter innerlich gekündigt und keinerlei emotionale Bindung zum Unternehmen. Nur 15 Prozent der Beschäftigten weisen hierzulande eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber auf und gehen ihrer Arbeit mit Hand, Herz und Verstand nach. Drei von vier Beschäftigten machen lediglich Dienst nach Vorschrift (71 Prozent)⁵.

    Diese Zahlen decken sich ungefähr mit denen von Jack Welch, der Manager-Ikone aus den USA, der von mindestens 10 Prozent „Minderleister" in jedem Unternehmen ausgeht. Seine Forderungen waren radikal: In den von ihm geführten Unternehmungen entließ er jedes Jahr 10 Prozent.⁶ In Kommunen zeigt sich häufig das Gegenteil: Hier wird regelmäßig das Thema: „Minderleister" mehr oder minder elegant umschifft – der Minderleister wird geschont und die Mehrarbeit auf die noch verbliebenen willigen Kollegen verteilt. Dies ist angesichts der Personalknappheit und der zunehmenden Aufgabenverdichtung ein Versagen von Führung.

    1.3Agenda

    Aus dieser nüchternen Bestandsaufnahme sind folgende Punkte untersuchungswürdig, weil sie mit darüber entscheiden, wie gut Bürgermeister auch verwaltungsintern ankommen:

    –Was bedeute „gute" Führung im Alltag von Hauptverwaltungsbeamten?

    –Welcher Führungsstil ist empfehlenswert?

    –Was bedeutet Motivation von Mitarbeitern und was kann vom Bürgermeister verlangt werden?

    –Moderne Anreizsysteme.

    2Führung und Führungsstil

    2.1Führung aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre und eigene Empfehlung

    2.1.1Theorie des Eigenschaftsansatzes

    In der Betriebswirtschaftslehre gibt es verschiedene Theorien, die versuchen zu klären, was gute Führung ausmachen kann. Dem Eigenschaftsansatz⁷ liegt die im Alltagsdenken häufig verankerte Vorstellung zugrunde, dass sich gute Führung aus der Person des Führenden erklären lässt. Die Liste der Führungseigenschaften ergab sich wohl aus einem Mix aus intuitiven Alltagswissen oder mehr empirisch-statistischen Gewinnungsmethoden.⁸ Beispielhaft sollen folgende Eigenschaften wichtig sein: Intelligenz, Selbstvertrauen, Entschlusskraft, Selbstdisziplin, Dominanz, Willensstärke, breites Wissen und Überzeugungskraft.

    In breiter angelegten Studien fanden sich nur wenige Übereinstimmungen von Führungseigenschaften – es traten sogar Widersprüche auf. Bestimmte Eigenschaften waren bei Führungskräften, manche eher bei Geführten gegeben.

    Von daher wundert es vielleicht nicht, dass diese Aufzählung sich in weiten Teilen nicht mit einer interessanten Studie deckt: 733 Multimillionäre aus den USA sollten 30 Faktoren nach Annahme der Wichtigkeit für ihren Erfolg ordnen.¹⁰ Die fünf wichtigsten Faktoren sind: Ehrlichkeit gegenüber allen Menschen, starke Disziplin, Fähigkeit, gut mit Menschen auszukommen, Ehepartner, auf den man sich verlassen kann und härter zu arbeiten als die meisten anderen Menschen. Der Intelligenzquotient (IQ) kam auf Platz 21, weit abgeschlagen hinter der Emotionalen Intelligenz (EQ).

    2.1.2Die drei Erfolgsfaktoren für Bürgermeister

    Diese Erfolgsfaktoren decken sich mit meiner mehr als 22-jährigen Fortbildungserfahrung für die kommunale Familie.

    Meine top drei Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Bürgermeister sind:

    (1) Hohe Emotionale Intelligenz¹¹, die u. a. gespeist wird aus: Selbstwahrnehmung¹², Empathie, soziale Verantwortung, Problemlöseverhalten, Stresstoleranz, Ehrlichkeit und Impulskontrolle.

    Der EQ erscheint mir mit Abstand der wichtigste Punkt.¹³ Auch beim Auswahlverfahren für Führungskräfte und Mitarbeitern mit viel Kundenkontakt entscheidet dieser Punkt über Erfolg oder Misserfolg einer Kommune im Innen- und Außenbild. Dass bei Auswahlverfahren der Fokus zum Teil zu stark auf der Fachlichkeit liegt, erscheint nur dann sinnvoll, wenn es just um eine Stelle mit entsprechender Berufserfahrung geht. Gleichwohl sollte der EQ die ausschlaggebende Komponente in jeder Bewertungsmatrix sein. Das fehlende Fachwissen kann man sich aneignen; die fehlende Emotionale Intelligenz kaum. Seit vielen Jahren führe ich im Rahmen meines Lehrauftrags an der Leibniz-Universität IQ- und EQ-Tests durch. Die Ergebnisse sind immer dieselben: Frauen schneiden beim IQ-Test immer etwas besser ab als die Männer; beim EQ-Test gewinnen sie regelmäßig haushoch. Auch von daher kann man sich nur mehr Bürgermeisterinnen und Mitarbeiterinnen wünschen …

    Speziell für Bürgermeister, die wenig oder gar keine Verwaltungserfahrung haben, wäre eine weitere Tugend aus dem Kanon der Emotionalen Intelligenz sehr wünschenswert: Geduld. Wer glaubt, weil er aus der Privatwirtschaft kommt, fix die „verstaubte" Verwaltung auf Vordermann bringen zu können, unterliegt zwei Denkfehlern. Zum einen sind Verwaltungsmitarbeiter viel besser als ihr mitunter noch anmutender Ruf – verstaubt ist allein diese Sichtweise auf Verwaltung. Zum anderen sind Verwaltungsabläufe zum Teil deutlich anders aufgebaut als in der Privatwirtschaft; dies ist nicht immer von Nachteil. Fixe Änderungen sind jedenfalls utopisch und ein Grund, warum Bürgermeister sich verwaltungsintern wenig Freunde machen, wenn sie vorschnell Umstruktierungen oder Veränderungen nicht hinreichend kommunizieren. Wer gegen seine eigene Verwaltung arbeiten will, wird es sehr schwer haben.

    Fällt Ihnen bereits etwas zum Ausgangsfall auf? Die EQ-Faktoren scheinen dem Ex-Bürgermeister gefehlt zu haben. Die Empfehlung des Rates, er möge Seminare zur Personalführung besuchen, ist gut gemeint. Allerdings sind solche charakterlichen Auffälligkeiten eher nicht über Fortbildungen therapierbar.

    (2) Exzellente kommunikative Fähigkeiten und Vertrauen in Mitmenschen: Wer Bürgermeister werden will, braucht exzellente kommunikative Fähigkeiten und sollte den Kontakt mit Menschen, inner- und außerhalb des Rathauses, lieben und ihnen vertrauen.

    Gerne erinnere ich mich an eine Szene, als ich mit einem Bürgermeister, der mit einer sehr satten Mehrheit wiedergewählt wurde, zu Fuß auf dem Weg zu seinem Rathaus war. Etwas abseits vom Hauptweg sah er eine Mitarbeiterin, die in einem besonders gekennzeichneten Bereich rauchte. Er entschuldigte sich bei mir und ging zu der Mitarbeiterin, die ebenso überrascht schien wie ich. Wollte er der Mitarbeiterin das Rauchen ausreden? Nein, er gratulierte ihr zum Geburtstag, sagte, dass er später zu ihr kommen werde. Zugegeben, die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter war nicht so groß, gleichwohl war ich sehr beeindruckt vom guten Gedächtnis und der Empathie.

    Vertrauen vor allem in seine Mitarbeiter scheint selbstverständlich, ist es jedoch nicht. Tatsächlich wird mir bei vielen Inhouse-Seminaren eher von einer Misstrauenskultur berichtet. So muss etwa in einer Stadt jeder von einem Bauingenieur geprüfte Balkonausbau bis zur Dezernentenebene, nach bereits erfolgter zweifacher Prüfung, vorgelegt werden. Eine groteske Absicherung. Und in Fällen, in denen es auf eine wirkliche Rückendeckung durch die Stadtspitze ankommt, werden Mitarbeiter eher alleine gelassen. Spätestens seit dem Love-Parade-Unglück in Duisburg, bei dem sich der ehemalige Oberbürgermeister leider schnell aus der Verantwortung ziehen konnte, wissen und fürchten Mitarbeiter, wie schnell man im Zweifel mit den Folgen des Handelns alleine gelassen werden kann. Dies hat in vielen Städten die Folge, dass ein Misstrauen in beiden Richtungen herrscht. Dies verhindert nicht selten ein „echtes" Delegieren: Idealerweise werden Aufgaben vertrauensvoll abgegeben, nicht zurückgeholt, und Fehler von Mitarbeiter werden nicht als Weltuntergang tituliert, sondern gemeinsam durchgestanden und Mitarbeiter nach außen verteidigt. Die Realität sieht häufig leider anders aus:

    Der Personalrat einer Kommune hatte mich gefragt, ob wir eine anonymisierte Befragung aller Mitarbeiter durchführen können, bei dem es auch um eine Zufriedenheitsabfrage mit dem Bürgermeister und weiteren Führungskräften ging. Dies geschah, sehr zum Groll der Stadtspitze, die zum Teil verheerende Kritik erntete.¹⁴ Dass schlechte Führungskräfte solche Befragungen wie der Teufel das Weihwasser fürchten, erscheint nachvollziehbar; sie sollten jedoch zum Standard innerhalb jeder Stadt werden, damit Führungskräfte sich stetig verbessern können.

    (3) Strategisches Denken und Arbeitseinsatz:

    Dass ein Bürgermeisterjob keine 08/15-Tätigkeit ist und lange Arbeitstage und Wochenendarbeit einschließt, dürfte auf der Hand liegen. Was nicht selbstverständlich ist, ist die Kunst des strategischen Denkens: Welche Schwerpunkte sollen verwaltungsintern, welche Themen für die Bürger in den nächsten Jahren umgesetzt werden? Diese Punkte sind, sofern eine Wiederwahl angestrebt wird, von immenser Bedeutung. Bei den Bürgermeistern, die wenig Verwaltungsund Führungserfahrung haben, mangelt es hieran häufig. Realistisch braucht ein Verwaltungsneuling ein bis zwei Jahre, um sich mit dem System Kommunalverwaltung überhaupt zurecht zu finden, dann sollte bereits die erste Umsetzung des Strategieplans initiiert werden, sofern die Wahlzeit, wie zum Beispiel in Niedersachen, mit fünf Jahren sehr kurz ist.¹⁵ Idealerweise werden Verwaltungsmitarbeiter und Ratsmitglieder auf dieser Entwicklungsreise frühzeitig eingebunden und mitgenommen.

    2.1.3Theorie der Interaktion

    Der Misserfolg dieses Ansatzes hat zu verschiedenen neuen Gedanken geführt, von denen die Interaktionstheorie besonders interessant erscheint: Sie versteht Führung als Beeinflussungsprozess. Dieser Prozess kombiniert persönlichkeitsbezogene und externe Faktoren, wie z. B. die aktuellen Probleme in der jeweiligen Kommune oder die Stimmung in der Bevölkerung. Empathische Bürgermeister werden sowohl verwaltungsinterne als auch externe Herausforderungen erkennen und diese idealerweise ganzheitlich lösen. Auch hier hilft ein hoher EQ immens.

    2.2Führungsstile

    2.2.1Autoritär und Demokratisch

    Es gibt zwei unterschiedliche Stile der Führung, von autoritär bis demokratisch. Beide werden selten in Reinkultur vorkommen, eher in diesen Abstufungen¹⁶:

    Hier habe ich in der Praxis viele Bürgermeister schwächeln gesehen: Entweder konnte nur schwerlich auf Stufe 1 gehandelt werden, oder die Lösungsvorschläge von Mitarbeitern wurden trotz aufwendiger Befragungen – mitunter begleitet von externen Dritten – negiert. Ratsam wäre es, dass Bürgermeister sich im Vorfeld genaue Gedanken machen, welche Situationen welche Vorgehensweise impliziert und diese dann auch strikt einhalten. Insgesamt sollte ein klarer Führungsstil erkennbar sein; ein schnelles Schwanken von Kumpeltyp bei schönem Wetter und Autokrat bei leichtem Gegenwind durch den Rat, die Presse oder einem Bürgerschreiben kommt nicht gut an. Den mitunter empfohlenen situativen Führungsstil, wenn er denn so ausgelebt wird, kann ich nicht empfehlen.

    Interessant war bei der Befragung der Mitarbeiter einer Kommune, dass viele den damaligen Stadtdirektor vermissten, obwohl dieser zwar einen sehr freundlichen Umgang pflegte, jedoch eindeutig den autoritären Führungsstil pflegte. Dies lag vielleicht auch daran, dass der dann amtierende Bürgermeister eher (entscheidungs-)schwach war und in seiner Führung wechselmütig erschien.

    2.2.2Transaktional und Transformativ

    Zwei andere Ansätze von Führung finden gegenwärtig durchaus starke Beachtung¹⁷:

    Der transaktionale Führungsstil basiert auf dem Austauschprinzip: Bürgermeister klärt die Rollen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, welche die Mitarbeiter zu erfüllen haben, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Hierbei sind Wünsche, Erwartungen und Befürchtungen der Mitarbeiter zu berücksichtigen, damit die vereinbarten Ziele erreichbar sind. Dieser Ansatz könnte vor allem beim direkten Führungspersonal rund um die Stadtspitze interessant sein. Als Bürgermeister brauchen Sie unbedingt sehr gute Leute an der Verwaltungsspitze, auf die Sie sich verlassen können. Wenn Sie in der Erwartungshaltung klar machen, dass Sie eigenständige, kritikfähige und entscheidungsstarke Persönlichkeiten wünschen und fordern, ohne dass Ihre Rolle als Chef der Verwaltung angezweifelt wird, wäre das ein erstrebenswertes Ziel.

    Nur schwache Bürgermeister dulden ausschließlich schwache Menschen im direkten Umfeld, um selbst nicht weiter zu verblassen.

    Der transformative Führungsstil hat einen anderen Ansatz: Im Zuge von Entwicklungsprozessen gibt es keine starren Regeln – der/die Führende entwickelt sich aufgrund seiner Werte und Ideen stetig weiter und will mitreißen. Diese Überzeugungen und Werte können nicht verhandelt werden; die Nähe zur charismatischen Führung ist offenkundig. Dieser Ansatz eignet sich m. E. für die kommunale Praxis nur im Einzelfall.

    3.Motivation und moderne Anreizsysteme

    3.1Motivieren

    Angesichts der erschreckenden Zahlen von gallup und dem aktuellen Bewerbermangel in vielen Bereichen erscheint der Ruf nach Motivation durch die Führung besonders wichtig. Allerdings erscheint dies problematisch, wenn man der Annahme folgt, dass Motivation ein Prozess ist, der von Mitarbeitern selbst gesteuert wird (intrinsisch). Eine extrinsische Verhaltensänderung oder Leistungssteigerung wird aus meiner Erfahrung weniger erfolgreich sein, wie das Beispiel der Landeshauptstadt Hannover zeigt: Um im umkämpften Bewerbermarkt der Ingenieure und Architekten einen Vorteil gegenüber Umlandskommunen zu haben, wurden sowohl interne als auch externe Stellen in diesem Bereich auf E 12 angehoben. Dies bedeutet immerhin eine Gehaltsstufe mehr als das, was sonst im regionalen Vergleich üblich ist. Dass nun alle Mitarbeiter, die E 12 bekommen, stärker motiviert sind als vorher, wäre ein Irrglaube. Monetäre Anreize alleine entfalten keine (dauerhafte) Motivationswirkung.¹⁸

    3.2Demotivieren

    Während also Motivieren kaum möglich ist, geht Demotivieren leider recht schnell. Eine interessante Untersuchung von Herzberg¹⁹ nennt einige der „dissatisfiers" oder auch Hygiene-Faktoren, die zur Unzufriedenheit bei Mitarbeitern führen:

    Personalpolitik und -verwaltung (u. a. Urlaubsplanung, Beschwerdewege, Leistungsbeurteilungsverfahren²⁰), Status, fachliche Kompetenz des Vorgesetzten, Beziehung zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern und Arbeitssicherheit²¹. Aus meiner Sicht kann – wie teilweise bereits erwähnt – ergänzt werden: kein „echtes" Delegieren, mangelnde Rückendeckung, keine strategische Planung, kein konsequenter Führungsstil, mangelnde Kenntnis der Aufgaben der einzelnen Fachbereiche, wenig oder gar keine Wertschätzung und Misstrauen.

    Wichtig waren für die Zufriedenheit der Mitarbeiter vor allem das Leistungserlebnis, Anerkennung und die Arbeit selbst. Anerkennung scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein, der mir selten von Mitarbeitern als gegeben geschildert wird. Entscheidend ist also der Arbeitsinhalt, der zur Zufriedenheit führt. Eindrucksvoll finde ich, dass einige Bürgermeister sich in regelmäßigen Abständen zu Mitarbeitern aus verschiedenen Fachbereichen setzen, um zu hospitieren und zu schauen, was man an Abläufen sowohl zum Wohl der Kommune als auch zum Wohl der Mitarbeiter verbessern kann. Vielfach erzeugt dies zunächst Misstrauen bei den Beschäftigten, kann jedoch – wenn auch Verbesserungen tatsächlich möglich sind – ein starker Motivator sein, wenn Bürgermeister Erfahrungen an der „Front" sammeln und ein ehrliches Feedback geben und wünschen.

    3.3Moderne Anreizsysteme

    Wenn Bürgermeister Personal gewinnen und halten wollen, sind folgende Anreizsysteme denkbar:

    3.3.1Telearbeit

    Telearbeit ist ein starker Motivator und wird bereits in vielen Kommunen praktiziert, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, je nach Größe und Möglichkeiten der Kommune. Die Regelungen hierzu bedürfen einer intensiven Vorarbeit und vieler Abstimmungen, sei es mit dem Personalrat oder der Datenschutzbeauftragten.

    Hier ein Auszug zur Regelung der Telearbeit²²:

    „Dienstvereinbarung zur Ein- und Durchführung von Telearbeit

    1. Zweckbestimmung

    (1) Telearbeit ist als flexible Arbeitsform besonders geeignet, zu mehr Selbstbestimmung sowie zu positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit bei den Beschäftigten zu führen, indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Realisierung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Chancengleichheit, die Teilhabe von schwerbehinderten Menschen am Arbeitsleben unterstützt sowie die Ausgestaltung der individuellen Berufs- und Lebensplanung fördert. Die Ein- und Durchführung von Telearbeit soll daher u. a. dazu beitragen

    a)die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Privatleben zu fördern,

    b)die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern,

    c)Ausfallzeiten zu verringern,

    d)die Mitarbeiterbindung und die Arbeitgeberattraktivität zu erhalten und zu erhöhen,

    e)weitere Arbeitsressourcen durch eine größere Teilhabe von Teilzeitkräften am Arbeitsleben zu erschließen,

    f)die Gesunderhaltung zu fördern sowie

    g)erworbene berufliche Qualifikationen und vorhandenes Wissen auch in der Familienzeit zu erhalten und einen schnelleren beruflichen Wiedereinstieg zu ermöglichen.

    (2) Telearbeit soll nicht zu einer Mehrbelastung der Beschäftigten durch ständige Erreich- und

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1