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Einfache Spitzenküche.: Eine notwendige Versöhnung zwischen Massengeschmack und elitärer Raffinesse
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Einfache Spitzenküche.: Eine notwendige Versöhnung zwischen Massengeschmack und elitärer Raffinesse
eBook85 Seiten1 Stunde

Einfache Spitzenküche.: Eine notwendige Versöhnung zwischen Massengeschmack und elitärer Raffinesse

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Über dieses E-Book

Gourmetkritiker und -journalist Jürgen Dollase beobachtet seit Längerem, wie sich die Welt der kulinarischen Werte und Kriterien zu vermintem Gelände wandelt. Es gibt keine Gewissheiten, keine Begriffe, über die sich alle einig wären, sondern einzig das subjektive Urteil, die "Geschmackssache", die unantastbar, unkritisierbar über allem thront. Dabei wäre es notwendig, so Dollase in seinem Essay in Kursbuch 204, sich über einen solche kulinarischen Konsens zu verständigen, denn das würde positive Folgen mit sich bringen: Wir würden uns mehr für gute Produkte interessieren und mehr Geld dafür ausgeben. Die Schieflagen in der Lebensmittelbranche würden sich über kurz oder lang von selbst erledigen.
SpracheDeutsch
HerausgeberKursbuch
Erscheinungsdatum8. Dez. 2020
ISBN9783961962075
Einfache Spitzenküche.: Eine notwendige Versöhnung zwischen Massengeschmack und elitärer Raffinesse
Autor

Jürgen Dollase

Jürgen Dollase, geb. 1948, ist Gourmetkritiker und ­-journalist. Zuletzt erschien Völlerei. Das große Fressen.

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    Buchvorschau

    Einfache Spitzenküche. - Jürgen Dollase

    Jürgen Dollase

    Einfache Spitzenküche

    Eine notwendige Versöhnung zwischen Massengeschmack und elitärer Raffinesse

    Einleitung:

    Die vertrackte Welt der kulinarischen Werte und Kriterien

    Wer sich in die Welt der kulinarischen Werte und Kriterien begibt, trifft auf vermintes Gelände. Würde jemand darüber nachdenken, dass 2 + 3 gleich 5 ist? Wohl kaum. Im kulinarischen Bereich muss man analog mit Fragen rechnen wie: Was bedeutet eigentlich »2«? Was bedeutet »3«? Wieso soll 2 + 3 gleich 5 sein? Und warum macht überhaupt jemand diese Rechnung auf? Das Beharren auf Sätzen wie »Das ist Geschmacksache« im Sinne von »Was ich esse und wie ich das finde, geht keinen etwas an« hat zu einer Subjektivierung des Verhaltens geführt, wie sie in anderen Bereichen der Gesellschaft kaum anzutreffen ist. Das ist insbesondere angesichts der vielen Auswirkungen dieses Verhaltens auf Gesundheit, Herstellung von Nahrung, Ökologie, Tierwohl, Waren- und Restaurantangebot oder auch das öffentliche Leben in unseren Städten verwunderlich. Und – so schädlich das Essverhalten als letzte legale Sucht in diesen Bereichen auch sein mag – es drohen bisher so gut wie keine Sanktionen, weil die individuellen kulinarischen Werte in kein regulatives Korsett gezwängt werden und auch keinerlei Konsens in Sicht ist, der das ändern könnte. Selbst von den Bildungsbürgern darf man da nicht unbedingt Änderungen erwarten. Sie mögen häufig auf den ersten Blick ein scheinbar anspruchsvolleres Programm fahren und detailliertere Werte und Kriterien haben: Im Grunde sind aber auch sie kulinarisch gesehen oft nur eine Farbe auf der Palette des unreflektierten Massengeschmacks – gerne in Abgrenzung zu den Gourmets, deren Vorstellung von Raffinesse von ihnen gerne irgendwo zwischen elitärem Schickimicki-Verhalten und Perversion verortet wird.

    Die Entstehung kulinarischer Werte (also Vorlieben, Abneigungen und Qualitätsvorstellungen) liegt zwar nicht unbedingt im Dunkeln, ist aber oft multifaktoriell. Ihre mangelnde Aufarbeitung wirkt nach wie vor eher schwammig. Wenn man sagt, dass kulinarisches Verhalten im weitesten Sinne von der individuellen kulinarischen Sozialisation bedingt sei, ist das ein Gemeinplatz ohne Inhalt. Interessant würde es vielleicht, wenn sich die unterschiedlichen Einflussfaktoren gewichten ließen und ein bestimmtes kulinarisches Wahlverhalten kausal zugeordnet werden könnte. Wo kommt etwa der Wert her, der Currywurst mit Pommes frites und Mayonnaise zu einem echten Pfeiler des Massengeschmacks macht? Es mag einfach sein, die Gründe für das Auftreten fünfjähriger Veganerinnen auszumachen. Aber warum bleiben zum Beispiel Intellektuelle, die ansonsten hinter jedem Kommafehler herhecheln, kulinarisch oft so wenig differenzierend? Oder wie groß ist der Einfluss industrieller Fertigprodukte auf die Entwicklung kulinarischer Wertigkeiten? Sind die Wertigkeiten des Massengeschmacks teilweise manipuliert und können sie überhaupt manipuliert werden? Wie stark prägt einen die Küche der Kindheit im Verlauf des Lebens – wenn man davon ausgehen kann, dass etwa Gourmets, die kreative Restaurants besuchen, dort oft rein gar nichts wiederfinden, was sich auf die Küche von Mutter und Großmutter zurückführen lässt?

    Wie nahe dem Menschen seine kulinarischen Werte sind, mag man daran erkennen, dass Kritik an Essverhalten ein massives Aggressionspotenzial besitzt. Man ahnt, dass der ein oder andere feiner schmeckende Mensch an Tischen mit Leuten, die gerade Fast Food mit den Fingern essen, irgendwo in der Stadt vorbeigeht und sich vielleicht denkt: »Mein Gott, was essen die für einen Schrott!« Der feiner Schmeckende scheint da über Kriterien zu verfügen, die das Lieblingsessen von Millionen von Menschen als höchst minderwertig einstufen. Würde er seine Gedanken offen vortragen, müsste er mit heftigen Reaktionen rechnen. Der »Clash of Culinary Cultures« (um einmal den Buchtitel The Clash of Civilizations von Samuel P. Huntington aus dem Jahre 1996 abzuwandeln) gerät schnell sehr ausgeprägt. Aber woher hat unser fein schmeckender Mensch diese Kriterien, und wie kommt er dazu, sie in dieser Form anzuwenden? Gibt es irgendwo eine Grundlage, auf der sich solche Kriterien solide entwickeln können, welche Evidenz haben sie und sind sie überhaupt geeignet, eine auch nur einigermaßen tragende qualitative Orientierung zu geben?

    Denn – vice versa – unser feiner schmeckender Mensch muss mit viel Gegenwind rechnen. Da gibt es nicht nur den erwähnten Rückzug auf die »Geschmacksache«, sondern auch eine kräftige Gegenströmung. Die Leistungen kreativer Weltstars wie etwa René Redzepi vom »Noma« in Kopenhagen sind oft kaum vermittelbar, weil Gerichte wie ein Fischkopf oder ein paar Blättchen vom Strand überhaupt nicht als satisfaktionsfähiges, kulinarisches Objekt angesehen werden. »Das ist kein Essen«, heißt es sehr schnell, und das selbst dann, wenn es geschmacklich vielleicht durchaus in Reichweite des Massengeschmacks wäre, aber zum Beispiel wegen einer extremen Kleinteiligkeit sofort zu einer Spielerei erklärt wird, von der man auf keinen Fall satt werden könne. Solche Anmerkungen kommen durchaus nicht nur »von unten«. Als einmal ein bekannter deutscher Intellektueller mit Hang zur Selbstdarstellung in einem bekannten Berliner Gourmetrestaurant der kreativen Art zu Gast war, gab es den »Clash of Culinary Cultures«. Ihm war alles (sinngemäß) zu klein und zu verfummelt und zum Stillen des Hungers ungeeignet. Das wiederum regte ihn zu größeren verbalen Pöbeleien an und führte dazu, dass er zu Hause erst einmal zum Kühlschrank ging, um sich ein Butterbrot mit Käse zu machen. Solche Diskrepanzen gibt es allerdings nicht nur zwischen dem Massengeschmack und entwickelter, aber anscheinend von der Mehrzahl der Esser kaum nachvollziehbarer Finesse in der Spitzenküche, sondern auch zwischen der einen und der

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