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Christlicher Widerstand!?: Evangelische Kirche und Nationalsozialismus
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Christlicher Widerstand!?: Evangelische Kirche und Nationalsozialismus
eBook370 Seiten2 Stunden

Christlicher Widerstand!?: Evangelische Kirche und Nationalsozialismus

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Über dieses E-Book

Wie haben evangelische Christen in der Zeit des Nationalsozialismus ihre ablehnende Haltung gegen das Regime zum Ausdruck gebracht? Anhand konkreter Beispiele werden widerständige Handlungen von der partiellen Unzufriedenheit bis hin zur Verweigerung oder zur Beteiligung am Umsturzversuch dargestellt.
Neben bekannten Personen wie Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller oder Elisabeth Schmitz werden auch bisher für den christlichen Widerstand kaum beachtete Gruppen wie die religiösen Sozialisten, die christlichen Mitglieder des Nationalkomitees Freies Deutschland oder Kriegsdienstverweigerer ins Blickfeld gerückt. Das Handeln der wenigen Widerständigen wird in die politische Entwicklung und das Verhalten des Mehrheitsprotestantismus eingeordnet.

Christian Resistance!? Protestant Church and National Socialism
How did Protestant Christians express their opposition against the regime in the times of National Socialism? This book presents concrete examples of acts of resistance reaching from a partial discontent to total rejection and participation in the attempted coup.
Alongside known persons like Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller, or Elisabeth Schmitz, the focus is also put on groups of Christian resistance that have been barely noticed so far as for example the religious socialists, the Christian members of the National Committee for a Free Germany, or the conscientious objectors. The actions of the few dissidents are seen before the background of the political development and the behavior of the Protestant majority.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Sept. 2019
ISBN9783374059836
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    Buchvorschau

    Christlicher Widerstand!? - Evangelische Verlagsanstalt

    Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

    Band 4

    Im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft

    für Kirchliche Zeitgeschichte

    herausgegeben von Siegfried Hermle und Harry Oelke

    Siegfried Hermle | Claudia Lepp | Harry Oelke (Bearb.)

    Christlicher

    Widerstand!?

    Evangelische Kirche und Nationalsozialismus

    Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    © 2019 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Cover: Kai-Michael Gustmann, Leipzig

    Coverbild: Park von Yad Vashem; Foto: Siegfried Hermle, Erftstadt

    Satz: Steffi Glauche, Leipzig

    Druck und Binden: CPI books GmbH, Leck

    ISBN 978-3-374-05983-6

    www.eva-leipzig.de

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Zur Einführung

    Protestanten in der Weimarer Republik

    Die Protestanten und die Republik

    Die evangelische Kirche in der Weimarer Republik

    NSDAP und Christentum.

    Antisemitismus in der Weimarer Republik

    Die Protestanten und die ›Judenfrage‹

    Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus

    Evangelische Pfarrer und Theologen im Abwehrverein

    Emil Felden

    Otto Baumgarten

    Eduard Lamparter

    Die Liberalen

    Die Religiösen Sozialisten

    Dialektische Theologie

    Luther-Renaissance

    Neues kirchliches Selbstbewusstsein

    Vaterländische Kundgebung

    Protestantismus und Nationalsozialismus nach 1930

    Rosenbergs »Mythus«

    Volkstumstheologie

    Evangelische Befürworter des Nationalsozialismus

    Weltanschauliche Auseinandersetzung

    Walter Künneth

    Christliche Welt

    Der ›Fall Dehn‹

    Die Deutschen Christen.

    »Die Kirche und das dritte Reich«

    Gertrud Herrmann.

    Die Kritik Paul Tillichs.

    Die Kritik des Lutheraners Hermann Sasse

    Die Warnungen Karl-Heinz Beckers

    Altonaer Bekenntnis

    ›Über den Parteien‹.

    1933/34:

    Gleichschaltung – Euphorie und Ernüchterung – Einspruch

    Gleichschaltung

    Euphorie und Ernüchterung

    Ein scheinbar ›christlicher Staat‹

    Glaubensbewegung Deutsche Christen.

    Propaganda-Wahlkampf für die Deutschen Christen durch die NSDAP

    Verweigerte Solidarität

    ›Braune Synode‹ und ›Arierparagraph‹

    Der ›Sportpalastskandal‹

    ›Reichsbischofsdiktatur‹ und Bekennende Kirche.

    Einspruch

    Verfolgung der Religiösen Sozialisten

    Verfolgung und Duldung: Liberale Theologen

    Die Jungreformatorische Bewegung

    Oppositionelle Alternative bei der Kirchenwahl 1933

    Die Zeitschrift »Junge Kirche«

    Karl Barth und die Anfänge einer kirchlichen Opposition

    Niemöller gründet den Pfarrernotbund

    Dietrich Bonhoeffer: Kirchliche Solidarität mit den Opfern.

    Formen unangepassten Verhaltens

    »Flüsterwitze«: Aus »Reibi« wird »Bleibi«

    Der Ulmer Bekenntnisgottesdienst

    Die Barmer Reichsbekenntnissynode und ihre Theologische Erklärung.

    Die zweite Reichsbekenntnissynode

    Die Arretierung der Landesbischöfe Meiser und Wurm.

    Ökumene: Zwischen Einmischung und Kooperation

    1935 bis 1939:

    Konsolidierung – Zwischen Zufriedenheit und Desillusionierung – Protest

    Konsolidierung

    Zwischen Zufriedenheit und Desillusionierung

    Mehrheitsverhältnisse in der evangelischen Kirche

    Die Saarabstimmung

    Staatliche Finanzaufsicht über die Kirche

    Die Zwangsintegration evangelischer Frauenverbände

    Das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten

    Nürnberger Gesetze

    Handlanger der NS-Rassenpolitik: ›Ariernachweise‹

    Mitarbeit in den Kirchenausschüssen

    Propaganda-Feldzug ›Entkonfessionalisierung‹.

    Nazifizierung der Theologischen Fakultäten: das Beispiel Jena

    Der Wittenberger Bund

    Der ›Anschluss‹ Österreichs

    Treueeid auf Hitler

    Novemberpogrom 1938

    Godesberger Erklärung

    Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben

    Protest

    Protest gegen die Finanzabteilungen

    Fürbitte für verfolgte Bekenntnischristen

    Die Denkschrift von Marga Meusel

    Nein zu den staatlichen Kirchenausschüssen

    Verstöße gegen die Beflaggungsvorschriften

    Kritik am Winterhilfswerk

    Verweigerung bei der Reichstagswahl 1936

    Evangelische Frauenhilfe und NS-Frauenschaft

    Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung

    Eine mutige Denkschrift

    Illegale Theologenausbildung

    Widerstand gegen die Kirchenwahl 1937

    Öffentliche Bekanntgabe von Kirchenaustritten

    Bekenntnisschule contra Gemeinschaftsschule

    Kampf um den Religionsunterricht

    Verstöße gegen den ›Kollektenerlass‹.

    Der ›Fall Niemöller‹

    Widerspruch gegen Alfred Rosenberg.

    Verweigerung des Pfarrereides auf Hitler

    Verweigerung: Reichstagswahl und Volksabstimmung

    ›Büro Pfarrer Grüber‹

    Kirche und Welt

    Predigten gegen das Novemberpogrom.

    Gebetsliturgie der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung

    Verweigerung im Alltag

    Gegen die Umwandlung konfessioneller Kindergärten.

    1939 bis 1942:

    Aggression – Einwilligung – Widerspruch

    Aggression

    Einwilligung

    Die evangelische Kirche und der 1. September 1939

    ›Heimkehr ins Reich‹

    Die Beschlagnahmung von diakonischen Einrichtungen

    Die Auflösung kirchlicher Schulen

    Die Kirchen und die eroberten Gebiete des Reiches

    Evangelische Wehrmachtsseelsorge

    Der Geistliche Vertrauensrat

    Die Stunde der Vikarinnen?

    Evangelische Kirche und Zwangsarbeit

    Widerspruch

    Protest gegen Auflösung kirchlicher Kindergärten

    Protest gegen die Einstellung der Gemeindeblätter.

    Stimmen gegen die ›Euthanasie‹-Verbrechen.

    Protest gegen die Entrechtung der Kirchen

    Eintreten für Homosexuelle in Lobetal

    Protest gegen den ›Judenstern‹.

    Kriegsdienstverweigerung

    Evangelische Kriegsdienstverweigerer

    Proteste gegen die Deportationen

    1943 bis 1945:

    Radikalisierung – Verstummen – Subversion

    Radikalisierung

    Verstummen

    Der NS-Staat und die Kirchen

    Das Reichskirchenministerium

    Geistlicher Vertrauensrat und Kirchenkanzlei

    Bekennende Kirche und Lutherrat

    Das kirchliche Einigungswerk

    Landeskirchen

    Kirchliches Leben

    Zerstörungen

    Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Kirche.

    Das Ende der östlichen Kirchenprovinzen

    Subversion

    Mit Flugblättern gegen den Krieg

    Das Attentat vom 20. Juli 1944

    Zivile Widerstandsgruppen

    Bedeutung des christlichen Glaubens

    Widerspruch kirchlicher Gruppen.

    »Im schärfsten Widerspruch zu dem Wort Gottes«

    Kurt Gersteins Bericht über das Massenmorden.

    Zeugnisse zivilen Mutes – Solidarität mit verfolgten Juden

    Verschwörung und aktiver Widerstand.

    Weltanschauliche Dissidenz

    Nationalkomitee Freies Deutschland

    Die Rezeption des christlichen Widerstands nach 1945

    Erste Phase: Martyrisierung

    Zweite Phase: Politisierung

    Dritte Phase: Kanonisierung

    Die Stuttgarter Schulderklärung

    Christliche Totenehrung des 20. Juli 1944

    Dietrich Bonhoeffer: Kirchliche Totenehrung.

    Märtyrergedenken im Brandenburger Dom

    Bonhoeffer als christlicher Märtyrer

    Widerstandserinnerung in der Bundespolitik.

    Bonhoeffers Widerstand in der Bundespolitik

    Christlicher Widerstand in ökumenischer Perspektive

    Bonhoeffer als ›evangelischer Heiliger‹

    Hans Meiser: Verehrung für den Landesbischof.

    Kritische Aufarbeitung.

    Sturz der alten Denkmäler.

    Neue Erinnerungskultur

    Literaturverzeichnis

    Personenregister

    Liste der in der Ausstellung enthaltenen Biografien.

    Abkürzungsverzeichnis

    Bildnachweise

    Anmerkungen

    Weitere Bücher

    Zur Einführung

    Das Gespräch mit Zeitzeugen ist ein wichtiger Zugang zum Nationalsozialismus. Doch nur noch sehr wenige Menschen haben das verbrecherische NS-Regime selbst erlebt und können ihre Erfahrungen und Erinnerungen an nachwachsende Generationen weitergeben. Die letzten Zeitzeugen sterben, die kommunikative Gedächtnisformation befindet sich in Auflösung. Umso wichtiger erscheint es, an jene zu erinnern, die dem Unrecht entgegengetreten sind, und zu fragen, warum sie es taten und warum es so wenige waren.

    Der christliche Glaube konnte für Menschen in den verschiedensten Positionen und Situationen eine Triebkraft für ihr widerständiges Denken und Handeln werden. Gerade im ›Kirchenvolk‹ gab es Gläubige, darunter viele Frauen, die unter großer Gefahr nach dem Gebot der Nächstenliebe handelten und den aus der ›Volksgemeinschaft‹ Ausgegrenzten Überlebenshilfe leisteten. Erinnert wird im vorliegenden Band an Männer und Frauen, Amtsträger und Laien, bekannte und bislang weniger bekannte Persönlichkeiten und Gruppierungen, die es allesamt wagten, sich der Ideologie oder dem Unrechtsregime des Nationalsozialismus zu widersetzen.

    Der Band trägt der Entwicklung der historischen Forschung Rechnung und verdeutlicht das widerständige Verhalten in den Kirchen und den christlichen Milieus in seinen verschiedenen Ausformungen, ohne dabei kategoriale Unterschiede einzuebnen. Im Sinne eines weiten Widerstandsbegriffs reichte widerständiges Verhalten von der Unangepasstheit über die Verweigerung und den Protest bis hin zum Umsturzversuch, dem Widerstand im engeren Wortsinn. Dabei ging es sowohl um die Verteidigung des Existenzrechts der Kirche und der Unverfälschtheit der christlichen Botschaft in einer Weltanschauungsdiktatur als auch um die Verteidigung von Recht und Menschlichkeit in einem Unrechtsregime.

    Beides zeigt sich am Beispiel des schwäbischen Pfarrerehepaars Otto und Gertrud Mörike, die in der Gedenkstätte Yad Vashem geehrt werden (s. Buchcover). Nach anfänglicher Begeisterung für den ›völkischen Aufbruch‹ beteiligte sich Otto Mörike an den innerkirchlichen Auseinandersetzungen gegen die Deutschen Christen und deren Versuch, die württembergische Landeskirche gleichzuschalten. Er gehörte dem Bruderrat der Evangelischen Bekenntnisgemeinschaft in Württemberg an und stand schon bald unter ständiger Überwachung durch die Gestapo. Nachdem das Ehepaar bei der kombinierten Volksabstimmung und Reichstagswahl am 10. April 1938 Kritik an der NS-Weltanschauung und

    -politik

    geübt hatte, wurde Otto Mörike zu zehn Monaten Haft mit Bewährung verurteilt und zwangsversetzt. Trotz verstärkter Überwachung durch die Gestapo konnten aber flüchtende Juden im Pfarrhaus der Mörikes zeitweise Zuflucht finden.

    Der Band versucht, die gesamte Vielfalt der Formen, der Handlungsspielräume, der oft auch in sich gemischten Beweggründe, aber auch die Widersprüche und Konflikte des Widerstands von evangelischen Christinnen und Christen zu erfassen. Warum handelten sie so? Warum wurden sie erst so spät aktiv? Welche Folgen hatte ihr Handeln für sie und ihr Umfeld? Es geht um Fragen, die der christliche Widerstand im Nationalsozialismus aufwirft, und um Antwortmöglichkeiten; es geht um Vergangenheit, aber auch um ihre Bedeutung für die Gegenwart.

    Rahmenbedingungen, Ursachen, Träger, Formen und Ziele des widerständigen Verhaltens veränderten sich im Laufe der NS-Zeit. Stand zum Beispiel im Vorfeld und zu Anfang des ›Dritten Reiches‹ der Protest der Religiösen Sozialisten oder der liberalen Theologen gegen eine sich etablierende Diktatur, der schnell zum Verstummen gebracht wurde, so erfolgte zu Kriegsende der Widerstand durch Christen aus dem nationalkonservativen Milieu, dessen Vertreter das NS-Regime lange unterstützt hatten und die selten auf eine demokratische Neuordnung zielten. Viele Personen aus der letztgenannten Gruppe bezahlten ihr Widerstehen mit dem Tod.

    Zur Darstellung des prozessual-dynamischen Verlaufs der NS-Herrschaft und des auf sie bezogenen Widerstands wird die Geschichte des ›Dritten Reiches‹ in diesem Buch in vier Phasen eingeteilt (1933/34, 1935–1939, 1939–1942, 1943–1945). Die zeitliche Einteilung erfolgt auf der Grundlage der sich radikalisierenden historisch-politischen Entwicklung. Um das differenziert aufgezeigte Widerstandshandeln im Kontext seiner Rahmenbedingungen erfassen zu können, werden für jede dieser Phasen das Entwicklungsstadium des Herrschaftssystems, die Haltung des Mehrheitsprotestantismus, d. h. das dominante Verhalten evangelischer Christen, sowie die Formen christlichen Widerstands dargestellt. So werden Handlungsspielräume und Handlungsalternativen erkennbar gemacht, indem jeweils auf den zeithistorischen Zusammenhang verwiesen und das Widerstandshandeln mit dem gegenläufigen Verhalten von Zufriedenheit und Anpassung bis hin zur Mittäterschaft kontrastiert wird. Anpassung und Widerstand werden dabei nicht als polare Verhaltensformen unverbunden gegenübergestellt. So taucht teilweise ein und dieselbe Person sowohl unter »Mehrheitsprotestantismus« als auch unter »Christlicher Widerstand« auf. Damit wird deutlich, welche Herausforderungen und Versuchungen der Nationalsozialismus für Christen bedeutete. Auch werden das Nacheinander oder die Gleichzeitigkeit von Anpassungsleistungen und Widerstandshandeln erkennbar.

    Der Text setzt mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ein. Auf diese Weise werden die mentalitäts- und theologiegeschichtlichen Wurzeln von Anpassung, Mittäterschaft und Widerstand im Nationalsozialismus aufgezeigt. Die Darstellung endet mit einem Ausblick auf die Rezeption des christlichen Widerstands in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik, vornehmlich an den Beispielen von Dietrich Bonhoeffer und Hans Meiser.

    Der vorliegende Band korrespondiert mit der Internet-Ausstellung »Widerstand!? Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus« (https://de.evangelischer-widerstand.de/). Trägerin der Ausstellung ist die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte. Konzeptionell erarbeitet wurde sie in einem mehrjährigen Prozess von einer interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeitsgruppe, die von einem Kuratorium mit Repräsentanten aus Wissenschaft, Politik und Kultur begleitet wurde. Die technische Gestaltung übernahm die Medienagentur Kerygma aus Köln.

    Grundlage für das vorliegende Buch waren die Texte des Bereichs »Zeiten« der Internet-Ausstellung, die stark gekürzt und überarbeitet wurden. An dem Ausstellungsbereich haben neben den Bearbeitern und der Bearbeiterin mitgeschrieben: Angela Borgstedt, Johannes Ehmann, Karl-Heinz Fix, Norbert Friedrich, Gertraud Grünzinger, Christiane Kuller, Rainer Lächele, Tim Lorentzen, Andreas Müller, Thomas Martin Schneider und Nora Andrea Schulze. Ihnen allen möchten wir an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. Frau Schulze, Herrn Fix, Kerstin Müller-Römer und Florian Schiermeier gilt unser Dank für ihre redaktionelle Mitarbeit.

    Köln/München, im Januar 2019

    Siegfried Hermle Claudia Lepp Harry Oelke

    Protestanten in der Weimarer Republik

    Abb. 1: Hans Roth: Die Mitarbeit der evangelischen Kirche an der Bekämpfung des Versailler Diktats. Berlin 1932.

    Der Schock infolge von Kriegsniederlage und Revolution im Jahr 1918 wirkte bei den deutschen Protestanten lange nach. Ihre tiefe Bindung an den monarchischen Nationalstaat wilhelminischer Prägung überdauerte dessen Zusammenbruch. Die Mehrheit der deutschen Protestanten stand daher der demokratischen, weltanschaulich neutralen Weimarer Republik skeptisch bis ablehnend gegenüber.

    Die evangelischen Kirchen konnten den Verlust der engen Verbindung von Thron und Altar nie ganz überwinden. Obgleich sie in der Weimarer Verfassung von 1919 einen privilegierten Status erhalten hatten, blieben Bedrohungsängste, die in der Revolutionszeit angesichts kirchen- und christentumsfeindlicher Vorstöße entstanden waren. Der evangelischen Kirche boten sich jedoch nun auch neue Möglichkeiten, nachdem sie durch das Ende der Monarchie vom landesherrlichen Kirchenregiment frei geworden war und über sich selbst verfügen konnte. Im 19. Jahrhundert begonnene Einigungsbestrebungen führten 1922 zur Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes.

    Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde im deutschen Protestantismus ein alter religiöser Antijudaismus von einem modernen, teils politisch-kulturell, teils auch schon rassistisch bestimmten Antisemitismus überlagert. In der Weimarer Zeit trieb die ›Judenfrage‹ auch die sogenannte kirchliche Mitte um. Gegen die weit verbreiteten Vorwürfe, die Juden seien für die Kriegsniederlage, die Revolution und das ›Weimarer System‹ verantwortlich, kämpfte der Verein zur Abwehr des Antisemitismus, in dem auch Pfarrer und Theologen aktiv waren.

    In der Theologie gab es zahlreiche neue Strömungen, die vor allem von jüngeren Theologen getragen wurden. Vertreter der Luther-Renaissance entdeckten Luther als Theologen neu, dialektische Theologen betonten das radikale Anderssein Gottes jenseits der menschlichen Verfügbarkeit und brachen mit der als kulturselig erachteten liberalen Theologie der Vorkriegszeit. Die Absolutheit des Christentums wurde betont, statt historischem Denken dominierte nun ein theologisches Vorgehen, das zwar einerseits die Bedeutung der Evangeliumsverkündigung betonte, aber andererseits mit seiner allumfassenden Krisendiagnostik eng mit den zumeist antidemokratischen politischen Diskursen der Zeit inhaltlich und personell verschränkt war. In der Vorkriegszeit geprägte Liberale fanden z. T. zu einem positiven Verhältnis zur Republik; die Religiösen Sozialisten, die eine Annäherung von Kirche, Arbeiterschaft und Sozialdemokratie anstrebten, blieben eine von den Kirchenleitungen kritisch beäugte Minderheit.

    Die politische und ökonomische Krise der Republik seit 1930 führte zusammen mit einer Blindheit nach rechts dazu, in der Propaganda der Rechten bis hin zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit ihren pseudoreligiösen Phrasen Alternativen zur zerrütteten Republik zu sehen. Im protestantischen Milieu verbreitete ideologische und theologische Überzeugungen ermöglichten den Nationalsozialisten diese positive Resonanz.

    Protestantischen Widerspruch gegen den Nationalsozialismus löste die Rassenideologie aus: Zu sehr dominiere das Blut die Ideologie und zu schwach sei die Berücksichtigung des christlichen Schöpfungsgedankens. Nur wenige Protestanten lehnten den Nationalsozialismus und seine Rassenideologie aber gänzlich ab, darunter vor allem liberale Theologen und Religiöse Sozialisten.

    Die Protestanten und die Republik

    1925 waren 64,1 Prozent der Bevölkerung des Deutschen Reiches, d. h. knapp 40 Millionen, evangelische Christen. Die aktiven Kirchenmitglieder entstammten zumeist dem »alten Mittelstand«, hinzu kamen bäuerliche und adelige Familien. Dieser Kern des protestantischen Sozialmilieus blieb auch in der Weimarer Republik mehrheitlich nationalistisch und zumeist auch monarchisch gestimmt.

    Die protestantische Mehrheit konzentrierte ihre politische Aufmerksamkeit auf die mit Kriegsende entstandene ›Dolchstoßlegende‹ sowie den Kampf gegen die ›Kriegsschuldlüge‹ und das ›Diktat von Versailles‹. Die Bedrohungsängste richteten sich vor allem auf den Kommunismus, den sogenannten Kulturbolschewismus und die Juden. Damit hatten die Protestanten Anteil an der Radikalisierung des deutschen Nationalismus nach dem Ersten Weltkrieg.

    Der protestantische Vorbehalt gegen demokratische Volksherrschaft blieb während der Weimarer Republik weitgehend erhalten, gerade auch unter der zumeist nationalkonservativ eingestellten Pfarrerschaft. Der Verlust des Bündnisses von Thron und Altar und infolgedessen auch die Gefährdung der Position des Protestantismus als Leitkultur im Deutschen Reich verstärkte unter den Protestanten trotz manchem temporären »kirchenoffiziellen Vernunftsrepublikanertum«¹ eher eine rückwärtsgewandte, distanzierte Haltung gegenüber der Republik sowie der demokratisch konstituierten Nation.

    Viele Protestanten fanden ihre politische Heimat in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). 1918 aus den zersplitterten Parteien des

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