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Die Gesellschaft der sexuellen Gewalt: Ein persönliches Essay
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Die Gesellschaft der sexuellen Gewalt: Ein persönliches Essay
eBook146 Seiten1 Stunde

Die Gesellschaft der sexuellen Gewalt: Ein persönliches Essay

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Über dieses E-Book

Die MeToo-Bewegung schlug in der Medienlandschaft nicht nur hohe Wellen, sondern brachte auch mit voller Wucht zum Vorschein, dass die "Sexuelle Freiheit" an ihre Grenzen stiess. Im Buch wird versucht, die strukturellen Ausgangsbedingungen der sexuellen Gewalt verschiedener Couleur zu beleuchten. Dabei wird aufgezeigt, dass nicht etwa "böswilliges", subjektives Kalkül einiger Unbelehrbaren die strukturelle Gewalt reproduziert, sondern eher der geisterhafte Beweger einer subjektlosen, entfremdeten "Macht", das auf die Menschen einwirkt und von ihnen mitgestaltet wird, und weshalb reformistische Ansätze, welches diesen Sachverhalt ignorieren, scheitern müssen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Aug. 2020
ISBN9783749405213
Die Gesellschaft der sexuellen Gewalt: Ein persönliches Essay
Autor

Dorian Senn

Dorian Senn, männlich, geboren Mitte der 1990er, lebt in der Schweiz und schreibt Bücher zu gesellschaftlichen und politischen Themen unter eben jenem Pseudonym.

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    Buchvorschau

    Die Gesellschaft der sexuellen Gewalt - Dorian Senn

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Sexueller Machtmissbrauch soweit das Auge reicht

    Kein subjektives, sondern strukturelles Problem

    Konkurrenz auf dem Beziehungsmarkt

    Das Nachsehen für die Frau

    Herausgefallene, „neues Patriarchat" und Sexualität ohne Regeln

    Immanenter Reformfeminismus

    Sexindustrie, abstrakte Beziehung und Paar-Narzissmus

    Neues Machtgefälle und Aversion

    Der einsame Einzelne

    Nachwort

    Literaturverzeichnis

    Vorwort

    Es war nicht einfach dieses Buch zu schreiben. Wie soll man sich auch nüchtern mit einem Thema befassen, das einem als sensibler Mensch nicht nur kalt den Rücken runter läuft, sondern ebenfalls bis ins Knochenmark eindringt, ja bis in die tiefsten Poren der Psyche hineingeht. Innerlich fühlt man sich schlapp, als würde man dahinschmelzen, nicht im positiven Sinne wie durch einen Treffer von Amors Pfeil, vielmehr wie ein Verfaulen und in sich zusammenfallen. Seitdem ich sexuelle Belästigung breiter definiere, nämlich bereits als die Zurschaustellung von Zärtlichkeit gegenüber dem Unwillen einer Drittperson, kann man schon einige verwunderte und schiefe Blicke ernten. Der Term „persönlich" im Untertitel dieses Essays wurde nicht willkürlich gewählt. Der Inhalt nährt sich vor allem aus meiner eigenen Sichtweise und Erfahrung. Als Nichtakademiker und (Stand: Dezember '19) Sozialhilfeempfänger ist dies die beste Quelle, aus der ich momentan schöpfen kann. Ich weiss: in Zeiten, in denen Autobiographien und persönliche Schicksale Hochkonjunktur geniessen, kann man dem schon mal überdrüssig werden. Jedoch dient es hier lediglich als mittel zum Zweck, das Persönliche dient als eine Art Abkürzung, um zur eigentlichen Sache zu kommen. Ob ich später mal eine tiefere „wissenschaftliche Analyse zu diesem Thema schreiben werde, wird die Zukunft zeigen. Insofern beginnt es ganz Klischeehaft: zunächst mit einer personalisierten Anekdote, die den Umstand umschreibt und zur Schlüsselszene emotionalisierend übergeht und danach die Gegebenheit polemisierend aufarbeitet. Auf alle Sachverhalte konnte ich aus Platzgründen nicht komplett eingehen. Vollständigkeit wird hier somit nicht garantiert und sicherlich bleiben noch einige Fragen offen. Trotz all dessen lohnt sich ein Blick für alle, die sich von unserer morbiden „Sexualkultur nichts mehr vormachen lassen wollen. Es nimmt somit nicht nur eine persönliche, sondern auch eine politische Dimension ein. Vor allem aus ausserparlamentarisch-linker Sicht.

    Sexueller Machtmissbrauch soweit das Auge reicht

    Zum ersten Mal war ich in dieser Stadt. Die Architektur der Altstadt mit ihren aneinander liegenden Häusern, ihrer rustikalen Eigenschaften respektive Erscheinen, ihren melierten Farben hatten einen beruhigenden und fast schon erhabenen Effekt auf mich. Als Creme de la Creme konnte man neben den überall zu findenden Wasserkanälen gemütlich die Beine hängen lassen, picknicken und quatschen. Dass ich mich hier wie in Venedig fühlen würde, hätte ich vorher nicht gedacht. Die Wärme im Gesicht spürend und geniessend schlendernden meine Eltern und ich durch die Gassen und Promenaden der niederländischen Hauptstadt. Es fuhren viele Velos, es war einiges an Volk anwesend. Eigentlich ein schöner Tag. Warum ich genau zum Café neben an schielte, welches Tische und Stühle selbstverständlich bei so einem Tag draussen aufgestellt hatte, weiss ich nicht mehr, jedoch geht mir meine innerliche Gefühlsregung von diesem Tage bis heute nicht mehr aus dem Kopf. Es war, als würde man von einem Blitz getroffen werden, in eine Schockstarre eingehen, innerlich einfrieren, einen Kurzschluss erleiden. Mitten unter den Gästen stach mir ein Paar in die Augen, das anscheinend ihre Zuneigung nur durch das Einführen ihrer Zungen in den Mund des jeweiligen anderen Part zum Ausdruck bringen konnten. Mitten in der Öffentlichkeit. Benommen wandte ich mich ab und konnte später wieder zu mir kommen. Zungenküsse stehen symbolisch für einen Geschlechtsakt. Ohne meine Zustimmung musste ich mich mit der Sexualität zweier Menschen befassen. Ja, nicht nur befassen: es kam mir vor, als würde ihre Intimität mit einem Faustschlag in meinen Körper eindringen. Ohne Einwilligung. Es war ein Angriff auf meine sexuelle Integrität. Ich musste die Sexualität eines unbekannten Mannes und Frau erdulden, somit kann man ohne Vorbehalt von sexueller Nötigung sprechen. Dass solch ein exhibitionistisches Verhalten nicht geahndet wird, macht es für den Erlebenden schwieriger es zu verarbeiten. Dass sich die Gesellschaft nicht einmischt und derartige Sexualdelikte nicht verurteilt, nur umso schlimmer. Leider nicht das erste Mal, dass Paare erbarmungslos ihre Sexualität gegenüber Dritten entblössen und sie somit affirmativ als gesellschaftliche Prämisse festlegen, ihre Mitmenschen müssten dieses Verhalten vorbehaltlos akzeptieren und ja nicht ihre Stimme erheben. Einfach runter schlucken und die Fresse halten. Man hat sie somit an der Leine und man kann sie als Knecht halten. Mit anderen Worten: es ist Machtmissbrauch. Mit sexuellem Hintergrund. Wo liegt hier bitteschön der Unterschied zu einer Person, die sich unmittelbar vor einem Fremden entblösst und sich selbst befriedigt?

    Kein subjektives, sondern strukturelles Problem

    Um Missverständnisse zu vermeiden: ich möchte mich nicht zum Opfer hoch stilisieren und den Mitleid des Lesers missbrauchen. Mir geht es lediglich um Verständnis. Die beschriebene Anekdote in Amsterdam ereignete sich ein halbes Jahr vor der Metoo-Bewegung aus dem Herbst 2017. Zumindest kann man dies als eine Art Weckruf sehen, sexuellen Machtmissbrauch auch bei anderen Sachverhalten zu durchleuchten. Vorher habe ich solche Gegebenheiten schlicht mürrisch runter geschluckt, habe es verdrängt, konnte kaum darüber sprechen. Um nochmals in Erinnerung zu rufen, um was es bei der Sache eigentlich ging:

    „Es war nicht das erste Mal, dass sich die Schauspielerin Alyssa Milano im Fall Harvey Weinstein zu Wort meldete, aber diesmal antworteten ihr innerhalb weniger Stunden Zehntausende Menschen mit zwei kleinen Wörtern: # metoo – ich auch. Zwölf Tage alt ist der Skandal um den Hollywood-Produzenten Weinstein, prominente Schauspielerinnen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor, einige Vergewaltigung. In den sozialen Medien wurde der Fall heftig diskutiert. Doch seit Alyssa Milanos Aufruf an die Frauen weltweit, mit # metoo öffentlich zu machen, dass auch sie schon Opfer waren, wurde aus einer Debatte über die Abgründe in der Unterhaltungsindustrie ein schockierender Zustandsbericht über sexuelle Belästigung (Tages Anzeiger, 2017). (…) „Innert dreier Tage haben sich weit über eine Million Leute dem Hashtag # metoo angeschlossen. Und davon erzählt, was sie an sexueller Gewalt erlebt haben oder erdulden mussten (...) (Jean-Martin Büttner, in: Tages Anzeiger, 2017).

    Es sei ja meine Schuld, dachte ich, wenn ich ein Problem damit hätte. Denn schliesslich ist es doch für die sexuelle Freiheit unverzichtbar! So mussten meine Gedanken wahrscheinlich auch Jahre zuvor gewesen sein. Während meiner kaufmännischen Ausbildung griff mir ein gleichaltriger, aber deutlich grösserer und breiterer Mitschüler in regelmässigen Abständen am Hinterteil, danach auch zwischen die Beine. Davor und währenddessen musste ich mir auch noch Schikanen von ihm ertragen lassen. Ich liess mir das ein halbes Jahr lang gefallen, bis ich es endlich meldete. Vielleicht habe er ja selber Probleme, vielleicht hätte ich mich falsch verhalten. In der Klasse schwieg ich mich über sein Verhalten aus. Als Dank bekam ich von seinen Weggefährten das Stigma des „Denunzianten verpasst. Solch einen ähnlichen Gedankengang müssen viele Menschen in sich tragen. Ohne diese völlige Unreflektiertheit und Abstumpfung gegenüber Sexualität wäre es sonst wohl kaum ertragbar. Egal ob im Park, Promenade, Einkaufszentrum, Freundeskreis, bei Verwandten, Wohnblock, Internet, Funk und Fernsehen: man wird von der Intimität fremder Personen geradezu überflutet. Dass dies nicht auffällt, liegt möglicherweise auch daran, dass Sexualität lediglich auf die Genitalien reduziert wird. Der Körper ist jedoch voll von erogenen Zonen und diese werden vor dem eigentlichen Geschlechtsakt häufig zärtlich berührt. Da stellt sich natürlich die Frage: inwiefern wird es in der Öffentlichkeit gesehen? Mir scheint dieser Sachverhalt besonders hervorzustechen, sicher auch, weil Intimität grundsätzlich als etwas Sensibles wahrgenommen bzw. gespürt wird. Jedes streicheln an den Schenkeln, am Ohrläppchen, am Körper, am Kopf, sich an die Person lehnen, Händchenhalten, Grabscher am Hinterteil, Beine über die Schenkel, übertrieben häufiges Küssen, lange, laszive Umarmungen und als verfaulte Kirsche auf dem Sahnehäubchen: Rummachen. Alle derartigen Ereignisse durchbohren sich auch in die sexuelle Integrität. Man schlüpft unfreiwillig in die Rolle eines Parts und bekommt die Zärtlichkeit gegen sein Einverständnis aufgedrückt. Es ist einem unfassbar unangenehm, innerlich zuckt man zusammen, man will einfach nur noch weg, und das Schlimmste: das Ausgeliefertsein. Man wird ihnen als Mahlzeit auf dem Silbertablett serviert. Ein gefundenes Fressen. Die letzten beiden morbiden Gefühlslagen habe ich am eigenen Haupt erlebt: eines der vorher erwähnten Weggefährten rief, soweit ich mich erinnern kann im letzten Semester meiner Ausbildung, meinen Namen, als ich mich auf dem Weg ins Klassenzimmer befand. Just im Moment, als sich mein blick kontemplativ zu ihm wandte, näherte er sich einer weiblichen Person und küsste sie. Er wollte mir sein intimes Moment, seine „Trophäe, zur Schau stellen und ob man will oder nicht: man muss ihm unwillentlich Tribut zollen. So ähnlich erging es mir auch kurz vor dem Skandal der sogenannten Weinstein-Affäre. Ich musste demütig den Abteil des Zuges wechseln, weil weiter vorne zwei Turteltauben ihr Liebesleben fast schon skandalös mit entsprechender Akustik am geniessen waren. Man kann diese Fälle auch nicht als Randerscheinung einzelner Individuen abtun. Ihre Häufigkeit tritt in einer derart Monsun artigen Sichtbarkeit auf, dass es sich hierbei um ein strukturelles Problem handelt. Ein Problem, das kein Geschlecht kennt. Man kann ohne schlechten Gewissens von einem System der sexuellen Gewalt sprechen, da Machtmissbrauch auch immer eine Form von Gewalt darstellt. Hier erkennt man auch die völlige Desillusion der MeToo-Bewegung. Meist schrieb oder sprach man von Männern, die aus ihrem „Machttrieb" heraus Übergriffe dazu nutzten, um Frauen klein zu machen bzw. ihre subjektive Herrschaft zu demonstrieren. Manche gingen dann allen ernstes davon aus, man könne durch das mediale „Zurechtweisen berühmter „Machos gegen sexuelle Gewalt vorgehen. Das kann so selbstverständlich nur scheitern oder höchstens ein Tropfen auf einem heissen Stein sein, denn die Medien sind selber Teil des Problems. Gerade sie Überrumpeln uns lawinenartig mit anzüglichen Bildern und gehören selber in die Sphäre des Machtmissbrauchs. Vor allem bei Kanälen mit bewegten Bildern kann man sich dem nicht entziehen. Ich kann mich noch an eine ziemlich dämliche Werbung einer Anti-Aids Organisation im Fernsehen erinnern, bei dem innerhalb von Sekunden gezeigt wurde, wie sich zwei Personen kennenlernten und sofort bei der nächsten Sequenz mit Gestöhne sich liebkosten. Natürlich ist das lediglich ein Beispiel unter vielen, aber es verdeutlicht, dass es anscheinend einen guten Grund

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