Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter
Von Julian Schmitz und Julia Asbrand
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Buchvorschau
Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter - Julian Schmitz
Die Autor*innen
Prof. Dr. Julian Schmitz, Diplom-Psychologe und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche an der Universität Leipzig.
Prof. Dr. Julia Asbrand, Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Sie ist Professorin für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und -psychotherapie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Julian Schmitz Julia Asbrand
Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter
Verlag W. Kohlhammer
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Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035130-1
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035131-8
epub: ISBN 978-3-17-035132-5
mobi: ISBN 978-3-17-035133-2
Geleitwort zur Reihe
Klinische Psychologie und Psychotherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Verhaltenstherapeutische Interventionsansätze
Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind weit verbreitet und ein Schrittmacher für die Entwicklung weiterer psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Für einige der für das Kindes- und Jugendalter typischen Störungsbereiche liegen empirisch gut abgesicherte Behandlungsmöglichkeiten vor. Eine Besonderheit in der Diagnostik und Therapie von Kindern mit psychischen Störungen stellt das Setting der Therapie dar. Dies bezieht sich sowohl auf den Einbezug der Eltern, als auch auf mögliche Kontaktaufnahmen mit dem Kindergarten, der Schule, der Jugendhilfe usw. Des Weiteren stellt die Entwicklungspsychopathologie für die jeweiligen Bände ein zentrales Kernthema dar.
Ziel dieser neuen Buchreihe ist es, Themen der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie in ihrer Gesamtheit darzustellen. Dies umfasst die Beschreibung von Erscheinungsbildern, epidemiologischen Ergebnissen, rechtliche Aspekte, ätiologischen Faktoren bzw. Störungsmodelle, sowie das konkrete Vorgehen in der Diagnostik unter Berücksichtigung verschiedener Informanten und das konkrete Vorgehen in der Psychotherapie unter Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes zur Wirksamkeit.
Die Buchreihe besteht aus Bänden zu spezifischen psychischen Störungsbildern und zu störungsübergreifenden Themen. Die einzelnen Bände verfolgen einen vergleichbaren Aufbau wobei praxisorientierte Themen wie bspw. Fallbeispiele, konkrete Gesprächsinhalte oder die Antragsstellung durchgehend aufgenommen werden.
Tina In-Albon (Landau)
Hanna Christiansen (Marburg)
Christina Schwenck (Gießen)
Die Herausgeberinnen der Reihe
Prof. Dr. Tina In-Albon, Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Universität Koblenz-Landau. Leitung der Landauer Psychotherapie-Ambulanz für Kinder und Jugendliche und des Studiengangs zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Universität Koblenz-Landau.
Prof. Dr. Hanna Christiansen, Professur für Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters an der Philipps-Universität Marburg; Leiterin der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie-Ambulanz Marburg (KJ-PAM) sowie des Kinder- und Jugendlichen-Instituts für Psychotherapie-Ausbildung Marburg (KJ-IPAM).
Prof. Dr. Christina Schwenck, Professur für Förderpädagogische und Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen. Leiterin der postgradualen Ausbildung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie.
Inhalt
Geleitwort zur Reihe
1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation
1.1 Erscheinungsbild der Sozialen Angststörung
1.1.1 Schüchternheit und soziale Ängste bei Kindern und Jugendlichen
1.1.2 Frühe Kindheit und Vorschulalter
1.1.3 Grundschulalter
1.1.4 Jugendalter
1.2 Diagnostische Kriterien (ICD-10 und DSM-5)
1.3 Überprüfung der Lernziele
2 Epidemiologie, Verlauf und Folgen
2.1 Epidemiologie
2.1.1 Beginn der Sozialen Angststörung im Kindes- und Jugendalter
2.1.2 Häufigkeit der Sozialen Angststörung im Kindes- und Jugendalter
2.2 Verlauf der Sozialen Angststörung
2.3 Folgen einer Sozialen Angststörung
2.4 Veränderungen durch Psychotherapie und Behandlungserwartung
2.5 Überprüfung der Lernziele
3 Komorbidität und Differenzialdiagnostik
3.1 Komorbidität
3.1.1 Andere Angststörungen
3.1.2 Selektiver Mutismus
3.1.3 Depressive Störungen
3.1.4 Suchterkrankungen
3.2 Differenzialdiagnostik
3.2.1 Generalisierte Angststörung
3.2.2 Tiefgreifende Entwicklungsstörungen: Autismus- Spektrum-Störung
3.2.3 Schulabsentismus
3.2.4 Organische Erkrankungen
3.2.5 Soziale Umstände
3.3 Überprüfung der Lernziele
4 Diagnostik
4.1 Ziele und Struktur des diagnostischen Prozesses
4.2 Erstgespräch und Anamnese
4.2.1 Das Erstgespräch als angstbesetzte Situation
4.2.2 Anamnese, Makroanalyse und wichtige Unterlagen im diagnostischen Prozess
4.2.3 Mikro- und Situationsanalyse
4.3 Diagnostikinstrumente
4.3.1 Fragebogenverfahren
4.3.2 Diagnostische Interviews
4.3.3 Testverfahren
4.3.4 Beobachtungsinstrumente
4.3.5 Diagnosestellung und Integration von diagnostischen Informationen
4.4 Rückmeldung der Diagnostikergebnisse
4.5 Behandlungssettings und Indikation
4.6 Überprüfung der Lernziele
5 Störungstheorien und -modelle
5.1 Bedingende Faktoren für Entstehung und Aufrechterhaltung
5.2 Biologische Faktoren
5.2.1 Temperament
5.2.2 Genetik
5.2.3 Physiologie
5.3 Kognitive Faktoren
5.3.1 Das kognitive Modell von Clark und Wells (1995)
5.3.2 Das Modell von Rapee und Heimberg (1997)
5.3.3 Das kognitive Modell von Hofmann (2007)
5.3.4 Zusammenführende Betrachtung kognitiver Faktoren
5.4 Lernerfahrungen und interpersonelle Faktoren
5.4.1 Eltern
5.4.2 Gleichaltrige
5.5 Soziale Kompetenzen
5.6 Emotionsregulation
5.7 Zusammenfassende Betrachtung
5.8 Anwendung eines Störungsmodells auf das Fallbeispiel
5.8.1 Psychoedukation mit Kind
5.8.2 Psychoedukation mit Eltern
5.9 Überprüfung der Lernziele
6 Psychotherapie
6.1 Beispielantrag für ein Kind mit einer Sozialen Angststörung
6.2 Therapieziele und Behandlungsplanung
6.3 Therapiedurchführung
6.3.1 Therapiebaustein: Behandlungsaufklärung, Psychoedukation und Störungsmodell
6.3.2 Therapiebaustein: Kognitive Interventionen
6.3.3 Therapiebaustein: Aufbau sozialer Fertigkeiten
6.3.4 Therapiebaustein: Exposition und Sicherheits- verhaltensweisen
6.3.5 Therapiebaustein: Elternzentrierte Interventionen
6.3.6 Therapiebaustein: schulzentrierte Interventionen
6.3.7 Therapiebaustein: Jugendhilfemaßnahmen und flankierende Interventionen
6.3.8 Therapiebaustein: Psychopharmakotherapie
6.4 Manuale zur Behandlung sozialer Ängste
6.5 Schwierige Therapiesituationen
6.5.1 Das Arbeiten an kognitiven Inhalten fällt dem Kind schwer, bzw. dysfunktionale Kognitionen werden als nicht übertrieben wahrgenommen
6.5.2 Patient*innen weigern sich aufgrund starker Angst eine Konfrontation durchzuführen
6.5.3 Patient*innen brechen eine Konfrontationsübung nach einem Misserfolg ab
6.5.4 Das Kind oder der*die Jugendliche sagt die Therapie häufig ab, mutmaßlich aufgrund von starken sozialen Ängsten vor der Therapiesituation
6.5.5 Trotz ambulanter Psychotherapie zeigt sich eine Verschlechterung der Symptomatik und es entwickelt sich zudem eine depressive Störung
6.6 Überprüfung der Lernziele
7 Psychotherapieforschung
7.1 Methoden der Psychotherapieforschung
7.2 Gesetzlich anerkannte Verfahren
7.2.1 Kognitive Verhaltenstherapie
7.2.2 Psychodynamische Psychotherapien: Tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie
7.3 Weitere Verfahren
7.3.1 Systemische Therapie
7.3.2 Andere Verfahren
7.4 Wirksamkeit einzelner Elemente
7.4.1 Exposition
7.4.2 Psychoedukation
7.4.3 Kognitive Interventionen
7.4.4 Aufbau sozialer Fertigkeiten
7.4.5 Einbezug der Eltern
7.4.6 Psychopharmakotherapie
7.4.7 Individuelle vs. Gruppentherapie
7.5 Überprüfung der Lernziele
Literatur
Stichwortverzeichnis
1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation
Lernziele
• Sie können die Begrifflichkeiten Soziale Angststörung, soziale Angst und Schüchternheit erklären und voneinander abgrenzen.
• Sie kennen das typische Erscheinungsbild sozialer Ängste von der frühen Kindheit bis zum Jugendalter bzw. jungen Erwachsenenalter.
• Sie können diagnostische Kriterien für die Soziale Angststörung nach der International Classification of Diseases (10. Edition, ICD-10; World Health Organization [WHO], 1994) und dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5. Edition, DSM-5, American Psychiatric Organization [APA], 2013) benennen.
1.1 Erscheinungsbild der Sozialen Angststörung
1.1.1 Schüchternheit und soziale Ängste bei Kindern und Jugendlichen
Schüchternheit und die Angst vor negativer Bewertung bzw. Ablehnung durch andere Personen sind einem großen Anteil von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen der Allgemeinbevölkerung vertraut. So berichteten in einer Studie von Seim und Spates (2010) 31 % aller befragten Studierenden davon, in ihrem Alltag regelmäßig moderate bis starke soziale Ängste zu erleben. In einer älteren Studie von Lazarus (1982) beschrieben sich 38 % der befragten Grundschulkinder als schüchtern. Auch während sozialer Leistungssituationen zeigen Kinder ohne klinisch bedeutsame Ängste eine moderate Angst und physiologische Stressreaktionen (Krämer et al., 2012). Der Begriff soziale Ängste kann dabei als Überkategorie für viele verschiedene Ausprägungen von Aspekten sozialer Ängste verstanden werden. Soziale Angst beschreibt eine Angst in sozialen Situationen – also Situationen mit anderen Personen –, die von sehr gering bis sehr stark ausgeprägt sein kann. Das Kontinuum sozialer Ängste erstreckt sich von nicht beeinträchtigenden sozialen Ängsten auf der einen Seite bis hin zu starken und meist chronifizierten sozialen Ängsten auf der anderen Seite. Im Zusammenhang mit sozialen Ängsten wird der Begriff der Schüchternheit häufig verwendet. Schüchternheit bezeichnet in der Regel ein gehemmtes Verhalten im Rahmen von sozialen Ängsten und wird häufig im Kontext frühkindlicher sozialer Ängste und sozialer Ängste im Grundschulalter gebraucht. Eine weitere Begrifflichkeit, die auch im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang mit sozialen Ängsten häufig gebraucht wird, ist die der Testängstlichkeit oder Prüfungsangst (Steinmayr, Crede, McElvany & Wirthwein, 2016). Damit werden häufig Kinder und Jugendliche beschrieben, die vornehmlich Angst vor Testsituationen in der Schule haben. Prüfungsangst ist jedoch keine eigene Diagnose in der ICD-10Kap. 3).
Die Soziale Angststörung beinhaltet schließlich eine manifestierte, unangemessene Furcht vor Leistungs- oder Interaktionssituationen, die sich in verschiedenen Situationen, z. B. außerhalb der Schule wie auch im privaten Bereich, zeigt (APA, 2015). Zugleich sind die Kinder und Jugendlichen nicht in der Lage, altersgemäße soziale Beziehungen mit vertrauten Personen einzugehen. Die Angst tritt zudem nicht nur in Interaktion mit Erwachsenen, sondern auch mit Gleichaltrigen auf und führt zu einer Beeinträchtigung des Alltagslebens und/oder Leidensdruck (APA, 2015).
Definition: Soziale Ängste
Soziale Ängste bezeichnen das Gefühl von Angst und Furcht in sozialen Situationen wie Interaktionen (z. B. eine Spielsituation mit anderen Kindern) und Leistungssituationen (z. B. ein Referat in der Klasse halten oder sich zu melden). Im Zentrum steht die Sorge, sich vor anderen