Sommerwinter: Rentnerspaß auf Lanzarote
Von Jürgen Moers
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Über dieses E-Book
Jürgen Moers
Jürgen Moers ist Fotojournalist und Filmemacher im Ruhestand und kennt sich berufsbedingt seit mehr als vierzig Jahren auf den Kanarischen Inseln sehr gut aus. Seine Foto- und Videoproduktionen über Gran Canaria und Lanzarote, wur-den in zahlreichen Medien publiziert. Seit langer Zeit schon verbringt er viele Monate im Jahr auf seiner Lieblingsinsel Lanzarote und realisiert dort u.a. auch diverse Auftragsproduktionen. www.juergenmoers.de
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Buchvorschau
Sommerwinter - Jürgen Moers
Die Akteure
Fedelinde: 74, mit Erwin verheiratet, war früher Sängerin und Gesangslehrerin und hat vor ganz langer Zeit einmal in Hamburg versucht, Helga Feddersen das Singen beizubringen, es dann aber aus pädagogischen Gründen schnell wieder aufgegeben.
Ihr großes Repertoire an internationalen Weihnachtliedern und auch an Liedern von Helene Fischer ist bei allen gefürchtet.
Und wenn es sie überkommt, gibt sie gern auch mal unaufgefordert Kostproben aus ihrem Liederschatz. Dann spielt es gar keine Rolle, wo sie gerade singt: im Restaurant (manchmal singen dann lauthals auch die freundlichen spanischen und polnischen Kellner mit), im Bus, im Fahrstuhl, im Flughafen, beim gemeinsamen Abendessen und auch schon mal auf dem Klo.
Und zwar auch dann, wenn gerade nicht Weihnachten ist und deshalb auch keine dreieinhalb Stunden lange Helene-Fischer-Weihnachtsshow im ZDF in Sicht ist.
Fedelinde und Erwin sind eingefleischte Freikörperkulturanhänger und lebten vor langer Zeit mal einige Jahre im Nudistendorf Charco del Palo auf Lanzarote.
Erwin: 83, Ehemann von Fedelinde, war früher Lehrer in Oer-Erkenschwick und brilliert auch heute noch oft mit seinen famosen Kenntnissen und kreativen Gedankenausflügen.
Kolpingsssverein und Quantensprung sind zwei seiner Lieblingsworte, die die anderen regelmäßig auf die Palme bringen. Trotzdem versucht Erwin es immer wieder, andere von der Richtigkeit seiner Argumente zu überzeugen.
Ganz besonders Dieter.
Maria: 69, ist mit Rolli verheiratet und hatte früher einmal eine Hundeboutique in Recklinghausen-Süd.
Fast immer ist sie in ihrem Rollstuhl unterwegs. Krankheitsbedingt. Bei ihr sind es die Knie.
Seitdem sie einen Elektrorollstuhl besitzt, ist das Rollstuhlfahren sogar zu ihrem Hobby geworden. Insbesondere aber auch deshalb, weil ihr technisch hochbegabter Freund und Nachbar Heinz sehr viel von Elektrorollstühlen versteht. Tuning inklusive.
Inzwischen fährt Maria den schnellsten Elektrorollstuhl des Ruhrgebiets und wurde damit sogar schon mal zur Motor-Show nach Essen eingeladen.
Bei bestimmten Ausfahrten darf ihr Ehemann Rolli hinten auf einer speziell für ihn angebrachten Plattform mitfahren. Ungefähr so, wie beim Film Ben Hur und dem berühmten Wagenrennen.
Obwohl Marias Mann ja eigentlich Rolf heißt, nennen ihn alle Rolli und passend dazu Marias e-Rollstuhl liebevoll e-Rolli. Er gehört mittlerweile schon zur Familie. Genau wie Rolli.
Rolli: 69, behauptet immer, er sei früher mal eine Zeit lang Fußball-Profi bei Wacker 04 Berlin gewesen, als die noch in der Zweiten Liga waren. Bewiesen ist aber nur, dass er bis zur Rente im Einwohnermeldeamt Berlin-Spandau (Buchstaben J bis K) beschäftigt gewesen war und sich aus dieser Zeit immer noch bestens mit Berliner Nachnamen, die mit diesen Buchstaben beginnen, auskennt. Juhnke, Harald, zum Beispiel. Der musste damals nämlich oft persönlich an seinem Schalter erscheinen, wenn er einmal wieder ein Führungszeugnis für einen neuen Führerschein beantragten musste.
Heinz: ist 77, Junggeselle, tüftelt gern und arbeitete vor seiner Rente jahrelang als Techniker beim Automobilhersteller Opel in Bochum.
Anschließend bei einem weltbekannten Waagenhersteller in Castrop-Rauxel. Dort baute er Waagen zum Wiegen von Reisegepäck und Menschen.
Damit war es Heinz gelungen, trotz der späteren Opelpleite noch in der Wa(a)gen-Branche zu bleiben.
Heinz wohnt immer noch in Castrop-Rauxel. Auch im Winter. Aber genau das wird sich bald ändern…
Dieter: 84, ist der Älteste der Gruppe und auch Junggeselle, Schalke 04 Fan, Mitglied im Kolpingverein und war vor der Rente Frisör in Bergkamen.
Inzwischen hat er keine Haare mehr und auch keine Freundin. Seine letzte echte Bekanntschaft war vor 70 Jahren seine damalige Biolehrerin Fräulein Herzelmann.
Dieter wirft ab und zu mal eine Idee in den Ring, die dann anschließend allerdings meistens noch lange für Gesprächsstoff sorgt.
Alle zusammen wohnen schon seit vielen Jahren, in einer Art Alters-WG, in einem großen Haus in Castrop-Rauxel und gehen gemeinsam durch Dick und Dünn.
Inhalt
Prolog
Alarm auf der Promenade
Heinz fliegt ein
Tapas essen bei Felix
Kuchen für alle
Deutsch für alle
Akkubrand auf dem Playa Honda Highway
Apparatementos Vera
Der Eklat mit der Wasserkunst und den Kamelen, die Dromedare sind.
Die Regenwasser-Disco im Gran Hotel
Sepp und die anderen von der Promenade
Der Ausflug zum Papagallostrand
Zu Besuch bei den Salinen
Charlies Geschäftsidee
Wettfahrten auf der Promenade
Wortgefechte
Weihnachtszeit, Mode und Geschenke
Der Blick in die Ferne
Weihnachten, ein Fest zum Feiern
Weihnachten mit und ohne Helene Fischer
Abnehmen durch Wiegen
Rudelgucken bei Zecke
Kein Polizeieinsatz auf der Promenade
Die Sache mit Tina Turner und El Golfo
Die beste Krankheit taugt nichts
Sonntagsmarkt in Teguise
In der Hölle der Grünen
Fedelinde hebt ab
Nackte Tatsachen
Benehmen ist keine Glücksache
Der Sommerwinter geht zu Ende
Prolog
Es ist der 12. November. Ein Tag wie jeder andere?
Nicht ganz, denn heute regnet es nicht nur die ganze Nacht lang, sondern auch den ganzen Tag.
Ab Mittag stürmt es auch noch dermaßen, dass Heinz beschließt, sein teures E-Fahrrad aus dem Schuppen hinter dem Haus zu holen, um es in den sicheren Keller zu stellen, damit es nicht zusammen mit dem alten Holzschuppen in die Luft fliegen kann.
Wenn jetzt auch noch ein Wirbelsturm kommen sollte, fliegt nur der alte Holzschuppen weg. Aber der ist sowieso schon morsch, denkt Heinz.
Außerdem ziehen vom nah gelegenen Chemiewerk wieder einmal undefinierbare Gerüche herüber, die selbst dem größten Sturm standhalten. Es riecht nach faulen Eiern in Castrop-Rauxel. Das alles trübt die Stimmung. Auch bei Heinz.
Solche Momente erinnern ihn fast schon automatisch an seine Hausnachbarn und Freunde. Die liegen jetzt, wie jedes Jahr im Winter, vier Monate lang in der Sonne auf Lanzarote und genießen ihren Ruhestand.
Alles richtig gemacht, schießt es Heinz durch den Kopf. Soll ich nicht endlich einmal etwas gegen meine Flugangst machen und einfach mitfliegen?
Genau in diesem Moment passiert es: ist es Zufall oder Schicksal? Egal.
Gerade, als Heinz wieder an seinem Lieblingsfenster Platz genommen hat, um in den grauen Himmel zu starren, klingelt sein Smartphone.
Schon der Musikklingelton Life is life, na, na, nanana kündigt die Anrufer an. Es sind seine Freunde aus der Sonne von Lanzarote, vom Appartementos Luna y Sol in der Touristenhochburg Costa Teguise.
Zunächst ertönt wie immer ein großes Hallo.
Doch nur ein paar Sekunden später kommt auch schon gleich eine klare Ansage:
»Heinz, du, pass` auf! Du weißt ja, Rolli rundet am 20.11. und wird 70. Wir haben schon einen Flug für dich organisiert! Dein Abflug ist am 15. 11. um 6:00 Uhr früh ab GWW, Grüne Wiese Weeze bei Xanten mit Reiner Air. Du weißt schon, die mit dem Slogan No Service all inclusive!«
Weitere Wörter gehen in Hintergrundgeräuschen wie Gläserklirren und etwa dem Chorruf der anderen »Keiner fliegt wie Rei-ner!« und »Jau, jau, jau!« völlig unter.
Hat er sich gerade verhört? Vielleicht ist es der Sturm? Oder ist gar der Faule-Eier-Geruch vom Chemiewerk schuld?
»Hallo!? Hallo!?«
»Hal-lo!!« Heinz hörte nur noch undefinierbare Geräusche und ein paar Wortfetzen wie »heiten … ommen … email«!
Danach nur noch »Hallo? Hallo? Over! Ende! Und Aus!« und das Besetztzeichen »Tut-tut-tut-tut.«
Die E-Mail kommt tatsächlich schneller, als erwartet. Schließlich bleibt ja auch nicht mehr viel Zeit bis zum Abflug.
Alarm auf der Promenade
»Weiß Heinz eigentlich auch, dass er seinen Kapuzenpulli mitbringen sollte?«
Rolli, dreht sich zu den anderen um. »Den mit dem Werbeaufdruck, den sie ihm bei seiner Verabschiedung in der Waagenfabrik geschenkt hatten?«
»Ja, genau! Der mit dem Spruch Wer nicht wiegt, der nicht gewinnt!«
»Na, ja, das ist doch kein Problem. Wenn er ihn vergessen sollte, kann er sich hier ja auch noch einen kaufen.«
Maria, Rolli, e-Rolli, Fedelinde, Erwin und Dieter sind gerade auf dem Weg zum Vesubio, ihrem Lieblingslokal, mit freundlicher Bedienung und mit Meerblick.
Einmal sind sogar Delfine vorbei geschwommen. Auf jeden Fall kommt aber gefühlt einmal pro Tag eine Fähre vorbei oder ein Containerschiff mit neuen Sonnenbrillen, Armbanduhren, Ledergürteln und Weihnachtsmützen für die zahlreichen mobilen Verkäufer auf der Strandpromenade.
Das Vesubio hat seinen explosiven Namen inzwischen abgelegt und heißt inzwischen Taberna del Mar. Das klingt irgendwie gemütlicher. Jetzt gibt es hier neben italienischer Küche auch internationale Speisen. Zum Beispiel gekochtes und gebratenes Gemüse oder Pommes Frites.
Alle haben wie immer an ihrem großen, weißen Tisch mit dem Reservado-Schild Platz genommen und gerade bei Svetlana die Bestellungen aufgegeben, da geht das unfassbare Drama auch schon los:
ein wohlgeformter junger Schwimmer in einem schwarzen Neoprenanzug kommt ins Bild, reibt sich mit schmerzverzerrtem Blick seinen rechten Gummianzugoberschenkel und humpelt von der Strandmauer direkt vor das gut besuchte Taberna del Mar.
Ein aufmerksames kleines Mädchen von Nachbartisch hat es wohl zuerst bemerkt, stellt sich auf ihren Stuhl, zeigt mit dem Finger auf ihn und ruft plötzlich quer über die Terrasse:
»Mami, Mami, was macht der Mann da? Warum humpelt der? Hat der Aua?«
Schlagartig schauen alle Restaurantgäste von ihren Tellern hoch.
Einer sagt: »Mit dem Mann stimmt etwas nicht. Der hat sich verletzt, das könnte spannend werden.«
Erste Smartphone-Foto- und Videoaufnahmen werden gemacht. Man weiß