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Weiße Mäuse: Kriminalroman
Weiße Mäuse: Kriminalroman
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eBook269 Seiten3 Stunden

Weiße Mäuse: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Als der beliebte Cheftierarzt des Leipziger Zoos, Dr. Hans Hasenhaus, mit seinem Sportflugzeug bei Garmisch-Partenkirchen abstürzt, steht Leipzig unter Schock. Die Kommissare Kroll und Wiggins glauben nicht an einen Unfall. Als sie im Wrack Spuren von Sprengstoff entdecken, haben sie Gewissheit. Doch was hat es mit der goldenen Münze auf sich, die in den Trümmern gefunden wurde? Die Ermittlungen bringen den tadellosen Ruf des Tierarztes ins Wanken, wobei possierliche Nager eine Hauptrolle spielen …
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum13. März 2019
ISBN9783839260005
Weiße Mäuse: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Weiße Mäuse - Andreas Stammkötter

    Zum Buch

    Tierisch kriminell Als der beliebte Cheftierarzt des Leipziger Zoos, Dr. Hans Hasenhaus, mit seinem Sportflugzeug in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen abstürzt, steht Leipzig unter Schock. Warum ist er bei diesem Wetter überhaupt gestartet? Die Kommissare Kroll und Wiggins glauben nicht an einen Unfall. Als sie im Wrack der Maschine Spuren von Sprengstoff entdecken, haben sie Gewissheit. Aber was hat es mit der goldenen Münze auf sich, welche die Kommissare in den Trümmern des Flugzeugs finden? Die Ermittlungen bringen den tadellosen Ruf des Tierarztes ins Wanken, denn Kroll und Wiggens finden heraus, dass eine wertvolle Münzsammlung aus dem Stadtgeschichtlichen Museum verschwunden ist. Hatte der Tierarzt etwas mit dem Diebstahl zu tun? Welche Rolle spielt ein fragwürdiges Kosmetikunternehmen, für das Dr. Hasenhaus nebenbei gearbeitet hat? Und warum versucht ein kleiner Flugfreundeverein, die Ermittlungen zu behindern? Die Kommissare stehen vor vielen Rätseln, wobei possierliche Nager eine Hauptrolle spielen …

    Dr. Andreas Stammkötter, Jahrgang 1962, lebt als Rechtsanwalt in Leipzig. Er war dort viele Jahre Dozent an der Fachschule für Bauwesen und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. »Weiße Mäuse« ist Stammkötters fünfter Leipzig-Krimi im Gmeiner-Verlag.

    Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

    Predigerblut (2016)

    Totgetrieben (2015)

    Goldkehlchen (2013)

    Messewalzer (2011)

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    © 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH

    Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

    Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage 2019

    Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

    Herstellung: Julia Franze

    E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Frank Vincentz

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Leipzig_-_Zoo_-_Gründer-Garten_-_Kongresshalle_(Parkhaus)_01_ies.jpg

    Druck: CPI books GmbH, Leck

    Printed in Germany

    ISBN 978-3-8392-6000-5

    Haftungsausschluss

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Sonntagnacht

    Die Piper PA-32R war eigentlich solide gebaut und konnte einen Flug vom kleinen Böhlen bei Leipzig nach Turin problemlos schaffen. Das galt aber nur bei schönem Wetter.

    Gemeinsam mit dem erfahrenen Piloten, einem 76 Jahre alten Fluglehrer, der seinen Beruf immer noch zuverlässig ausübte, studierte er die Wetterinformationen, die ihnen das Internet zur Verfügung stellte. Die Stirn des Fluglehrers legte sich in Falten. »Die Wetterlage gefällt mir überhaupt nicht.« Er zeigte mit dem Finger auf das Alpenvorland, die Region um Garmisch-Partenkirchen. »Die Stratokumulus-Schicht bereitet mir große Sorgen. Unsere alte Piper hat kein Vereisungssystem. Die Sache wird zu gefährlich.«

    Er trommelte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Er musste fliegen. Der Termin in Turin war unaufschiebbar und ein Linienflug war keine Alternative. Mit seinem speziellen Gepäck würde er keine Flughafenkontrolle überstehen. Das war auch der Grund, warum sie in Böhlen starten wollten. Ein kleiner Flughafen, nur für Sportflugzeuge, keine Kontrollen, keine Polizei und kein Zoll. Auch die Ankunft in Turin würde keine Schwierigkeiten bereiten. Dort hatten sie sich gleichfalls für einen kleinen Flughafen entschieden. Ein Flug unter diesen Bedingungen war, was Grenzüberschreitungen anging, mit einer Autofahrt zu vergleichen. Keinerlei Kontrollen. Ein Hoch auf die EU.

    Seine Stimme wurde lauter. »Wir müssen fliegen! Du weißt genau, dass wir unser Treffen in Turin nicht verschieben können. Komm schon, du fliegst jetzt über 50 Jahre. Da macht man sich doch wegen ein paar Wolken nicht in die Hose.«

    Der Pilot starrte immer noch auf den Bildschirm seines Laptops. Seine Sorgenfalten waren nicht weniger geworden. »Ich rede hier nicht von ein paar Wolken. Was wir hier haben, ist die klassische Icing-Situation. Wenn wir auch nur eine Sekunde zu lang in dieser Schicht bleiben, fallen wir vom Himmel wie eine totgeschossene Ente.«

    »Dann fliegen wir eben drüber. Das kriegst du doch locker hin, oder?«

    Dem Piloten war alles andere als wohl in seiner Haut. Wenn sich die Wolkenschicht vergrößern würde, waren sie verloren. Er musste darauf hoffen, dass sich die Wetterlage zumindest nicht verschlimmerte. Dann könnten sie die gefährliche Schicht mit ein bisschen Glück überfliegen. Aber eigentlich hatte er keine Alternative. Sein Passagier zahlte gut und er brauchte das Geld. Wenn der Termin platzen würde, wäre auch das schöne Geld futsch gewesen.

    Er stöhnte laut. »Also gut, fliegen wir los.«

    Die Flugverkehrskontrolle in München traute ihren Augen nicht, als sie die Piper im Voralpenland auf dem Radar entdeckte. Die Maschine identifizierte sich über die Frequenz 120.175. Im Kontrollturm hörten sie nur ein Wort: »Icing«.

    Die Piper PA-32R verlor rapide an Höhe. Weitere Funksprüche kamen nicht mehr zustande. Die Maschine schlug im Voralpengebiet auf. Die beiden Insassen fanden den Tod.

    Montagmorgen

    Die Nachricht vom Tode des Tierarztes Dr. Hans Hasenhaus hatte sich in Leipzig in Windeseile herumgesprochen. In den Radiosendungen und den Internetzeitschriften gab es kein anderes Thema. Dr. Hasenhaus war der leitende Tierarzt des Leipziger Zoos. Er hatte zahlreiche Tierbabys medienwirksam zur Welt gebracht: den berühmten Elefanten Voi Nam, zahlreiche süße Tiger- und Löwenbabys und vor allem den tollpatschigen Eisbären Robert. Auch sorgten viele Berichte mit dem schielenden Opossum Heidi für eine enorme Medienpräsenz. Jeder Leipziger kannte Dr. Hasenhaus. Die Anteilnahme war groß. Vor dem Leipziger Zoo wurden Kerzen aufgestellt, in den einschlägigen Internetforen überschlugen sich die Nachrichten und Kommentare.

    Die Leipziger Hauptkommissare Kroll und Wiggins saßen in ihrem Büro im Präsidium. Auch sie konnten sich den aktuellen Ereignissen nicht entziehen. Schon meldeten sich die ersten Experten und versuchten, die genauen Umstände des Unglücks zu erklären. Kroll erinnerte dies an den medialen Auftrieb nach der German-Wings-Katastrophe. Auch damals hatten alle Experten sofort eine plausible Erklärung parat, bis hin zu einem Abschuss durch die Russen, und als sich endlich herausgestellt hatte, dass ein depressiver Pilot sich selbst und die anderen Flugzeuginsassen absichtlich in den Tod gerissen hatte, stellte sich heraus, dass ausnahmslos alle Experten falschgelegen hatten. Würden die Menschen nie schlauer werden?

    Sie wurden aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür aufflog und Staatsanwalt Reis hereinstürmte. Zeit für eine Begrüßung war offensichtlich genauso wenig vorhanden wie für ein Anklopfen. Nichts Neues im Präsidium.

    »Ihr müsst sofort zur Absturzstelle.« Reis knallte eine Karte auf Krolls Schreibtisch. Mit einem roten Filzstift war die Stelle, an der das Flugzeug, oder besser gesagt das, was noch davon übrig geblieben war, lag, unübersehbar markiert. Der Staatsanwalt legte seinen wurstigen Zeigefinger auf die markierte Stelle. »Es ist hier. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Am Flughafen wartet ein gecharterter Privatjet auf euch. Er bringt euch nach München und von da aus geht es mit dem Dienstwagen der bayerischen Kollegen gleich ab zur Unfallstelle. Los, beeilt euch!«

    Kroll und Wiggins sahen sich ratlos an. Sie verstanden nur Bahnhof. Sie waren beide seit fast 20 Jahren im Dienst, aber dass ihnen ein Privatjet hingestellt wurde, hatten sie noch nie erlebt. Eher das Gegenteil: Die Staatsmacht sparte, wo sie nur konnte. Die Wahrscheinlichkeit mit dem Fahrrad nach München geschickt zu werden war größer, als auch nur eine halbwegs realistische Fahrtkostenabrechnung durchzubekommen. Und jetzt: ein Privatjet.

    Kroll versuchte seine Gedanken zu ordnen. »Gibt es denn überhaupt schon Anhaltspunkte für ein Verbrechen?«

    Die Antwort des Staatsanwaltes war knapp. »Es liegt ein unnatürlicher Tod vor, das reicht, um Ermittlungen aufzunehmen.«

    Natürlich hatte der Staatsanwalt recht, aber das rechtfertigte noch nicht diesen immensen Aufwand. Schließlich gab es ja auch in Bayern Polizisten.

    »Und der Privatjet? Den kriegen wir jetzt wohl immer?«, fragte Kroll.

    Der Staatsanwalt sah ein, dass es wohl einfacher war, seinen Polizisten die Umstände der Ermittlungsarbeit genauer zu erklären. »Dieser Fall wird die Medien wochen- oder sogar monatelang beschäftigen. Ihr wisst doch auch, dass die sächsische Justiz sich in der letzten Zeit nicht immer mit Ruhm bekleckert hat. NSU, al-Bakr und so weiter. Der Justizminister hat mich persönlich angerufen und mir klargemacht, dass man sich keinen weiteren Skandal mehr leisten könne. Ich solle meine besten Männer runterschicken und zwar sofort. Man will nicht warten, bis ihr nach sechs Stunden Autofahrt angekommen seid. Deshalb der Flieger. Er hat sogar schon mit seinem bayerischen Amts- und Parteikollegen gesprochen. Die Kollegen warten an der Unglücksstelle auf euch. Nicht einmal die Leichen werden abtransportiert, bevor ihr die gesehen habt.«

    »Aber was sollen wir denn da? Wir haben doch keine Ahnung von Flugzeugabstürzen. Wir sehen doch nur einen Haufen Schrott, mit dem wir nichts anfangen können«, wandte Wiggins ein.

    »Die Experten sind natürlich auch vor Ort.« Der Staatsanwalt machte eine kleine Pause und holte tief Luft. Er versuchte sich und seine Beamten ein wenig zu beruhigen. »Ich muss zugeben, dass es in dieser Sache ein paar Dinge gibt, die wirklich nicht zusammenpassen oder zumindest ein paar Fragen aufwerfen, die unbedingt beantwortet werden müssen. Insoweit kann ich die Vorsicht der Politik schon ein bisschen nachvollziehen.«

    »Als da wären?«, fragte Kroll.

    »Kurz vor dem Absturz hat die Maschine Icing, also Vereisung, gefunkt. Am Steuer saß ein erfahrener Pilot, der über 50 Jahre Flugerfahrung besaß. Die Piper hatte kein Enteisungssystem. Bei dieser Wetterlage war es schon fast Selbstmord, in diese Region zu fliegen. Warum haben die das gemacht? Die Maschine war in den USA zugelassen. Was hat das zu bedeuten? Und vor allem: Warum hat sich Dr. Hasenhaus nicht einfach in einen normalen Flieger gesetzt. Das wäre billiger und sicherer gewesen. Er wollte in Turin angeblich ein Tierbaby untersuchen. Warum dieser enorme Aufwand? Dafür braucht man keinen Privatflieger. Was hatte er zu verbergen?«

    So langsam verstanden Kroll und Wiggins, warum diese Angelegenheit aus Sicht der Politik von so großer Bedeutung war. Hasenhaus war der leitende Tierarzt des Leipziger Zoos. Er war bekannt für sein eher bescheidenes Familienleben. Bislang hatte er ein Flugzeug sicherlich nur für Urlaubs- und Dienstreisen benutzt. Und jetzt das – wirklich ungewöhnlich.

    Montagmittag

    Die dunkle Mercedes M-Klasse mit Allradantrieb erwartete die Polizisten gleich auf dem Rollfeld. Die Auswahl des Fahrzeuges ließ darauf schließen, dass das Wrack in einer nur schwer zugänglichen Gegend lag. Sie fuhren gut eine Stunde über die Autobahn, dann noch ein kleines Stück Landstraße, um schließlich in einen Waldweg abzubiegen. Die Gegend war schon von den naheliegenden Alpen geprägt. Es ging ständig bergauf und bergab, überall waren Felsen und Felswände, der Wald war dicht und dunkel. Der Wagen meisterte die Anforderungen, die das Gelände an ihn stellte, mit Bravour. Der Fahrer hatte Erfahrung, das war nicht zu übersehen.

    Die Absturzstelle befand sich in einer großen Lichtung, die vom grellen Licht der Mittagssonne durchflutet wurde. Das Wrack der Piper war nicht mehr als Flugzeug zu erkennen. Es war vollständig in sich zusammengestaucht, lediglich das noch einigermaßen intakte Heck und eine Tragfläche, die in 300 Metern Entfernung lag, ließen vermuten, dass der Schrotthaufen einmal ein intaktes Fluggerät war. Die Leichen lagen in 15 Metern Entfernung zum Flugzeug auf dem Boden. Sie waren mit einem Tuch bedeckt.

    Ein groß gewachsener, beleibter Mann und mit mächtigem Schnäuzer, kam den Kommissaren mit ausgestreckter Hand entgegen. »Grüß Gott. Ihr seids wohl die Kollegen aus Leipzig. Ich bin der Pahlhuber, Alois.«

    Kroll und Wiggins stellten sich vor, was der Kollege aus dem einzig wahren Freistaat jedoch nur beiläufig zur Kenntnis nahm. Kroll hätte schwören können, dass der Kollege ihre Namen schon wieder vergessen hatte.

    »Könnts ihr euch als Erstes scho ma die Leichen anschaun? Der Doktor will die mitnehmen. Die müssen jetzt langsam untersucht und vor allem gekühlt werden.«

    Kroll nickte.

    Pahlhuber ging strammen Schrittes voran. Als er die toten Körper erreicht hatte, zog er das Tuch mit blanken Händen nach vorne, sodass der Schädel der vorderen Person frei lag. Der Anblick war fürchterlich: Die rechte Schädelhälfte war weggeplatzt. Das Gehirn war aus der linken Hälfte herausgelaufen und verteilte sich auf dem Boden. In der linken Schädelhälfte steckten Glassplitter, Metallteile und Dreck. Das Auge fehlte. »Des is der Viecharzt«, bemerkte er emotionslos, so als hätte er gerade eine Postkarte gezeigt. Er zog das Tuch wieder über die Leiche von Dr. Hasenhaus und legte den Schädel des Piloten frei. Sein Kopf war noch vollständig erhalten, an der linken Seite befand sich eine große Platzwunde mit Fraktur der Stirnpartie. Die schräge Kopfhaltung ließ vermuten, dass das Genick gebrochen war.

    Kroll nickte und Pahlhuber zog das Tuch wieder über die Leiche. Die sterblichen Überreste wurden in Transportsärge gelegt und in die bereitstehenden Leichenwagen geschoben. Kroll sah sich um. Zahlreiche Mitarbeiter, er schätzte etwa 20, waren damit beschäftigt, Spuren zu sammeln und zu sichern.

    »Habt ihr schon etwas Auffälliges gefunden?«, fragte Kroll seinen Kollegen.

    »Für mi is der Fall eh klar. Der hat unser Wetter unterschätzt. Is ja nich der erste Fliaga, dens hier in de Gegend dabazt hat. Immer des Gleiche. Die Preußen trauen sich zu viel zu.«

    Wiggins ignorierte das Desinteresse des Kollegen. »Habt ihr irgendetwas gefunden, was einen Gewissen Wert hätte? Größere Geldmengen, Schmuck, Gold oder so etwas Ähnliches?«

    »Nix.«

    »Zeig mir doch bitte einmal das Gepäck.«

    Pahlhuber musste nicht lange suchen. In unmittelbarer Nähe der Leichen lagen ein Pilotenkoffer und zwei Reisetaschen. »I hab mi schon alles angschaut. Nichts Ungewöhnlichs. In dem Pilotenkoffer sind nur Kardn. In de Tasch Woäsche für einen Tag und Waschzeig.«

    Kroll und Wiggins zogen sich Latexhandschuhe an und untersuchten den Inhalt des Koffers und der Taschen. Die Angaben des Kollegen schienen zu stimmen. Etwas Außergewöhnliches fanden sie zumindest nicht.

    »Bringt ihr die Sachen nach Leipzig?«, fragte Kroll schon eher bestimmend.

    Pahlhuber zuckte mit den Achseln. »Freili.«

    Die Leipziger Kommissare sahen sich das Wrack näher an. Sie konnten nichts Auffälliges entdecken. Etwas anderes hatten sie auch nicht erwartet, sie waren eben keine Experten für Flugzeugunfälle.

    Kroll und Wiggins sahen sich ratlos an. Es war genau die Situation eingetreten, die sie vorausgesehen hatten. Was sollten sie hier? Sie waren zu nichtinformierten Handlangern der Politik geworden. Morgen würde in der Zeitung stehen, dass die sächsische Justiz ihre erfahrensten Spezialisten sofort zur Absturzstelle geschickt hatte, um die Umstände des Unglücks restlos aufzuklären und um auch nur dem leisesten Verdacht einer Straftat nachzugehen. Aber so war das nun einmal. Sie waren Beamte, also Staatsdiener. Noch nie waren sie sich dieser Funktion so ungefiltert bewusst geworden.

    »Schauen wir uns einmal in der Gegend um«, schlug Kroll vor. »Vielleicht entdecken wir ja etwas Ungewöhnliches.«

    Wiggins hatte wenig Hoffnung, aber er hatte auch das dringende Bedürfnis, ihr teures Dasein irgendwie zu rechtfertigen. Außerdem mussten sie noch einen Bericht schreiben, der sicherlich auch von den höchsten politischen Würdenträgern gelesen werden würde. Und da machte es sich einfach gut, wenn sie wenigstens ein bisschen sinnvolle Arbeit vortäuschen würden.

    Sie sahen sich um. Sie standen in der weiten Lichtung. Das Wrack lag in der Mitte der großen unbewaldeten Fläche. Es machte keinen Sinn, Untersuchungen im Waldgebiet anzustellen. Das Gelände war wegen des dichten Bewuchses mit Bäumen und Sträuchern derart unzugänglich, das dort mit Sicherheit keine Spuren zu erwarten waren. Die hügelige Landschaft tat ihr Übriges. Sie entschieden sich dazu, in immer größer werdenden Kreisen um das Flugzeug herumzugehen. Eher gelangweilt nahmen sie ihren spiralförmigen Weg auf. Sie redeten über Belanglosigkeiten, um ihren Frust zu überspielen. Die Polizisten waren aber Profi genug, um den konzentrierten Blick auf den Boden nicht zu verlieren. Schritt für Schritt. Runde für Runde. Die bayerischen Kollegen würden sich bestimmt schon über sie lustig machen. Zwei sächsische Polizisten drehen sinnlose Runden, um ein offensichtlich verunglücktes Flugzeug zum Anlass zu nehmen, den Solidaritätszuschlag zu rechtfertigen, mit dem die Bayern gefühlt alleine die ehemalige DDR finanzierten. »Die gnießen die guade bayerische Luft, bevor sie wieder diesen Braunkohle­nebel einatmen müssen«, glaubte Wiggins gehört zu haben.

    Plötzlich hielt Wiggins an und fasste Kroll an den Arm. »Was ist das denn?« Er zeigte seinem Kollegen zwei Abdrücke, die sich tief in die Erde gedrückt hatten. Im Boden sahen sie zwei Vertiefungen, von ungefähr fünf Metern Länge. Deren Breite war circa 30 Zentimeter, der Abstand so um die zwei Meter. Die Kanten der Eindrücke waren scharf. Dies war ein sicheres Zeichen dafür, dass die Vertiefungen noch nicht alt sein konnten. Es waren Abdrücke in einem unbefestigten Boden. Der Wind und der Regen hätten das Gelände in kurzer Zeit wieder eingeebnet.

    »Was ist das?«, fragte Wiggins.

    Kroll musste nicht lange überlegen. Er kannte sich mit sämtlichen Fortbewegungsmitteln seines Arbeitgebers zu Land, zu Wasser und in der Luft bestens aus. »Hier ist ein Hubschrauber gelandet, und das ist noch gar nicht so lange her.«

    »Scheint so, als würde unser Einsatz hier auf einmal einen Sinn bekommen«, bemerkte Wiggins in einer Mischung aus Zufriedenheit, Anspannung und Ironie.

    Kroll nahm die Bemerkung seines Kollegen nur unbewusst wahr. »Hier sind Schuhabdrücke. Vermutlich von Springerstiefeln.«

    Jetzt, als sie wussten, wonach sie suchen mussten, ergab sich ein klares Bild. Es waren deutliche Schuh­abdrücke neben dem Abdruck der rechten Kufe zu erkennen. Mehr nicht.

    »Eine Person ist aus dem Hubschrauber gesprungen. Die Wucht des Aufpralls hat die Erde eingedrückt. Dann ist er bestimmt in Richtung der Piper gelaufen. Da finden wir jetzt keine Abrücke mehr. Dafür ist der Boden zu hart.«

    Sie eilten zu Pahlhuber und bestanden darauf, dass in der Umgebung der Landestelle des Hubschraubers sämtliche Spuren untersucht und sichergestellt werden. Kroll verlangte, dass Leichen- und Drogenspürhunde eingesetzt werden. Den zaghaften Widerspruch des bayerischen Kollegen würgte Kroll mit dem Hinweis ab, dass er die Ermittlungen leite, und dass die Sache politisch hochbrisant sei.

    »Schleichts euch!«, waren seine letzten Worte, und Kroll überlegte kurz, ob er sich in dieser Fremdsprache richtig ausgedrückt hatte. Wahrscheinlich nicht. Sie machten sich mit einer kurzen, höflichen Verabschiedung wieder auf den Weg nach Leipzig.

    Montagabend

    Der SUV brachte die Kommissare nicht zum Flughafen zurück, sondern zum Hauptbahnhof in München. Die Justiz hatte wieder in den alten Sparmodus zurückgeschaltet. Kein Wunder. Kroll

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