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Das Schwert des Sandruv: Darkhanium Band 1
Das Schwert des Sandruv: Darkhanium Band 1
Das Schwert des Sandruv: Darkhanium Band 1
eBook379 Seiten5 Stunden

Das Schwert des Sandruv: Darkhanium Band 1

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Über dieses E-Book

Ein verstossener Minotaurenclan wird im tiefsten Winter überraschend von einem grossen Heer fliegender Krieger angegriffen, das von einem ominösen Zauberer unterstützt wird, dessen Kräfte gewaltig sind. Den kriegerischen Minotauren droht das Verderben, und nur das heilige Schwert ihres Kriegsgottes Sandruv, das seit zweieinhalbtausend Jahren verschollen ist, kann den Clan noch vor dem Untergang bewahren. Doch es besteht Hoffnung, denn die beiden jungen Anführer der Stiermenschen. zwei Brüder, tragen seit der Geburt geheimnisvolle Tätowierungen auf sich, mit deren Hilfe das Schwert angeblich gefunden werden kann. Und so bricht eine kleine Gruppe inmitten von Tod und Verwüstung zu einer verzweifelten und ungewissen Suche auf, um die legendäre Waffe zu bergen, verfolgt von einem grauenhaften Wesen, welches mit machtvoller Magie bereits während der Schlacht für Unheil und Zerstörung gesorgt hat!
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum5. März 2018
ISBN9783740735326
Das Schwert des Sandruv: Darkhanium Band 1
Autor

Peter Bur

Geboren am 20. Oktober 1982 in Biel in der Schweiz. Seit 2016 verheiratet und wohnhaft in Ipsach, nahe Biel. Schreibt seit 1998 nebenberuflich und mit wachsendem Eifer an seinem gewaltigen Fantasy-Epos Darkhanium, einem Werk, dessen Umfang ihm wohl noch ein ganzes Leben an Schreibartbeit abverlangen wird - oder vielleicht auch zwei.

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    Buchvorschau

    Das Schwert des Sandruv - Peter Bur

    Impressum

    Kapitel 1

    Er näherte sich dem flackernden Licht, spürte einen Hauch von Wärme, der ihm wie ein dünner Schleier entgegenwehte, ihn sanft umspülte. Er wurde davon eingewebt, wie in eine große Wolldecke, die sich um seinen mächtigen Körper wand. Ein wohltuender Schauer der Behaglichkeit lief ihm den Rücken herab. Er schüttelte sich. Die Wärme durchdrang seinen Körper, gleich einem feurigen Fluß, erfüllte ihn mit neuer Kraft. Seine versteiften Knochen begannen aufzutauen, verloren die frostige Umklammerung.

    Mit schnellen Schritten ging er weiter, tauchte tiefer in den düsteren Tunnel hinein, denn die Kälte des herrschenden Winters gefror jedes unachtsame Lebewesen, das sich zu lange in seinen eisigen Krallen aufhielt.

    Der Sturm tobte in wilden Verwirbelungen; der Schnee fiel in dichten Vorhängen aus Eiskristallen vom dunkelgrauen Wolkenhimmel hernieder und legte einen dicken, weißen Teppich auf die Landschaften des Galoorgebirges. Alles, was nicht gegen die klirrende Kälte gefeit war, erfror kläglich im eisigen Hauch.

    Die mächtigen Böen des peitschenden Sturmwindes sangen ein klägliches Lied, das heulend die unebenen Wände des zwielichtigen Tunnelganges erbeben ließ. Die schweren Schneeflocken schossen, vom kräftigen Atem getrieben, im rasenden Durcheinander aus den walzenartigen Wolkenbäuchen.

    Blackflash haßte den Winter. Nicht weil er kalt und rau war, sondern weil der dichte Schneefall die meisten Vorhaben vereitelte. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle. Er ging weiter, ließ das tosende Wetter hinter sich und betrat langsam das Warme. Eine kalte Brise, die durch den Höhleneingang ins Innere strömte, ließ das schimmernde, orangene Licht, welches an den kahlen Felswänden reflektiert wurde, aufflackern.

    Sein mächtiger, dunkler Schatten tanzten mit dem Feuerschein, als er den langen Felsengang entlang marschierte. Der kahle Steinboden war von dreckigen Wasserpfützen aus geschmolzenem Schnee übersät, die sich in einigen Vertiefungen gebildet hatten und den üblen Eindruck einer feuchten Unterkunft vermittelten. Seine Hufe hallten laut an den nackten, dunklen Steinen wieder, wurden von den Wänden mehrfach zurückgeworfen.

    Etwas weiter vorn öffnete sich der lange Tunnel und mündete in eine gewaltige Höhle, deren hoch gewölbte Decke vom Schein der Flammen nicht mehr erreicht werden konnte und von schwarzen Schatten bedeckt war.

    Blackflash, der von seinem Rundgang um den Tafelberg zurückkam, schüttelte die zarte weiße Schneeschicht ab, die seinen kräftigen Körper wie ein Hemd bedeckte. Eilig betrat er nun die riesige Höhle, die als Zentrum aller Tätigkeiten seines Clans fungierte, suchte die Nähe der wärmenden Flammen.

    Die Aushöhlung war gewaltig und bot Hunderten Minotauren Platz zum Essen, Reden, ja sogar Kämpfen, der Grundlage des minotaurischen Daseins. Zahlreiche Lagerfeuer brannten im Innern der Höhle, der Geruch verbrannten Holzes drang in seine gewaltigen Nüstern. Um sie herum saßen die Krieger, speisten und berichteten von ihren Heldentaten. Das laute Gelächter und die tiefen, kräftigen Stimmen der Stiermenschen vermischten sich mit dem metallenen Klingen einiger gekreuzter Schneiden zu einem festlichen Getose.

    Obwohl der gewaltige Hohlraum im Berg als Wohn- und Lebensraum genutzt wurde, befanden sich praktisch keine dekorativen Gegenstände darin. Bis auf einige mit Knochen und zerschlissenen Tüchern verzierte Standarten, Waffengestelle und Kriegstrophäen war die Höhle karg und leer, nur nackter, kalter Fels. Mehr brauchte ein wahrer Minotaurenkrieger auch nicht, denn sein Herz schlug allein für Ehre, Ruhm und Krieg.

    Auch einige junge Kälber tollten zwischen den flammenden Stellen herum und jagten sich gegenseitig, oder balgten sich in harmlosen Kämpfen. Die völlig überforderten Leihmütter bellten den Kleinen hinterher und versuchten, sie vor größeren Gefahren abzuhalten. Doch da auch die älteren Krieger sich an solchen Aktivitäten erfreuten, half jede Drohung nichts.

    Es gab auch ruhigere Minotaurenkinder, die sich an die Feuer zu den Erwachsenen setzten und einigen Veteranen beim Geschichtenerzählen zuhörten. Dadurch lernten sie viel für ihr späteres Leben als mutige, ehrenvolle Kämpfer.

    In der Mitte des riesigen Raumes, in einer tiefen Senke, knisterte das größte Feuer. Seine gelborangenen Flammen waren mannshoch und tanzten im Takte des Schlachtliedes, welches einige Krieger aus voller, stolzer Brust sangen. Sein warmer Schein verbreitete seinen Glanz weit über den staubigen, kargen Boden.

    Blackflash stieg die steinerne Erhöhung zum Höhlenbecken hinunter, wollte sich am mächtigen Feuer erwärmen. Der übriggebliebene Schnee auf den breiten Schultern des Minotaurs schmolz im Angesicht der Flammenhitze rasch dahin.

    Vor dem besagten Feuer, mit dem Rücken zum Eingang hockten drei Stiermenschen und unterhielten sich beim Essen. Zwei davon waren eher klein und schmächtig, trugen um die schlanken Schultern die violetten Umhänge der Schamanen; der dritte war ein kräftiger Krieger. Blackflash kannte diese drei unterschiedlichen Gestalten sehr gut. Erfreut ging er auf sie zu und blieb neben ihnen stehen. Sein gewaltiger Stierschädel neigte sich, damit er auf die sitzenden Minotauren niederschauen konnte.

    Sie alle unterbrachen ihr Gespräch, als sich der mächtige Blackflash zu ihnen gesellte, und blickten verwundert den Neuankömmling an. Einer der Minotauren, der muskulöse Krieger, erhob sich und packte grinsend die Schultern Blackflashs mit seinen großen Händen.

    „Bruderherz, endlich stößt du zu uns! sprach der Minotaur mit tiefer, klangvoller Stimme. „Komm, setz dich zu uns. Tearsdoor hat wichtige Neuigkeiten.

    Blackflash streifte den großen Fellmantel ab, der ihn draußen gegen die klirrende Kälte geschützt hatte, und warf ihn auf den Boden. Darunter präsentierte sich der hühnenhafte Stiermensch in erstaunlich geringer Gewandung. Sein Unterleib war bloß mit einem langen, blutroten Lendenschurz bekleidet. Er trug einen breiten, schwarzen Ledergürtel mit goldener Schnalle um die Hüften, an dem eine Reihe brutal geformter Waffen hingen. Sein muskulöser Oberkörper war bis auf zwei mächtige, übers Kreuz gelegte Schultergürtel und grobschlächtige, goldene Armreifen um die Handgelenke nackt. Auf Rücken und Brust trug er weitere gefährliche Waffen, von denen das imposante Schwert mit den zwei Klingen die beeindruckendste war. Eine schwere goldene Kette, an der ein kleiner Schädel hing, zierte seinen breiten Nacken. Das dichte, kurze Fell, schwarz wie die nächtliche Finsternis, das seinen gesamten Körper bedeckte und von zahlreichen verschnörkelten Schmucknarben übersät war, verhinderte das Eindringen von Kälte; er behielt so meist warm und blieb vor den Launen des Wetters weitgehend geschützt. Große goldene Ringe, die nicht minder glänzten als die Halskette, zierten die Stierohren. Als großer Kontrast zur dunklen Fellfarbe besaß Blackflash einen hoch aufragenden, weißen Haarkamm, der in der Mitte seines Kopfes entsprang.

    Stormwind griff sich rasch einen leeren Becher auf dem abgeflachten Stein hinter seinem Rücken und goß dampfenden minotaurischen Glühwein aus einem Krug hinein. Er überreichte den Kelch seinem älteren Bruder, bevor er sich seinen ebenfalls füllte.

    Blackflash, der gut um einen Kopf größer war als Stormwind, nahm den Becher dankbar an sich und schüttete den roten Inhalt die trockene Kehle hinunter. Die stark alkoholische Flüssigkeit brannte wie Feuer den Hals herab und erwärmte die erkühlten Glieder. Mit einem donnernden Schnauben schüttelte er seinen Kopf und schmetterte den verbeulten Kelch auf den Felstisch. Dann packte er grinsend den großen Krug und goß erneut Glühwein in seinen leeren Becher.

    Die beiden Minotauren sahen sich trotz ihrer engen Verwandtschaft überhaupt nicht ähnlich. Während Blackflashs Fell schwarz wie die Nacht war, strahlte Stormwinds in absolutem Weiß. Ihr Körperbau war ebenfalls unterschiedlich. Während Blackflash groß und überaus kräftig war, lag Stormwind bloß im Durchschnitt, was Körpergröße und Muskelmasse betraf. Aber trotz aller Unterschiede waren sie unzertrennlich und ergänzten sich als junge Clanführer perfekt.

    Stormwind war ebenfalls ein gefürchteter Krieger, was unschwer an den zahlreichen, groben Waffen zu erkennen war, die überall an Gürteln und Riemen an seinem Körper befestigt waren. Die dunkelblaue, ärmellose Weste und der lange Lendenschurz in derselben Farbe schimmerten mystisch im tanzenden Lichte des Feuers. Verstärkt wurde dies durch die beiden schwarzen Gürtel – der größere lag quer über der tätowierten Brust – , die sich klar in ihren dunklen Schattierungen vom hellen Fell des Stiermenschen abhoben. Ähnlich seinem Bruder, wuchsen Stormwind drei schwarze Haarkämme auf dem Kopf. Seine waren aber weit kleiner, als derjenige Blackflashs.

    Beide Brüder trugen seit ihrer Geburt seltsame Tätowierungen im Gesicht, die sich von denen, die sie während der Kriegerweihe erhalten hatten, irgendwie unterschieden. Niemand, auch nicht der alte und weise Schamane Hammer, konnte ihre Bedeutung genau erklären. Man wußte nur, dass sie ein Omen des großen Kriegsgottes Sandruv waren, und versuchte sie zu entschlüsseln, was bisher jedoch erfolglos blieb.

    Blackflash trug seine Tätowierung um das rechte Auge. Sie war blutrot und ähnelte einem seltsamen Schwert. Stormwinds Exemplar war wesentlich gewaltiger. Sie erstreckte sich über sein ganzes weißes Gesicht und bestand aus unzähligen geheimnisvollen Symbolen, die mit einer Unmenge von Linien verbunden waren. Das Gesichtsbild glich einer uralten Karte, welche ein Geheimnis beinhaltete, das noch niemand kannte.

    Die Luft in der gewaltigen Höhle war heiß und stickig, roch nach würzigem Fleisch, Rauch und starkem Feindesblut, wie der Glühwein genannt wurde. Die Atmosphäre verriet Ruhe und Gelassenheit, was für Minotauren gleichbedeutend mit Langeweile war. Seit ihrer letzten glorreichen Schlacht, die eher einem kleinen Gemetzel als einem ehrenvollen Kampf gleichgekommen war, waren bereits drei Wochen des Nichtstun vergangen. Aber in dieser Jahreszeit war in der Gegend um das Galoorgebirge ohnehin nicht viel los, da Schnee und Frost die härtesten Kämpferseelen einfroren. Kein Gegner wagte es während des Winters in die Gipfel des Gebirges aufzusteigen, um die Minotauren herauszufordern, und da im Winter die Felderträge der benachbarten menschlichen Bauerndörfer ausblieben, lohnte sich auch kein Überfall.

    Während der ganzen Zeit gab es nichts anderes zu tun als sich in den hohen Gipfeln mit dem Jagen von Bergziegen und Wolllöwen oder dem hemmungslosen Besaufen mit Glühwein die Langeweile auszutreiben. Auch gelegentliche Raufereien und die eher harmlosen Waffenduelle vermochten ihnen nicht die Befriedigung zu geben, die ihnen eine echte Schlacht vermittelte. Da halfen auch die abenteuerlichen Geschichten der Veteranen nichts.

    Die zwei Brüder ließen sich neben den beiden schmächtigen Schamanen nieder, die sie ruhig und eindringlich betrachteten. Einer von ihnen war Hammer, der bereits mehr als neunzig Jahre auf seinem Buckel trug. Er war der Lehrer und Mentor der anderen Schamanen, verkörperte den weisen, ruhigen Pol zwischen den vielen groben Kriegern und jungen Hitzköpfen. Sein zottiges Fell war grau, genau wie die alten, gutmütigen Augen. Er hatte nur ein Horn – das andere war ihm vor langer Zeit in einem Kampf abgebrochen worden. Er trug eine einfache braune Tunika, die mit einem schlichten Lederriemen, an dem viele Beutel hingen, gegürtet war. Über den knochigen Schultern lag der violette Umhang.

    Hammer begann mit seiner heiseren, alten Stimme zu sprechen, nachdem die Brüder sich gesetzt hatten. „Gut, endlich sind wir alle vereinigt, meinte der dünne Schamane. „Tearsdoor hat wichtige Neuigkeiten vom legendären Sandruvschwert. Sie werden euch bestimmt überraschen.

    Stormwind verdrehte genervt die Augen. „Nicht schon wieder!" stöhnte er leise. Er nahm daraufhin einen kräftigen Schluck.

    Hammer vernahm das Gemurre des jungen Kriegers und zog wütend die Augenbrauen zusammen. „Darf ich um Ruhe bitten! Es geht hier um das wichtigste Artefakt der minotaurischen Geschichte, das seit Urzeiten verschollen ist und von allen legendären Abenteurern gesucht, aber nie gefunden wurde. Aber das solltet ihr doch eigentlich wissen", grollte der Schamane erzürnt.

    „Ja, wir wissen es zur Genüge. Du erzählst uns beinahe jeden Tag von der alten Legende, um das heilige Schwert, das dem minotaurischen Feldherrn Taurus gehörte, der während der sagenhaften Schlacht um Pax Altorosh sein glorreiches Leben im Kampf ließ. Ich weiß, dass du es schon dein Leben lang suchst. Aber ich glaube nicht mehr daran, dass es je existiert hat", kommentierte Stormwind dunkel.

    „Schweig endlich still! krächzte der Schamane wütend. „Es ist von enormer Wichtigkeit, daß ihr beide jede Information von dieser großen Waffe erhaltet. Obwohl ich schon seit langem in meinen Studien festhocke und keine weiteren Rätsel zu lösen vermag, die den Standort des Schwertes verraten könnten, bin ich mir ziemlich sicher, daß dieses Artefakt ganz in unserer Nähe verweilt. Wir müssen es finden, um wieder von den anderen Clans anerkannt zu werden.

    „Hammer, ich schätze dein Vorhaben sehr unserem Clan wieder die Anerkennung zu verleihen, die ihm gebührt. Ich will auch wieder zurück ins Shitadgebirge, zurück zu unseren Wurzeln, aber ich kann nicht glauben, daß das Schwert uns dies gewährt. Zudem: Wieso sollten gerade wir es finden, wo doch unsere größten Helden der Vergangenheit, dies schon vergeblich versuchten?" konterte Stormwind mit erhobener Stimme.

    „So schweig endlich, dann weißt du es!" brüllte Hammer völlig aufgelöst. Der alte Schamane kam vor lauter Aufregung in Atemnot. Mit keuchendem Husten und japsendem Stöhnen rang er nach Luft.

    Tearsdoor fuhr hastig aus ihren Gedanken auf und legte ihre Arme sanft um den verkrampften Körper ihres Meisters. Sie half ihm wieder ruhig zu atmen und sich zu entspannen, während sie einen erbosten Blick in Richtung des weißen Kriegers warf.

    Stormwind wandte seine blauen Augen ab. Da auch sein älterer Bruder ihn scharf musterte, begriff er, daß er mit seinem Protest einen Fehler gemacht hatte, und schwieg, auch wenn er seine Meinung keineswegs änderte.

    Nachdem sich der keuchende Husten gelegt hatte, nahm Hammer geschwächt einen Schluck aus seinem rauchenden Teebecher. Seine Mimik verriet deutlich, dass er noch wütend auf den jungen Krieger war, denn seine grauen Augen glänzten fiebrig. Doch dann übergab er mit einem entspannten, freundlichen Gesicht seiner Schülerin und Adeptin das Wort.

    Tearsdoor lächelte etwas schüchtern. Sie erhob sich und ließ den Blick über die beiden Brüder gleiten. Blackflash sah entspannt und neugierig zu ihr auf. Stormwind beachtete sie gar nicht. Er betrachtete grollend den kargen Boden, wollte immer noch nichts von der Geschichte hören.

    Tearsdoor war ziemlich nervös, was ihre hastigen Bewegungen deutlich machten. Sie fürchtete sich irgendwie vor den nun wiederkehrenden Erinnerungen, die ihr wie ein seltsamer Alptraum im Kopf herumgeisterten. Ihr rötlichbraunes, sanftes Fell glitzerte im Schein der Flammen, als sie den Kopf zu Hammer drehte, um noch einmal eine Bestätigung einzuholen. Der alte Schamane nickte ihr stillschweigend zu.

    „Als ich heute morgen, bevor der Schneesturm anbrach, im Seelental meinen allmorgendlichen Übungen nachgegangen war, begegnete mir eine seltsame Person. Sie war vollkommen von einem grünen Umhang vermummt, so, dass ich ihr Gesicht nicht erkennen konnte, und ritt auf einem Pferd, einem dieser seltsamen Tiere, welche die Menschen für die verschiedensten Dinge verwenden und große Ähnlichkeit mit den Leibern der Zentauren haben. Vermutlich war die Person ebenfalls menschlich, aber ich kann es beim besten Willen nicht sagen."

    Tearsdoor machte eine kurze Pause, in der sie gedankenverloren in die gewaltigen Flammen des Feuers starrte, die ihren Körper, ihren Mantel, das blaue Hüfttuch und das rote, bauchfreie Oberteil sanft beleuchteten.

    „Diese kapuzenverhüllte Person besaß eine unglaubliche magische Ausstrahlung, die mir die Sinne vernebelte. Ich hatte das Gefühl, daß ich träumte, war aber vom Gegenteil überzeugt. Die seltsame Gestalt blieb vor mir stehen und sprach mich an." Tearsdoor stockte ein zweites Mal, war etwas verängstigt und überrascht. Ihr Mund bebte. Sie wußte nicht recht, wie sie weiterfahren sollte.

    Als sie schließlich wieder Worte fand, klang ihre Stimme zittrig und schwach. „Der Fremde kannte meinen Namen, wußte wer ich bin, obwohl ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte; ich kenne keine Menschen. Er sagte mir in der Minotaurensprache, dass er wüßte, wo das Schwert des Sandruv versteckt sei. Ich war dermaßen begeistert, dass ich erst nicht realisierte, was er mir erzählte. Er gab mir nur einige kleine Hinweise und nannte eure Namen. Er sagte, dass eure Tätowierungen den Weg beschreiben, nur müssten wir die Zeichen erkennen. Als ich meine Augen nach einem inneren Jubelschrei wieder öffnete war er spurlos verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

    Ich war außer mir vor Begeisterung und zugleich verwirrt. Diese Nachricht war bedeutungsvoll, der ganze Vorfall jedoch äusserst merkwürdig. Hammer und ich stecken schon seit langer Zeit am selben Fleck. Wir standen kurz davor, die Hoffnung aufzugeben, das Geheimnis um das Versteck des Schwertes zu lösen – bis heute. Ich bemerkte erst, als ich zurückeilte, wie unheimlich dieses Treffen war. Und jetzt fürchte ich mich fast davor, wenn ich daran zurückdenke. Er war so mystisch...ich..."

    Ihre sanfte Stimme brach zitternd ab. Die Begegnung mit der seltsamen Gestalt spukte ihr noch immer heftig im Kopf herum. Tearsdoor fragte sich besorgt, woher der Mensch ihren Namen kannte, woher er wußte, nach welchem Artefakt sie suchten? Konnte sie ihm vertrauen? Sprach er die Wahrheit?

    Die beiden kräftigen Brüder, die der Schamanin gebannt zugehört hatten, starrten sich gegenseitig an. Stormwind strich sich erstaunt mit der Hand über sein tätowiertes Gesicht. War seine angeborene Gesichtszeichnung wirklich die Karte, die den Weg zum Sandruvschwert wies? War sie ein Zeichen des Kriegsgottes, der wollte, daß die Waffe endlich gefunden wird? Waren er und sein Bruder die Auserwählten? Der weiße Minotaur packte ehrfürchtig ein metallenes Amulett, das er um den Hals trug, umschloss es fest mit seiner mächtigen Hand.

    Blackflash dagegen blieb eher ruhig sitzen. Er zeigte keine solch heftige Reaktion wie sein Bruder. Nur die geweiteten Augen verrieten seine Überraschung. Der große Kämpfer verstand die ganze Geschichte nicht vollständig, und daher gab es keinen Grund, unruhig zu werden.

    Der alte Hammer, der den Bericht nicht zum ersten Mal gehört hatte, strich sich über sein langes Kinnbärtchen und überlegte. Obwohl er nur eine mündliche und ungenaue Beschreibung der verhüllten Person erhalten hatte, kam sie ihm bekannt vor. Er fand aber keinen Anhaltspunkt, wo er sie schon einmal getroffen haben könnte, und war nicht vollständig von seinem Gespür überzeugt. Doch das Gefühl der Vertrautheit lag wie ein Schleier in der Luft, füllte seine Gedanken.

    Nach einem kurzen Augenblick stand der Schamane mühsam auf. Er musste sich an seinem schlichten und doch prächtigen gewundenen Magierstab hochziehen, um seinen altersschwachen, ermüdeten Körper zu erheben. Dann kam er langsam und schlurfend auf den jungen Minotaurenkrieger zu, der fest sein Amulett hielt.

    „Erlaube mir, dein Gesicht wieder einmal zu studieren, Stormwind. Ich hoffe, dass ich die seltsamen Symbole endlich entziffern kann. Ich habe schon von Anfang an vermutet, dass ihre Bedeutung von göttlicher Wichtigkeit ist; aber dass sie den Weg zum Versteck des Sandruvschwertes weisen würden, hätte ich nie zu träumen gewagt", sagte Hammer freundlich und entspannte sein altes Gesicht zu einem Lächeln. Sein Zorn, den er auf den jungen Stiermenschen gehegt hatte, war nun verflogen. Stormwinds Tätowierung war viel wichtiger als der harmlose Streit um Artefakte und Legenden.

    „Sicher, Hammer", entgegnete der Krieger leise. Obwohl er nicht alles begriff, interessierte er sich auf einmal für die Forschungen des alten Schamanen. Da er nun selber in hohem Masse von der Angelegenheit betroffen zu sein schien, wrikte das ganze Gerede um die heilige Waffe auf ihn wesentlich aufregender und ungleich spannender.

    Der alte Magier legte sein ganzes Gewicht auf den Stab mit der wunderbaren runden Kristallkugel auf der Spitze und beugte sich ächzend nach vorn. Sein hohes Alter übte längst schlimme Wirkungen auf ihn aus. Jede einzelne Bewegung tat dem Stiermenschen weh. Sein müdes Gesicht verzerrte sich in schmerzerfüllten Linien. Aber er wollte sich unbedingt die geheimnisvolle Tätowierung des weißen Minotaurenkriegers ansehen und verdrängte den stechenden Schmerz im gebeugten Rücken.

    Seine alten grauen Augen überflogen neugierig die dunkelbraunen Linien auf Stormwinds Gesicht, die sich zu verschnörkelten und gezackten Symbolen verbanden. Er musterte die vielen Zeichen, die stark an die alten Runen der minotaurischen Schrift erinnerten, aber doch fremd und geheimnisvoll waren. Was bedeuteten sie? Was stellten sie dar?

    Aber Hammer kam nicht dazu, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Kaum hatte er sich zu Stormwind hinbegeben, da erscholl ein lauter Ruf. Das tiefe, kehlige Grollen breitete sich hallend in der gewaltigen Höhle aus.

    Die Krieger sprangen auf und griffen instinktiv nach ihren Waffen. Dieser dumpfe Schrei klang in ihren Ohren nach einer Warnung, und jede Warnung roch förmlich nach dem lang ersehnten Kampf.

    Hammer zuckte erschrocken zusammen, und Stormwind riss seine geschlossenen blauen Augen auf. Die Hand des weißen Stiermenschen fuhr an den harten Griff seines Streitkolbens.

    „Was war das?" keuchte Tearsdoor nervös. Sie richtete sich auf und glotzte in Richtung des Höhleneingangs. Ihre warmen hellbraunen Augen waren vor Furcht weit aufgerissen.

    Blackflash, der seinen Becher Glühwein fallengelassen und sich im Gegenzug die Handaxt an seiner Hüfte gegriffen hatte, packte die junge Schamanin am Arm. „Bring dich in Sicherheit! Hier stimmt etwas nicht", stellte der gewaltige Krieger fest. Seine donnernde Stimme konnte der tiefen Dunkelheit eines Felsschlundes trotzen. Seine Aufmerksamkeit galt dem Eingang, auf den er seinen starren Blick gerichtet hatte.

    Eine große Gestalt drängte sich torkelnd aus den Schatten des steinernen Torbogens. Sie war kräftig und trug zwei gewaltige Hörner auf dem Kopf. Auch sie war schwer bewaffnet und hatte prächtige Tätowierungen am ganzen Oberleib, wie jeder Krieger seines Clans.

    Der schwankende Minotaur ließ die gewaltige Lanze aus seinen kräftigen Händen gleiten und strauchelte schnaubend auf die beiden Clanführer zu. Er überschlug sich beinahe, als er den staubigen Abhang herunterwankte. Sein lautes Röcheln eilte ihm voraus. Mit einer Hand hielt er seine kräftige Schulter; aus den Fingerspalten sprudelte dunkelrotes Blut, das zu Boden tropfte. Sein Gesicht blieb jedoch düster und grimmig, wies keine Linie des Schmerzes auf.

    Vor den Füßen Blackflashs fiel der Minotaurier auf die Knie und starrte den schwarzen Krieger aus glasigen Augen an. „Wir werden angegriffen", meldete er mit versagender Stimme. Er kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an. Obwohl das Blut nur in Strömen über sein helles Fell sudelte, richtete sich der Krieger wieder in unbändigem Stolz auf. Er durfte vor seinem Führer keine Schwäche zeigen, sonst würden Schande und Ungnade seine ständigen Begleiter sein. Er war ein Krieger, Schmerz und Leid waren ihm unbekannt.

    Ein flüchtiger Blick des alten Schamanen genügte, um die frische Wunde an der Schulter des Wächters zu erkennen. Er drängte sich an den Brüdern vorbei und berührte das hellbraune Fell des Verletzten. Dieser machte keinen Wank, als die knochige Hand ihn packte. Noch immer wiesen seine Augen nicht das geringste Anzeichen von Qual auf; nicht die Spur eines entsprechenden Gefühls ließ sich in ihren blauen Tiefen erkennen.

    „Wer wagt es, uns anzugreifen, Deep Sea?" brüllte Blackflash. Doch der Wächter konnte ihm diese Frage nicht mehr beantworten. Er verlor aufgrund des hohen Blutverlustes das Bewusstsein und fiel keuchend zusammen.

    Die anderen Krieger, die nicht wußten, was geschehen war, wurden unruhig. Sie begannen in Kampfeslust zu schnauben und versammelten sich um die Clanführer.

    Stormwind reagierte auf seine Clangefährten und schrie eine Warnung. „Wir werden angegriffen! Arbeiter, Leihmütter und Kälber sollen sich in Sicherheit bringen! befahl er. „Los, verschwindet!

    Von leichter Panik ergriffen, verkrochen sich die wenigen nichtkriegerischen Minotauren in den endlosen Tunnelgängen und Nebenhöhlen, die tiefer ins Berginnere führten. Schon bald war von ihnen nicht mehr die geringste Spur auszumachen.

    Bei den unzähligen Kriegern anderseits brach helle Begeisterung aus, die sich in Jubel und freudigen Ausrufen manifestierte. Auch wenn keiner wußte, wer, wie oder warum sie angegriffen wurde, zitterten ihre gewaltigen Körper in der drängenden Lust, das Blut des Feindes in einem wilden Gefecht zu vergießen.

    Die beiden Brüder Blackflash und Stormwind ließen den alten Schamanen den Wächter Deep Sea verpflegen und widmeten sich den unruhigen Kämpfern, die es nicht abwarten konnten, in die Schlacht zu ziehen. Sie teilten die Streitmacht untereinander auf, bildeten zwei große Gruppen und gaben erste Befehle. Sie besprachen sich kurz miteinander, klärten einige Fragen über mögliche Strategien, obwohl die Minotauren diese Art des Kämpfens eher den Menschen überließen, sich lieber vollständig den Schwingungen des Gemetzels hingaben und nach seinen Richtlinien den Feind vernichteten.

    Nach kurzem Wortwechsel beschlossen die Brüder, daß Stormwind und seine Truppe vorerst alleine losziehen solle, um den Feind auszukundschaften, bevor dann auch Blackflash ins Kampfgeschehen eingreifen würde.

    In den Ohren Hammers, der die Beratung der Brüder passiv verfolgt hatte und einige Erfahrungen über taktisches Kämpfen während seiner Wanderzeit gesammelt hatte, klang der Plan eher etwas lächerlich und unnötig. Da die Minotauren aber mit solch ärmlichen Taktiken weit besser fochten als die meisten anderen Völker es je konnten, sah er keinen Grund den talentierten, aber unerfahrenen Brüdern mit seinem Wissen beizustehen. Der Schamane hatte vorläufig Wichtigeres zu tun, als sich in die Beratung der Krieger einzumischen. Seine Geschicke waren nun im Behandeln des Wächters gefragt, dem er sich gewissenhaft widmete.

    Da keiner Einwände gegen die Entscheidung der Anführer erhob, gab Stormwind seinem Trupp lautstark den Befehl zum Angriff. Der weiße Minotaur stieg rennend die steinerne Erhöhung zum Ausgang empor und verließ mit Kriegsgeschrei die gewaltige Höhle, stürmte gegen das Angesicht eines unbekannten Feindes an, gefolgt von zahlreichen brüllenden Bestien.

    Das Donnern unzähliger Hufe und die blutigen Schlachtgesänge waren noch lange nachdem der letzte Krieger der ersten Hälfte in der Finsternis des in tiefen Schatten verborgenen Tunnelganges verschwunden war zu hören und trieben die Ungeduld in die Körper der Zurückgebliebenen.

    Stormwind rannte an der Spitze seiner Streitmacht den düsteren Tunnelgang entlang. Er schwang blutrünstig sein Krummschwert, freute sich auf die langersehnte Schlacht. Aber ein warnendes Gefühl, das seine Gedanken wie ein Gift befiel, gab ihm Anlaß zum Nachdenken.

    Welcher Gegner mochte es in diesem Sturm gewagt haben, einen Angriff zu starten? Welches Volk war so kampfeslustig, selbst dem schrecklichen Unwetter zu trotzen, um in die Schlacht zu ziehen? Zentauren? Ja! Es roch förmlich nach diesen vermaledeiten Kreaturen. Die Chance, ihre stinkigen, wüsten Pferdeleiber und ihre häßlichen Menschengesichter zu zerschlagen, würde sie gut dafür entlöhnen, dass sie sich nun der Kälte des Winters aussetzen mussten.

    Er verdrängte das stechende Unbehagen, das er sich einfach nicht erklären konnte, und konzentrierte sich auf den Ausgang, dem er sich rasch näherte. Grelles Licht strömte wie funkelndes Gold durch den felsigen Bogen ins Innere des Ganges, verwandelte die dunkelgrauen Wände zu glitzernden Gebilden, die in einem mystischen Hellgrau schimmerten.

    Sonnenlicht!?

    Stormwind stoppte abrupt und forderte seine Mitstreiter auf, ebenfalls inne zu halten. Mit wütenden Ausrufen verharrte die ganze Kolonne. Die Minotauren verstanden nicht, wieso ihr Anführer den Ansturm abbremste. Ihre Gier nach Kampf trübte ihre Sinne, ließ sie Tatsachen übersehen, auf die der weiße Stiermensch achtete.

    Stormwind blickte genauer durch den Ausgang, ignorierte die grollenden Fragen der Krieger hinter sich. Er war verwirrt und schlich langsam und vorsichtig weiter. Was er erblickte, gefiel ihm überhaupt nicht.

    Kein Schnee fiel vom strahlend blauen Himmel. Die riesigen, dunklen Wolkenverbände waren spurlos verschwunden, als wären sie nur finstere Erinnerungen an vergangene Winter. Der sanfte Luftzug, der ihm ins Gesicht blies, war warm und roch würzig nach duftenden Blumen und blühenden Bäumen.

    Wie war es möglich, dass nun sanfter Frühling das Land bezauberte, wo doch eben noch der frostige Winter seine eisige Herrschaft gefestigt hatte? Welche dämonische Macht vermochte das Wetter in solchem Ausmass zu verändern?

    Stormwind schritt weiter, packte mit der freien Hand sein Amulett, das er um den kräftigen Hals trug. Seine Nüstern waren in strenger Entschlossenheit geweitet, während die gewaltigen Muskelstränge seiner Arme sich zu straffen Kuppen wölbten. Sein Herz pochte dumpf in seinen Ohren.

    Einige der Krieger hinter ihm bemerkten die Wetterveränderung nun ebenfalls und reagierten nicht minder erstaunt. Fragen häuften sich und ein gewisser Schrecken überwucherte ihre

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