Kursbuch 193: 301 Gramm Bildung
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Buchvorschau
Kursbuch 193 - Kursbuch
Impressum
Armin Nassehi
Editorial
Der Joker sticht immer. Er ist im Kartenspiel die Karte, die immer passt. Etymologisch stammt er vom iocus ab, dem Scherz, er ist der Jolly Joker, im Englischen auch lange der jester, also der Hofnarr. Zumindest im deutschsprachigen Bereich ist Bildung der Joker schlechthin – Bildung ist die Strategie, die immer passt: zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, gegen rechts, für sozialen Aufstieg, als Wohlstands- und Karrieregenerator, als Garant für den wohlinformierten Bürger, der öffentlichen Debatten ums gute Leben folgen, sich gar daran beteiligen kann.
Aber ein Spaß ist er wahrlich nicht, dieser Joker, eher von geradezu eschatologischem Ernst. In deutschen Debatten über Bildung geht es gleich um die Humanisierung des Humanums schlechthin – nicht nur der Gebildete ist dann wirklich Mensch, sondern der Mensch ist in der Menschheit durch einen historischen Bildungsprozess erst das geworden, was er ist. Bildung wird zur kulturellen Naturgeschichte der Gattung. Gerade deutsche Bildungsdebatten laborieren noch stark an der geschichtsphilosophischen Überhöhung des Bildungsgedankens, wie er von Johann Gottfried Herder im späten 18. und von Georg Wilhelm Friedrich Hegel im frühen 19. Jahrhundert geprägt wurde. Ersterer unterscheidet gleichwertige historische Epochen, die je eine bestimmte Bildungsgestalt hervorbringen, Letzterer will in jedem einzelnen Menschen gleich den ganzen fortschreitenden Bildungsprozess der Menschheit wiederholen. Von diesem Erbe hat sich der deutsche Bildungsdiskurs nur schwer lösen können und lebt in der bildungsbeflissenen Unterscheidung von Bildung und Ausbildung fort. Das Englische, das Spanische und auch das Niederländische verwenden den deutschen Ausdruck, weil sie für diese Überhöhung gar keinen Begriff haben. Im Englischen fängt das schon sehr früh an, im Kindergarten. Dieser Joker ist kein Spaß.
Vielleicht neigt der Bildungsdiskurs auch deshalb zu Ernst und Strenge, weil Bildungsprozessen jegliche Kausalität fehlt und das Verhältnis von (Bildungs-)Ursache und (Bildungs-)Wirkung sagen wir einmal: kontingent ist. Jedenfalls ist das, was da geformt werden soll, der Mensch, seine Fähigkeiten oder gar die Menschheit selbst, weniger eindeutig formbar als andere Werkstücke. Ernst der Debatte und Strenge der Tat sind vielleicht funktionale Äquivalente genau dafür. Überschätzt wird gerne, was man operativ unterschätzt hat.
Uns ist es darum zu tun, weder zu unterschätzen noch zu überschätzen. Wir haben deshalb genau gemessen: 301 Gramm Bildung bringt dieses Kursbuch auf die Waage. Sage niemand, das sei zu wenig!
Dieses Kursbuch schreibt die Dialektik von Überschätzung und Unterschätzung nicht fort, hat sie aber im Blick. Die Beiträge dieser Ausgabe vereint ein versachlichender Gestus, ein Gestus, der weder an der Überhöhung teilhat noch einfach das Gegenteil behauptet. Er vereint, wie es sich für Bildungsperspektiven gehört, eher historische und eher systematische Perspektiven. Das Aufklärerische an diesem Kursbuch ist also, dass die Beiträge (historisch und systematisch) vergleichen. Historische Perspektiven ermöglichen, anders als geschichtsphilosophische, Selbstdistanzierung. Und systematische Perspektiven kommen wie von selbst auf Perspektivenverschiebungen.
Die eher historisch angelegten Beiträge stammen von Heinz-Elmar Tenorth, von Heiner Barz, Georg von Wallwitz und mir selbst, die Bildungsutopien, reformpädagogische Modelle, die Mathematik aus der Perspektive des klassischen Bildungsideals und die Universität als Bildungsanstalt auf den Begriff zu bringen. Die Beiträge von Ralph Schuhmacher und Elsbeth Stern, von Markus Rieger-Ladich und Gerhard Roth sind eher systematisch angelegt und richten ihren Fokus aufs Lernen, auf den Zusammenhang von Bildungserfahrung und sozialer Herkunft sowie auf die Bedingungen für das, was man »Intelligenz« nennt.
Eine Scharnierfunktion hat der Beitrag von Konrad Paul Liessmann, der mit seiner kleinen Typologie der Bewohner der Bildungsrepublik Bildungspolitiker, Bildungsforscher, Bildungsnahe und -ferne und andere ebenso systematisch wie historisch aufs Korn nimmt. Wenn, dann ist dieser Beitrag ein Joker, da er seine Wertschätzung für diese Bürgerschaft der Bildungsrepublik mit feiner Ironie vorträgt. Liessmann weiß zum Beispiel um die Merkwürdigkeit des Bildungsbürgers, seinen selbstüberhebenden Habitus und seine aus der Zeit gefallene Form, weint ihm aber (und darin auch ein bisschen sich selbst und, ich gebe es zu, auch mir) doch eine Träne nach: »Dem Bildungsbürger gehört deshalb unsere Solidarität im Augenblick seines Verschwindens.«
Bildungsprozesse werden gerne als Selbstbeobachtungsprozesse inszeniert. Diese sind deshalb so interessant, weil es zwischen pädagogischer Bemühung und pädagogischer Wirkung kein Eins-zu-eins-Verhältnis gibt – gottlob, möchte man sagen. Gerade deshalb sind Bildungsperspektiven so sehr auf die biografische Form fixiert – von Pädagogen gerne als Bildungsanlass inszeniert. Man entkommt ihr nicht, der Bildung. Wir sind selbst natürlich leidenschaftliche Pädagogen und haben aus dieser Not(wendigkeit) eine Tugend gemacht und elf Kursbuch-Autoren gebeten, uns ihre Bildungsgeschichte und Bildungserfahrung in kurzen Intermezzi in Text und Bild zu präsentieren. Wir wissen sehr wohl, dass biografische Selbstauskünfte nicht die Vergangenheit wiedergeben, sondern eher Gelegenheiten für gegenwärtige Selbstinszenierungen sind, die die Legitimation des Jetzt in eine jetzt erzeugte Vergangenheit auslagern. Es ist ein Genre mit hohem Scheiternsrisiko. Was uns Karl Bruckmaier, Reiner Merkel, Georg M. Oswald, Daniela Roth, Regina Schmeken, Wolfgang Schmidbauer, Olaf Unverzart, Paula-Irene Villa, Barbara Vinken sowie die beiden Herausgeber Peter Felixberger und ich da präsentieren, bewegt sich genau in der Spannung gegenwärtiger Selbstpräsentation mit den Mitteln der eigenen Vergangenheit als Ermöglichungs- und Verhinderungserfahrung. Vielleicht ist das ja eine Parabel auf »Bildung«. Und vielleicht haben der eine Autor oder die andere Autorin dabei mehr über diese bildungsbeflissene Form gelernt als über sich selbst. Also mir ging es so!
Der »Brief eines Lesers« überspringt eine Ausgabe. In Bildungsbegriffen ausgedrückt: Er hat diesmal das Klassenziel nicht erreicht.
Konrad Paul Liessmann
Die Bundesbildungsrepublik
Ein Streifzug durch (ver)blühende Landschaften
Es ist nun auch schon wieder zehn Jahre her, dass die Bundeskanzlerin die deutsche Bildungsrepublik ausgerufen hat. Dass Republiken von ganz oben ausgerufen werden, ist zwar eher selten, aber in Fragen der Bildung auf eine Initiative von unten zu warten, ist wahrscheinlich wirklich müßig. Bildung wird heute gewährt, nicht erkämpft. Seit ihrer Ausrufung hat sich diese Staatsform angeblich prächtig entwickelt, aus einer geistigen Wüste sollen blühende Landschaften geworden sein. Allmählich aber stellt sich die Frage, wer in dieser Republik nun eigentlich lebt. Versuchen wir eine Bestandsaufnahme der Wohnbevölkerung der Bildungsrepublik und beginnen wir, auch wenn dies wenig republikanisch anmuten mag, mit jenen lichten höheren Regionen, denen diese Republik ihre Existenz verdankt.
Die Bildungspolitiker
Setzen wir dort an, wo die Verantwortung für das gedeihliche Leben und Denken in der Bildungsrepublik übernommen wird, in der Politik. So leicht es ist, eine Bildungsrepublik auszurufen, so schwer ist es, diese dann mit Leben zu erfüllen. Minister und hohe Beamte stehen dabei vor keinen geringen Problemen. Von allen Seiten werden sie bedrängt, doch endlich das Richtige zu tun. Einmal ist es die Öffentlichkeit, dann sind es die Medien, einmal die Experten, dann die zahlreichen Stiftungen und Testkonsortien, einmal twitternde Gymnasiastinnen, dann wieder mächtige Verbände, die von der Politik die richtigen Reformen, die richtigen Initiativen, die richtigen Strukturen, die richtige Didaktik, die richtigen Universitäten, die richtigen Schulen, die richtige Ausbildung fordern – wobei sich »richtig« immer auf die eigenen, begrenzten und ideologisch gesättigten Interessen der Fordernden bezieht.
Vor allem kämpft die Bildungspolitik mit jenem Zeitgeist, den sie oft genug selbst beschworen hat und der ihren Handlungsspielraum nun empfindlich einengt. Dieser Zeitgeist artikuliert sich in den Phrasen, mit denen die Bildungspolitiker landauf, landab die Menschen versorgen: Dass Bildung die wichtigste Ressource für ein rohstoffarmes Land sei, dass Bildung niemanden ausschließen dürfe, dass Bildung zuständig für alle Formen der Integration und Inklusion sei, dass Bildung die sozialen Defizite der Gesellschaft ausgleichen könne, dass Bildung der Schlüssel für eine gedeihliche Zukunft sei, dass Bildung Wettbewerbsvorteile für alle verschaffe, dass Bildung gegen politische Vereinfacher und Verführer schütze und dass all dies gelingen könne, wenn sich die Bildung nur endlich modernisierte und auf Digitalisierung und Kompetenzen setzte. Dadurch werden die Bildungspolitiker zum Opfer ihrer eigenen Glaubenssätze. Sie versprechen einfach zu viel, was andere – die Lehrer und Schüler, die Professoren und Studenten – dann halten sollen. Das geht in der Regel nicht gut und verschärft den Druck.
Die Qualität eines Bildungspolitikers wird an den institutionellen Reformen gemessen, die er initiiert und durchführt oder wenigstens begleitend beforschen lässt. Um der in Deutschland ja immer drohenden Bildungskatastrophe zu entgehen, setzt der Bildungspolitiker Bildung mit ihrer Reform gleich. Jede pädagogische Mode artikuliert sich deshalb gleich als Reformvorhaben, das der Bildungspolitik zur Realisierung überantwortet wird. Und da kein Bildungspolitiker als Reformverweigerer – dies wäre ein politisches Todesurteil – erscheinen möchte, jagt eine Reform die andere, werden Lehr- und Studienpläne ständig verändert, adaptiert, neu gefasst und neu geschrieben, Unterrichtsmethoden werden einerseits dem pädagogischen Innovationsfuror, andererseits dem technischen Fortschritt gnadenlos angepasst, Schulformen und Studienrichtungen werden in großer Zahl neu produziert, Unterrichtsfächer neu definiert, wild zusammengewürfelt, abgeschafft oder infrage gestellt, Lehrer werden nicht mehr für die Vermittlung von Fachwissen und Kulturtechniken, sondern für soziale Kompetenzen welcher Art auch immer ausgebildet, und alle Beteiligten werden einem ständigen Verunsicherungsprozess unterworfen. Das macht das Regieren leicht, den Erwerb von Bildung aber schwer. Dass dieser dennoch immer wieder gelingt, hat weniger mit den Erfolgen der Bildungspolitiker zu tun, sondern wohl eher damit, dass sich viele Beteiligte und Betroffene den Vorgaben der Politik ohne große Worte stillschweigend widersetzen und das tun, was sie für richtig halten und immer getan haben.
Die Bildungsforscher
Kaum ein Wissenschaftszweig erlebte in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung wie die empirische Bildungsforschung. Zum einen verdankt sich dieser einer einfachen Umbenennung: Aus Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern wurden Bildungsforscher. Keine Frage, das klingt wesentlich besser. Während auch für denjenigen, der die Etymologie von Pädagogik nicht genau kennt, in dieser noch der Knabe, das Kind mitschwingt, das auf den rechten Weg geführt werden soll, hat Erziehung seit den 1960er-Jahren ohnehin einen schalen Beigeschmack. Nur als antiautoritäre konnte sie reüssieren, und junge Menschen heute noch erziehen zu wollen, verträgt sich weder mit dem Glauben an die kindlichen Talente und Begabungen, die nur ihrer Entfaltung harren, noch mit der Autonomie der kleinen Subjekte, die keine pädagogischen Vorgaben mehr verträgt. All diese zweideutigen und missliebigen Konnotationen hat der Bildungsforscher abgeworfen, die Bildung zu erforschen, oder noch besser: zu beforschen, ist doch ganz etwas anderes, als sich zu fragen, wie eine junge Generation belehrt oder erzogen werden soll. Zum anderen gründet die Karriere der Bildungsforscher in einer ebenso einfachen wie bestechenden Überlegung: Man muss nicht wissen, was Bildung ist, es genügt, sie zu messen. Also wird tagaus, tagein gemessen, was irgendwie in den Verdacht gerät, dass es dabei um Bildung gehen könnte.
Messen kann man das, was ohnehin geschieht, oder das, was man in einem eigens konstruierten Testverfahren zur Messung arrangiert. Alles dient der Erhebung von Daten, die wieder der Bildungspolitik als Entscheidungshilfe offeriert werden. Und deshalb wird seit geraumer Zeit getestet und evaluiert, verglichen und erhoben, korreliert und prognostiziert, dass es nur so eine Freude ist. Die Lernleistungen der Dreijährigen werden ebenso flächendeckend getestet wie die Schlüsselkompetenzen der 15-Jährigen, die Teamkompetenzen der deutschen Jugend sind ebenso Gegenstand internationaler Vergleichsstudien wie die mathematischen Fähigkeiten von Studienanfängern, die finanziellen Aufwendungen pro Schüler werden ebenso erhoben wie die Lebensarbeitszeiten von Lehrern mit und ohne Pausen, die Abiturnoten vor und nach der Zentralisierung von Reifeprüfungen müssen genauesten erfasst werden, ebenso die Studienzeiten vor und nach der Einführung Bologna-konformer Studienpläne.
Das Ergebnis all dieser aufwendigen und angestrengten Bildungsforschung kann sich dann auch sehen lassen. Noch nie, so können wir zusammenfassend lesen, war eine Generation – zählt man die tertiären Abschlüsse – so gebildet wie heute, noch nie war aber auch die Rate der funktionalen Analphabeten so hoch, die Abiturnoten werden immer besser, die Studierfähigkeit nimmt aber ab. Auch in der Bildungsrepublik kommt es – und für dieses Wissen sei den Bildungsforschern gedankt – zu messbaren Unterschieden zwischen den Menschen, und irgendwie bewegt sich Deutschland bildungsmäßig immer im Mittelfeld. Aber wenn nichts geschieht, wird es untergehen. Reformbedarf ist angesagt.
Die Bildungsexperten
In der Bildungsrepublik wimmelt es von Bildungsexperten. Noch nie verstanden so viele Menschen so viel von Bildung wie heute. Überall treiben sich die Bildungsexperten herum, in den Redaktionsstuben und bei Elternabenden, in den Vorzimmern der Macht und in den Feuilletons, in den Talkshows und auf dem Campus. In früheren Leben waren sie Psychologen oder Hirnforscher, Philosophen oder Unternehmer, Physiker oder Esoteriker, nun wissen sie, wie Bildung endlich gelingt. Es gibt, bei allen herkunftsbedingten Unterschieden, einige markante Grundüberzeugungen, die die Bildungsexperten teilen. Fast alle sind gute Rousseauisten, das heißt, sie sind überzeugt davon, dass Neugeborene, Babys und Kleinkinder wunderbare, umfassend kompetente, mehrfach begabte, hoch talentierte und kreative Wesen sind, die allein durch ein antiquiertes Bildungssystem korrumpiert, gebrochen und zerstört werden. Die Welt des Bildungsexperten ist eine, in der alle Menschen nur mehr in ihrer Besonderheit gleich sind. Alle sind hochbegabt, aber jeder auf seine Weise. Unter solchen Prämissen wundert es nicht, dass der pädagogische Zeitgeist, flankiert von Genetik und Hirnforschung, nichts so sehr fürchtet wie den Durchschnitt und das Mittelmaß. Normalität ist das neue Schreckgespenst einer Zeit, in der Besonderheit zur Norm geworden ist: Nur nicht in die Durchschnittsfalle tappen, nur nicht gewöhnlich sein, nur nicht Mittelmaß, da wir doch im globalen Wettbewerb nur noch mit dem Außergewöhnlichen punkten können. Wir können es uns nicht mehr leisten, Talente zu verschenken – so das Credo, das schon besser den eigentlichen Hintersinn dieser Kinderfreundlichkeit erkennen lässt.
Gemeinsam ist den Bildungsexperten eine grundsätzliche Kritik an den rezenten Bildungseinrichtungen: Diese seien antiquiert, dem Geist der Kasernenschulen des 19. Jahrhunderts verhaftet, es dominiere dort noch immer der Frontalunterricht, die einzelnen Schüler würden in ihrer Besonderheit und Individualität weder wahrgenommen noch gefördert, die neue Welt mit ihren wunderbaren technischen Möglichkeiten gehe spurlos an diesen Einrichtungen vorüber, und Kreativität werde flächendeckend vernichtet. Genau deshalb aber fordert der Bildungsexperte nicht nur die eine oder andere weitere Reform, nein, er fordert die »Bildungsrevolution«. Kein Stein soll auf dem anderen bleiben, alles muss sich ändern: wie gelernt wird, was gelernt wird, wo gelernt wird, mit wem gelernt wird. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, und vorstellen kann man sich vieles. Entscheidend dabei sind vor allem zwei Ansatzpunkte: Die zunehmende Identifizierung von Lernen und Leben und das damit einhergehende Verschwinden des Lehrers und der Schule. Wenn es nichts mehr zu vermitteln gibt, weil nur noch solche Fragen interessieren, die sich dem jungen Leben unmittelbar stellen, dann wird auch der Lehrer überflüssig. Er hat nichts mehr zu lehren, denn das Leben lernt sich ja ohnehin von selbst. Nein, nicht ganz von selbst, ein bisschen Betreuung kann dann doch nicht schaden. Der Lehrer wird nach dem Willen der Bildungsexperten deshalb zum Coach, zum »Lernbegleiter«, der Schüler wird zum »Lernpartner«. Man begegnet sich auf Augenhöhe, der Lernbegleiter bietet nur dann Hilfe an, wenn der Lernpartner sie von sich aus einfordert. Im Prinzip aber lernt der Lernende autonom und selbstbestimmt, und er kontrolliert auch selbst seinen Lernfortschritt.
Die Bildungsexperten und ihre Adepten in der Politik und der Öffentlichkeit haben es geschafft, dass es einige pädagogische Glaubenssätze gibt, denen nur mehr um den Preis, als hoffnungslos reaktionär zu gelten, widersprochen werden könnte. Dazu gehören die beliebten Thesen, dass es nichts Schlimmeres