Rechtsextremistische Tendenzen bei der Alternative für Deutschland: Eine inhaltsanalytische Untersuchung von Redebeiträgen der AfD-Fraktionen zu Regierungserklärungen in den Landtagen von Thüringen und Sachsen
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Über dieses E-Book
Christoph Schiebel
Der Autor des Buchs, Christoph Schiebel, geb. 1988, ist Politikwissenschafter und verfügt in diesem Bereich über einen M.A. der KU Eichstätt-Ingolstadt. Er forscht zu Rechtspopulismus, Extremismus und politischer Kommunikation in der Vergleichenden Politikwissenschaft.
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Buchvorschau
Rechtsextremistische Tendenzen bei der Alternative für Deutschland - Christoph Schiebel
Rechtsextremistische Tendenzen bei der Alternative für Deutschland
Rechtsextremistische Tendenzen bei der Alternative für Deutschland (AfD)
1. Einführung
2. Untersuchungsrahmen
3. Theoretischer Rahmen
4. Methodischer Rahmen
5. Vergleichende Fallanalyse bezüglich Redebeiträgen aus den Landtagen von Thüringen und Sachsen
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Impressum
Rechtsextremistische Tendenzen bei der Alternative für Deutschland (AfD)
Eine qualitative Inhaltsanalyse von Redebeiträgen der AfD-Fraktionen zu Regierungserklärungen in den Landtagen von Thüringen und Sachsen
2., überarbeitete Aufl: 2019
Erscheinungsjahr der 1. Aufl.: 2018
Verfasser: Christoph Schiebel
1. Einführung
„Neben einem Extremismus mit teilweiser Bereitschaft zur Gewalttätigkeit und gewissermaßen klassisch verfassungsfeindlichen Tendenzen steht vor allem der Aufstieg rechtspopulistischer Sammlungsbewegungen, die nicht auf Ideologien, sondern auf das Mobilisieren von Ängsten, Vorbehalten und Stimmungen setzen, dabei aber selbst in Inhalt wie Form zunehmend extremistische Tendenzen zeigen." ¹ Eckhard Jesse
Im Jahre 1993 differenzierte der Extremismus- und Parteienforscher Eckhard Jesse in diesem sehr aktuell anmutenden Statement zwischen Rechtsextremismus einerseits und Rechtspopulismus andererseits.² Angesichts einer sich zuspitzenden Asyldebatte kam es damals in Deutschland zu Wahlerfolgen von Rechtspopulisten. Des Weiteren nahm rechtsextremistisch motivierte Gewalt zu.³ Jesse arbeitete heraus, dass rechtspopulistische Bewegungen eine steigende Zahl extremistischer Tendenzen aufgewiesen hätten.⁴
An jene Befunde anknüpfend, wird in der vorliegenden Studie die Alternative für Deutschland (AfD) qualitativ anhand von ausgewählten Beispielen auf rechtsextremistische Elemente hin untersucht. Den Forschungsgegenstand stellt dar, inwieweit sich die AfD-Landtagsfraktionen in Thüringen und Sachsen unter Umständen radikalisiert haben oder ihrem Gedankengut verbunden geblieben sind. Dem Autor geht es nicht um die harte Form des Extremismus, die jedes Merkmal der jeweiligen Extremismusvariante erfüllen würde, sondern um die weiche. In Anbetracht eines solchen Untersuchungsrahmens sprechen Uwe Backes und Eckhard Jesse von extremistischen Tendenzen.⁵ Deswegen werden ausgewählte Statements der AfD-Fraktionen in den Landtagen von Thüringen und Sachsen auf rechtsextremistische Tendenzen hin untersucht.
Eine Vielzahl von Studien gibt es bereits zu rechtsextremistischen und -populistischen Parteien. Verbreitet sind Inhaltsanalyse, wobei diese meistens entweder qualitativ oder quantitativ durchgeführt werden. Die Validität der AfD-bezogenen Werke waren allerdings 2016, als diese Studie verfasst wurde, nicht so hoch wie die etablierter Standardwerke einzuschätzen.⁶ Jene Defizite liegen auch daran, dass es sich bei der AfD um eine erst 2013 gegründete und somit relativ neue Partei handelt.⁷
In der (Rechts-)Extremismusforschung zählt Cas Mudde zu den Vertretern der qualitativen Inhaltsanalyse als Forschungsmethode. Muddes 2007 erschienenes Buch Populist Radical Right Parties in Europe stellt mit seinen Analysen zu zahlreichen europäischen Parteien im nicht moderaten rechten Spektrum ein Standardwerk der Radikalismus-, Populismus- und Extremismusforschung dar und bietet möglichst umfassende typologische Ansätze.⁸
Des Weiteren waren Forschungsansätze und -resultate hinsichtlich der AfD vorhanden. Bereits zum Europawahlkampf der AfD 2014 gab es eine qualitative Inhaltsanalyse Susanne Merkles. Die AfD wured in Merkles Studie mithilfe theoretisch hergeleiteter Kategorien auf Rechtspopulismus untersucht. Die drei Kategorien, die Populismus primär als politischen Kommunikationsstil definieren, waren einem Vergleich populistischer Ausprägungen belgischer Parteien entlehnt.⁹ Analysiert und kategorisiert wurden der Volksbezug, die feindliche Einstellung den Eliten gegenüber sowie der begriffliche Ausschluss von anderen Bevölkerungsgruppen aus dem Volk. Das untersuchte Kampagnenmaterial umfasst Pressemitteilungen, Wahlplakate und den einzigen Wahlwerbespot. Merkle stellte fest, dass sich Organisationsform, politischer Stil und Ideologie nicht voneinander klar trennen ließen. Zudem wurden keine fremdenfeindlichen Statements im AfD-Wahlkampf nachgewiesen, wenngleich Populismus häufig festgestellt wurde. Bei den vielen Äußerungen, welche die von Merkle aufgestellten Merkmale des Populismus erfüllten, handelte es sich allerdings nicht um klassischen Rechtspopulismus. Stattdessen sprach Merkle von einem neoliberalen Populismus, der sich in einem Anti-Eliten-Denken manifestiere.¹⁰
Konkret zur Person Höckes und thüringischen AfD existierten bereits einige Rechtsextremismusanalysen. Die Verfasser standen allerdings den Auftraggeber betreffend in zumindest mittelbarer Verbindung mit anderen Parteien und der Staatsregierung Thüringens.¹¹ Matthias Quent et al. boten eine kurze Zusammenfassung und Analyse zu den angenommenen rechtsextremistischen Tendenzen Höckes und der Thüringer AfD-Fraktion anhand von Redenausschnitten. Darüber hinaus wurde eine Verbindung Höckes zu Rechtsextremisten und NPD-Kreisen ermittelt.¹² Mit der Kategorisierung von Statements unterschiedlicher Schärfe und Radikalität unter anderem als völkisch rassistisch, wurden jedoch auch solche Äußerungen dem Rechtsextremismus zugerechnet, die nach dem für diese Arbeit zu erstellenden Codebuch zum demokratischen Spektrum gezählt würden sind und tendenziell differenzierte Kritik formulierten.¹³
Wenn auch Studien exisiterten, die sich rechtsextremistischen Tendenzen bei der AfD widmeten und insbesondere die Person Höckes untersuchten, fehlte ein umfassendes Bild zur Radikalisierung und zum Rechtsextremismus bei einer Partei, der häufig nachgesagt wurde, sie sei inzwischen zumindest am rechten Rande
angelangt.¹⁴ Zu diesem Zweck müssten die Forschungsergebnisse weiterer Arbeiten addiert werden, die noch Forschungsdesiderat waren. Eine vergleichende qualitative Inhaltsanalyse von Redebeiträgen der AfD-Fraktionen in den Landtagen Thüringens und Sachsens könnte dazu einen Beitrag leisten, der sich darauf verstehen würde, ergebnisoffen einzelne Personen auf rechtsextremistische Tendenzen hin zu analysieren und vergleichen, sowie den politischen Kurs der AfD-Fraktionen im Parteienspektrum offenzulegen.
Für den theoretischen Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse wurden vor allem die Werke Uwe Backesʼ¹⁵, Eckhard Jesses¹⁶ und Armin Pfahl-Traughbers¹⁷ berücksichtigt. Philipp Mayrings Werk bot primär den Rahmen für die qualitative Inhaltsanalyse.¹⁸ Gleichwohl wurde darauf geachtet, auch eigene Erkenntnisse und Überlegungen sowie weitere Autoren in die Arbeit einfließen zu lassen.
Die Voraussetzungen zur Durchführung einer vergleichenden Analyse setzten sich aus dem Hintergrund der Forschung, den theoretischen Grundlagen und der Methodik zusammen. Diese adaptierte Vorgehensweise ist von Sandra Steigleder inspiriert. Steigleder verfasste unterschiedliche Inhaltsanalysen nach dieser Dreiteilung in ebensolcher Abfolge, sofern diese eine theoretische Ausgangsbasis besitzen würden. Abzulesen ist dieser Ansatz am einfachsten an der Gliederung ihres Werkes zur Inhaltsanalyse selbst. Die präzise Strukturierung kann je nach sozialwissenschaftlichem Fachbereich unterschiedlich ausfallen. Die Struktur richtet sich auch nach theoretischen, methodischen und gegenstandsbezogenen Bedingungen. Eine solche wie im Folgenden anzuwendende Standardherangehensweise hat sich allerdings im Allgemeinen bei komplexen Arbeiten durchgesetzt.¹⁹
In der vergleichenden Fallanalyse selbst wurde im ersten Schritt der Zeitraum ab Beginn der Legislaturperiode der Landtage in Thüringen und Sachsen bis Jahresende 2014 untersucht. Darauf folgte der Zeitraum bis zur Abwahl des damaligen AfD-Sprechers Bernd Lucke als Vergleichs- und Analyseeinheit, die mit dem Auftreten der Flüchtlingskrise ungefähr zusammenfiel. Im nächsten Schritt wurden Protokolle ab der Abwahl Luckes analysiert und verglichen, die sich auf Plenarsitzungen vor dem Jahreswechsel 2015/16 und damit vor den Ereignissen von Köln in der Silvesternacht bezogen. Dann wurden zum Abschluss der Analyse die Redebeiträge bis zur Sommerpause der beiden Parlamente 2016 untersucht. Die Zwischenergebnisse werden nach jeder Analyseeinheit zusammengefasst. Vor dem Fazit, das die finalen Ergebnisse der Arbeit präsentiert und einschätzt, sowie einen Ausblick bietet, erfolgt der Test der Gütekriterien.
2. Untersuchungsrahmen
Die Erfassung und Abgrenzung des Forschungsobjekts dienen qualitativen Studien und Vergleichen als unerlässliche Ausgangsbasis.¹ In dem vorliegenden Vergleich handelt es sich beim zu untersuchenden Gegenstand um die Redebeiträge der thüringischen und sächsischen AfD-Landtagsfraktionen in Erwiderung von Regierungserklärungen sowie Zwischenrufe währenddessen.² Im nächsten Schritt wird der Forschungskontext³ dargestellt, der Berührungspunkte mit der Partei- und Extremismusforschung bietet.⁴
2.1 Untersuchungsgegenstand
Die Untersuchung betrifft Plenarprotokolle der Landtage von Thüringen und Sachsen aus der 6. Wahlperiode bis zur Sommerpause der Parlamente im Jahre 2016. Die Redebeiträge der thüringischen und sächsischen AfD-Landtagsfraktionen zu den Regierungserklärungen werden auf rechtsextremistische Elemente untersucht. Zudem werden Zwischenrufe und Kommentare innerhalb der Regierungserklärungen seitens der AfD-Fraktionen auf rechtsextremistisches Gedankengut überprüft. Sechs Protokollen aus dem Thüringer Landtag⁵ stehen fünf sächsische Plenarprotokolle⁶ gegenüber. Bei den letzten zwei Protokollen aus dem Thüringer Landtag steht für den Kodierzeitraum die Arbeitsfassung zur Verfügung. Bis auf jeweils einen Beitrag werden die Fraktionsstatements in Thüringen und Sachsen von den Fraktionsvorsitzenden und Landessprechern Björn Höcke und Frauke Petry⁷ gehalten. Außer dem Plenarprotokoll vom 1. September 2015 aus dem Sächsischen Landtag beinhaltet jedes Protokoll eine Regierungserklärung und eine Erwiderung der jeweiligen AfD-Fraktion. In jenem Falle handelt es sich um zwei Repliken auf drei Regierungserklärungen.
Im Folgenden werden die Gründe für den Quellenkorpus der Untersuchung dargelegt. Die ausgewählten Statements der AfD-Fraktionen in den Landtagen von Thüringen und Sachsen zu Regierungserklärungen sind auf rechtsextremistische Tendenzen zu untersuchen.⁸ Ferner wird der Inhalt der Regierungserklärungen zusammengefasst, damit er anschließend in Beziehung zum eigentlichen Textmaterial der Untersuchung gesetzt werden kann. Auffällige Reaktionen im weiteren Protokollverlauf sind ebenfalls zu berücksichtigen. Die Ergebnisse sind unmittelbar nach den Analyseschritten miteinander zu vergleichen. Entsprechend ist der Vergleich in Zeiträume, in denen die Reden gehalten wurden, zu gliedern. Da es sich bei Antworten auf Regierungserklärungen um offizielle Fraktionsstatements handelt,