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Germaine Berton: Die rote Jungfrau
Germaine Berton: Die rote Jungfrau
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eBook80 Seiten1 Stunde

Germaine Berton: Die rote Jungfrau

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Über dieses E-Book

Im Januar 1923 erschoss die einundzwanzigjährige Germaine Berton einen Wortführer der rechtsnationalen »Action Française« und versuchte anschließend, sich selbst zu töten. Dieser politische Mord erschütterte die Dritte Republik und ist bis heute in Frankreich ein kontrovers diskutierter Kriminalfall. Die junge Frau hatte eigentlich den Kriegstreiber, Monarchisten und Antisemiten Léon Daudet töten wollen, um mit einem Fanal den Tod des Sozialisten und Pazifisten Jean Jaurès zu rächen, der im Sommer des Jahres 1914 ermordet worden war. Sie sah in den nationalistischen Kriegstreibern die wahren Schuldigen an dem großen Gemetzel. Der Strafprozess wurde zum politischen Tribunal und endete mit einem Freispruch.
In hohem Tempo und mit expressionistischer Wucht erzählt Yvan Goll das Leben der Germaine Berton und schildert, wie sie sich radikalisierte und schließlich existentiell zur Tat getrieben wurde. Atemlos wird auch der Prozess geschildert, während vor den Türen des Gerichts die erregten Massen das Urteil erwarten.
Golls fesselnder Bericht erschien 1925 in der von Rudolf Leonhard herausgegeben legendären Buchreihe »Außenseiter der Gesellschaft« im Verlag die Schmiede in Berlin. Die Neuausgabe verwendet den von Georg Salter gestalteten historischen Umschlag.
SpracheDeutsch
HerausgeberWallstein Verlag
Erscheinungsdatum2. Mai 2017
ISBN9783835340688
Germaine Berton: Die rote Jungfrau
Autor

Yvan Goll

YVAN GOLL (1891–1950) war ein deutsch-französischer Dichter und der Ehemann von Claire Goll. Als Pazifist vor dem Wehrdienst fliehend, emigrierte er zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 in die Schweiz, wo er in Zürich, Lausanne und Ascona lebte.

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    Buchvorschau

    Germaine Berton - Yvan Goll

    Selbstbildnis mit eigenhändiger Signatur Germaine Bertons

    und Datum: 20 / 7 / 22

    Yvan Goll

    Germaine Berton

    Die rote Jungfrau

    Herausgegeben und

    mit einem Nachwort von

    Barbara Glauert-Hesse

    Die fünf im Text stehenden Zeichnungen

    sind Arbeiten von L. Berings

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

    sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Erste Auflage 2017

    © Wallstein Verlag, Göttingen 2017

    www.wallstein-verlag.de

    isbn (Print) 978-3-8353-1984-4

    isbn (E-Book, pdf) 978-3-8353-4067-1

    isbn (E-Book, epub) 978-3-8353-4068-8

    Inhalt

    Germaine Berton

    Iwan Goll »Prozess Germaine Berton«

    in: Das Tage-Buch (Berlin), 5 (5. 1. 1924)

    Nachwort

    Nach dem Krieg. Nach dem Frieden. Frankreich fiebert. Fieber ist der Kampf zwischen heiß und kalt. Geht es nach rechts? Geht es nach links? Eine bestimmte Krankheit ist nicht zu konstatieren, aber um so gefährlicher ist jeder Millimeter der Kurve. Das Tamtam des Sieges ist groß, aber das Schweigen der Massen ist imposant. 1920 wirft ein Streik einen roten Schein in die Nacht. Paris ist die Stätte der ehrfurchtgebietenden Patina, die ererbten Ideologien leben im Volke weiter, wie Bart und Nägel an den Kadavern weiter wachsen. In Wirklichkeit hat die russische Revolution die Weltgeschichte mit einem Ruck um Jahrhunderte weiter gebracht: aber Frankreich lebt noch nach alten Kalendern, mit den entwerteten dreiprozentigen Renten und einer Ideologie, die aus feinem Weißbrot ist, aber schon acht Tage altem, ungenießbar gewordenem Weißbrot, an dem man sich die Zähne zerbricht. Die sozialistischen Köpfe selbst leben von ererbtem Gut, von Jules Guesde und Vaillant, und glauben an die Namen von vor 1914. Aber von der Front stürmen junge Männer zurück, die riechen nach Blut, die haben einen Wind vom weiten Europa herüberwehen hören, und schütten ihn jetzt auf den öffentlichen Plätzen aus, in den Wahlversammlungen, in den Meetings. Sie sind die Abgeordneten der Kriegsbetrogenen, im Ballsaal der Geretteten. Sie gründen Clarté, mit Barbusse zusammen. Es ist eine wirre, neblige Zeit. Das Gespenst der Revolution wird auf den Boulevards herumgetragen: eine freche, rotbärtige Fratze, mit einem Messer zwischen den Zähnen, das ist das Wahlplakat der Reaktion gegen den Kommunismus. Der Bürger hat aber genug Blut gehabt, er braucht Ruhe. Die Amerikaner haben Montmartre besetzt gehalten, und die Hotels Meublés, die Bäckereien, die Dancings verzehnfachen ihre Einnahmen. Das Volk wählt für die berühmte Ordnung der Kassa.

    Der Zorn des Parti Socialiste schlägt nach innen. Das Geschwür ist nicht gereift, die Blutzirkulation ist zerstört und vergiftet. Nun kommen Handel und Händel mit Moskau. Auf dem berühmten Kongreß von Tours tritt der Parti in die III. Internationale ein. Aber nur die Partei: dem individualistischen Franzosen behagt kein Papsttum, er versucht die eisigen Dekrete Rußlands auf seine Körper- und Seelenmaße umzumildern. Die Diktatur meint es anders. Und langsam krachen die Fugen des Hauses. Die linke Minorität hat einen Augenblick noch die Oberhand und erobert definitiv im nächsten Pariser Kongreß die Humanité mit allem Drum und Dran, und die tatsächliche Erbfolge Jaurès. Der Parti Socialiste, mit Blum und Renaudel, glitscht langsam in den Parlamentarismus zurück.

    Viele Arbeiter, angeekelt von den politischen Umtrieben der Führer, sehen sich nach was anderem um. Da ist die Anarchie. Sie ist eine lockende Illusion, sie negiert Staat, jegliche Autorität und proklamiert die Freiheit des Individuums. Ziel: die arbeitenden Massen sollen Arbeitsgemeinschaften bilden und alle Produktionsmöglichkeiten an sich reißen. Keine Politik, direkte Tat. Es ist nur eine Illusion. Aber sie tröstet. Viele kommen zu ihr.

    In den Pariser Faubourgs gedeiht eine eigentümliche Fauna. Nirgends, wie sonst in Vorstädten, der Geruch von Armut oder Elend. Fast ein behäbiges Leben. Die proletarischen Allüren immer menschlich und zivilisiert. Irgendwo ist der kleine Mann immer ein Monsieur. Äußerlich fast ein Bürger: auch die Casquette, auch der rote Gürtel sind elegant. Sonntags nimmt man den Amer Picon auf der Terrasse der Cafés und bringt ein Dutzend Austern zu 1 Franken heim. »Ich will, daß jeder am Sonntag seine frischen Austern habe,« könnte Herriot ausrufen. Aber dazu liest man die »Humanité«. Und das Frondeurherz ist leicht in Schwingung zu bringen. Die Luft von Paris erinnert immer an Frühling. In den Faubourgs wächst viel Flieder. Die Seine ist ein grüner Sirenenleib. Der Mont Valérien und hinter ihm die wilden Hügel von Saint Cloud besänftigen jedes Auge. Es gibt kein Whitechapel, kein Moabit. Es gibt zwar die Fortifikationen, hinter denen in einem unentwirrbaren Dschungel von seltsamen, aus Latten, Planken, Papier und Wellblechstückchen zusammengesetzten Hütten eine bis zum heutigen Tage (so geht die Sage) von der Polizei noch nicht durchforschte Menschheit lebt. Aber ich glaube, daß diese Apachenwelt mehr der Romantik angehört als der Wirklichkeit.

    In diesen Faubourgs wurde Gemaine Berton groß. Sie ist am 7. Juni 1902 in Puteaux geboren. Ihr Vater besaß ein kleines Atelier für mechanische Reparaturen. Er hatte einen solchen Drang zur Unabhängigkeit, daß er es in einer großen Fabrik nicht aushielt und lieber so sein Leben fristete. Auch blieb er nicht lange an einem Ort. Er zog später nach

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